Wir verfallen im Übrigen nicht dem Wahn, eine perfekte Bewältigung der Geschichte zu suchen. Geschichte ist stets erinnernde Selektion und selektive Erinnerung, ist Interpretation. Es gibt für uns eine Pflicht, diese Geschichte aus demokratischer und freiheitlicher Perspektive zu interpretieren und all unsere Vorurteile dieser Interpretation zu Grunde zu legen. Diese Vorurteile resultieren aus unserem politischen Glauben an das freie Individuum, den mündigen Bürger, die offene Gesellschaft, den Rechtsstaat. Aus dieser demokratischen Sicht war die DDR eben das, als was sie 1989 unterging, ein Staat ohne Recht und ohne Freiheit und ohne wirtschaftliche und ohne soziale Perspektive. Es ist, ich bekräftige das, zu früh für eine Historisierung der DDR. Wir müssen dagegen die Opfer des Kommunismus viel stärker politisieren, deutlich politisch historisch rehabilitieren.
Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion bittet die Landesregierung zweitens, sich dafür einzusetzen, dass die am 31. Dezember 2007 auslaufenden Antragsfristen nach den drei Rehabilitierungsgesetzen verlängert werden. 1992 und 1994 sind drei Rehabilitierungsgesetze verabschiedet worden - das strafrechtliche, das verwaltungsrechtliche und das berufliche. Mit mehreren Gesetzen, die maßgeblich von Thüringen mit in den Bundesrat eingebracht wurden, sind die Antragsfristen für die jeweilige Rehabilitierung um zwei Jahre verlängert worden, zuletzt bis Ende 2007, dann wäre Schluss. In der Praxis allerdings ist festzustellen, dass aus vielerlei Gründen längst noch nicht alle Betroffenen von der Möglichkeit zur Antragstellung Gebrauch gemacht haben. Viele scheuen sich oder gerade die Älteren sind in Unkenntnis der Rechtslage. Wir brauchen eine Entfristung, denn die physischen und psychischen Folgen politischer Verfolgung verhindern oft eine angemessene und aktive Verarbeitung dieser Zeit. Die Möglichkeit zur Antragstellung muss erhalten bleiben.
Die CDU-Fraktion bittet die Landesregierung drittens, sich dafür einzusetzen, dass den am schwersten betroffenen politischen Opfern des SED-Regimes eine monatliche Ehrenpension gewährt wird.
Der Begriff ist viel besser als der der Opferrente. Die Opferverbände beklagen zu Recht seit der Entscheidung des Verfassungsgerichts 1999 zur Überleitung von Ansprüchen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR in die deutsche Rentenversicherung eine größer gewordene Gerechtigkeitslücke. Darauf zielt unser Begriff „Gerechtigkeit herstellen“. Einerseits hat sich politisch wenig Positives für die persönliche Situation der Opfer getan, der soziale Abstand zwischen Verfolgten und Verfolgern wächst. Die versorgungstechnische Besserstellung der systemnahen Personen, Staatsdiener wie MfSLeute belastet andererseits nicht nur unseren Landeshaushalt enorm - die Millionensumme habe ich in der jüngsten Sitzung beziffert -, diese Besserstellung führt vor allem zu einer verständlichen Frustration derjenigen Menschen, die sich für Freiheit, Demokratie oder einen Reformsozialismus in der DDR eingesetzt haben, und diese Leute, Herr Gentzel, warten auf eine politische Diskussion.
Wenn aber die Bundesrepublik Deutschland die 89er Revolution als die einzige erfolgreiche demokratische Revolution der Deutschen in ihre Geschichte integrieren will, kann sie die Menschen, die sie herbeigeführt und getragen haben, nicht unversorgt lassen. Der Einigungsvertrag bestimmt, dass die Rehabilitierung der Opfer der SED mit einer angemessenen Entschädigung, mit Wiedergutmachung zu verbinden sei. Die beiden Unrechtsbereinigungsgesetze und weitere
Gesetze brachten zwar eine Verbesserung der Lage, aber diese Regelungen waren und sind leider ungenügend. Am 10. Februar dieses Jahres hat der Bundesrat auf Initiative der mitteldeutschen Länder hin eine Entschließung verabschiedet, in der der Bundesrat die Bundesregierung bittet, möglichst zeitnah ein Konzept zur Unterstützung für die Opfer der SED vorzulegen. Diese Initiative war notwendig, weil sich bis dahin nichts getan hatte. Eine Ehrenpension wäre ein neuer und ein überfälliger Schritt und im Bundestag deutet sich ja dem Vernehmen nach auch eine Lösung an.
