Protocol of the Session on December 22, 2005

Ja, ja, also ob Ihre Füße weit größer sind als die meinen, das können wir noch ausmessen. Wissen Sie - vielleicht noch einmal an Ihre Adresse -, Länge hat nicht immer etwas mit Größe zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie Größe hätten, lieber Kollege, dann hätten Sie als eben selbsternannter Sozialpolitiker sich in Ihrer Fraktion intensiver durchgesetzt, was den Sozialhaushalt angeht.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen eines - wie es gestern mein Kollege Gentzel gesagt hat auf den Hinweis, dass es mal eine Zeit gab in Ihrer Fraktion, wo es mehr vernünftige Innenpolitiker gab, und heute ist auch der Kollege Fiedler bei Ihnen allein, bestimmte Dinge wären vor wenigen Jahren nicht passiert. Das, was Sie sich jetzt im Moment sozialpolitisch leisten, wäre mit einer Sozialpolitikerin Arenhövel wahrscheinlich auch nicht passiert.

(Unruhe bei der CDU)

Schauen Sie mal bitte in den Spiegel, was Sie hier tun. Sie haben einen Haushalt der sozialen Kälte, insbesondere im sozialpolitischen Bereich, und Sie wollen es nicht wahrhaben.

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Das ist nicht wahr.)

Jeder in diesem Lande merkt es, nur die CDU nicht. Da muss doch irgendetwas schief laufen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Sie stellen sich hierher - und das ist übermäßig arrogant - und sagen: Wir haben zunächst einen Haus

halt von unserer Landesregierung bekommen, die ja zufälligerweise alle Ihr Parteibuch haben, ob sie Abgeordnete sind oder nicht. Sie legen einen Haushalt vor, der gerade im sozialpolitischen Bereich Kürzungen in Größenordnungen mit sich bringt, und dann sagen Sie, wir machen Änderungsanträge und dann setzen wir noch ein bisschen was drauf an bestimmten Punkten. Überlegen Sie doch mal, was Sie sagen. Sie nehmen reduzierte Ansätze in Größenordnungen, dann reduzieren Sie die Reduzierung und danach sagen Sie, Sie sind die besten Sozialpolitiker, die es gibt.

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Habe ich doch gerade erklärt.)

Das tut einem weh, das muss einem wehtun

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

und das muss allen wehtun, die hier oben sitzen. Sie haben dies ganz deutlich gemacht. Die Zahlen, wenn Sie die nicht begreifen, dann muss man es Ihnen noch einmal sagen - die Gesamtsumme der Familienförderung, was Kita, Landeserziehungsgeld, Familienhilfe usw. betrifft, verringert sich im laufenden Haushalt von 170 Mio. € auf 159 Mio. € in 2006 und noch mal auf 162 Mio. € in 2007. Angekündigt haben Sie diese Offensive mal ganz großspurig in einer tollen Broschüre; da stand drin, es wären am Ende 2 Mio. € mehr. Das war die große Ankündigung; das war die erste Pressekonferenz. Dann sagen Sie, Sie sind die Verfechter einer Sozialpolitik in Thüringen. Nein, was Sie hier tun, ist Sparen an der falschen Stelle.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Wir haben Ihnen als Opposition immer deutlich gemacht, dass wir bereit sind, über Einsparungen zu reden, aber nicht über Einsparungen

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Nein, Sie haben gar keine Vor- schläge gemacht.)

