Protocol of the Session on December 22, 2005

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Wir ha- ben jetzt einen Gleichstellungsminister.)

wir haben einen Gleichstellungsminister - ich finde es ganz Klasse -, deswegen wird der Inhalt auf diesen Seiten nicht besser,

(Beifall bei der SPD)

denn wir haben das Phänomen, dass eine Gleichstellungsbeauftragte - und nun, Frau Tasch, immer auch noch einen Gleichstellungsminister - genau konzeptionslos

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Hoffentlich weiß er das auch.)

handelt, wie er es im Haushalt tut.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es wird an allen Positionen gestrichen, außer bei der Gleichstellungsbeauftragten. Die agiert im Land ohne Konzept bzw. mit einem Konzept, das dem Begriff „Gleichstellungskonzeption“ noch nicht einmal nahe kommt. Warum? Sie ist nämlich bereit, diese Sparpolitik tatsächlich umzusetzen, und manche Idee stammt auch noch von ihr. Tut mir Leid, das ist der falsche Weg. Ich würde mir wünschen, dass wir diese kontraproduktiven Streichungen bei Zuschüssen für Frauenhäuser und Frauenschutzwohnungen, bei Zuschüssen für Frauenzentren - und jetzt wird es ganz verrückt -, bei Zuschüssen für Gewaltkonfliktberatungsstellen, das sind die Gewaltkonfliktstellen, bei denen sich Männer Hilfe holen können, wenn sie tatsächlich Probleme mit ihrer Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen haben, auch dort wird gekürzt. Sie kürzen auch bei Zuschüssen für den Landesfrauenrat. Es ist vollkommen uninteressant, wie hoch der Euro-Anteil bei den Kürzungen ist. Es ist ganz einfach interessant, dass der Gleichstellung von Mann und Frau so viel Wertschätzung im Haushalt des Thüringer Sozialministeriums gegeben wird, dass bei allem gekürzt wird. Und es kommt kein Widerstand. Wenn sich die ganze Zeit herauskristallisiert hat, dass bei den Frauenschutzwohnungen und bei den Frauenhäusern einige, nämlich eine ganze Menge, jetzt nicht mehr weiter existieren können, dann fallen damit nicht nur Betten weg, damit fällt Beratung weg, damit fällt Selbsthilfe weg. Was in diesem Haushalt, und damit sage ich, es ist einer der sozialen Kälte, bei der Gleichstellungsbeauftragten, wenn man schon ein ganzes Kapitel so nennt, fehlt, das sind Ideen, neue Ansätze, wenn ich schon etwas streiche, auch neue Elemente einzuführen. Auch das zeigt die Konzeptlosigkeit und eine formale Abarbeitung, weil es sein muss, dies zu tun. In Frauenzentren sind nicht Häkelvereine, da sind auch nicht nur Backkurse und in Frauenzentren wird doch nicht nur gemalt, sondern dort haben Frauen Schutzräume, auch wenn der Begriff nicht genutzt wird, wo sie ihre Probleme ohne die Bewertung von Männern, wie

sie es sagen, wie sie es artikulieren, tatsächlich austauschen können und sich auch Hilfe organisieren können. Dort streichen Sie, obwohl - und das ist für mich ein deutlicher Widerspruch - Sie die Frauen- und Gleichstellungspolitik zur Chefsache gemacht haben. Wenn wir in der letzten Legislatur noch ständig über Gender Mainstreaming gesprochen hatten, so ist dieses Wort sowieso erledigt, habe ich den Eindruck bei vielen,

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Da muss man erst mal wissen, was es ist.)

sonst hätte nämlich das Familienfördergesetz in der Form nicht verabschiedet werden können. Genau dieses ist unser Problem, warum wir sagen, Sie haben kein Gefühl für die Probleme der Menschen, die hinter diesen Zahlen stehen.

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: So ein Schwachsinn!)