Zu kritisieren am Länderantrag ist, das wiederhole ich, dass politische Oppositionelle der 1970er- und 1980er-Jahre, die Opfer von Zersetzungsmaßnahmen wurden, nicht als politisch Verfolgte gelten. Es gibt da noch deutlichen Diskussionsbedarf und da ist der Koalitionsvertrag auch außerordentlich unscharf. Viele Oppositionelle konnten wegen ihrer gebrochenen Biographien keine vom Grundgesetz geschützten Versorgungsrechte erwerben. So werden heute diejenigen nicht angemessen versorgt, die dafür gesorgt haben, dass die Kader eines bankrotten Regimes nun bestens versorgt sind. Keiner kann die Illusion haben, es gäbe eine gerechte Wiedergutmachung aller Schädigungen an Gesundheit, Vermögen, Beruf. Immer wird es Schwierigkeiten mit der Anerkennung der Benachteiligung geben und natürlich ist politischer Widerstand mit Gefahr verbunden. Aber es nicht einzusehen, dass Widerständler nach ihrem Sieg aufgrund der erlittenen Nachteile heute teilweise auf Sozialhilfeniveau leben, zumindest deutlich schlechter versorgt sind als die alte Nomenklatura.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Zustimmung zu dem CDU-Antrag „Aufarbeitung der SED-Diktatur fortführen - Gerechtigkeit für die Opfer herstellen“. Danke.
Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren, ja, Zeit zur Debatte - da stimme ich Kollegen Gentzel ausdrücklich zu - ist unbedingt. Ich will hier auch erklären, dass wir Ihren Vorschlag, die vorliegenden Anträge in den Ausschüssen weiterzubehandeln, ausdrücklich unterstützen werden, weil - und bevor ich zu den vorliegenden Anträgen komme, gestatten Sie mir schon diese Bemerkung - wir uns hier, wenn auch mit der jüngeren, aber doch mit geschichtlichen Ereignissen, mit Geschichte auseinan
dersetzen. Das ist ein Prozess, der immer wieder - und ich sage das bewusst - dringend notwendig ist, wenn man aus der Vergangenheit Lehren für die Zukunft ziehen will. Die Bewertung der Vergangenheit kann und wird im Grunde genommen nie abgeschlossen sein, da sie immer wieder auch in der Gesellschaft gerade mit Blick auf die Zukunft neu angeeignet werden muss. Von daher ist natürlich klar, dass es in diesen Bewertungen bei allen unterschiedlichen Auffassungen und im gesellschaftlichen Diskurs auch unterschiedliche Haltungen und Zäsuren geben wird, vielleicht in dem einen oder anderen Punkt Wendepunkte geben wird, aber dass die Grundfrage der Auseinandersetzung bestehen bleiben muss.
Aber davon, meine Damen und Herren, abgesehen, unvergessen bleibt das, was in der Realität geschehen ist und was Menschen widerfahren ist.
Lassen Sie mich, weil ich unter verschiedenen Aspekten zur Debatte in dieser wichtigen Frage einiges hier aufführen möchte, Folgendes sagen: Die DDR hatte den Anspruch - und ihre Führung behauptete ihn im Gegensatz zur mehrheitlichen Meinung bis zum Schluss -, eine neue, eine demokratische, eine solidarische, eine republikanische Gesellschaft und ein entsprechendes Staatswesen zu schaffen bzw. geschaffen zu haben. Die Fakten, meine Damen und Herren, sprechen eine andere Sprache. Die SED/PDS 1989/90 und dann die PDS hat sich - beginnend spätestens mit ihrem außerordentlichen Parteitag - immer wieder auch mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Freizügigkeit fehlte in der DDR völlig und wer das Land dennoch verlassen wollte, wurde durch Mauer, Stacheldraht und Schüsse daran gehindert. Meinungsfreiheit bestand - makaber genug - in der Zustimmung zur Politik von Partei und Regierung und somit also überhaupt nicht, ganz zu schweigen von der Möglichkeit einer demokratisch zu etablierenden politischen Opposition. Kritik an Umständen und Zuständen wurde unterdrückt in der allgemeinen Öffentlichkeit gegenüber und durch die Medien.
