Wir hätten weiter sein können in dieser Frage. Gerade aus diesen Gründen lehnen wir zunächst den Antrag der CDU-Fraktion ab. Wir haben den Vorschlag von Herrn Gentzel auf dem Tisch, den - wie eingangs von mir gesagt - wir unterstützen werden. Ich will Ihnen ganz deutlich sagen, wir hätten etwas geleistet auch in diesem Landtag, wenn wir uns zu einer sachlichen, trotz der ganzen Tragik der Problematik bewussten, gemeinsamen Debatte bereitfinden können, die dann letzten Endes sowohl für die geschichtliche Auseinandersetzung als auch für die konkret betroffenen Menschen, die Opfer politischer Verhältnisse in der DDR gewesen sind, einsetzen können und zugleich in diesem Land ein Zeichen setzen, dass wir bei allen politischen Auseinandersetzungen festhalten wollen an einer demokratischen Kultur im Meinungsstreit, die für die Interessen der Bürger sich letzten Endes einsetzt. Da fordere ich Sie auf: Diskutieren Sie mit uns weiter über die vorliegenden Anträge, verweigern Sie sich dem nicht, dann werden Sie sich als Demokraten erweisen in dieser Sache, meine Damen und Herren.
Herr Abgeordneter Panse, Sie zeigen eine Redemeldung an? Für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Panse.
Frau Vizepräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Hausold, uns trennen Welten an dieser Stelle und das treibt mich hier vor an das Rednerpult, um Ihnen das zu sagen. Das, was Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben, und das, was Sie gerade in Ihrer Rede hier vorgetragen haben, ist schlichtweg eine Unverschämtheit.
Wenn Sie uns vorwerfen, wir müssten nur mit Ihnen diskutieren, um uns als Demokraten zu erweisen, werfe ich Ihnen vor, lesen Sie sich deutlich Ihren Antrag durch, werden Sie sich bewusst, dass Sie an vielen Stellen Ihres Antrags und dessen, was Sie hier vorn vorgetragen haben, letztendlich Kreide gefressen haben, aber nichts beigetragen haben an
Ich möchte schon sagen, uns trennen schon deswegen Welten, weil wir genau als CDU-Fraktion diese von Ihnen hier skizzierte Neuakzentuierung nicht wollen, mit der Sie Ihren Antrag überschreiben.
Das wollen wir nicht und das trennt uns dann an dieser Stelle, da wird es deswegen auch keine gemeinsame Diskussion, zumindest keinen Konsens geben. Insofern ist es für uns unvorstellbar, Ihren Alternativantrag als einen echten Alternativantrag zu begreifen. Ihr Alternativantrag ist ein Schaufensterantrag. Ich will Ihnen deutlich sagen: Insbesondere der Punkt 4, wo Sie ein Auslaufen der Stasiunterlagengesetze wollen, ist ein Schlag in das Gesicht der Opfer. Genau das ist es, was wir nicht wollen. Sie wollen etwas damit erreichen, eine Verbeugung letztendlich vor einer nicht unwesentlichen Linkspartei.PDS-Klientel, vor denjenigen, die genau dies immer wieder fordern. Wir wollen das nicht, wir haben das bei den vergangenen Debatten im Thüringer Landtag immer wieder deutlich gemacht, insbesondere auch deswegen, weil wir aus Fehlern in der Vergangenheit, vielleicht auch aus einem falschen Aufarbeiten von NS-Vergangenheit lernen wollten und diese Schlussstrichmentalität nicht einreißen lassen wollen, auch nicht diese Schlussstrichmentalität, wenn es um den Umgang mit Stasiakten geht. Darauf wollen Sie letztendlich hinaus. Wenn Sie uns hier vorschlagen, wir könnten in den Ausschüssen diskutieren und wir könnten uns Zeit nehmen, wir könnten ja ein bisschen diskutieren, sage ich Ihnen, Sie wollen nichts anderes, als auf Zeit spielen, Sie wollen Zeit gewinnen
Denn wir haben heute ein völlig anderes System, wo genau Pressefreiheit ein wichtiges Stichwort ist, wo Sachen durchaus vielleicht auch mal nicht in vollem Umfang laufen - wir sehen das bei der BND-Affäre. Aber wir sehen, dass Pressefreiheit dazu führt, dass so etwas in einer Gesellschaft aufgearbeitet wird und nicht erst eine folgende Generation später sich damit noch beschäftigen muss. Wir wollen diesen Schlussstrich nicht, wir wollen auch nicht, dass Sie hier suggerieren, dass es ausreichend wäre, Biografien von Abgeordneten offenzulegen. Uns ist allen klar aus den Debatten der letzten Monate, warum Sie nur Biografien offenlegen wollen. Sie wollen insbesondere keine Konsequenzen. Sie sagen, es reicht, wenn man das sagt. Das ist das, was Sie bei der Kandidatenauswahl, wenn Sie Abgeordnete nominieren, Kandidaten aufstellen, immer wieder dokumentieren. Sie wollen keine Konsequenzen, weil Sie die bekennende Reue an dieser Stelle überhaupt nicht einblenden in das Geschehen.