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Ein weiteres Problem, das ich noch mal ansprechen möchte, die Jugendpauschale: Die neue Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“ stellt Kommunen vor neue Aufgaben. Ist in Ordnung, Kommunen sind sowieso immer diejenigen, die all das abkriegen, was das Land nicht mehr leisten will. Die Befürchtungen bei der Zusammenlegung von Jugendpauschale und Schuljugendarbeit sind sehr laut und sie sind auch artikuliert, die nämlich darin bestehen, dass Schuljugendarbeit letztendlich nicht in dem Umfang gefördert und geachtet wird, wie sie wichtig wäre gerade für das Ganztagsschulprogramm. Die Jugendpauschale und die Schulsozialarbeit werden eben weiter gekürzt. Hier bin ich bei der Kritik, die ja immer an Mecklenburg-Vorpommern gemacht wird, und, ich habe Ihnen schon mal gesagt, ich bin ganz stolz, dass der Eindruck entsteht, als wenn die PDS dort der große Partner in der Regierung wäre, denn die Kritik an der Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern richtet sich immer nur an die PDS. In MecklenburgVorpommern ist es möglich gewesen in dem Haushalt jetzt und heute, die Initiativen zur Jugendpauschale und Schulsozialarbeit aufzustocken um 7,5 Mio. € pro Jahr und dies sicherzustellen bis 2013. Wo sind solche Ansätze in Ihrer langfristigen Politik? Den Begriff Finanzierungen, die Sie in die Jahre vorweg geschrieben haben, den haben Sie gekonnt, aber noch nie bei Inhalten, Herr Minister Zeh. Ich würde mich freuen, wenn wir so eine langfristige Förderpolitik gerade in dem Bereich haben.

Ich möchte noch etwas zur Jugendberufshilfe sagen. Da bin ich auch wieder bei Herrn Reinholz, obwohl er gar nicht dafür zuständig ist. Sie wissen alle, die CDU-Fraktion hat die Jugendberufshilfe, ich sage,

wenigstens zur Hälfte gerettet, weil die politischen Aussagen, die über den Landkreis kamen, so waren, wie Herr Vetzberger zum Empfang der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in seinem Grußwort auch gesagt hat: Jugendberufshilfe brauchen wir nicht mehr, § 19 Ausführungsgesetz KJHG kann in Thüringen gestrichen werden. Dazu bekennt sich Herr Vetzberger immer noch. Ich denke, es ist gut, dass die CDU gemerkt hat, dass eine Gesamtstreichung nicht richtig ist. Wir hätten überhaupt nichts gestrichen - und warum nicht? Der Verweis, dieser einfache Verweis, dass jetzt Jugendliche bis 25 Jahre über das Sozialgesetzbuch II einen Rechtsanspruch auf Förderung bei Arbeitslosigkeit haben, der hat an der Gesamtsituation bis heute nichts geändert.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Problem ist, dass es den Rechtsanspruch gibt, aber die Zahl derer, die auf diesen Rechtsanspruch theoretisch zurückgreifen müssen und es praktisch nicht justiziabel machen können, die steigt. Wir haben heute mehr Jugendliche unter 25 Jahre in den Statistiken bei den ARGEN, bei den optierenden Gemeinden, in den Arbeitsämtern als zu Beginn mit Hartz IV. Und in der Situation kommt die Landesregierung gemeinsam mit dem Landkreistag auf die Mops-Idee, wir streichen die Jugendberufshilfe, die über Jahre nachgewiesen hat, ob das Stellwerk oder andere Projekte waren, dass sie den am meisten Benachteiligten den kleinen Finger für die Chance noch reichen können und die Erfolgsquote ist doch messbar. Ich werde doch nicht das, was Erfolge hat, in einer Situation, wo andere Instrumente beweisen, dass sie überhaupt noch nicht gegriffen haben, auch noch abrasieren. Deswegen ehrlichen Herzens sagen wir Ja, wir werden sogar unterstützen, dass die CDU diese Mittel eingestellt hat über einen Änderungsantrag. Das ist durch uns nicht zu kritisieren.

Ich möchte auf ein weiteres Problem hinweisen, zu dem wir auch Änderungsanträge gestellt haben. Wir wollen die Verbraucherinsolvenzberatung stärken. Wir wollen den Frauenhäusern und Frauenzentren, die Begründung habe ich gegeben, wieder Geld zukommen lassen, mehr als enthalten ist. Wir wollen das gegenwärtige Landeserziehungsgeld beibehalten. Wir haben Ihnen Änderungsanträge vorgelegt, in denen ein Aussetzen der so genannten Thüringer Familienoffensive tatsächlich noch stattfinden muss. Wir haben das schon mit dem Verabschieden dieser Familienoffensive begründet. Es gibt aber neue Gründe dafür. Nicht nur das von uns mehrfach beantragte Moratorium, sondern auch die Aktivitäten im Bund. In einer Veranstaltung noch vor Verabschiedung des Familienfördergesetzes, eine Veranstaltung, Herr Illert, als Partner eines freien Trägers in einem Kindergarten, haben wir mehrfach gefragt und ich habe ihn persönlich später auch noch