Ohne Zweifel, meine Damen und Herren, waren soziale Menschenrechte in der DDR weitgehend vorhanden und können zum Teil auch aus heutiger Sicht positiv bewertet werden. Dennoch wurden sie wie auch mit der Begründung der Politik anderer Staaten im Klima des Kalten Krieges von der DDR-Führung als Begründung für eine in keiner Weise zu rechtfertigende Versagung der wesentlichsten individuellen Freiheitsrechte missbraucht und damit im Übrigen auch diskreditiert. Dies alles forderte Opfer, weil Biografien gebrochen wurden, Lebensläufe verändert und bedroht, Leben bedroht oder auch vernichtet wurde. Die Rehabilitierung und - soweit das Wort zutreffen kann - Entschädigung dieser Opfer muss eine dauerhafte Aufgabe sein, worauf ich noch zurückkom
Sogleich - und dies möchte ich hier ebenfalls hervorheben - sind viele Biografien aus der DDR-Zeit davon bestimmt, sich dem ursprünglichen Anspruch Demokratie und soziale Gerechtigkeit gewidmet zu haben, sich mit ihrem persönlichen Wirken über Jahrzehnte engagiert zu haben und dabei für viele Menschen in diesem Land partiell auch positiv gewirkt zu haben, und zwar ohne zu wissen, dass dieses Wirken im Prinzip von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, weil - und dies, meine Damen und Herren, möchte ich hier insbesondere als Politiker sagen, der einen demokratischen Sozialismus, der soziale Gerechtigkeit, der auch Sozialismus im weiteren Sinne als Alternative zu einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung weiter anstrebt - soziale Gerechtigkeit und Solidarität ohne Demokratie, Menschenwürde und Freiheit eben nicht denkbar sind. Ich denke, das ist eine ganz zentrale Lehre und Frage aus dem Scheitern der DDR. Dies gehört aber auch zur Tragik deutscher und hier natürlich besonders ostdeutscher Geschichte.
Die vor der Geschichte vollständige Entwertung des Systems, dokumentiert in seinem letztlichen Zusammenbruch 1989, kann daher nicht im gleichen Maße auf das Wirken, auf die Arbeit einer großen Mehrzahl von Bürgerinnen und Bürgern in dieser DDR übertragen werden, meine Damen und Herren, besonders wenn wir heute politischen und demokratischen Ansprüchen und auch der Frage des gemeinsamen Landes und der Versöhnung gerecht werden. Das kann auch nicht pauschalisiert - ich betone wohlgemerkt „pauschalisiert“ - auf jene zutreffen, die im gesellschaftlichen, politischen und Verwaltungsraum der DDR bis 1989 tätig waren. Einer solchen pauschalisierten Bewertung stehen wir freilich weiterhin kritisch gegenüber.
Betrachtet man nun die heutige Situation, so, glaube ich, ist unter all dem jetzt von mir Gesagten ganz deutlich: Unrecht und Menschenrechtsverletzungen in der DDR dürfen nicht vergessen werden. Sie müssen Mahnung und Verpflichtung zugleich sein, alles dazu beizutragen, damit sich Derartiges niemals wiederholt, und schon deshalb, meine Damen und Herren - und das ist auch aus unserem Antrag ersichtlich - verbietet sich in diesen Fragen jeder Schlussstrich zur Debatte und zu den notwendigen Handlungen.
den, dass in der Öffentlichkeit bei den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch im Bereich der Geschichtsforschung, bei Politikwissenschaftlern eine Debatte in Gang gekommen ist, die auch ein Stück weit von einem gewissen Unwohlsein mit der Betrachtung auf den gegenwärtigen Stand der Bewertungen dieser geschichtlichen Fragen und der Schlussfolgerungen für das Heute dazu bestimmt ist. Eine Auseinandersetzung, glaube ich, im Übrigen durch vielfältige gesellschaftliche Schichten und aus meiner Sicht auch nicht einfach so parteipolitisch nur zuordenbar - insofern finde ich übrigens das Argument von Herrn Gentzel, dass wir auch in den Parteien weiter darüber debattieren und sprechen müssen, überaus wichtig. Aber es gibt eine gesellschaftliche Debatte und die geht eigentlich in zwei Richtungen. Die eine Seite ist mehr oder weniger davon bestimmt, dass sich sozusagen in recht konzentrierter Weise auf die Auseinandersetzung, die berechtigte Auseinandersetzung, aber eben nur auf diese konzentriert, mit dem Repressionsapparat zu DDR-Zeiten bezogen wird. Die andere Seite, die meiner Meinung nach allerdings durch die erste auch noch ein Stück weit bestärkt ist, ist die, mit einem verklärten Blick auf die DDR als heile Welt die Diskussionen zu führen.
