Protocol of the Session on October 6, 2005

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das steht nicht im Konzept.)

Zum Abschluss möchte ich nur sagen: Die durch das Urteil ermöglichte Gebührenerhebung durch die Länder hat in ihrer Wirkung weit reichende Folgen. Es ist ein weiterer Baustein in der gegenwärtig verfolgten Politik von Bund und Ländern, in allen Lebensbereichen eine umfassende Privatisierung und eine Verlagerung aller Kosten gänzlich auf die Schultern der Bürgerinnen und Bürger zu verschieben. Glücklicherweise nehmen die Menschen in unserem Lande diese Politikrichtung nicht mehr als gegeben hin, wie die Ergebnisse der Bundestagswahl beweisen. Auch meine Fraktion und ich werden diesem Ansinnen weiter Widerstand entgegensetzen. Sie können sicher sein, dass wir dieses Thema nicht zum letzten Mal behandelt haben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Abgeordneter Seela, Ihre Zwischenfrage bitte.

Herzlichen Dank. Frau Kollegin Hennig, können Sie dem hohen Hause das Ergebnis der Anhörung mitteilen, nämlich wie sich die Hochschulen dazu geäußert haben?

Die Hochschulen haben sich für Studiengebühren ausgesprochen.

Das Wort hat der Abgeordnete Bausewein, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ohne die Rede zu wiederholen, die ich bereits im Februar-Plenum in diesem hohen Hause gehalten habe, möchte ich zu Beginn meiner Ausführungen Folgendes noch einmal festhalten:

Meine Fraktion lehnt die Einführung von allgemeinen Studiengebühren kategorisch ab. Aus unserer Sicht sprechen deutlich mehr Gründe gegen die Einführung von allgemeinen Studiengebühren als dafür.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Studiengebühren sind sozial ungerecht. Sie manifestieren und verstärken die ohnehin schon vorhandene soziale Schieflage an den Hochschulen, weil sich Studierende aus einkommensschwachen Bevölkerungsschichten vom Studium fernhalten. Auch wenn Studiengebühren nachgelagert erhoben werden - also zu einem Zeitpunkt erhoben werden, wenn das Studium hoffentlich erfolgreich abgeschlossen wurde -, sind sie nicht sozial gerecht auszugestalten. Die Rückzahlung der Gebühren würde für die jungen Menschen nämlich genau in eine Lebensphase fallen, in der es darum geht, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. In dieser Lebensphase geht es darum, die materielle Grundlage für das spätere Leben zu schaffen und es geht in dieser Lebensphase auch darum, Familien zu gründen. Bezug nehmend auf den letzten Punkt: Bereits heute bekommen über 40 Prozent der Akademikerinnen keine Kinder, über zwei Fünftel der Akademikerinnen bleiben kinderlos.

Ich kann mir nicht vorstellen, wie es uns gelingen soll, diese Quote zu senken, wenn demnächst zu allen Problemen, die es ohnehin nach dem Studium gibt, zu allen Problemen, die ohnehin existieren, wenn man versucht, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, auch noch der Fakt hinzu kommt, dass man Studiengebühren zurückzahlen muss.

Des Weiteren gefährden Studiengebühren die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Da wir keine anderen natürlichen Ressourcen besitzen, sind wir in Deutschland elementar auf den Faktor Bildung angewiesen. Wir müssen daher in den kommenden Jahren deutlich mehr Studierende an die Hochschulen führen und nicht weniger. Wir liegen heute schon, was die Studierendenquote angeht, deutlich hinter den meisten unserer europäischen Nachbarn. Das allgemein anerkannte langfristige Ziel besteht darin, 40 Prozent eines Altersjahrgangs an die Hochschulen zu führen. Studiengebühren wirken diesem angestrebten Ziel natürlich entgegen. Das belegen übrigens auch Zahlen einer Studie, die vor einigen Wochen im Auftrag des HIS erstellt wurde. Demnach benennen 22 Prozent der Studiumsverweigerer, so nenne ich mal die Jugendlichen, die eine Hochschulzugangsberechtigung erworben haben, dann aber nicht studieren, 22 Prozent dieser Personengruppe geben an, nicht zu studieren, weil die Einführung von allgemeinen Studiengebühren droht. Ich denke, das sollte sich auch der eine oder andere hier im Hause mal durch den Kopf gehen lassen.

Darüber hinaus ist es aus meiner Sicht mehr als fraglich, ob die durch die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren eingenommenen finanziellen Mittel wirklich den Hochschulen zugute kommen, oder ob diese Mittel, die auf der einen Seite eingenommen werden, auf der anderen Seite vonseiten der Länder wieder gekürzt werden, um damit die großen Haushaltslöcher, wenn schon nicht zu schließen, dann doch wenigstens ein bisschen zu verfüllen.