gefragt: Wie ist das mit dem Bundeserziehungsgeld bzw. Bundeselterngeld? Wie soll das geregelt werden? Wie passt die Familienoffensive dazu, wenn dieses tatsächlich im Bund nur für ein Jahr strukturiert wird? Antwort von Herrn Illert: Dieses eine Jahr, jetzt kommt dasselbe wieder, dieses eine Jahr wäre vom Tisch. Es ist nicht vom Tisch, sondern die Ministerien in Berlin, beide CDU-geführt, streiten sich nicht nur um Höhe, sondern die streiten sich auch noch, woher das Geld kommen soll, und sie streiten sich um den Modus, wie das Elterngeld tatsächlich über einen längeren Zeitraum strukturiert werden soll. Ich sage Ihnen, das ist wie das Wahlprogramm der CDU im Thüringer Landtag, was Ihnen Kollegin Leukefeld schon dargestellt hat: Die Sätze, die in Ihrem Wahlprogramm im Bundestag zum Elterngeld standen, die haben die Chance für zwei Jahre eröffnet, aber es ist nicht entschieden. Wenn das Landeserziehungsgeld nicht passend wenigstens an das Bundeserziehungsgeld geknüpft wird, dann ist aber auch das letzte Stückchen, was Sie hier als Vorteil selber immer wieder für Eltern gefeiert haben, auch noch dahin, denn dann produzieren Sie ein Loch von einem Jahr. Dieses Loch von einem Jahr führt nicht dazu, dass die Frauen schneller wieder ihrer Arbeit nachgehen können, dass Kinder soziale Kommunikation lernen oder dass Familien selbstbestimmt Familienarbeit und Berufsleben gestalten können. Aus dem Grund haben wir Ihnen inhaltlich zum Haushalt noch mal einen Antrag zum Moratorium gemacht, der zahlenmäßig untersetzt ist. Ich glaube, die Vernunft würde wirklich siegen, wenn Sie sich dazu durchsetzen würden. Denn Ihr Argument, wie es gestern auch von Herrn Minister Goebel kam, dass in einem halben Jahr die Familienoffensive überprüft werden kann; solche kurzen Evaluierungszeiten gab es in dieser Landesregierung überhaupt nicht und in den vorhergehenden auch nicht, sondern das waren immer viele Jahre. Hier muss noch die Angst, dass etwas schief läuft, ganz schön groß sein. Denn sonst hätten Sie nicht nach einem halben Jahr schon wieder Ihre eigene Evaluierung beschlossen.

Ein weiterer Änderungsantrag: Wir wollen Informations- und Koordinierungsdienste weiter fördern. Diese heißen absichtlich so, weil wir glauben, die Aufstockung der Mittel ist notwendig, um ein Mindestmaß an Infrastruktur für Betreuung und Förderung in der Altenhilfe und in der Tätigkeit von Betreuungsformen allen zu gewährleisten. Wir glaubten nicht, dass das, was Sie mit dem Haushalt, Herr Minister Zeh, festgesetzt haben, tatsächlich ausreicht. Ich möchte nicht alle einzelnen Änderungsanträge vortragen. Ich möchte aber am Ende einen Finanzierungsvorschlag machen.

Frau Abgeordnete Thierbach, würden Sie das bitte in einem Satz zusammenfassen, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich habe Ihnen das Zeichen auch schon gesandt.

Ach so, gut. Also: Wir lösen das Ministerium für Familie, Soziales und Gesundheit auf, weil, Herr Geißler ist ja älter geworden, sagte Herr Bergemann, und der Satz, dass ein Sozialministerium nur dann Sinn hat, wenn es gestaltende Sozialpolitik und nicht Almosenpolitik macht, der trifft heute auf das Land Thüringen zu. Die Ministerriege ist sozial abgesichert, für alle anderen können wir es noch vornehmen. 1,5 Mio. € kosten sie, die ziehe ich ab für die Versorgung derer, die da dranhängen, wenn dann Minister und Staatssekretär andere Aufgaben kriegen, dann bleibt eine Einsparsumme von 1 Mio. € und diese 1 Mio. € sollte Gestaltungsspielraum im Thüringer Haushalt werden. Da Herr Geißler nicht nur älter geworden ist, sondern auch klüger, finde ich, sollte man seine Ausgangsposition von 1967, als er in Rheinland-Pfalz Sozialminister war, auch sehr ernst nehmen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Frau Abgeordnete!