Insofern sage ich Ihnen deutlich, wird es auch das mit uns nicht geben. Wir wollen eben nicht nur, dass jemand sagt, ich habe dieses und jenes getan und damit ist der Schlussstrich gezogen, wir wollen Konsequenzen. Genau dazu dient unser Antrag.
Genau aus diesem Grund ist der Alternativantrag, den Sie uns hier vorgelegt haben, für uns keine Alternative, sondern das Papier nicht wert, auf dem er
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die letzten Redebeiträge nicht noch mal unterstrichen haben, wie dringend notwendig uns so eine Debatte hier im Thüringer Landtag und auch eine weiterführende Debatte erscheinen, dann weiß ich nicht, was noch helfen soll. Ich frage mich - und ich muss da schon ein ganzes Stück an mich halten, Herr Panse -, wie weit sind wir schon gekommen, wenn sich hier Leute hinstellen und hier Gruppen im Landtag einteilen und bestimmen, die dürfen über Themen reden, die dürfen nur über die Themen reden und die dürfen nur dazu Anträge stellen.
(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Ja genau.) Aber ich, weil wir in der Opferdebatte sind, habe ziemlich viel Zynismus auf der Zunge in Ihrer Richtung. Ich will Ihnen das deutlich sagen, ich will das nicht weiter ausformulieren. Aber wie weit sind wir eigentlich schon wieder gekommen - und jetzt werde ich mich nicht beherrschen -, wenn so ein junger Schnösel wie Sie sich hier hinstellt und hier Gruppen einteilt, wer ein Thema debattieren darf und wer nicht. (Beifall bei der Linkspartei.PDS)
Da erhebt sich die Frage: Ziehen Sie wirklich die Lehren, wenn Sie so diskutieren? Ziehen Sie wirklich die Lehren aus dem, was hier passiert ist, wenn Sie so reden, wie Sie eben geredet haben? Es gibt sehr vieles am Beitrag des PDS-Fraktionsvorsitzenden, was man hier diskutieren muss und was man hier ernsthaft diskutieren muss. Solche Behauptungen wie, wer das System entwertet, entwertet auch die Menschen - ich behaupte, das ist eine Schutzbehauptung von Seiten der PDS, aber ich behaupte,
darüber muss geredet werden. Und es muss nicht denjenigen untersagt werden, dieses zu sagen, und dann das Mäntelchen der Nächstenliebe darüber gedeckt werden. Es gibt auch kaum noch Leute, ernstzunehmende Leute, die, wie hier in der Rede behauptet worden ist, die DDR nur noch über das MfS erklären. Das sind Schutzbehauptungen in die eigene Richtung. Aber über die müssen wir doch diskutieren und da müssen wir sehen, dass wir die öffentlich ausräumen, dass diejenigen, die teilweise auch zu Opfern gemacht werden, endlich verstehen, dass das teilweise politisches Kalkül ist. Deshalb will ich die Debatte zu diesem Thema. Deshalb will ich Ihnen auch ganz deutlich sagen und auch deutlich in die Richtung der PDS sagen: Es gibt in der PDS Mitglieder, die tragen viel weniger Verantwortung für das, was zu DDR-Zeiten passiert ist, als einzelne Mitglieder der Thüringer CDU.
