Protocol of the Session on July 14, 2006

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, nach 40 Jahren Sozialismus hatte es der Sozialismus immerhin geschafft, für diese Landschaft Stacheldraht, Streckmetallzaun, Todesstreifen, Tellerminengürtel, eine abgeholzte Kulturlandschaft für Schussfreiheit und das Ganze noch bei Nacht beleuchtet, zu schaffen. Ich denke, solch eine Infrastruktur wollen wir alle nicht mehr und aus dem Grund lassen Sie uns an der vernünftigen Infrastruktur für den Thüringer Wald auch künftig arbeiten, dass Menschen künftig wieder Chancen haben, in unserem Lande ihr Geld und Brot zu verdienen. Deshalb erbitte ich im Namen meiner Fraktion, den Antrag zu überweisen an den Ausschuss für Bau und Verkehr und für Umwelt, und ich bitte den Bau- und Verkehrsausschuss als federführenden Ausschuss zu benennen. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner folgt Abgeordneter Kummer, Linkspartei.PDS-Fraktion.

Ja, sehr geehrter Herr Wetzel, meine Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei.PDS hätten gern Ihre Rede noch einmal zum Nachlesen. Vielleicht könnten

Sie das ja einmal organisieren. Ich wollte dazu am Anfang nur eines sagen, die Nationale Front möchte ich nicht, da müssten wir ja unter unserer Regierung Ihnen quotiert noch Plätze zur Verfügung stellen. Ich glaube, das ist nicht nötig.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Was ich mir allerdings wünschte, wäre, dass wir schon noch ein bisschen mehr Absprache und Zusammenarbeit hätten. Das war ja ursprünglich der Gedanke der Nationalen Front und das hätte ich mir natürlich auch unter den Ministern hier im Haus, die mit dem Thema zu tun haben, gewünscht. Leider haben wir wieder nur einen zuständigen Minister im Hause, das ist immer das Gleiche; Minister Sklenar und Minister Reinholz vermisse ich. Ich glaube, das Thema würde sie durchaus etwas angehen.

Herr Wetzel, Ihnen möchte ich zurufen: „Willkommen im grünen Herzen Deutschlands!“ Das ist ja der Spruch, mit dem wir unsere Touristen auch so gern begrüßen, obwohl man sich da natürlich fragen muss, ob das Grün wirklich noch so berechtigt ist. Wenn ich so an die Staumauer Leibis und Goldisthal denke, wenn ich an die Autobahnbrücken denke, an die ICETrasse, an die Baustraßen, die errichtet werden, um das alles in unseren Thüringer Wald hereinzustellen, an die Hochspannungstrassen, die natürlich von Wald freigehalten werden, an Waldwege, die für Holztransporte ausgebaut sind, da fehlt an vielen Stellen das Grün.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU)

Herr Primas, ich sage noch etwas dazu, nicht gleich so aufregen! Aber vielleicht sollten wir es anstreichen und dann zertifizieren lassen, dann freuen sich sicherlich unsere Urlauber und vielleicht sollten wir in Zukunft in Sachen Tourismus, weil der ja so herausgestrichen worden ist, darauf hinarbeiten, dass wir Brückentouristen statt Naturtouristen bekommen.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wehner zu?

Aber gern, Herr Wehner.

Abgeordneter Wehner, bitte.

Herzlichen Dank. Herr Kummer, Sie nutzen aber die Autobahn A 71, vermute ich, doch auch, weil Sie vielleicht - oder mit dem Fahrrad - auch regelmäßig nach Erfurt fahren oder wie Sie auch immer hierher kommen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ist vielleicht für Sie die Autobahn verzichtbar?

Herr Wehner, ein Stückchen fahre ich auf der A 71 und Sie können mir natürlich jetzt sagen, die B 4 ist bloß deshalb so schnell befahrbar, weil die LKWs nicht mehr darauf herumtoben. Ich sage Ihnen trotzdem, was die Planungen der A 71 angeht, dass ich schon massive Probleme damit habe und wenn ich feststelle, wenn ich die A 71 fahren würde, so weit ich könnte, weil es die schnellste Variante wäre, dann fahre ich etliche Kilometer mehr, als ich vorher auf der Landstraße gefahren bin. Ich glaube, das ist auch aus ökologischen Gründen schon eine sehr fragwürdige Geschichte. Aber

(Zwischenruf Trautvetter, Minister für Bau und Verkehr: Na, na. Das glaube ich aber nun wirklich nicht.)

trotz allem - und dazu komme ich in meinem Beitrag noch - muss man hier nicht nur die Einzelmaßnahmen betrachten und das ist eben das Problem, was wir bisher in Thüringen gemacht haben.