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Pilger zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Mai des vergangenen Jahres erklärte der Sozialminister anlässlich einer Podiumsdiskussion der LIGA in seiner Presseerklärung: „Ich verstehe Sozialpolitik als zukunftsorientierte, gestaltende Strukturpolitik.“ Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Äußerung erfolgte kurz vor der Landtagswahl 2004. Wenn der Sozialminister auch nach der Wahl das ernst nimmt, was er vorher sagte, müsste sich dieser Gestaltungswille im Haushalt widerspiegeln. Ich frage mich seitdem, was Sie, Herr Minister Zeh, unter zukunftsorientierter, gestaltender Strukturpolitik verstehen. Wir erleben jedenfalls einen nahezu ungehemmten Sozialabbau, der sich mit dem jetzt vorliegenden Haushaltsplanentwurf nahtlos fortsetzt. Nachdem zunächst außer Streichen, Kürzen, Streichen kaum ein Ziel auszumachen war, lässt sich bei näherer Betrachtung nach meinem Eindruck doch mehr und mehr eine Strategie erkennen. Zunächst geht es offensichtlich darum, das Ge

genteil von dem zu behaupten, was tatsächlich beabsichtigt ist. Tarnen und Täuschen wäre wohl die richtige Bezeichnung. Ich will Ihnen ein Beispiel dafür nennen. In der bereits genannten Pressemitteilung beschreiben Sie als Ihr politisches Ziel, ich zitiere noch einmal: „Es gilt gerade denjenigen Menschen zu helfen, die am nötigsten einer Unterstützung bedürfen und die aus eigener Kraft die Bewältigung eines Problems nicht schaffen.“ Das klingt beruhigend und schön wäre es.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Nun sind Menschen, die von Gewalt betroffen sind, sicherlich unstrittig diejenigen, die aus eigener Kraft die Bewältigung ihrer Probleme häufig nicht schaffen; besonders gilt dies für von Gewalt bedrohte Kinder und Frauen. Man sollte also annehmen, dass der Kinder- und Jugendschutz genauso wie Frauenschutzwohnungen, Frauenhäuser und Interventionsstellen Förderpriorität bei Ihnen hätten. Hier geht es um Hilfe suchende, verzweifelte, wehrlose und oft - im wahrsten Sinne des Wortes - geschlagene Menschen. Wer nun denkt, dass in diesen Fällen Sozialpolitik ohne Wenn und Aber helfen muss, wer denkt, dass der Minister diese Not doch gemeint haben muss, den lehrt der Blick in den Haushalt etwas anderes. Die Landesmittel für den Kinder- und Jugendschutz reduzieren sich vom Haushalts-Ist am 31.12.2004 von 714.000 € über 530.000 € im vergangenen Jahr auf nur noch 471.000 € im Haushaltsjahr 2006. Das sind sage und schreibe minus 33 Prozent. Im gleichen Zusammenhang zu sehen sind die ebenfalls um rund ein Drittel gekürzten Zuschüsse für die Frauenhäuser, Frauenschutzwohnungen und Interventionsstellen sowie für die Gewalt- und Konfliktberatungsstelle. Genau wissend, dass mit dem Gewaltschutzgesetz die Arbeit von den Frauenhäusern, von den Frauenschutzwohnungen hin zur ambulanten Beratung zu verstärken ist, wird diese Arbeit ohne jede Vorwarnung mit geradezu lächerlichen Argumenten wie den Bettenzahlen rigoros zusammengestrichen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Resultat dieser Art von Sozialpolitik allerdings ist in jedem Falle eindeutig: Betroffen sind immer die sozial Schwächsten, denen doch Priorität und besondere Aufmerksamkeit versprochen wurde. Diese Strategie zieht sich konsequent durch den Haushalt und die Beispiele ließen sich fortsetzen. Schauen Sie sich z.B. die Förderung der Suchtberatung an. Betroffen von den Kürzungen sind vor allen Dingen die, deren Protest kaum zu hören sein wird und die in aller Regel über wenig Lobby verfügen. Es sind Menschen, die auf die Stimmen anderer angewiesen sind und deren Leid und Hilflosigkeit mitunter so groß sind, dass nur andere es artikulieren können. Wenn man sich das vor Augen führt und den Haus

halt abklopft, dann wird ein weiterer Teil der sozialpolitischen Strategie dieser Landesregierung ersichtlich. Es gilt, Beratungsangebote und Unterstützungsstrukturen für die Schwachen in unserer Gesellschaft nicht nur radikal zu minimieren, sondern vor allen Dingen zu reglementieren.