Ich glaube, wir müssen über die Ursachen dieser Zustände und ihrer Vielfältigkeit debattieren, wenn wir in der Sache an sich vorankommen wollen. Einige der Ursachen liegen natürlich in den Erfahrungen mit dem Vereinigungsprozess nach 1990. Dazu zählen unter anderem auch die Empfindungen mancher individueller Geschehnisse dann als Entwertung, und zwar totale Entwertung der eigenen Biographie. Dazu trägt auch ein Stück bei - das muss ich dann auch heute wieder feststellen -, wenn natürlich solche Fragen durchaus ein Stück parteipolitisch instrumentalisiert werden in der Art und Weise und manchmal auch im Inhalt des Umgangs. Wissen Sie, es gehört dazu, dass natürlich, gerade weil wir heute rechtsstaatliche Verhältnisse stärken wollen, weil wir das auch tun wollen als Reflex der Erfahrungen aus der DDR, was in der DDR nie möglich war, immer wieder ganz deutlich hier gesagt werden kann, dass Menschenrechte sich aus verschiedenen Rechten zusammensetzen, dass es sich um die individuellen Freiheitsrechte handelt, aber dass es sich auch genauso um soziale Menschenrechte handelt, auch von der internationalen Charta anerkannt, die natürlich aber in vielen Fragen in der Bundesrepublik im politischen Diskurs, in der politischen Auseinandersetzung stehen und wo nicht alle politischen Gruppierungen und gesellschaftlichen Bereiche der Meinung sind, dass diese sozialen Menschenrechte quasi mit der gleichen Bedeutung gehandhabt werden müssen. Wenn wir diesen politischen Streit, den ich ja durchaus akzeptiere, miteinander führen, meine Damen und Herren, darf er nicht - und das sage ich in Reflexion auf die DDR - damit mundtot gemacht werden, dass man
all jenen, die unsere Politik in dieser Hinsicht kritisieren, von vornherein etwa unterstellt, sie wollten zu Verhältnissen in der DDR zurück. Meine Damen und Herren, das behindert die demokratische Debatte in diesen Fragen.
Eine weitere Ursache ist nicht nur aus Sicht der schon genannten Experten natürlich die gewissermaßen immer wieder einseitige Fixierung nicht nur auf das Sicherheitssystem, sondern sogar auf die Stasiakten und den Umgang damit an sich. So würde und wird noch heute die DDR nur, also oftmals nur, anhand der Akten des MfS erläutert und die Deutung dann daraus für allgemeingültig erhoben. Ich glaube, all diese Umstände verdeutlichen, dass wir im Umgang mit der DDR-Geschichte in der Tat im Augenblick ein Stück an einer Zäsur stehen, und zwar an einer Zäsur, wie wir weiter in dieser Angelegenheit und auch ein Stück weit Neuordnung und Neujustierung benötigen. Da muss ich deutlich sagen, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, dieses Ansinnen kann ich allerdings in Form und Inhalt Ihres Antrags nun wirklich nicht erkennen. Dabei haben wir doch Impulse aus der Gesellschaft, jüngst eine geeignete Diskussionsbasis, ich sage das bewusst so, für diese Thematik mit den vorgestellten Empfehlungen der Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichtsverbundes „Aufarbeitung der SED-Diktatur“. Dort wurde schon der Finger in manche Wunde gelegt. Die Experten meinen zu Recht, es sei fachwissenschaftlich wie auch öffentlich und, ich sage, damit politisch unangemessen, die Aufarbeitung ausschließlich auf Repression und Überwachung in der DDR zu konzentrieren, vielmehr müsse die politische Gesamtverantwortung - dann kann ich davon ausgehen, dass unsere Position von letztens dadurch bestärkt wurde - in der DDR, natürlich auch die Verantwortung des politischen Systems der SED, der anderen Parteien in dieser Situation mit betrachtet werden und es muss selbstverständlich