Meine Damen und Herren, der Thüringer Wald ist das bekannteste Symbol Thüringens. Er steht für liebenswerte Heimat und er steht für das Ziel von Millionen Touristen. Die Bewohner und Touristen sind Naturgenuss bisher gewohnt, der geht jedoch durch viele Baumaßnahmen in letzter Zeit immer mehr verloren. Wir haben es da mit Lärm statt Stille zu tun und mit Aussicht auf Beton statt auf Wald. Da muss man eben sagen, sicherlich, nach der Wende sind viele Infrastukturdefizite beseitigt worden. Davon war vieles notwendig, einiges aber auch nicht nötig. Man muss auf jeden Fall sehr deutlich sagen, dass es vermieden wurde, Bündelungen zu nutzen. Ich hätte mir Bündelungen gewünscht, zum Beispiel Autobahn mit ICE-Trasse. Das wäre eine sinnvolle Geschichte gewesen. Wenn ich mir jetzt dieses 380-kV-Leitungsproblem ansehe, auch die hätte man schon bei diesen Straßenbaumaßnahmen mit berücksichtigen können. Wir haben das Problem, dass jeder nur seinen Bedarf sieht.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Windrä- der, Windräder sind das Wichtigste.)

Unser verarbeitendes Gewerbe braucht die Autobahn, reiselustige Politiker brauchen den ICE, Vatten

fall braucht seine Stromtrasse, der Forst braucht ausgebaute Wege. Was fehlt, ist die Gesamtsicht und da muss man eben „stopp“ sagen, wenn die Gefahr besteht, dass eine gesamte Region entwertet wird. Diese Gesamtsicht gibt es in Thüringen leider nicht.

Es gibt die verschiedensten Zuständigkeiten und ich habe den Eindruck, scheinbar weiß keiner, was der andere tut. Ich will das am Beispiel Rennsteig erläutern, er ist ja das wichtigste Wahrzeichen unserer Region und unser bedeutendster Wanderweg; Deutschlands berühmtester, sollte man hoffen. Der Rennsteig soll jetzt als Qualitätswanderweg zertifiziert werden und er ist sogar denkmalgeschützt, das weiß nur keiner. Der Rennsteig ist aber auch eine Infrastrukturtrasse. Da liegen Wasserleitungen und Gasleitungen drin, sicherlich auch Stromleitungen und er ist ein wichtiger Arbeitsweg für den Forst. Die Frage ist: Wer hat nun für dieses touristische Highlight bei uns im Staat den Hut auf? Diese Frage stellt sich einem, wenn man die vielen Baumaßnahmen betrachtet. Da kann man Gespräche führen, kann fragen: Wo sind denn die Anträge gestellt worden? Vorhin habe ich gehört: Welche Kommune hat denn das genehmigt? Baumaßnahmen am Rennsteig, zum Beispiel die Baumaßnahme der Ohra-Hörseltalgas ist genehmigt worden vom Landesverwaltungsamt und von den unteren Naturschutzbehörden, was zum Beispiel naturschutzfachliche Eingriffe dort anging. Wo kein Antrag gestellt wurde, war die Denkmalbehörde. Da habe ich gehört, dass gestern ein Vertreter der OhraHörseltalgas da war und hat dann für die laufende Baumaßnahme noch einen Antrag gestellt, weil bisher wahrscheinlich nicht bekannt war, dass der Rennsteig unter Denkmalschutz steht. Merkwürdigerweise gehen bei den Denkmalbehörden auch keine Anträge zum Ausbau von Forstwegen, also des Rennsteigs als Forstweg, ein.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Jetzt ist es aber gleich gut.)

Herr Minister, seit Monaten ist kein entsprechender Antrag eingegangen. Das heißt also, man scheint in den Forstämtern auch nicht zu wissen, dass der Rennsteig denkmalgeschützt ist. Da fragt man sich schon, worauf so etwas basiert.