Disziplinierung für Unbeugsame, das ist ein weiteres Gestaltungsprinzip des Sozialhaushalts. Auch hierfür gibt der Landeshaushalt viele Beispiele her; lassen Sie mich nur einige wenige benennen. Kollegin Künast hat bei der Verabschiedung des Behindertengleichstellungsgesetzes schon auf das den Verbänden nicht eingeräumte Verbandsklagerecht hingewiesen. Weil das aber allein offenbar nicht ausreicht, werden den freien Trägern von Beratungsstellen in der Behindertenhilfe die Fördermittel von 460.000 € im Haushaltsjahr 2004 auf nur noch 194.000 € in den kommenden Jahren zusammengestrichen. Innerhalb von zwei Haushaltsjahren ist das eine Kürzung von fast 60 Prozent. Diese Strategie setzt sich konsequent fort, wenn wir uns die Kürzungen im Bereich der Unterstützung psychisch Kranker und seelisch Behinderter ansehen. Von nahezu 1,2 Mio. € im Haushalts-Ist 2004 über 600.000 € im laufenden Haushaltsjahr wird im freien Fall weiter gekürzt auf 473.000 € im nächsten und dann nur noch 420.000 € in 2007. Das sind ebenfalls minus 60 Prozent. Die Suchtprävention und Drogenhilfe werden von 1,8 Mio. € im Haushalts-Ist 2004 über 877.000 € im laufenden auf nur noch 631.000 € im übernächsten Haushaltsjahr gekürzt. Parallel dazu verzeichnen wir ein Ansteigen der Drogenproblematik. Aber dieser Widerspruch scheint in dieser Art von zukunftsorientierter, gestaltender Strukturpolitik, wie der Minister sagte, völlig normal zu sein, ja geradezu zum Prinzip zu werden. Steigt der Bedarf, dann kürzen wir die Förderung. Wenn man nun weiß, dass Beratungsangebote neben konkreter Hilfestellung, neben Lobbyarbeit für die Schwachen in unserer Gesellschaft ganz maßgeblich zur Stärkung der Eigenverantwortung der Menschen dient, dann, meine Damen und Herren, muss weiter festgestellt werden, Ziel des Sozialhaushalts ist es offenbar nicht nur, die Schwachen noch mehr zu schwächen, den Aufmüpfigen den Mund zu verbieten, sondern auch, die Eigenverantwortung und Eigeninitiative nicht allzu lebendig werden zu lassen. Das nämlich ist ebenfalls ein Resultat konsequenter Kürzungen bei Beratungs- und Unterstützungsstrukturen. Diese Landesregierung beweist dies wahrhaft eindrucksvoll mit der fast gelungenen Zerschlagung der Verbraucherberatung und mit einer Unterstützung der ehrenamtlichen Tätigkeit von gerade einmal 704.000 € im laufenden Haushaltsjahr. Der künftige Mitteleinsatz in Höhe von 1,844 Mio. € bei der Ehrenamtsförderung steht in den Sternen und ist von eventuellen Spielbankgewinnen abhängig.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, Die Links- partei.PDS: Und die Suchtberatung.)