In dem Zusammenhang möchte ich auf ein Rechtsgutachten verweisen, welches die Staatsregierung von Baden-Württemberg vor einigen Monaten in Auftrag gegeben hat. Bekanntermaßen eine CDU-geführte Landesregierung, die durchaus Studiengebühren befürwortet. Die Frage lautet: Ist es möglich, Studiengebühren zweckgebunden an die Hochschulen weiterzuleiten? Die Antwort lautete nein, weil damit das Budgetrecht des Parlaments unterlaufen würde und genau das nährt meinen Verdacht, den ich eben schon geäußert habe.

Letztendlich will sowohl die Mehrheit der Bürger als auch die Mehrheit der Studierenden keine Studiengebühren. Das besagen sowohl aktuelle Meinungsumfragen als auch z.B. Befragungen der Studierenden, die zum Ende des vergangenen Jahres

an mehreren Thüringer Hochschulen durchgeführt wurden.

Alles noch einmal auf den Punkt gebracht: Meine Fraktion lehnt allgemeine Studiengebühren ab. So etwas könnte man von mir aus auch in die Landesverfassung hineinschreiben. Zum Beispiel in der hessischen Landesverfassung Artikel 59 Abs. 1 heißt es - Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich: „In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich.“ Der Unterricht ist unentgeltlich; diese Formulierung fände ohne Weiteres meine Zustimmung und, ich glaube, auch die Zustimmung meiner Fraktion.

Der Antrag der Linkspartei.PDS geht aber weit über das pure Studiengebührenverbot hinaus. Das ist der springende Punkt. Sie fordern den unentgeltlichen Zugang zu allen Hochschuleinrichtungen. Das bedeutet in der Konsequenz nicht nur, dass keine allgemeinen Studiengebühren erhoben werden dürften und dass demnächst auch keine Langzeitstudiengebühren mehr erhoben werden dürften, was durchaus positiv wäre, sondern es heißt auch, dass die Hochschulen zukünftig auf jegliche Immatrikulations-, Verwaltungs-, Weiterbildungs-, Gasthörer-, Sprachprüfungungs-, Verfahrens- und Säumnisgebühren verzichten müssten. Da es sich laut Thüringer Hochschulgesetz bei Hochschuleinrichtungen um organisatorische Bestandteile einer Hochschule, wie beispielsweise Fachbereiche bzw. Institute oder auch Bibliotheken, handelt, würde der unentgeltliche Zugang in der Konsequenz auch den Verzicht auf Fernleihgebühren in Hochschulbibliotheken und auf Kursgebühren in den Zentren für Hochschulsport nach sich ziehen. Es ist zwar alles durchaus wünschenswert und ich hätte mich als Studierender auch sehr gefreut, wenn es damals so gewesen wäre, jedoch bei der angespannten Haushaltslage ist das, glaube ich, derzeit beim besten Willen nicht zu finanzieren.

Meine Fraktion wird sich daher trotz unserer kategorischen Ablehnung zu allgemeinen Studiengebühren bei der anstehenden Abstimmung der Stimme enthalten. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schwäblein, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Abgeordnetenkollegin Hennig hat mit den Worten begonnen, im Sinne der Studierenden unseres Landes lehne sie Studiengebühren ab. Dia

metraler können die Ansichten nicht sein, im Sinne der Studierenden unseres Landes wollen wir sie mittelfristig einführen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht um Zukunftschancen junger Leute und es geht um Überlegungen, einen angemessenen Beitrag zur Studienfinanzierung von diesen jungen Menschen zu verlangen, die in aller Regel nach einem erfolgreichen Studium ein höheres Einkommen haben als die Alterskolleginnen und -kollegen, die nicht studiert haben. Das ist die so genannte Bildungsrendite, die in allen Ländern dieser Welt unbestritten ist. Um uns herum findet man immer mehr Länder, die dieses System der teilweisen Studienfinanzierung durch die Auszubildenden selber bereits haben. In Deutschland selber ist die Diskussion im Wesentlichen so weit vorangekommen, dass ein Großteil derer, die wir zur schriftlichen Anhörung um eine Meinung gebeten haben, sich gar nicht mehr rückgeäußert haben. Nun könnte man sich fragen: Liegt das an der fehlenden Bedeutung des Parlaments in Thüringen? Ich wage eine andere Deutung: Der Gesetzentwurf der PDS, die Verfassung in Thüringen für diesen Teil Zukunft zu vernageln, hat so wenig Akzeptanz gefunden, dass ein wesentlicher Teil der Anzuhörenden schlicht auf eine Rückäußerung verzichtet hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor wenigen Jahren noch hatten wir hier eine ähnliche Debatte, als es darum ging, Langzeitstudiengebühren einzuführen. Es waren Zweifel aufgekommen, ob diese Einnahmen tatsächlich bei den Hochschulen verbleiben. Die Praxis hat diese Zweifel widerlegt. Es hat Zweifel gegeben, ob man das sozial ausgestalten kann. Die Praxis hat das widerlegt. Es gibt ausreichend Ausnahmetatbestände, um auch Wechselfällen studentischen Lebens entsprechen zu können. Und es gibt, vereinzelt, aber es gibt sie, Dankadressen von Eltern, die sehr wohl verspüren, dass mit einem sanften Druck auf die Studiendauer auch ihre familiäre Situation verbessert werden kann.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Es gibt einige, die sehr lange studieren