- und das ist hier alles schon angesprochen worden - im Bereich Familie, bei Kindern, bei der Blindenhilfe, bei allem Möglichen. Insofern sage ich Ihnen nur, und das sage ich in aller Deutlichkeit, wer immer mit dem Schild „sozial und christlich“ durch die Gegend läuft und von Anfang an immer sagt, Sozialpolitik, Familienpolitik ist unser hehres Ziel, der sollte sich schämen, mit solchen Zahlen, mit einem solchen Haushaltsentwurf an die Öffentlichkeit zu gehen und sogar noch dafür zu stimmen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

(Unruhe bei der CDU)

Seitens der Abgeordneten liegen mir im Moment keine weiteren Redeanmeldungen vor. Kann ich davon ausgehen, dass Minister Dr. Zeh für die Landesregierung das Wort ergreifen möchte? Dann bitte, Herr Minister Dr. Zeh.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich noch mal von Seiten der Regierung klarstellen, dies ist kein Haushalt der sozialen Kälte.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte meinem Kollegen Panse ausdrücklich dies bestätigen: Herr Panse hat keine ungefähren Zahlen genannt, Frau Abgeordnete Thierbach, sondern er hat die genau richtigen Zahlen genannt, wenn Sie ihn nicht gerade auf die Kommastelle festlegen wollen. Im Haushaltsjahr 2006 sind es 673 Mio. €, im Jahr 2007 sind es 700 Mio. € und ich nenne eine weitere Zahl, mit der man nämlich vergleichen kann, im Jahr 2005 - das ist das gegenwärtig laufende Haushaltsjahr - sind es 701 Mio. €. Wir streiten also in Summe - ich sage ausdrücklich „in Summe“, wir müssen das differenzieren - um eine Differenz, um ein Minus von 1 Mio. €. Und ich sage ausdrücklich, Herr Pilger, das ist kein ungehemmter Sozialabbau. Ich bin mir bewusst, dass diese 1 Mio. € an einigen Stellen eine größere Reduzierung mit sich gebracht hat und an anderen Stellen natürlich eine Steigerung notwendig war, denn das würde ja sonst nicht aufgehen, das Zahlentableau.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Das geht auch nicht auf!)

(Unruhe bei der SPD)

Herr Minister, gestatten Sie eine Anfrage durch Frau Abgeordnete Thierbach?

Am Ende.

Am Ende bitte.

Das ist natürlich genauso richtig, das Zahlenwerk: Wenn wir auf der einen Seite mehr ausgeben und in der Summe die Zahl dann etwa gleich ist, dann hat das an anderer Stelle Reduzierungen zur Folge. Das sind schmerzliche Reduzierungen, daran will ich gar nicht deuteln. Es macht auch keine Freude und keinen Spaß, solche Reduzierungen mittragen zu müssen. Aber es gehört auch zur Verantwortung von Politik, dass dies verkraftet werden muss angesichts der insgesamt schlechten finanziellen Situation. Ich verstehe jeden, der Einspruch dagegen erhebt, ich verstehe auch diejenigen, die protestieren, aber wir haben die Verantwortung letztlich für diesen Staat. Wir müssen prüfen, ob dieser Sozialstaat langfristig noch finanzierbar bleibt. Deshalb - Frau Thierbach oder Frau Leukefeld hat das vorhin noch mal deutlich angefragt: Wo liegt denn die Verantwortung der Landesregierung? Die liegt nämlich genau an der Stelle, wo wir alle Ausgaben durchforsten müssen und fragen müssen, ob sie zwingend nötig sind oder ob sie noch immer über dem Bundesdurchschnitt liegen, wie es in vielen Bereichen zu verzeichnen ist. Ich komme auf einige Bereiche noch zu sprechen.

