Protocol of the Session on October 19, 2006

Ja, auf diese in die Zukunft gerichteten Fragen, wie sieht es übermorgen aus, das ist natürlich schwierig zu beantworten. Auszuschließen ist es natürlich nicht.

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Kuschel, Die Linkspartei.PDS, entsprechend Drucksache 4/2351. Bitte, Abgeordneter Kuschel.

Wechsel bayerischer Gemeinden nach Thüringen

Nach Presseinformationen prüfen mehrere Gemeinden aus dem Landkreis Kronach (Freistaat Bayern) einen Wechsel nach Thüringen. Dieser mögliche Wechsel wird mit der Vernachlässigung der Region durch den Freistaat Bayern begründet. Die Finanzausstattung und die Fördermittelpolitik des Freistaats Bayern wären für die Region nicht mehr zumutbar. Thüringen hingegen würde höhere Fördermittel ausreichen, was zu einer Abwanderung von Unternehmen aus Nordbayern nach Thüringen zur Folge hätte.

Ich frage die Landesregierung:

1. Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen könnten Gemeinden aus Bayern nach Thüringen wechseln?

2. Unter welchen Voraussetzungen würde die Landesregierung den Wechsel von bayerischen Gemeinden nach Thüringen befördern bzw. unterstützen und wie wird diese Auffassung begründet?

3. Inwieweit kann die Landesregierung bestätigen, dass in Thüringen höhere Fördermittel als in Nordbayern ausgereicht werden und es deshalb zu einer Abwanderung von Firmen aus Bayern nach Thüringen kommt?

4. Wie viele Firmen mit wie vielen Arbeitsplätzen haben seit 1999 ihren Sitz von Nordbayern nach Thüringen verlegt?

Für die Landesregierung antwortet das Innenministerium. Bitte, Herr Minister Gasser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Gebietsänderungen zwischen Ländern und damit der Wechsel von Gemeinden sind auf der Rechtsgrundlage von Artikel 29 Abs. 7 Grundgesetz möglich, sofern das Gebiet, dessen Landeszugehörigkeit geändert werden soll, nicht mehr als 50.000 Einwohner hat. Voraussetzung hierfür wäre ein Staatsvertrag der beteiligten Länder oder ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrats.

Zu Frage 2: Der Landesregierung liegt keine diesbezügliche Anfrage aus Bayern vor, so dass hierzu keine Meinungsbildung angezeigt ist.

Zu Frage 3: Es ist richtig, dass in Thüringen ein höherer Subventionswert für Regionalbeihilfen zulässig ist. Das ergibt sich aus der von der Europäischen Kommission genehmigten Fördergebietskarte für den Zeitraum 2000 bis 2006. Auch in der kommenden Förderperiode 2007 bis 2013 wird in Thüringen eine höhere Förderung zulässig sein.

Eine Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GA) darf für Investitionen im Rahmen von Verlagerungen aus bayrischen Fördergebieten nur im Einvernehmen mit Bayern mit einem höheren als dem in Zielfördergebieten zulässigen Fördersatz erfolgen. Es ist nicht auszuschließen, dass Unterneh

men nach Thüringen abgewandert sind oder aber zusätzliche Zweigstellen bzw. Betriebsstätten in Thüringen errichtet haben.

Bei den Investitionsentscheidungen spielt neben der Investitionsförderung, Investitionszulage und eventuell dem GA-Zuschuss erfahrungsgemäß u.a. auch die günstige Verkehrsinfrastruktur in Thüringen eine Rolle.

Zu Frage 4: Dies ist nicht bekannt.

Nachfragebedarf beim Abgeordneten Kuschel. Bitte, Herr Abgeordneter Kuschel.

Danke, Frau Präsidentin. Herr Minister, sehen Sie denn die Notwendigkeit, mit dem Freistaat Bayern über diese aufgeworfene Problematik zumindest zu reden, bzw. finden vielleicht derartige Gespräche schon statt, weil die Vorwürfe der bayrischen Gemeinden sich auch an Thüringen richten?

Das kann man mit Nein beantworten. Es besteht aus Thüringer Sicht kein Anlass, derzeit darüber zu reden.

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Blechschmidt, Die Linkspartei.PDS, entsprechend Drucksache 4/2381. Das ist die letzte Frage, die wir heute behandeln.

Danke, Frau Präsidentin.

Rechtliche Einordnung des Sportwettenmonopols im Lichte des geplanten Lotterie-Staatsvertrags

Vor allem unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 zum Sportwettenmonopol ist zurzeit ein neuer Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland im Entstehen begriffen. Zu klären ist in diesem Zusammenhang, wie die Ausgestaltung des Sportwettenmonopols erfolgen muss, um urteilskonform zu sein. Vor allem ist dabei zu berücksichtigen, dass das Gericht eine deutliche Ausrichtung auf die Suchtprävention und die Missbrauchsverhinderung als Rechtfertigungsgrund für das Monopol als auch eine gesetzlich strikt normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltungen durch private Wettunter

nehmer fordert. Die Novellierung des Lotterie-Staatsvertrags kann dabei aber nicht losgelöst von der Entwicklung auf europäischer Ebene betrachtet werden, zumal vor dem Hintergrund der Dienstleistungsfreiheit.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Mechanismen zur Sucht- und Missbrauchsprävention sollen im neuen Staatsvertrag verankert werden und inwiefern entsprechen diese den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts?

2. Inwiefern geht der Entwurf des Staatsvertrags davon aus, dass verschiedene Arten der Lotterien und Wetten unterschiedliche Gefährdungspotenziale haben, und auf welcher (wissenschaftlichen) Grundlage wurde diese Einschätzung getroffen?

