Protocol of the Session on October 7, 2005

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag zum demografischen Wandel ist ein Prozess, welcher Thüringen vor gravierende Veränderungen in den kommenden Jahrzehnten stellen wird. Bereits heute wissen wir, dass uns die jungen Menschen fehlen, welche wir in Zukunft für die Entwicklung brauchen werden. Gerade die gut ausgebildeten jungen und motivierten Frauen verlassen unser Land. Nicht zu Unrecht ist diese Entwicklung am Mittwoch auf einer Tagung des Verbandes der Thüringer Wohnungswirtschaft als „Intelligenzflucht“ bezeichnet worden. In einem anderen politisch historischen Kontext ist dieses mehr als „Abstimmung mit den Füßen“ bezeichnet worden. Nach Sachsen-Anhalt weist Thü

ringen die höchsten Abwanderungsquoten im gesamten Bundesgebiet auf. Noch dramatischer ist, meine Damen und Herren, dass Thüringen mittlerweile sogar eine höhere Abwanderungsquote zu verzeichnen hat, als sie in der Nachwendezeit der Fall war. Diese Entwicklung ist eigentlich ein Armutszeugnis für die Landesregierung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Heute verlassen mehr Menschen als noch vor 15 Jahren Thüringen. Und kommen Sie mir von der CDU nicht immer mit dieser Argumentation „Misswirtschaft DDR“. Ich denke, die Zahlen in dieser Frage sagen etwas anderes. Damit fehlen uns künftig nicht nur die Menschen in Thüringen, auch deren Kinder werden in Zukunft nicht in Thüringen das Licht der Welt erblicken. Eine wesentliche Ursache dieser Entwicklung ist die mangelnde Perspektive der Menschen in Thüringen.

Meine Damen und Herren, einen hohen Anteil, wenn nicht sogar den bedeutendsten, hat hieran die hohe Massenarbeitslosigkeit. Dabei wird schnell übersehen, dass sich in bestimmten Regionen und Branchen bereits jetzt ein Fachkräftemangel entwickelt. Dieser Fachkräftemangel wird sich in Zukunft noch verstärken. Ein Grund dafür ist, dass in den nächsten Jahrzehnten jeder zehnte Beschäftigte in Thüringen altersbedingt aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Die IHK Erfurt prognostiziert, dass 16 Prozent der derzeit beschäftigten Ingenieure älter als 55 Jahre ist; schon 2006 werden 2.500 von ihnen ausscheiden. Außerdem verlassen schon ab 2006 die geburtenschwachen Jahrgänge ab 1990 die allgemein bildenden Schulen. Während noch 1989 etwa 30.000 Kinder geboren wurden, waren es 1991 nur noch 27.000, 1994 nur noch 13.000 Kinder. Diese Fakten werden von Wissenschaftlern als die so genannte demografische Falle bezeichnet.

Um der Falle zu entgehen, um einen Fachkräftemangel in Zukunft zu vermeiden, muss die Politik heute die Rahmenbedingungen für morgen schaffen. In der Verantwortung stehen natürlich auch die Unternehmen, die vor allem durch die betriebliche Ausbildung für Fachkräftenachwuchs sorgen müssen und auch die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter auf der Basis einer Personalplanung mitzugestalten haben.

Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch auf die Bedeutung der städtebaulichen Entwicklung zu sprechen kommen. Neben der Tatsache, dass Thüringen immer mehr Menschen verliert und immer weniger geboren werden, werden die hier lebenden Menschen immer älter. Mit dieser veränderten Altersstruktur der Gesellschaft werden die Kommunen logischerweise vor neue Herausforderungen gestellt. In 15 Jahren wird

