Herr Althaus, lassen Sie uns doch neue Impulse setzen. Wir geben der Schule in ganz Deutschland neue Perspektiven und wir suchen dafür Mitstreiter. Wir werben in ganz Deutschland um die besten Lehrer. Das wäre doch ein Projekt, das wäre Werbung für Thüringen, das wäre etwas, was unser Land weiterbringen könnte.
Oder ein Projekt "Familienfreundlichstes Bundesland". Sie haben hier einiges dazu gesagt. Familienfreundlichkeit ist mehr als Landeserziehungsgeld, da gebe ich Ihnen sofort Recht. Aber dass Sie hier, ohne ein einziges Wort der Entschuldigung Ihr Wahlversprechen einkassieren, das finde ich schon ziemlich dreist. In Ihrem Wahlprogramm haben Sie geschrieben: "Wir halten am Landeserziehungsgeld fest. Die Einschränkung des Bundeserziehungsgeldes lehnen wir ab."
Aber zurück zu echter Familienfreundlichkeit: Wichtig ist vor allem, dass Eltern bei Erziehung und Betreuung Unterstützung finden. Wichtig ist, dass Eltern Kinder und Beruf wirklich gut miteinander verbinden können. Ihr heutiger Vorschlag, die Verantwortung für die Horte auf die Kommunen zu verschieben ohne Geld mitzugeben, sondern - im Gegenteil - den Kommunen noch Geld wegzunehmen, wird die Bedingungen für Familien verschlechtern in Thüringen. Das wird Betreuungsbedingungen verschlechtern, weil das Geld für diese Betreuung am Ende nicht da ist. Denn wovon sollen die Kommunen das bezahlen, wenn Sie Ihnen das Geld wegnehmen? Ostdeutschland hat noch einen Vorsprung, was Kindergartenplätze, Ganztagsangebote angeht, und diesen Vorsprung dürfen wir nicht verspielen, Herr Althaus. Nur wenn Thüringen attraktiv ist für junge Familien, können wir den Bevölkerungsrückgang bremsen.
Aber ich will Ihnen noch ein Vorhaben sagen, das sich lohnt - ein Projekt "Natur und Kultur" in Thüringen. Thüringen verfügt über eine faszinierende Kombination aus kulturellem Reichtum und reizvoller Landschaft. Tourismus könnte einer der Jobmotoren sein hier in Thüringen. Aber was ist in den letzten Jahren auf diesem Gebiet passiert? Nichts mit Jobmotor, Tourismus wurde immer als Anhängsel betrachtet, nicht als wirklicher Faktor in der Wirtschaftspolitik. Ob die schleichende Verstaatlichung der Thüringer Tourismusgesellschaft eine gute Idee ist, um den Thüringer Tourismus voranzubringen, das bezweifle ich. Im Übrigen führen Sie damit ihre eigene Idee vom schlanken Staat und mehr Eigenständigkeit doch etwas ad absurdum. Also verzichten Sie doch einfach darauf, dort hineinzuregieren.
Lassen Sie uns gemeinsam mit allen Beteiligten einen besseren Anlauf nehmen für die Tourismusförderung in Thüringen.
Und schlussendlich: Thüringen braucht lebendige Städte und Gemeinden. Ich glaube, da sind wir uns einig. Lebensqualität entscheidet sich ganz wesentlich vor Ort, da, wo man wohnt. Wenn Gemeinden, wenn Städte nur noch Pflichtaufgaben erfüllen können - und das droht uns bei den Ankündigungen, die Sie heute zum Griff in die kommunalen Kassen gemacht haben -, wenn nichts mehr da ist für Schulen, für Schwimmbäder, für Bibliotheken, dann geht die Lebensqualität in Thüringen den Bach runter, Herr Ministerpräsident. Deshalb sage ich Ihnen noch einmal: Hände weg von den Kommunalfinanzen! Deshalb sage ich Ihnen auch: Wir brauchen mehr Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort, mehr Gestaltungs
möglichkeiten, Investitionsmöglichkeiten für die Kommunen und dazu gehört für mich auch mehr Mitbestimmung für die Bürger in eigenen Angelegenheiten über eine Verbesserung der Bedingungen für Bürgerentscheide. Das stärkt Zusammenhalt in der Gemeinde, das stärkt Engagement vor Ort, das wir so dringend brauchen.