Ich möchte auch das Grundprinzip dieses Haushalts noch einmal bestärken. Wir müssen im Interesse der Schwächsten dieser Gesellschaft den Staat weiter zahlungsfähig halten. Denn wenn dieser Staat nicht mehr zahlungsfähig ist, dann werden genau die Schwächsten am Ende bei einer Krise unter die Räder kommen. Genau das wollen wir nicht. Deshalb heißt das Grundprinzip dieses Sozialhaushalts nach wie vor: Wer die Kraft und die Fähigkeit und - ich ergänze - auch die finanziellen Möglichkeiten hat, sich und sein Leben zu gestalten, dem müssen wir auch diese Verantwortung abverlangen, dass er dies tut. Wer nicht die Kraft und die Fähigkeit hat und die finanziellen Möglichkeiten, dann hat die Solidargemeinschaft die Pflicht und derjenige hat auch einen Anspruch auf Hilfe der Gemeinschaft. Das hat nichts mit Gnädigkeit zu tun, Herr Pilger. Es ist auch nicht, dass eine Bedürftigkeit zu einer Demütigung führt, wenn man eben auch beim Sozialamt den Bedarf feststellen lassen muss. Es gehört dazu, dass man den Bedarf erkennt, und dieser muss festgestellt werden. Sie können alle Bereiche, Herr Pilger, im Haushalt durchforsten und Sie werden dieses Prinzip in allen Bereichen wiederfinden; den Schwächsten wird auch weiterhin geholfen. Das ist gerade und auch im Bereich der Blinden so. Ich möchte auch im Hinblick der anwesenden Blinden hier auf der Tribüne noch einmal unterstreichen: An die Stelle des Blindengeldes, das nicht ersatzlos gestrichen wird,

(Zwischenruf Abg. Pilger, SPD: Das glauben Sie selber nicht.)

das einkommens- und vermögensunabhängig bisher gezahlt wird, tritt in Zukunft für viele Betroffene die Blindenhilfe, die natürlich abhängig vom Einkommen und auch abhängig vom Vermögen ist. Natürlich ist es wichtig, dass der Bedarf auch festgestellt wird. Das geschieht übrigens bei allen Behindertengruppen so, das ist bei den Blinden dann keine Ausnahme. Ich denke, die Äußerung des Blinden- und Sehbehindertenverbandes, dass nach der Streichung des Blindengeldes 90 Prozent der Blinden mit 400 € weniger auskommen müssen, die ist einfach falsch. Ich denke, Sie helfen der Sache nicht, wenn Sie solche Äußerungen an die Öffentlichkeit tragen, weil es am Ende Ihr Anliegen nicht glaubwürdiger macht.

Es werden, und das sind die Erfahrungen von Niedersachsen, wesentlich mehr auf die Blindenhilfe zurückgreifen können und es wird in Niedersachsen so sein und es wird auch in Thüringen so sein. Im Übrigen, die Anmerkungen der SPD in dieser Frage halte ich nun wirklich für Krokodilstränen. Nachdem die rotgrüne Bundesregierung die Vermögensgrenze von 4.000 auf 2.600 € gesenkt hat bei der Anrechnung des Vermögens, dann halte ich das nicht gerade Ihrem Anliegen gemäß, dem Nachteilsausgleich der Blinden entgegenzukommen; im Gegenteil, das ist eine Maßnahme, die ich kritisieren muss.

Ich möchte auch auf andere Förderbereiche zu sprechen kommen - wir hatten sie bereits in der Debatte -, das ist die Frage, wo fördern wir über dem Durchschnitt, über dem Bundesdurchschnitt und können wir das als Thüringer uns angesichts der Finanzsituation, wo jeder zweite Euro nicht hier erwirtschaftet wird, noch leisten. Wir sprechen überhaupt gar nicht vom Abreißen mit der Abrissbirne, z.B. die Frauenhäuser. Wir haben hier weit über dem Durchschnitt der Bundesländer finanziert. Nach der Reduzierung - und ich verstehe jeden, der am Ende vielleicht dabei auch den Arbeitsplatz verliert, ich verstehe jeden, der da auch protestiert -, aber am Ende werden wir im Durchschnitt der Ausstattung aller Bundesländer stehen und wir werden natürlich nicht an letzter Stelle in diesem Bereich stehen. Wenn wir zurzeit eine Auslastung von unter 50 Prozent in diesem Bereich haben, dann werden wir nach der Reduzierung der Frauenhäuser in dem Bereich bei einer Auslastung - bei Zugrundelegung der jetzigen Auslastung - bei 76 Prozent angekommen sein. Das heißt, dass immer noch ein Viertel als Reserve vorhanden ist. Im Übrigen gebe ich meinem Kollegen Panse Recht, es kann nicht sein, dass das Opfer wegläuft - wir müssen den Täter wegschicken. Das muss unser Ziel sein und dafür auch alle gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte auch auf die Verbraucherzentralen zu sprechen kommen. Wir haben auch im Bereich der Verbraucherzentralen weit über dem Durchschnitt der Bundesländer finanziert und mit dem CDU-Antrag, der 300.000 € Aufstockung beträgt, werden wir zwar etwas unter dem Durchschnitt sein, aber noch lange nicht an letzter Stelle aller Bundesländer. Ich glaube, diesen Bereich hat Mecklenburg-Vorpommern, dort, wo die rotrote Regierung in der Verantwortung ist, denn sie haben einen ersten Konkurs provoziert und es droht zurzeit auch der zweite Konkurs.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, Linkspar- tei.PDS: Und Ihrer war schon.)