Thüringen die älteste Region in der Bundesrepublik sein. Ältere Menschen haben andere Anforderungen an das Leben in den Städten als junge Menschen. Die kommunale Infrastruktur muss diesen Anforderungen gerecht werden. In diesem Zusammenhang sei zugleich daran erinnert, dass die kommunale Infrastruktur auch erhalten werden muss. Das wird mit einer abnehmenden Bevölkerung immer schwieriger der Fall sein, da pro Kopf die fixen Kosten dramatisch ansteigen werden. Würden in Thüringen heute noch gleich viele Menschen leben wie im Jahr 1996, hätte das Land, meine Damen und Herren, über 300 Mio. € mehr in der Landeskasse. Stärker als bisher werden die Aspekte einer kompakten Stadt miteinander zu verbinden sein, kurze Wege innerhalb von Städten und Stadtteilen werden wieder gefragt sein. Die bisherige Zersiedlung der Räume wird sich dann negativ auswirken. Die Zentren auf den grünen Wiesen werden an anderen Stellen erhalten, als dies heute der Fall ist. Insofern muss es bereits heute darum gehen, diesen Anforderungen einer kompakten Stadt gerecht zu werden. Darüber hinaus verlangen ältere Menschen nach barrierefreien Formen des Wohnens und Lebens. Eine statistische Erkenntnis ist, dass mit zunehmendem Lebensalter der Bedarf an Wohnraum steigt. Dieses wird unmittelbare Auswirkungen auf die Investitionsvorhaben der Wohnungswirtschaft haben. Das nur mal im Detail - einige Passagen, mit denen wir uns künftig auseinander setzen müssen.

Meine Damen und Herren, Fakt ist, dass Thüringen so nicht weiter regiert werden kann wie bisher; hier müssen Weichenstellungen vorgenommen werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Alle müssen - alle, das betone ich und das sage ich an dieser Stelle schon zum wiederholten Male - sich nun endlich an einen Tisch setzen, die Entwicklung analysieren und Handlungsoptionen miteinander diskutieren. Was Thüringen braucht, meine Damen und Herren, ist ein auf die Zukunft gerichtetes Leitbild. Thüringen braucht einen Masterplan. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Taubert zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte zunächst kurz auf Herrn Wetzels Einlassungen antworten. Ich habe mich sehr gefreut, dass Sie davon gesprochen haben, dass es

auch in Thüringen etwas bunter werden muss. Vielleicht kommen wir bei dem Zuwanderungsgesetz und Verbesserungen in Zukunft besser zueinander.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Meine Damen und Herren, in Thüringen tickt eine Bombe,

(Unruhe bei der CDU)

eine Bombe, deren Sprengkraft, natürlich nur im übertragenen Sinn, ausreichen kann, alle Bemühungen um wirtschaftliche Entwicklung, um Wohlstand sowie soziale und Generationengerechtigkeit der vergangenen Jahre zunichte zu machen. Der demografische Wandel wird das Gesicht Deutschlands insgesamt verändern. Thüringen ist von ihm aber im besonderen Maße betroffen. Die Einwohnerzahl sinkt rapide und im Eiltempo werden wir, auch wenn der Ministerpräsident ununterbrochen und mit Elan den Begriff „junge Länder“ zu etablieren versucht, zum ältesten Bundesland. Und ich komme ja aus Ostthüringen, da sind wir ganz besonders alt. Zumindest demografisch gesehen waren schon vor zehn Jahren weit an die 20 Prozent der Personen über 65 Jahre.

(Unruhe bei der CDU)

1985 lebten in der Region noch 2,72 Mio. Menschen, Ende April 2005 hat die Statistik noch 2,35 Mio. Thüringerinnen und Thüringer ermittelt - ein Verlust von 13 Prozent oder 350.000 Einwohnern in nur 20 Jahren. Tag für Tag gab es im Durchschnitt des vergangenen Jahres 49 Menschen weniger; jede Woche verschwindet damit ein großes Dorf mit 350 Einwohnern; pro Jahr verliert Thüringen die komplette Einwohnerschaft einer mittelgroßen Stadt. Und am Ende dieser Legislaturperiode werden nach der Vorausberechnung 78.400 Menschen weniger in Thüringen leben, das deckt sich ungefähr mit der Einwohnerzahl des Landkreises Sömmerda. In den Jahren nach der politische Wende und bis heute ist für diese Entwicklung vor allem die Abwanderung verantwortlich. Das Gros derjenigen, die es aus Thüringen fortzieht, sind Personen, die jünger als 30 Jahre sind. Es sind Frauen in Altersgruppen mit einer hohen Fruchtbarkeitsquote. Es sind Personen, die am Beginn ihres Berufslebens stehen und meist gut ausgebildet sind. Diese Entwicklung hat gravierende Auswirkungen für die soziale Stabilität des Landes und für die wirtschaftliche Dynamik. Sie wird sich, wenn auch abgeschwächt, in den kommenden Jahrzehnten fortsetzen und damit für die künftige demografische Entwicklung an Bedeutung verlieren. Das liegt allerdings leider vor allem an dem immer geringer werdenden Abwanderungspotenzial. Zukünftig werden vor allem die massiven Sterbeüberschüsse aufgrund zu weniger Geburten und die dramatisch al