Herr Ministerpräsident, Erfolg wird Thüringen in den nächsten Jahren nur dann haben, wenn wir Ziele und Visionen entwickeln, für die es sich zu kämpfen lohnt. Aufgabe einer Landesregierung ist es, genau solche Ziele, solche Visionen zu beschreiben und Menschen mitzunehmen auf diesem Weg. Davon haben wir heute in dieser Regierungserklärung leider wenig gehört. Sie haben den Bankrott ihrer bisherigen Politik eingestanden, gut, eine Politik, unter deren Folgen Thüringen noch eine ganze Weile leiden wird. Sie haben als Ministerpräsident viel Vertrauen verspielt. Auch der heute von Ihnen vorgeschlagene Weg ist halbherzig und in Teilen falsch. Deshalb sage ich Ihnen noch einmal: Lassen Sie uns eine echte Reform des Landes in Angriff nehmen, dann können Sie auf unsere Unterstützung zählen. Für diesen halbherzigen Weg, den Sie hier vorgeschlagen haben, für den Griff in die kommunalen Kassen, werden wir Ihnen die Hand nicht reichen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Regierungserklärung, die wir heute gehört haben, war eine Regierungserklärung voll Mut, voll Kraft und mit einem klaren Plan und ganz konkret
Lieber Herr Matschie - ach, er ist schon wieder draußen, ich sage es aber insgesamt an die SPD -, dass sich die SPD als die Kommunalpartei entdeckt,
das hätte Ihnen mal früher einfallen sollen. Jedenfalls haben die Wählerinnen und Wähler am 13. Juni oder am 27. Juni das noch völlig anders gesehen. Ich glaube auch nicht, dass sich da so viel ändern wird.
Dann wollte ich, auch wenn Herr Matschie hier nicht mehr im Saal ist, sagen: Man muss schon einen Unterschied feststellen; wir sind hier nicht im Deutschen Bundestag und der Ministerpräsident, den wir in Thüringen haben, Dieter Althaus, macht seit 14 Jahren Politik für dieses Land, und die Bürgerinnen und Bürger wissen es offensichtlich besser als Herr Matschie und als die SPD. Das Wort von Dieter Althaus hat bisher immer gegolten und es gilt. Es ist auch wichtig, dass es jetzt gilt bei der Wegstrecke, die wir vor uns haben.
Der heutige Tag, auch die heutige Landtagssitzung, denke ich, markiert eine Zäsur in der Geschichte des Freistaats Thüringen. Das ist an der Rede des Ministerpräsidenten deutlich geworden. Diesem Gedanken oder diesem Empfinden der Zäsur haben sich letztlich auch Herr Ramelow und Herr Matschie nicht ganz in ihren Reden verschlossen. Im Gegenteil, Herr Ramelow, auch Sie haben ja gesagt, wir stehen vor einer Zäsur und es ist in der Tat ein Einschnitt, wie wir ihn in der jüngsten Geschichte bisher noch nicht gehabt haben. Es wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Wir müssen es aufschlagen, denn auf die Dauer wird nur erfolgreich sein, wer die Zeichen der Zeit, des Wandels richtig deutet und entsprechend Konsequenzen zieht. Wir stehen in diesem Herbst 2004 in der Tat an einer Weggabelung, an der wir entscheiden müssen, dieses Land - wie es die Finanzministerin Diezel angesichts auch der Haushaltslage sagte, was aber weit darüber hinaus geht, meine ich -, neu zu denken und grundlegend umzubauen, damit es auch zukünftig Perspektiven bietet. Oder die andere Variante wäre, in den eingefahrenen Gleisen weiter fortzufahren und damit aber uns, unseren Kindern und Enkeln die weiteren Entwicklungschancen zu verbauen. Ich denke, bei diesen Alternativen kann unsere Antwort nur eindeutig sein. Wir werden den nötigen Umbau, die erforderliche Modernisierung anpacken, weil wir die Dinge vorantreiben und eben nicht Getriebene sein wollen, weil wir wollen, dass Menschen in Thüringen auch in Zukunft Arbeit, Auskommen und Lebensglück finden. Viele erleben diese Monate als eine durch Ängste bestimmte Krise; auch das verzeichnen wir, auch wir sind ja mit Wählerinnen und Wählern, Bürgerinnen und Bürgern jeden Tag im Gespräch. Un
sere Aufgabe ist es, das ernst zu nehmen, aber zugleich auch auf die Chancen hinzuweisen. Bürger, Wirtschaft und Gesellschaft, Kommunen und Land stehen vor einer gemeinsamen Herausforderung, die wir nur gemeinsam leisten können.