das Alltagsleben, der Alltag in der DDR mit betrachtet werden. Und zwar, meine Damen und Herren, verstehe ich diese Auslassungen nicht als eine Befürwortung der mehr oder weniger verklärenden Art und Weise. Unter diktatorischen Bedingungen gibt es logischerweise wie immer ein Alltagsleben. Vieles - auch was die politischen Relevanzen betroffen hat, politische Debatten und Auseinandersetzungen - hat sich natürlich zumindest indirekt in diesem Alltagsleben widergespiegelt. Aber auch widergespiegelt in diesem Alltagsleben hat sich die, wenn auch letztlich vergebliche, aber doch nicht abzusprechende Leistung der Einzelnen bei dem Versuch, ein gutes Leben in dieser Gesellschaft zu ermöglichen. Das heißt, die Arbeit der Menschen während der DDR-Zeit ist ein wesentlicher Punkt doch ihres Alltagslebens gewesen. Das alles einzubeziehen und die politischen Rahmenbedingun
gen, die bis 1989 hier in diesem Land herrschten, von dieser Stelle aus insgesamt zu bewerten, ich glaube, das braucht die Debatte auch der politischen Parteien in diesem Land viel stärker als bisher.
Da wundere ich mich schon über die zum Teil heftigen Gegenreaktionen zu den Ausführungen der Kommission, die eben auch aus den Reihen der CDU kommen. Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, was Sie fürchten. Fürchten Sie, dass Ihre auch in Ihrem Antrag wieder etwas deutlich gewordene starke Verkürzung der Deutungshoheit über die Geschehnisse in der DDR verlorengehen? Ist das Ihr Problem, was Sie mit solchen Überlegungen haben? Dann muss ich Ihnen sagen, das wird weder der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht, die Sie haben, noch wird es z.B. auch der Situation von Opfern gerecht, über die wir hier schon geredet haben. Dann muss man sagen, wenn es so ist, ist es wirklich blanker politischer Populismus und das hilft in der Angelegenheit überhaupt nicht. Das will ich mit Deutlichkeit sagen.
Fehlende Rechtsstaatlichkeit in der DDR hat zu Unrecht und Menschenrechtsverletzungen geführt - ich hatte dies auch meinerseits hier noch einmal ausgelassen -, und indem dies zugelassen worden war, war die DDR von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Aber, meine Damen und Herren, wir können, gerade weil wir heute in einem geeinten Deutschland wieder miteinander leben können und gerade weil hier im Osten sich auch Verhältnisse grundlegend gewandelt haben, eben nicht übersehen, wenn wir über Geschichte reden, dass es eine Einbettung in die deutsch-deutschen Wechselwirkungen und auch in die internationalen Beziehungen, in den so genannten Kalten Krieg gegeben hat. Wenn wir daraus heute die richtigen Schlussfolgerungen ziehen, dann müssen wir auch wieder über gewisse Dinge diskutieren, die aktuell sind, die wir nicht mit einem Tabu belegen können und nicht einfach damit abtun können, dass es halt mal unseriöse Zeitungsmeldungen sind. Da muss ich schon deutlich sagen, es tut dem Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland nicht gut, wenn man entnehmen muss, dass es zumindest den begründeten Verdacht gibt, dass es im Grunde genommen am Ausgangspunkt seiner politischen - ich betone -, politischen Überzeugung einen auch Ihnen gut bekannten früheren Abgeordneten des Thüringer Landtags gibt, der offensichtlich vom Verfassungsschutz immer weiter observiert wird im Zusammenhang mit seiner Parteizugehörigkeit zur Linkspartei.PDS. Das muss in diesem Land Debatte sein können, gerade weil wir auch Praktiken entgegenstehen
wollen, die wir aus früheren Jahrzehnten mit Berechtigung heute kritisieren, meine Damen und Herren.