Aufgrund Ihres Alters und auch da so ein Pauschalurteil drüberzuziehen, wie Sie das eben getan haben,
das lässt schon die Frage stellen: Haben Sie sich wirklich mit dem beschäftigt, was hier einmal passiert ist? Denn solche Pauschalurteile kenne ich noch, ich kenne noch solche Pauschalurteile.
Jawohl. Bist du für den Frieden oder bist du gegen den Frieden? Das ist genau der richtige Einwurf an dieser Stelle. So ist hier schon einmal gearbeitet worden.
Meine Damen und Herren, es ist ein verdammt ernstes Thema, aber Sie müssen mir mal in der Mitte hier des Saales erklären, warum Sie jedes Mal so verkrampfen, Sie haben es doch nicht nötig, wenn dieses Thema aufgerufen wird, und warum Sie dann teilweise auch Ihre eigene Argumentation ad absurdum führen, wenn so eine Geschichtsklitterung passiert, wie das der Herr Krause getan hat? Das muss man doch jetzt hier mal ganz ehrlich und offen sagen.
Seit der Wende regieren nicht irgendwelche Linken in Bonn oder in Berlin, sondern es war erst die CDU und dann die SPD. Und wenn wir jetzt einen Stand der Rehabilitierung der Opfer erreicht haben, welcher uns nicht gefällt, dann liegt das an denen, die da regiert haben. Daran tragen wir ja alle ein Stückchen Mitschuld und das lässt sich nicht so einfach mit so
Es gehört übrigens auch dazu, das hat mir an der Rede von Herrn Krause überhaupt nicht gefallen, dass man auch mal was dazu sagt, was wir erreicht haben in dieser Zeit. Das ist hier heute in der Debatte vollkommen untergegangen. Ich höre hier nur, es wird zu wenig getan für die Opfer. Das klingt so wie, es ist nichts getan worden. Wissen Sie noch, was wir für Schmerzen hier im Thüringer Landtag hatten, weil wir etwas im Polizeiapparat tun mussten? Das hat auch etwas mit Respekt vor den Opfern zu tun, was wir da getan haben. Das Gleiche trifft für den Bereich der Lehrer zu. Wir haben Rehabilitationsgesetze übrigens immer gemeinsam auf den Weg gebracht, übrigens auch mit Opferverbänden. Wir haben, das will ich durchaus behaupten, damals das Mögliche getan, weil, es ist nicht so, wie hier Einzelne suggerieren wollen, man muss einfach nur wollen und Geld in die Hand nehmen. Dass das so einfach nicht ist, haben wir die letzten 16 Jahre gelernt. Dass es da leider, aber es ist die Realität, auch juristische Winkelzüge und Ähnliches gibt, haben auch wir gelernt.
Deshalb sage ich: Lasst uns doch ehrlich mit den Opfern umgehen. Wir haben jetzt artikuliert, wir wollen, dass ein Stückchen mehr getan wird. Es gibt hier in allen Fraktionen Leute, die dieses schon länger artikulieren. Das sei hier ganz deutlich gesagt: Es ist nicht der Besitz irgendeiner Partei oder irgendeiner Fraktion an dieser Stelle. Dann lasst uns gemeinsam, weil wir allein das nicht hinkriegen, weil es da eine Bundesgesetzgebung ist, lasst uns das mit unseren Bundestagsabgeordneten regeln. Die sind doch auf einem sehr guten Weg. Das ist übrigens auch der Grund, warum unser Antrag so spät gekommen ist. Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, der muss zumindest ein-, zwei-, dreimal in Berlin anrufen und muss mit den Kollegen reden. Da gibt es eine ganz aktuelle Entwicklung. Diese aktuelle Entwicklung ist leider, sage ich auch, über Ihren Antrag hinweggegangen. Deshalb die Kritik von meiner Seite an Ihrem Antrag. Dann lassen Sie uns das Grundsätzliche, nämlich das Stasiunterlagengesetz, gemeinsam mit unseren Kollegen in Berlin novellieren und dann wird uns die Tür aufgetan, dass auch weiterhin im öffentlichen Dienst die Anfrage gestellt werden kann, dass wir unseren Thüringer Weg hier selbst bestimmen, wie wir Abgeordnete überprüfen. Dann ist doch all dem Rechnung getragen, was wir heute diskutiert haben.