ternde Bevölkerungsstruktur die Entwicklung bestimmen. Dieser demografische Trend ist - ob nun in Thüringen oder ganz Deutschland - nicht umkehrbar. Demografieexperten prognostizieren, dass bei unveränderter Geburtenrate künftig jede Generation um ein Drittel kleiner sein wird als ihre Vorgängergeneration. Selbst wenn es in Thüringen ab jetzt gelänge, z.B. durch kinder- und familienfreundlichere Rahmenbedingungen, mehr Eltern erfolgreich zur Realisierung ihres Kinderwunsches anzuregen, so wären die Auswirkungen erst in 20 Jahren zu spüren. Das Land wird so in den kommenden 45 Jahren weiter in rasantem Tempo Einwohner verlieren. 2050 werden dann nur noch 1,5 Mio. Menschen in der Region leben.

Der Anteil der erwerbsfähigen Thüringer Bevölkerung wird sich von 70 Prozent in 2002 auf 52 Prozent in 2050 verringern. Der Anteil der Menschen ab 65 Jahre wird sich in derselben Zeit verdoppeln. Sowohl die Dimensionen des bevorstehenden Bevölkerungsverlustes als auch die bevorstehende Änderung der Altersstruktur sind historisch ohne Beispiel. Ihre Folgen werden unausweichlich sein. So werden der demografische Wandel und seine Gestaltung die Entwicklung des Freistaats in den kommenden Jahrzehnten entscheidend mitbestimmen. Er wird Auswirkungen auf alle Lebensbereiche haben und es müssen Antworten auf die Fragen gefunden werden, wie in dieser schrumpfenden und alternden Gesellschaft Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und Generationengerechtigkeit erhalten werden können.

Thüringen hat die ersten Konsequenzen des demografischen Wandels schon im zurückliegenden Jahrzehnt deutlich zu spüren bekommen. Kindergärten und Schulen mussten geschlossen werden. In den kommenden Jahren wird der nach dem Ende der DDR erfolgte Einbruch der Geburtenrate die Berufsschulen und Hochschulen erreichen. Die mit dem Leerstand zehntausender Wohnungen und der Verödung von Innenstädten verbundenen Probleme haben uns im zurückliegenden Jahrzehnt ebenso beschäftigt, wie sie es in den kommenden Jahrzehnten tun werden.

Heute erreichen uns immer häufiger Nachrichten über fehlende Ärzte und die Gefahr einer zusammenbrechenden medizinischen Grundversorgung im ländlichen Raum. Wir haben auch gestern davon gesprochen. Nachrichten über den fehlenden Nachwuchs bei der Feuerwehr mit den entsprechenden Folgen für den Brand- und Katastrophenschutz oder Nachrichten über den bevorstehenden Fachkräftemangel mit seinen gravierenden Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung reihen sich an.

Zukünftig werden wir uns neben den schon bekannten Folgen aber auch mit zahlreichen neuen konfrontiert sehen. Sie werden aus den Zusammenhän

gen zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen erwachsen. So werden Fragen zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes aufgeworfen. Dazu gehört die Frage, ob angesichts eines Bevölkerungsrückgangs von ca. 1 Prozent pro Jahr, dem damit verbundenen Verlust von Steuereinnahmen, dem damit verbundenen Verlust von Kaufkraft und dem damit verbundenen Nachwuchsmangel überhaupt noch Wirtschaftswachstum generiert werden kann.