Die nächste Frage ist: Warum weiß keiner was von der Zertifizierung? Scheinbar in den Forstämtern nicht, auch die Bauherren nicht, die Planer von der Ohra-Hörseltalgas wussten auch nichts von der Zertifizierung. Hätten sie das gewusst, hätten sie ihre Baumaßnahme vielleicht in einen anderen Zeitraum verschoben, aber das war ihnen nicht möglich, da sie es nicht wissen. Da frage ich mich: Wer bündelt solche Fragen, wer hat dort den Gesamtblick drauf? Die geplante 380-kV-Trasse wird über den Rennsteig

führen, wenn ich richtig informiert bin. Wenn man sich mal anschaut, was die Zertifizierungskriterien für den Qualitätswanderweg sind, dann ist eine solche Trasse dort ein heftiger Minuspunkt, der bis hin zum Ausschluss aus diesem Zertifizierungsmodell führen kann.

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine klare Verantwortlichkeit für den Rennsteig. Wir brauchen die Durchsetzung, dass Gesetze, die schon bestehen, eingehalten werden. Wir brauchen die Beseitigung von Kommunikationsdefiziten zwischen Behörden und Verbänden und wir sollten den Naturpark Thüringer Wald als Ganzes, auch als schützenswertes Gut behandeln. Da müssen wir eben auch die Naturvernichtung, die hier stattgefunden hat, stoppen,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Frau Tasch, nicht nur Windkraftanlagen verbieten; Autobahnbrücken sind nicht schöner und Strom machen sie auch nicht, im Gegenteil, sie sorgen eher dafür, dass wir weitere Probleme mit dem Klimawandel bekommen.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, in Zukunft auch bei Genehmigungen an die Gesamtwirkung zu denken, an die Gesamtwirkung in der Region. Man kann manchmal auch Anträge ablehnen.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Für Windräder zum Beispiel.)

Wenn ich mich heute in Masserberg hinstelle - das ist der Ort in meinem Landkreis Hildburghausen, der die meisten Übernachtungen hat -, habe ich einen Blick auf den Nachbarberg, wo das Pumpspeicherwerk Goldisthal steht, ich sehe eine große Stromtrasse. Wenn ich ein Stückchen in den Wald gehe, habe ich eine Baustraße, nur eine Baustraße für die ICEBaumaßnahme, die so breit ist wie eine Autobahn und dort mitten durch den Wald geht. Ich werde dort in Zukunft, wenn ich spazieren gehe, wenn ich dort die Kurklinik aufsuche, den Zug natürlich durch den Wald pfeifen hören. Ich frage mich, inwieweit die Übernachtungszahlen dort stabil bleiben. Es gibt noch heute Orte im Thüringer Wald, wo man bei Windstille das Rauschen in den Ohren hört, weil es so ruhig ist. Ich möchte, dass es diese Orte für unsere Kinder auch noch gibt, weil man sie zum Entspannen wirklich dringend braucht. Von der Warte her unsere Bitte: Sprechen Sie sich in Zukunft ab; haben Sie die gesamte Region im Auge und die Wirkung der Maßnahmen, die dort durchgesetzt werden, auf die Gesamtsituation und auf den Erholungswert des Thüringer Waldes. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Weitere Redemeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Das Wort hat Minister Trautvetter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte jetzt auf die Einzelvorhaben, auf die die Redner der Opposition eingegangen sind, nicht separat eingehen. Nur, Frau Doht, ich habe nicht bei der Zustimmung zum Regionalen Raumordnungsplan nur fünf Kilometer Radius empfohlen bei der Wartburg. Das haben die Betroffenen vor Ort gemacht. Wenn es um Planungsverfahren geht, um Genehmigungsverfahren, dann wird hier immer der Eindruck erweckt, wir könnten Genehmigungsverfahren willkürlich nach politischen Entscheidungen beeinflussen. Bitte, das können wir nicht. Das können wir nicht und das werden wir nicht. Das müssen alle diejenigen beeinflussen, die eigentlich auch die Möglichkeit haben. Bleiben wir mal beim Memelsberg. Wie viele Monate rede ich davon, dass die Gemeinde Marksuhl eine Bauleitplanung über das Vorranggebiet aufstellen soll.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, Die Linkspartei.PDS: Die hören Ihnen einfach nicht zu.)

Wann machen die das? Wenn ich keine Bauleitplanung dort drauflege, wird das in der Perspektive genehmigungsfähig werden. Es sei denn, die Gerichte finden andere Gründe, die bei der Abwägung nicht ordentlich mit bewertet worden sind. Und, Herr Kummer, wenn Sie sagen, warum haben wir die 380-kVTrassen nicht schon bei der Autobahn geplant: Als die Autobahn geplant wurde, gab es kein EEG und gab es kein KG. Da war noch überhaupt nicht die Rede davon, dass im Norden Deutschlands 12.000 MWh Strom erzeugt werden,

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Die kei- ner da oben braucht.)