Ich sage noch mal: Ich habe keine Zweifel, dass der Koalitionsvertrag umgesetzt wird. Der Koalitionsvertrag sagt eindeutig Opferpension und wir wollen es gemeinsam und wir tun es. Ich verstehe nicht,
warum wir uns dieser Debatte einfach verweigern, und vor allen Dingen verstehe ich nicht, warum wir uns mit solchen Argumenten der Debatte verweigern wollen. Ich will Sie noch einmal auffordern, lassen Sie uns alle drei Anträge, weil sie es alle wert sind - ich sage noch einmal, wir können uns dann darüber streiten -, an die Ausschüsse überweisen und lassen Sie uns miteinander diskutieren. Zu diskutieren wäre übrigens auch kein schlechtes Bild nach außen, wenn wir es nicht in so einem Konflikt miteinander austragen würden; es wäre ein gutes Zeichen auch nach außen, was die Wahrhaftigkeit der Debatte hier in dem Hause betrifft.
Lassen Sie uns das diskutieren und uns vor allen Dingen unseren Thüringer Weg miteinander diskutieren. Ich danke Ihnen.
Gibt es jetzt noch weitere Redewünsche? Für die Landesregierung hat sich Minister Dr. Zeh zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mit dem Zitat eines Opfers aus den Stasigefängnissen beginnen, damit wir uns noch einmal vergegenwärtigen, worum es uns heute eigentlich hier in der Debatte gehen sollte. Es geht bei dem Zitat um die Stasiverhörmethoden. Ich zitiere: „Die Aufmerksamkeit des Opfers wird nur auf seine augenblickliche Lage gelenkt bzw. nur die Informationen werden durchgelassen, die das Selbstbild des Gefangenen erschüttern können. Die Selbstbetrachtung wird gefördert, das Entstehen von Angst und Depressionen. Möglichst alle Anregungen, die nicht vom Wachpersonal bzw. den Vernehmern kontrolliert werden, werden unterbunden. Bei aggressiven, depressiven oder suizidalen Zusammenbrüchen des Opfers nach Verhören kann eine Verschlechterung der Unterbringung folgen, z.B. Dunkelhaft im Keller, in schwarzer Gummizelle, ständiger Wechsel von Licht und Dunkel während der Schlafenszeit.“
Meine Damen und Herren, diese Erinnerungen stammen von Jürgen Fuchs, und zwar aus seinem Buch „Zersetzung der Seele“. Er beschreibt die Maßnahmen der operativen Psychologie der Stasi während der Haft und sie scheinen, wenn man das liest, aus einer völlig anderen Zeit und Welt zu stammen. Aber leider ist es so, diese Zeit und Welt liegt erst 17 Jahre zurück. Manche Menschen sind gerade dabei, die
se Zeit inzwischen schönzufärben und besonders jüngere Menschen wissen zu wenig von der durch Jürgen Fuchs beschriebenen Realität des Unrechtsstaats. Aber nicht verblasst ist die Erinnerung bei den Opfern der SED-Diktatur. In wenigen Tagen wird wieder in ganz Deutschland an die Ereignisse im Juni vor 53 Jahren erinnert. Wir werden der Menschen gedenken, die sich am 17. Juni 1953 gegen die scheinbare Allmacht des SED-Staats mutig und einige auch verzweifelt zur Wehr gesetzt haben. Dass wir heute in einem frei gewählten Landtag sitzen, dass wir streiten, diskutieren, dass wir beraten und beschließen können, haben wir, gleich welcher Partei wir angehören, auch den Menschen zu verdanken, die damals sich zur Wehr gesetzt haben.