Die wohl größten Herausforderungen erwachsen jedoch aus dem Altern der Gesellschaft. Ihre Bewältigung beschränkt sich keineswegs auf die Sicherung leistungsfähiger und bezahlbarer Sozialsysteme. Vor allem müssen öffentliche und private Dienstleistungen und die gesamte soziale Infrastruktur angepasst werden. Es muss gelingen, das wertvolle Reservoire des Alters besser auszuschöpfen. Altersdiskriminierung können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten. Zum Beispiel müssen sich Unternehmen wesentlich stärker auf die Qualifikationen und die Erfahrungen der älteren Generation stützen. In allen Bereichen müssen wir die Älteren als Aktivposten für unsere Gesellschaft gewinnen. Trotz der herausragenden Bedeutung dieses existenziellen Themas hat sich die CDU-Landesregierung dem bisher, zumindest öffentlich, kaum gestellt. Auch hier fehlt es ihr an Mut, es mit all seinen Konsequenzen auf die Tagesordnung zu rufen. Stattdessen wird Zukunft verschoben und zum Teil auch schöngeredet.

So glauben einige offenbar ernsthaft, man könne den Problemen des demografischen Wandels beikommen, indem man einmal mehr abgewanderte Thüringerinnen und Thüringer für eine Rückkehr gewinnt. Angesichts der Dimension der vor uns stehenden Herausforderungen wirken solche Bemühungen jedoch eher hilflos. Sie sind nichts als ein Tropfen auf einem heißen Stein. Die anderen ostdeutschen Länder sind uns da deutlich vorweg. Ich möchte auch heute, ähnlich wie es schon Herr Nothnagel gemacht hat, Mecklenburg-Vorpommern zitieren. Frau Ministerin Diezel hat gestern auch wiederholt auf dieses Bundesland verwiesen, an dem sich die SPD-Fraktion doch ein Beispiel nehmen sollte. In Mecklenburg-Vorpommern, das wollen wir auch tun, hat sich die Landesregierung in Vorbereitung ihrer Vorhaben zur Verwaltungsmodernisierung, nebenbei bemerkt, die wohl umfangreichste, die es in der Bundesrepublik je gab, ausführlich mit den Folgen der demografischen Entwicklung auseinander gesetzt. In Sachsen arbeitet seit Ende 2004 eine Enquetekommission zum Thema der demografischen Entwicklung und die Brandenburger Landesregierung hat im Mai dieses Jahres ihren zweiten Bericht zum demografischen Wandel - Ursachen und Folgen, strategische Handlungsfelder, Projekte und Maßnahmen - vorgelegt.

Will Thüringen die vor sich liegenden Herausforderungen bewältigen, muss es sich beeilen und sich ihnen stellen. Dafür haben auch wir keine Patentrezepte, aber eines ist klar, Voraussetzung für die Bewältigung des demografischen Wandels ist eine breit angelegte und offene Diskussion. In sie müssen Verantwortungsträger aus Politik, Verwaltung, der Kreise und Gemeinden sowie Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Verbänden einbezogen werden.

(Beifall Abg. Wetzel, CDU)

Nur auf ihrer Grundlage kann das Problembewusstsein auch geschaffen werden, aus dem heraus Lösungswege zur Beeinflussung des demografischen Wandels und zur Gestaltung seiner Folgen aufgezeigt werden können.

Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung auf, den demografischen Wandel in das Zentrum der politischen Auseinandersetzungen zu stellen und so die Voraussetzungen für eine breit angelegte Diskussion zu schaffen. Ziel dieser Diskussion muss die Erarbeitung von Handlungskonzepten für alle Politikebenen sein. Die Landesregierung soll dazu zeitnah einen Bericht vorlegen. Dieser soll den demografischen Wandel mit seinen Faktoren beschreiben, seine Folgen, insbesondere auch die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen erklären und politisch bewerten, Möglichkeiten seiner Beeinflussung und Gestaltung aufzeigen, entsprechende Strategien für die verschiedenen Politikebenen und Politikbereiche entwickeln sowie ein schlüssiges Handlungskonzept mit Projekten und Maßnahmen vorbereiten. Der Bericht soll zudem alle fünf Jahre fortgeschrieben werden. Gleichzeitig soll der Demografiebericht 2006 als eine wichtige Grundlage für die Arbeit der Enquetekommission „Zukunftsfähige Verwaltungs-, Gemeindegebiets- und Kreisstrukturen in Thüringen und Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen“ dienen und bei der zügigen und fundierten Vorbereitung einer umfassenden Verwaltungsmodernisierung in Thüringen helfen. Der Bericht kann so auch einen Beitrag leisten, die längst überfällige, umfassende Verwaltungsreform für Thüringen endlich in Gang zu bringen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Hauboldt hat schon auf die Veranstaltung vom Mittwoch hingewiesen; der thüringenweite kommunale Agenda-21-Tag fand in Erfurt statt. Das Thema war „Demografische Entwicklung in Thüringen - Herausforderungen für die lokale Agenda 21“. Die Erkenntnisse aus den bisher gewonnenen statistischen Daten sind allgemein bekannt und insofern ist an diesem Tag auch nichts Neues vorgetragen worden. Es wurde jedoch ein Vortrag gehalten aus Oberösterreich. Ein Bürgermeister schilderte, dass seine Gemeinde erst