Ich will - auch wenn es sich hier natürlich um die Fragen, ich drücke es einmal etwas neutraler aus, Sicherheitseinrichtungen und Institutionen handelt - an der Stelle wirklich einmal mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, erneut Herrn Schorlemmer zitieren, der vor kurzem im „Freitag“ dazu bemerkt hat - ich zitiere: „Als einer, der den kommunistischen Tschekismus glücklicherweise hinter sich weiß, frage ich deshalb“, also aufgrund der Geheimdienstaffären, „um so nachdrücklicher: Welche verbrecherischen Praktiken gab und gibt es im Namen der Freiheit, welche dunkle Verselbständigung der Geheimdienste, selbst in den demokratischen Staaten - besonders in den USA? Fast überall ein stinkender Pfuhl in staatlichem Auftrag. Die Menschenrechte und das Recht an sich oft außer Kraft gesetzt, wenn es um höhere Staatsinteressen ging oder geht. Wer abmildernde oder verschärfende Vergleiche zwischen westlichen und früheren östlichen Diensten von sich weist, sollte bedenken,“ - immer noch Schorlemmer - „die Demokratie beansprucht weitaus höhere moralische Maßstäbe als jede Form der Diktatur. Und die Nähe von Geheimdiensten zu Menschenzerstörung und Menschenverachtung ist fraglos groß.“ So weit die Meinung von Herrn Schorlemmer. Ich wollte damit nur noch einmal bekräftigen, wir müssen uns der geschichtlichen Auseinandersetzung in diesem Land in seiner Gänze und auch mit Blick auf heutige Politik ebenfalls in Gänze stellen, wenn wir vor den Menschen letzten Endes, insbesondere auch vor den Menschen hier in Ostdeutschland, in diesen Fragen glaubwürdig bleiben wollen, meine Damen und Herren. Gerade das sehe ich an dieser Stelle nicht bei dem CDU-Antrag.
Ich möchte nun zu der geforderten Novellierung des Stasiunterlagengesetzes hinsichtlich der Verlängerung der Überprüfung für den öffentlichen Dienst und für Mandatsträger einige Bemerkungen machen. Wenn ich darauf eingehe, möchte ich vor allem auch einmal an die Zeit der Entstehung dieses Gesetzes zurückerinnern und daran, dass es in Umsetzung des Gesetzes einige Gerichtsurteile gab, die von den höchsten Instanzen der Länder und des Bundes getroffen wurden. Die Frist von 15 Jahren, die sich auf den 29. Dezember 2006 bezieht, kam keinesfalls zufällig oder willkürlich in den Gesetzestext. Sie beruht vor allem auf rechtsstaatlichen Normen und Regelungen der in den §§ 45 ff. Bundeszentralregistergesetz enthaltenen Rechtsgedanken. Darüber hinaus wurden besonders vom Bundesverfassungsgericht, aber auch vom Thüringer Landesverfassungsgericht
weitere präzisierende Aussagen getroffen. So wurde ausdrücklich deutlich gemacht, auch von den Vätern der Thüringer Verfassung, dass die Überprüfungsregelungen nur einen vorübergehenden Charakter in der Zeit des Aufbaus einer demokratischen und rechtsstaatlichen Verwaltung haben. Weiterhin - und dies hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt - müsse die persönliche Entwicklung nach 1990 entsprechend berücksichtigt werden. Die Urteile, auch die Paragrafen des Bundeszentralregistergesetzes formulieren, dass zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das Recht des Einzelnen gehört, dass ihm früheres Fehlverhalten nicht sein Leben lang zu Nachteilen im öffentlichen Leben gereichen darf. Das ist nicht nur eine rechtliche, ich glaube, in unserem Verständnis auch eine sehr gesellschaftspolitische Frage. Insofern, meine Damen und Herren von der CDU, bewegen Sie sich auf rechtlich zumindest unsicherem Terrain und es gibt bekanntermaßen eine ganze Reihe von Juristen, die sagen, Klagen gegen derartige Veränderungen wären offensichtlich sehr aussichtsreich. Allein dass es solche Überlegungen gibt, lässt mich doch zu der Frage kommen, dass wir noch dreimal gemeinsam nachmessen müssen und Festlegungen treffen müssen, die eine rechtssichere Lösung am Ende bringt, und das im Interesse der Menschen, die letztlich von all diesen Fragen betroffen sind. Auch wenn das so ist - und das will ich hier noch einmal mit Deutlichkeit sagen -, plädiert die Linkspartei.PDS uneingeschränkt für eine weitere Aufarbeitung der Vergangenheit und wir können uns auch vorstellen, dass Landtagsabgeordnete und Persönlichkeiten herausragender öffentlicher Ämter weiter überprüft werden und ihre Biografie offenlegen. Das betrifft übrigens unsere Parteibeschlüsse, die wir in diesem Zusammenhang deutlich gemacht haben. Wenn, Herr Gentzel, Ihren Einwand aufnehmend, wir das hier nicht klarer formuliert haben, dann hängt das ausdrücklich davon ab, dass wir dies z.B. in einer weiteren Debatte - vielleicht jetzt auch gemeinsamen Debatte - konkretisieren möchten. Uns ist noch nicht so ganz klar, wie die Ausführung einer solchen Sache wirklich aussehen kann. Aber den Grundsatz, dass wir dies beabsichtigen, den kann ich hier noch einmal mit aller Deutlichkeit bestätigen.