Warum ist dieser Umbau erforderlich? Mir ist bei der Antwort auf diese Frage in den letzten Wochen dann aber auch wieder in der Tat zu sehr und oft auch zu ausschließlich nur von Geld die Rede gewesen. Die Kassen spielen eine ganz wichtige Rolle - auch ich werde noch einige Ausführungen dazu machen -, aber sie sind nicht allein ausschlaggebend. Denn das, was Ministerpräsident Dieter Althaus heute hier ausgebreitet hat, sehr detailliert, in einem umfassenden Maßnahmenplan, steht so oder so an. Es ist ja kein Zufall, dass wir im Bund und im Land durchaus gemeinsam sagen, so wie bisher kann es nicht bleiben. Zu Recht ist dabei auf die demographische Entwicklung hingewiesen worden. Auch das möchte ich etwas ausführen, weil es nicht schlichtweg eine Bezugsgröße ist, die so mitläuft, sondern schon ein ganz entscheidender Faktor, der uns auch bei den übergreifenden Überlegungen über den Tag hinaus begleitet. Es ist vielleicht sogar fast einer der entscheidenden Punkte. Ich will ihn nur mal zum Vergleich nennen: 1950 haben in Thüringen einmal 2,9 Mio. Menschen gelebt. Heute sind es um die 2,4 Mio. Wir alle wissen, wir sind weit entfernt von bestandserhaltenden Geburtenzahlen, um den weiteren Rückgang der Bevölkerung beispielsweise kurzfristig wenden zu können. Nicht geborene Kinder kann man eben auch nicht nachträglich zur Welt bringen. Unsere Bevölkerung wird deshalb in absehbarer Zeit weiter abnehmen und sie wird im Durchschnitt älter sein. Auch das haben wir bei all den Entwicklungen, die wir jetzt vor uns haben, die gestaltet werden müssen, die auch im Gesetzgebungsverfahren einfließen müssen, zu berücksichtigen. Was das heißt, möchte ich auch nur an wenigen Zahlen verdeutlichen: 1991 haben noch 345.998 Schülerinnen und Schüler unsere Schulen in Thüringen besucht. Gegenwärtig sind es rund 176.000. Selbst wenn wir guten Mutes sind, dass wir den negativen Wanderungstrend, den wir natürlich auch noch zusätzlich haben, stoppen können und die für 2050 prognostizierte Zahl von 1,7 Mio. Einwohnern nicht Wirklichkeit wird, bleiben trotzdem Dimensionen, denen wir uns zu stellen haben, und zwar in voller Verantwortung auch hier in diesem Haus.
Und auch die Folgen für den öffentlichen Sektor liegen auf der Hand. Wir haben in Thüringen trotz eines sehr konsequenten Personalabbaus, den wir nun schon seit Jahren betreiben, immer noch rund 25 öffentliche Bedienstete auf 1.000 Einwohner. In den alten Ländern zum Vergleich - und die Vergleiche
werden ja gezogen auch, Herr Matschie, das wissen Sie allzu gut, wenn Bund und Länder zusammensitzen, neue Länder, alte Länder, die Vergleichszahlen - sind es eben im Schnitt nur 20. Das heißt, hier stehen uns noch Anstrengungen bevor und sie werden auch in den kommenden Jahren nicht geringer werden. Man muss sich klar machen, dass alleine, um die Angleichung der Gehälter an das bundesdeutsche Niveau zu finanzieren, und das ist ja eine Forderung, die wir insgesamt perspektivisch haben, rund 6.000 Stellen abgebaut werden müssen - allein diese eine Größe. Die Personalausstattung muss sich in Zukunft auch an der Größe, Zusammensetzung und Leistungskraft der Bevölkerung orientieren. Das verschärft die Probleme, die ohnehin stehen, noch einmal drastisch. Das heißt, alles, was zur Verwaltungsreform gesagt worden ist, ist völlig unabweisbar.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine zweite Ursache möchte ich nennen und die hängt mit den Schwierigkeiten des Standorts Deutschland insgesamt zusammen. Der Wettbewerb ist durch den fortschreitenden Abbau von Handelsschranken, durch moderne Kommunikation härter geworden, und zwar der Wettbewerb für Unternehmen, Regionen wie Thüringen, aber auch jeden einzelnen Arbeitnehmer, jede einzelne Arbeitnehmerin. Darauf ist Deutschland nach wie vor ungenügend vorbereitet. Die Standortkonkurrenz ist keine böse Erfindung irgendwelcher radikal-liberaler Ideologen, sondern es ist Realität, vor der wir die Augen nicht verschließen können. Produktion und Arbeitsplätze, das erleben wir täglich, wandern ab, wo Bedingungen nicht stimmen. Inzwischen gibt es in Deutschland, auch diese Zahl wurde ja bereits genannt, nicht einmal mehr 27 Mio. sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Aber wer verteilen will, muss zuvor erwirtschaften. Das ist genau das, was die letzten wirklichen Ideologen, auch die letzten Sozialisten, ich denke, auch hier im Hause, gerne vergessen. Sozialkultur geht nicht ohne Leistungskultur.