vor dem vollständigen Zusammenbruch stehen musste, ehe sich alle Bürgerinnen und Bürger sowie politische Entscheidungsträger daran machten, gemeinsam und in einer öffentlichen Auseinandersetzung die Probleme der Gemeinde anzupacken und sie wieder gegen allgemeinen Trend attraktiv zu gestalten. Lassen wir es nicht erst zu so einem Tiefpunkt in Thüringen kommen. Lassen Sie uns jetzt und gemeinsam an der Bewältigung der drohenden Notlage „demografischer Wandel“ arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Wir bitten auch, unseren Antrag weiterzuberaten. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Es liegt noch eine weitere Redemeldung seitens der Abgeordneten vor. Der Abgeordnete Kummer, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Thema, das die SPD-Fraktion mit ihrem Antrag aufgegriffen hat, hat uns eigentlich auch in den letzten Jahren schon sehr intensiv beschäftigt in dem einen oder anderen Gremium in diesem Hause. Das ist auch der Grund, warum ich heute ein paar Worte dazu sagen möchte. Zuerst einmal möchte ich darauf eingehen, dass die Regionalplanertagung sich schon vor längerer Zeit sehr, sehr deutlich mit dieser Problematik auseinander gesetzt hat und dort festgestellt hat, dass wir in Thüringen wegkommen müssen von einer wachstumsorientierten Planung hin zu einer Planung, die Realitäten zur Kenntnis nimmt und Schrumpfung zur Kenntnis nimmt und dementsprechend auch diese schrumpfungsorientierten Prozesse mit anspricht und sich darauf vorbereitet. Das Problem ist, dass diese Erkenntnisse im gegenwärtigen Handeln kaum umgesetzt werden. Ich will auf ein paar Beispiele der letzten Jahre in Thüringen kurz eingehen, gerade im Bereich der Umweltpolitik, der mich ja besonders interessiert. Das sind eben die Fragen der Wasserversorgung in Thüringen, wo ich feststellen muss, hier haben wir bei der Schrumpfungsorientierung mit dem Neubau der Talsperre Leibis noch nicht so richtig die richtigen Prämissen gesetzt. Und wenn man sich dann anschaut, dass auf der einen Seite

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Wasser ist Leben.)

- Wasser ist Leben, Herr Minister, ja - diese Talsperre jetzt kurz vor der Vollendung steht, auf der anderen Seite die Talsperren Schmalwasser und Tambach-Dietharz, weil sie nicht mehr benötigt werden, schon nicht mehr für die Trinkwasseraufbereitung genutzt werden - Talsperre Schmalwasser, da will ich bloß darauf hinweisen, dass die von Ministerpräsident Bernhard Vogel noch eingeweiht wurde, also so alt ist das Ding wirklich noch nicht - und man jetzt überlegt, was man mit diesen Talsperren dann irgendwann eventuell einmal machen kann: Es ist viel Geld hier ausgegeben worden, ohne sich an Realitäten anzupassen.

Ein anderes Beispiel, das ich in dem Zusammenhang nennen möchte, ist die Frage Abfall. Auch hier haben wir mit der Umsetzung der TASi zum 1. Juni 2005 Vorbereitungen getroffen, eine Abfallbeseitigungsstruktur in Thüringen zu schaffen, die relativ starr ist. Hier hätte ich mir mehr Flexibilität gewünscht, denn auch an der Abfallwirtschaft wird nicht vorbeigehen, dass die Bevölkerung in Thüringen deutlich abnehmen wird.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das haben Sie doch im Vorfeld gewusst.)