Allerdings - und das will ich für das gesamte Verfahren auch sagen - müssen Überlegungen angestellt werden, die eben nicht nur mit rechtsstaatlichen Prinzipien in Übereinklang zu bringen sind, sondern wir brauchen auch aus unserer Sicht ein ganz anderes Prüfverfahren. Was gegenwärtig auf diesem Gebiet läuft - das wurde heute auch schon erwähnt -, ist nicht nur in der Sache äußerst unbefriedigend, sondern das wird eben einfach den Ruch der parteipolitischen Instrumentalisierung nicht los, ob wir
das wollen oder nicht. In der Öffentlichkeit wird es vielfach so gesehen und wir müssen uns damit auseinandersetzen.
Die Linkspartei.PDS spricht sich neben dem Auslaufen des Stasiunterlagengesetzes unter der damit verbundenen Bedingung der Überprüfung zum 31.12.2006 vor allem für die Überführung der Unterlagen und Aktenbestände in das Bundesarchiv aus. Damit ist natürlich verbunden, dass dann, was diese Fragen betrifft, andere rechtliche Regelungen zum Umgang mit diesen Akten her müssen, weil die bisherige Gesetzgebung des Bundesarchivs dies so nicht hergibt. Wir sind aber schon der Meinung und im Übrigen, ohne dass ich das jetzt anführen will, gibt es ja selbst aus den Reihen der CDU eine ganze Reihe von Stimmen, die sagen, vom Anliegen abgesehen, ist die gegenwärtige Praxis und der gegenwärtige Umgang der Behörde damit kritisch zu hinterfragen im Interesse der ganzen Angelegenheit und da sage ich, meine Damen und Herren, das muss doch möglich sein. Dafür müssten wir uns meiner Meinung nach auch gemeinschaftlich einsetzen können.
Meine Damen und Herren, eine letzte Bemerkung zur Rehabilitierung von Opfern der DDR und zu einer Opferpension. Meine Fraktion unterstützt dieses Ansinnen. Allerdings muss ich auch sagen, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Ihnen kann ich den Vorwurf nicht ersparen, dass Sie sich, wenn Sie das heute hier einbringen, reichlich Zeit gelassen haben und sehr spät mit einem solchen entsprechenden Antrag kommen. Die PDS hat im Übrigen in der letzten Legislatur mit der Drucksache 3/1536 - ist nachlesbar - einen solchen fast gleichlautenden Antrag im Jahr 2001 in den Landtag eingebracht. Da komme ich noch mal zu einer Frage, um was es nun geht, um politisches Schaufenster oder um Lösungen im Interesse der Sache.
Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben damals abgelehnt und haben gesagt, wir wären nicht die Richtigen - ich drücke es ein bisschen abgemildert aus -, einen solchen Antrag einzubringen. Da muss ich Ihnen aber mal deutlich sagen, wir haben als Partei, die wir uns - und ich werfe Ihnen immer noch vor, dass Sie das nicht in genügendem Maße oder überhaupt nicht tun - zu unserer Verantwortung in der DDR und mit dieser Politik und der Zeit auch in unserer Partei auseinandersetzen, die Verpflichtung - ja, so sehen wir das -, uns auch für solche Anträge einzusetzen und die gegebenenfalls auch selber einzubringen. Wer uns die per se absprechen will, meine Damen und Herren, der leistet keinen Beitrag zum demokratischen Umgang und einer wirklich transparenten Lösung dieser Frage im Interesse der Betrof
fenen. Da muss ich Ihnen dann politische Instrumentalisierung und Schaufensterantrag wirklich unterstellen, auch was das betrifft, was Sie heute hier vorgelegt haben.