3. Gibt es zwischen den vertragschließenden Ländern unterschiedliche Rechtspositionen und welche Positionen vertritt hierbei die Thüringer Landesregierung (z.B. zur Zulassung von privaten Anbietern)?

4. Inwiefern ist absehbar, dass bestimmte juristische Entwicklungen auf europäischer Ebene (z.B. Ent- scheidungen des EuGH, Erlass von Richtlinien) Auswirkungen auf den geplanten Staatsvertrag haben könnten?

Für die Landesregierung antwortet das Finanzministerium. Bitte, Herr Staatssekretär Spaeth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Blechschmidt unter Bezugnahme auf die Vorbemerkung zu der Mündlichen Anfrage des Herrn Abgeordneten Huster wie folgt:

Zu Frage 1: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist Grundlage der Novellierung. Diese Vorgaben müssen im erforderlichen Maß zur Schaffung einer verfassungskonformen Regelung beachtet werden. Die Grundmechanismen des novellierten Staatsvertrags müssen in der Begrenzung des Spielangebots und dessen permanenter Verfügbarkeit liegen. Dies muss durch aktive Suchtaufklärung und Suchthilfe mittels eines individuellen und belastbaren Sozialkonzepts unterstützt werden.

Zu Frage 2: Wegen des Fehlens eines abgestimmten Vertragsentwurfs sind hierzu keine näheren Ausführungen derzeit möglich. Es ist aber davon aus

zugehen, dass die unterschiedlichen Gefahrenpotenziale bei der Erarbeitung ihre Berücksichtigung finden.

Zu Frage 3: In einen Staatsvertrag mit so umfassenden Eingriffen in den Markt und Grundrechte werden zu einzelnen Regelungen unterschiedliche Vorschläge eingebracht. Dabei ist man sich zwischen den vertragschließenden Ländern einig, dass das Ergebnis eine ländereinheitliche verfassungs- und europarechtskonforme Rechtsgrundlage für das Glücksspielangebot der Länder sein muss. Die Konferenz der Ministerpräsidenten hat sich in einem Beschluss vom 22. Juni dieses Jahres aus ordnungsrechtlichen Gründen für den Erhalt des staatlichen Lotteriemonopols ausgesprochen. Auch die Thüringer Landesregierung hält allein ein solches Monopol zur Erreichung der ordnungsrechtlichen Ziele, insbesondere zur Bekämpfung der Spielsucht und Begrenzung der Spielleidenschaft, für geeignet.

Zu Frage 4: Es sind keine juristischen Entwicklungen auf europäischer Ebene absehbar, die Auswirkungen auf den Lotterie-Staatsvertrag haben könnten.

Ich danke Ihnen.

Ich sehe keinen Nachfragebedarf. Damit beende ich die Fragestunde und schließe den Tagesordnungspunkt 22.

Ich rufe auf den ersten Teil des Tagesordnungspunkts 23

Aktuelle Stunde

a) auf Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS zum Thema: „Gründung der Ärztegenossen- schaft in Thüringen - eine Alter- native zur Selbstverwaltung?“ Unterrichtung durch die Prä- sidentin des Landtags - Drucksache 4/2344 -

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Abgeordneten Fuchs, Die Linkspartei.PDS.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Aufgabe einer Aktuellen Stunde kann nicht sein, alle Aspekte des deutschen Gesundheitswesens anzusprechen. Ich denke, der Themenbezug „Gründung der Ärztegenossenschaft in Thüringen - eine Alternative zur Selbstverwaltung?“ ist ak

tuell und kann enger nicht sein.

Worum geht es? Unsere Fraktion hat sich stets konsequent für den Erhalt der Selbstverwaltung und deren Demokratisierung im Gesundheitswesen ausgesprochen - wie ich mich erinnern kann, Herr Minister Zeh, Sie auch. Das resultiert sicher auch aus einer Erfahrung, die wir wohl alle hier in diesem Raum gemacht haben, dass zu viel Staat für die Entwicklung eines Gemeinwesens sich geradezu auch entwicklungshemmend auswirken kann. Ich bleibe auch bei meiner im Juli getroffenen Aussage, dass die gegenwärtige Entwicklung hinsichtlich der Bedarfsentwicklung - nicht gemeint sind die Bedürfnisse - in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung eine komplizierte ist. In dieser Situation die richtige Balance zwischen den Akteuren im Gesundheitswesen zu finden, ist keine leichte und offensichtlich eine Daueraufgabe von gewaltiger Bedeutung.

Meine Damen und Herren, die Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitssystem ist eine demokratische Errungenschaft, die durch die anstehende Gesundheitsreform nicht nur gefährdet wird, sie wird regelrecht amputiert.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

So verwundert es nicht, dass im Aufruf der Ärztegenossenschaft Thüringen i.G. steht - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Die Kassenärztliche Vereinigung verliert durch das Gesetz ihre historisch gewachsene Schutzfunktion gegen ruinösen Anbieterwettbewerb.“ Diesen Satz halte ich für besonders aufschlussreich. Er spricht nichts anderes an als das, was wir auch sagen. Wettbewerb ist ein Element des Marktes. Wettbewerb kennt nur Verlierer und Gewinner. Wer aber soll der Gewinner in diesem immer ungleicher gestalteten Wettbewerb sein und wer der Verlierer - die Ärzte, die Patienten, beide? Aus unserer Sicht ist Wettbewerb unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen ein untaugliches Mittel zur Steuerung der Versorgung im Gesundheitswesen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)