(Beifall bei der CDU)

die im Norden überhaupt keiner braucht, und dass man im Süden die Atomkraftwerke stilllegt

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: So ein Schwachsinn.)

und der Strom, der im Norden produziert wird, zwingend nach Süden gebracht werden muss. Das war zum Zeitpunkt, als die A 71, A 73 geplant worden sind, noch überhaupt kein aktuelles Thema. Das wis

sen Sie auch und deswegen lassen Sie solche Argumente bitte in Zukunft sein.

(Zwischenruf Abg. Kummer, Die Links- partei.PDS: Aber Goldisthal haben Sie damals trotzdem gebaut.)

Natürlich ist das gebaut worden. Als Goldisthal geplant wurde, das war noch in tiefster DDR-Zeit. Wie die Sicherheit in der Stromversorgung zu DDR-Zeiten aussah, das wissen Sie selbst, und dass man damals die Pumpspeicherwerke dringend gebraucht hat, um einigermaßen eine energetische Sicherheit überhaupt anzubieten. Also lassen Sie das sein. Aber im Großen und Ganzen muss ich mich bei der Linkspartei.PDS für den vorliegenden Antrag trotzdem vielmals bedanken, denn Sie geben der Landesregierung die Gelegenheit darzustellen, was alles für die Menschen und die Natur im Thüringer Wald getan worden ist. Nur alle gemeindegrenzenüberschreitenden Vorhabensplanungen zu benennen, das ist allerdings aufgrund des unbestimmt und weit gefassten Berichtsersuchens Ihres Antrags nicht möglich. In der Kürze der Zeit ist es auch nicht möglich gewesen, den Flächenverbrauch aller Einzelmaßnahmen festzustellen, zumal sich die Projekte in verschiedenen Planungsstufen befinden. Deswegen werden wir in der gesetzlich vorgegebenen Frist einen Bericht abgeben, inwieweit Infrastrukturprojekte mit Eingriffen in die Natur und Landschaft des Thüringer Waldes verbunden sind und mit welchen Maßnahmen diese Eingriffe kompensiert werden.

Grundsätzlich möchte ich jedoch Folgendes feststellen: Der Thüringer Wald ist einer der wichtigsten Tourismusregionen in Thüringen und wegen seiner besonderen naturräumlichen Ausstattung als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen worden. Deshalb soll die Zerschneidung und Verbauung des Thüringer Waldes so gering wie möglich gehalten werden. Nur das kann nicht Stillstand für die Entwicklung dieser Region und der Lebensbedingungen seiner Bürger bedeuten. So wie andere Regionen haben auch die Anwohner des Thüringer Waldes einen Anspruch auf verkehrliche Anbindung an das vorhandene Netz. Ich denke so an Tourismusdebatten bezüglich des Wintertourismus, wo immer wieder die Forderungen erhoben werden, es sind nicht genügend Parkplätze da, die Straßen sind zugebaut, wir müssen mehr Parkplätze in der Tourismusregion schaffen.

(Zwischenruf Abg. Kummer, Die Links- partei.PDS: Aber nicht von uns.)

Ich habe damals schon davor gewarnt, überall am Rennsteig jetzt Wald abzuholzen und Parkplätze zu schaffen, wir werden nicht überall die Gäste direkt an die Loipen heranbringen können.

Im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung von Tourismus und Gewerbe ist eine entsprechende infrastrukturelle Anbindung unumgänglich. Ich möchte betonen, dass die Politik der Landesregierung auf eine nachhaltige Entwicklung aller Regionen, auch des Thüringer Waldes, abzielt, und dies erfolgt so schonend wie möglich. Jedes größere Projekt muss vor seiner Realisierung in verschiedenen Planungsstufen auf seine Umweltverträglichkeit hin geprüft werden. Das heißt, es wird kein bedeutendes Projekt im Thüringer Wald realisiert werden und es ist auch keins realisiert worden, ohne dass nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz des Bundes oder Thüringens die Auswirkungen des Vorhabens auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft, Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern unter Einbeziehung von Behörden und der Öffentlichkeit ermittelt werden.