Eben, da wird dann der Bedarf höher. Dennoch behauptet der Sozialminister in der bereits erwähnten Presseerklärung vom Mai 2004: „Darüber hinaus muss die Eigenverantwortung und Eigeninitiative der Bürger gestärkt werden.“ Wer Beratungsstellen stranguliert, wer das Ehrenamt von Spielbankgewinnen abhängig macht und wer Verbände diszipliniert, der will weder das Leid der Schwächsten unserer Gesellschaft hören noch die Eigeninitiative stärken.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Wer solch eine Strategie als zukunftsorientiert beschreibt, der will den Sozialstaat der Zukunft auf Bittsteller reduzieren, denen gnädig etwas gewährt wird. Dieses Denken setzt sich konsequent fort in den Bereichen des Wirtschaftsministeriums, wenn es um die Streichung der Förderung von Arbeitsloseninitiativen und von Beratungsangeboten für Langzeitarbeitslose geht. Es setzt sich fort im Bereich des Kultusministers, wenn es um die Streichung der Förderung von Schulsozialarbeit geht. Dazu passt auch die Zusammenlegung der Jugendpauschale mit der Schuljugendarbeit. Damit entledigt sich der Kultusminister seiner Verpflichtung zur Förderung insbesondere von Schülern aus so genannten bildungsfernen Schichten. Wir alle wissen spätestens seit PISA, dass hier ein enormer Handlungsbedarf besteht, und wir wissen, dass Ganztagsschulbetreuung einschließlich Angeboten der Schulsozialarbeit gerade für diese Kinder und Jugendlichen eine wichtige Hilfe wäre, um ihr künftiges Leben erfolgreich bestreiten zu können. Aber jetzt, nachdem der Wahlkampfschlager „Schuljugendarbeit“ offenbar seinen Zweck erfüllt hat, will das Kultusministerium nichts mehr damit zu tun haben. Ein kleiner Teil der Mittel wird zur Jugendpauschale gepackt, um dort die unverantwortlichen Kürzungen zu verschleiern. Tatsächlich wird aber bei den Kindern und Jugendlichen Geld weggenommen, die Förderung, Betreuung und Unterstützung besonders nötig haben. Von gestaltender Sozialpolitik übrigens keine Spur bei der Erarbeitung der Richtlinie. Statt Vertreter der örtlichen öffentlichen Jugendhilfe und der freien Träger in die Erarbeitung einzubeziehen, wird in unsäglicher Weise, wie auch oft hier schon bemerkt, von oben diktiert. Immerhin konnten die kommunalen Spitzenverbände im Nachhinein die gröbsten Umsetzungsfehler vermeiden, nicht aber den Klau von KFA-Mitteln - Mittel, die den Landkreisen und kreisfreien Städten originär zustehen, um dann in der Jugendpauschale als Landesregierung so zu tun, als ob irgendetwas für junge Menschen gewonnen wäre. Tatsächlich aber wird das Fördervolumen gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Mio. € gekürzt. Ich sagte es schon und wiederhole es, Tarnen und Täuschen nennt man so etwas und Sie müssen

sich nicht über die Verbitterung der kommunalen Spitzenverbände wundern.

Meine Damen und Herren, die SPD hat ja wiederholt die gesetzliche Verankerung der Jugendpauschale in diesem Hause erfolglos gefordert. Ich habe mittlerweile Zweifel, ob diese von den kommunalen Spitzenverbänden stets erhobene Forderung bei der Strategie im Sozialministerium und dieser Landesregierung noch der richtige Weg ist. Immer dann nämlich, wenn gesetzliche Regelungen im Sozialministerium getroffen werden, immer dann geht es seit dieser Legislaturperiode um Leistungsabbau oder um unverbindliche Lyrik.

(Beifall bei der SPD)

Nein, ich schränke das ein. Das gilt nur, wenn es sich um Gesetze handelt, von denen die Schwachen und auf Hilfe Angewiesenen betroffen sind. Das Landesblindengeld ist dafür gerade ein skandalöser Beweis. Zeitgleich mit der Verabschiedung eines Behindertengleichstellungsgesetzes wird das einzige Gesetz, welches einen Nachteilsausgleich regelt, weitgehend über Bord geworfen. Von 16,6 Mio. € wird die Förderung auf nur noch etwas über 600.000 € reduziert. Parallel dazu brauchen wir in der Blindenhilfe, von 360.000 € auf rund 14 Mio. €, 13,6 Mio. € mehr. Auch wenn die Landesregierung selbst betont, nicht zu wissen, wer überhaupt einen Anspruch auf Blindenhilfe hat, werden hier wieder zwei Prinzipien zulasten der Betroffenen angewandt. Menschen werden zu Bittstellern und das Ausmaß der Kürzungen soll verschleiert werden. Im Laufe des Haushaltsvollzugs ist nämlich zu befürchten, dass viele Betroffene keinen Anspruch auf Blindenhilfe haben und die tatsächliche Einsparung größer ausfallen wird.