Nein, wir hatten noch keinen Konkurs und wir werden den auch nicht haben, wenn das Konzept entsprechend umgesetzt wird, so wie es besprochen worden ist. Wir haben natürlich auch wesentliche Gestaltungselemente in diesem Haushalt. Ich will hier nicht auf die Einzelheiten eingehen, einiges hat der Kollege Panse schon gesagt, ich will nur nennen den Familienbereich, der noch weit über dem Durchschnitt der Länder gefördert wird. Wir haben auch im Bereich des Thüringenjahres tausend Jugendlichen die Möglichkeit gegeben, an diesem Thüringenjahr teilzunehmen. Das ist eine Verdreifachung der Zahlen. Wir haben ein Anschlussprogramm in der Krankenhausfinanzierung auf den Weg gebracht, das sozusagen die Gesundheitsversorgung sichern hilft. Wir haben eine Jugendpauschale, die, das gebe ich zu, reduziert ist, aber noch immer weit über dem Durchschnitt der Länder steht.

Ich denke, und das wiederhole ich vom Anfang, dieser Haushalt ist kein Haushalt der sozialen Kälte, sondern ein Haushalt des sozialen Augenmaßes. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, Sie wollten die Anfrage von Frau Thierbach noch beantworten. Frau Thierbach, Sie können Ihre Anfrage stellen.

Herr Minister, ist Ihnen bewusst, dass Sie niemandem vorschreiben können, dass er aufgrund von Maßnahmen und Verhältnissen im Lande Thüringen friert?

Also, der tiefere Sinn der Frage.

Ja, klar, Sie erlauben sich zu definieren, wer soziale Kälte empfindet. Sie sprechen es denjenigen ab, die diese wahrnehmen, und ich frage deswegen: Glauben Sie, dass Ihnen das zusteht?

Frau Thierbach, ich habe ausdrücklich gesagt, ich verstehe jeden, der Einschnitte hinnehmen muss, und ich verstehe auch den, der dagegen protestiert, aber die Verantwortung darüber zu entscheiden, wie letztlich der Haushalt steht, das ist nun mal unsere als Politiker. Ich denke, wir haben die Verantwortung wahrgenommen, denn wir können es uns nicht leisten, dass der Sozialstaat, dass der Staat überhaupt zusammenbricht, weil wir immer noch mit 1 Mrd. € Schulden in diesem Jahr zu Buche schlagen. Wir haben es in der Debatte heute und gestern gehört, dass diese 1 Mrd. € immer noch viel zu viel ist. Sie machen ständig Forderungen auf, noch mehr auszugeben. Das funktioniert nicht, dann bricht der Sozialstaat zusammen, Frau Thierbach.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Zeh, Sie haben eben wieder gesagt, dass Einschnitte im Bereich der Gleichstellung von Frau und Mann gerechtfertigt wären, und sagten, dass wir ja das Wegweisungsrecht haben. Ist Ihnen bekannt, dass auf der Grundlage des Wegweisungsrechts höchstens der Beratungsbedarf steigt, aber nicht abnimmt? Wie verhält sich das, dass Sie ausgerechnet in diesem Beratungsbereich noch kürzen?