(Zwischenruf Abg. Thierbach, Die Links- partei.PDS: Sprechen Sie aus Erfah- rung?)

und wo es manchen Eltern schon recht schwer fällt, dafür noch Verständnis aufzubringen. Frau Thierbach, ich habe die Gespräche mit den Eltern geführt. Sie müssen das doch jetzt schlicht nicht ignorieren.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, Die Links- partei.PDS: Sie sprechen wirklich aus Erfahrung.)

Ich spreche aus Erfahrung, meinen Sie, weil mein einer Sohn viereinhalb Jahre, der andere vier Jahre gebraucht hat. Was reden Sie für dummes Zeug?

Ich habe mit den Menschen gesprochen, sie haben mich angesprochen. Ich darf das doch jetzt schlicht wiedergeben. Jetzt wollen wir darüber reden, wie groß dieses Szenario ist, das Sie da aufmalen. Im Gespräch sind, und das deutschlandweit, Studiengebühren oder Studierendenbeiträge - Gebühren im klassischen Sinne sind es nicht, denn dann müsste es kostendeckend sein, das ist es auf gar keinen Fall, soll es auch nicht werden - von 500 € pro Semester. Bei unterstellten zehn bis zwölf Semestern könnte sogar die Opposition ausrechnen, welche Belastung dann auf die jungen Leute zukommt. Üblicherweise wäre die Summe dann geringer als der Kredit, den man nach dem Studium üblicherweise aufnimmt, um sich das erste eigene Auto zu kaufen. Ich rede diese Summe nicht klein, ich stelle sie nur in Relation. Worüber wir heute eigentlich diskutieren müssen oder verstärkt, ist die soziale Ausgestaltung dieses Studierendenbeitragssystems. Dazu lade ich Sie herzlich ein. Da kann man es natürlich so machen wie Frau Hennig und sagen: Die verbrecherischen Banken wollen nur Geld verdienen, eine Katastrophe! Gut, ich glaube, das kommentiert sich selbst. Es gibt ernsthafte Überlegungen, ein Risikoausfallsystem zu etablieren, das diejenigen, die nach dem Studium keinen Job bekommen, nicht von vornherein gleich mit dem Rucksack dieser Schulden belastet sind. Es gibt Überlegungen und es gibt Länder, die das schon vollzogen haben, diese Rückzahldauer zu begrenzen, die Rückzahlung erst ab einem gewissen Mindesteinkommen einsetzen zu lassen und auch dann die Höhe dessen, was rückzuzahlen ist pro Monat, zu begrenzen, so dass das alles leistbar ist.

Kommen wir einmal auf die eigentliche Ursache zurück, dass wir ernsthaft darüber nachdenken, unsere Studierenden an der Finanzierung des eigenen Studiums zu beteiligen. Der internationale Vergleich zeigt, dass unsere Hochschulen finanziell nicht auf Rosen gebettet sind. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass der Beitrag der öffentlichen Hand in anderen Ländern nicht höher ist als bei uns. Der Blick in öffentliche Kassen - und das ist das, was die PDS konsequent ignoriert, auch in jeglichen Wahlkämpfen - zeigt, dass da nichts zu holen ist.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, Die Linkspartei.PDS: Haben Sie unser Konzept nicht gelesen?)

Sie wollen doch wieder Ihren Schuldenstaat, den wir zum Glück hinter uns gelassen haben, und Sie haben nichts dazugelernt.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

Überhaupt nichts. Und, Herr Kuschel, Sie brauchen schon gar nicht hier mitzumachen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, Die Links- partei.PDS: Thüringen hat mehr Schul- den als die ganze DDR.)

(Heiterkeit und Beifall bei der Linkspar- tei.PDS)

Sie Spaßvogel, schauen Sie sich unsere Flüsse an, schauen Sie sich die Städte an, vergleichen Sie den Zustand der DDR mit dem, was heute ist.

(Beifall bei der CDU)

Da sollten Sie sich schämen, so etwas überhaupt zu sagen.

(Beifall bei der CDU)

Sie sind eine blanke Unverschämtheit für dieses Parlament, Sie Stasimensch.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Lemke, Die Linkspar- tei.PDS: Den Schaum vom Mund abwi- schen!)

(Glocke der Präsidentin)

Das können Sie das nächste Mal sagen, wenn Sie hier am Pult stehen und hier geifern. Aber das lassen Sie mal jetzt sein.

Ich bitte um Sachlichkeit.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, Die Links- partei.PDS: Sie vergehen sich an Ihrer eigenen Biografie.)