Dementsprechend gehen natürlich auch Abfallmengen zurück und wenn ich starre Mengen habe, dann habe ich natürlich hier auch das Problem, wie ich dann in Zukunft die Auslastung solcher Anlagen gewährleisten will.

Weitere Probleme sehe ich im Bereich Abwasser. Gerade auch mit den Neuregelungen in der Kommunalordnung, wo wir es ja ermöglichen, dass in Zukunft Anlagengrößen, Kanalgrößen vorgehalten werden auf Kosten der öffentlichen Hand, ohne dass dafür ein Bedarf besteht, sehe ich das Problem, dass wir hier zu Überkapazitäten kommen werden.

Das sind einige Bereiche aus der Landes- und Regionalplanung, wo ich denke, hier muss ein Umsteuern erfolgen, hier müssen wir Realitäten mehr zur Kenntnis nehmen. Ich möchte aber auch noch auf einen anderen Bereich eingehen, in dem wir uns mit dieser Frage demografische Entwicklung sehr intensiv beschäftigt haben. Herr Minister Dr. Sklenar, Sie haben die ganze Zeit schon relativ heftig hier von der Seite argumentiert, jetzt mal noch was Positives zu Ihrem Bereich. In Ihrem Ministerium hat man schon vor Jahren angefangen, sich mit der Entwicklung ländlicher Räume auch gerade unter den Bedingungen der demografischen Entwicklung hier zu beschäftigen. In einem Workshop sind Fragen aufgeworfen worden, wie sichern wir die Aufrechterhaltung der Infrastruktur gerade im dünn besiedelten ländlichen Raum, wo es die größten Probleme natürlich gibt und wo wir, wenn wir diese ländlichen

Räume, die für Thüringen ja prägend sind, wenn wir unsere wunderschönen Dörfer, auf die wir stolz sind, langfristig sichern wollen, langfristig attraktiv für Menschen gestalten wollen, uns natürlich auch überlegen müssen, wie organisiere ich denn den öffentlichen Personennahverkehr für die immer älter werdende Bevölkerung, wie sichere ich die Versorgung durch Ärzte, die Frau Taubert vorhin schon angesprochen hat, wie schaffe ich es, auch in kleinen Orten noch Kindergärten und Schulen vorzuhalten, damit für junge Menschen hier ein attraktives Angebot besteht und die weiterhin in Dörfern auch leben wollen. Diese Fragen sind aufgeworfen worden. Allerdings vermisse ich bisher die Antworten. Deshalb, denke ich, ist eine Beratung dieses Problems im Ausschuss für Bau und Verkehr auch nicht ausreichend. Auch die anderen Fachausschüsse dieses Hauses werden sich mit dieser Frage dringend beschäftigen müssen, ob das der Bildungsausschuss ist, ob das der Landwirtschaftsausschuss ist, in dem wir die Frage „Entwicklung ländlicher Räume“ demnächst auch wieder aufgreifen werden. Ich denke, das ist ein Thema, das wirklich sehr, sehr viele Fachbereiche, die in diesem hohen Haus beraten werden, mit angeht, deshalb bitte ich darum, dieses Thema auch so global zu betrachten und zu beraten.

Ich möchte zum Abschluss auch noch mal auf den kommunalen Agenda-Tag und die sehr emotionale Rede des ehemaligen Bürgermeisters aus Steinbach in Österreich eingehen. Sie hat die Leute dort mitgerissen. Ich habe es bedauert, dass weder von der Führung des Gemeinde- und Städtebundes noch von den Staatssekretären und Ministern dieser Landesregierung Vertreter anwesend waren, als diese Rede kam, denn sie wirkte durch ihre Emotionalität und sie gab Kraft, zu überlegen, wie wir aus dem Problem wieder herauskommen. Der Bürgermeister von Steinbach hat deutlich gemacht, dass es die Menschen sind, die die Ressourcen unserer Welt darstellen. Er hat sie als die Goldadern seiner Gemeinde bezeichnet und sagte, das Besinnen auf die eigene Kraft war ausschlaggebend, damit es in seiner Gemeinde wieder aufwärts ging. Ich glaube, wir sollten uns auch in Thüringen auf die eigene Kraft besinnen,

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das machen wir doch.)