Zurück zu den gesetzlichen Regelungen: Sie haben im Familienfördergesetz den Kinder- und Jugendschutz sowie die Frauenhäuser und -schutzwohnungen gesetzlich geregelt. „Schön“ könnte man sagen, wenn nicht in jedem Fall der Haushaltsvorbehalt dahinterstünde und wenn nicht parallel dazu bereits massive Kürzungen vorgenommen worden wären. Das tatsächliche Risiko überlässt das Land stets den Kommunen, den freien Trägern und letztlich den von der Hilfe abhängigen Menschen selbst. Deshalb sage ich, zukunftsorientierte Politik für sozial Schwache besteht bei dieser Landesregierung nie in Leistungsgesetzen, die diesen Namen verdient hätten.

Meine Damen und Herren, wer ernsthaft Sozialpolitik gestalten will, der muss auf den rechtzeitigen und offenen Dialog setzen, auf den Dialog mit den Kommunen, mit den freien Trägern und mit den Verbänden. Dies gilt insbesondere dann, wenn öffentliche Haushalte überall angespannt sind. In dieser Situation Prioritäten zu setzen, kann nicht geschehen, oh

ne den Sach- und Fachverstand derer zu nutzen, die unmittelbar mit und für die Menschen arbeiten. Das sind die Mitarbeiter der Ämter in den Kommunen, es sind die Wohlfahrtsverbände mit den Untergliederungen und es sind die Interessenverbände der Menschen. Es sind all diejenigen, die das soziale Gesicht unserer Gesellschaft in den Städten und Gemeinden prägen.

Damit komme ich zu meinem letzten Eindruck, wenn es um die Sozialpolitik dieser Landesregierung geht. In allen Anhörungen ist mehr oder weniger deutlich, aber immer eindeutig beschrieben worden, dass die Dialogbereitschaft der Landesregierung völlig unbefriedigend ist. Die Verbände beklagen fehlende und vor allen Dingen offene, ehrliche und rechtzeitige Diskussion. Herr Zeh und meine Damen und Herren von der Landesregierung, Sozialpolitik findet dort statt, wo Menschen leben.

(Beifall bei der SPD)

Sie leben eben nicht in den Ministerien. Es sei denn, Sie begreifen Sozialpolitik als Personalpolitik innerhalb der Ministerien. Manchmal könnte man diesen Eindruck gewinnen. Wenn Sie aber tatsächlich Sozialpolitik als gestaltende Aufgabe verstehen würden, dann sollten Sie endlich der Aufforderung der Verbände, der Aufforderung der LIGA nachkommen und einen Dialog im Vorfeld von Entscheidungen suchen, im Vorfeld von Entscheidungen, an deren Ende dann natürlich Prioritäten stehen müssen. Die praktizierte, angeblich gestaltende Strukturpolitik besteht allerdings darin, dass an ministeriellen Tischen Entscheidungen getroffen werden, die es dann durchzupeitschen gilt.

Meine Damen und Herren, die SPD-Landtagsfraktion hat sehr differenzierte Anträge zum Erhalt der Haushaltsmittel in ausgewählten Positionen eingefordert. Wir wollten die Beratungsstrukturen in allen Bereichen auf dem bisherigen Niveau als eine preisgünstige, präventive und die Eigeninitiative stärkende Sozialleistung erhalten. Wir wollten Menschen, die von Gewalt betroffen sind, insbesondere Frauen und Kinder, mindestens im bisherigen Umfang schützen. Wir wollten das Landesblindengeld wenigstens in der bisherigen Form sichern und wir wollten die Jugendpauschale gemeinsam mit der Schulsozialarbeit und Schuljugendarbeit auf dem Stand des jetzigen Haushaltsjahres erhalten. Wir wollten schließlich und endlich die Kindertagesstättenförderung auf dem jetzigen Niveau erhalten, um auf dieser Basis für eine qualitative Verbesserung zu sorgen. All dies hat die mit einer Stimme Mehrheit versehene CDU in diesem Hause bisher rigoros abgelehnt und ihren Sozialabbau zulasten der Schwächsten fortgesetzt. Sie haben heute die Gelegenheit zur Umkehr von diesem Irrweg, wenn Sie unseren sehr realistischen

Änderungs- und Entschließungsanträgen zustimmen.