Das ist eine Grundvoraussetzung auch unseres ganzen politischen Einsatzes, den wir an dieser Stelle zeigen. Tatsache ist, andere europäische Staaten haben diese fälligen Reformen längst angefasst, ihre Konkurrenzfähigkeit gesteigert rings um uns herum. Viele mittelständische Firmen denken in europäischen und weltweiten Dimensionen. Wir sind auch deshalb ins Hintertreffen geraten, das muss man offen ansprechen. Ich denke, das gehört einfach auch zur Entwicklung der letzten 14 Jahre, weil Deutschland im Einigungsvertrag 1990 mit Mustern gearbeitet hat, deren Wert 1989 auch in der alten Bundesrepublik schon umstritten war.
Das war aber letztlich auch einer historischen Situation geschuldet, die einmalig war und möglicherweise unvermeidlich. Jedenfalls hat die Regierung unter Helmut Kohl damals Mitte der 90er-Jahre - 1995 an sich sehr deutlich begonnen nachzuarbeiten. Auch das gehört zur Geschichte. Aber SPD und Grüne, die sich heute als die großen Reformer in Deutschland darstellen, haben diese Reform, und zwar Sitzung für Sitzung - ich habe das ja miterlebt damals als Bundesratsministerin -, aus reinem, purem Machtkalkül systematisch sabotiert, wenn man so will, eine Politik der verbrannten Erde, und Oskar Lafontaine war damals ja der Vorsitzende dieser Partei, stand an der Spitze dieser Bewegung und er hat sich im Grunde bis heute nicht geändert, nur heute schadet es seiner eigenen Partei.
Und das Wenige, liebe Kolleginnen und Kollegen, was dann tatsächlich durchgekommen ist, auch das habe ich schmerzvoll in meiner damaligen Funktion miterlebt, wurde postwendend im Grunde als erster Akt nach der Regierungsbildung damals 1998 ausgesetzt, zurückgeschraubt, war nicht mehr Gesetz, um es dann in einem mühsamen Prozess, an dem wir bis heute knabbern in diesem Land, dann schrittweise doch wieder einzuführen. Leider wird jede Therapie schwieriger, je weiter sie hinausgeschoben wird, auch das ist ganz klar. Die Wählerinnen und Wähler haben aber zum Beispiel nicht vergessen, dass Rotgrün - wenn wir nur bei einem einzigen Beispiel bleiben, Stichwort Rente, was uns ja alle nach wie vor umtreibt in diesem Land - den demographischen Faktor als Nachhaltigkeitsfaktor wieder einführen musste. Das nur als ein Beispiel. Im Gegensatz dazu hat sich die Union, die CDU, seit 1998 aus staatspolitischer Verantwortung, ich betone wirklich, aus staatspolitischer Verantwortung als konstruktive Opposition erwiesen und hat auch manches mitgetragen, was sie lieber anders gehabt hätte, und die jüngsten Beispiele kennen wir ja alle. Vor diesem Hintergrund, und das ist etwas, was uns wieder in diesem Land zu schaffen machen wird und wieder Deutschland treffen wird, hier auch in Thüringen - auch in Thüringen muss man es fast als eine Verhöhnung empfinden, wenn der Bundeskanzler jetzt Reformstopp verkündet, weil der SPD der Wind doch zu sehr ins Gesicht bläst. Man braucht sich nur die Haushaltsdebatten im Deutschen Bundestag in den letzten beiden Tagen anzusehen, sie sind ein Ausweis dieser Politik. Und damit, sage ich, erntet die SPD nur, was sie Mitte der 90er-Jahre selbst gesät hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das fehlende Wachstum in Deutschland, das im Wesentlichen ein Resultat von sechs Jahren verfehlter Wirtschafts- und Steuerpolitik in Bonn und Berlin ist, belastet unseren Aufbau auch hier im Freistaat Thüringen. Die ungünstigen Rahmenbedingungen durchkreuzen unsere durchaus beachtlichen Erfolge auf dem Weg, den Stand in Deutschland zu erreichen, den wir ohne Teilung, Mauer, Stacheldraht und Zentralverwaltungswirtschaft in Deutschland gehabt hätten. Auch das haben wir seit Jahren immer wieder deutlich gemacht. Wir haben uns der verfehlten Bundespolitik - so gut es ging - mit einem eigenen schlüssigen Wirtschaftskonzept entgegengestellt. Die Daten sind ja auch ein Ausweis des Erfolgs: Das höchste Industrie- und Industriebeschäftigungswachstum in Deutschland, die niedrigste Arbeitslosenquote der jungen Länder, die im Vergleich der jungen Länder hohe Exportquote sprechen, denke ich, genauso für eine leistungsfähige und innovative Wirtschaft wie auch die höchste Zahl der Patentanmeldungen im Vergleichsrahmen, die aus diesem Land, aus Thüringen, kommen.
Wir wissen aber auch, wir sind noch lange nicht am Ziel. Das sieht man, wenn man einige dieser Daten, auf die wir mit Recht stolz sein können, weil harte Arbeit hinter jeder einzelnen Zahl steht, hinter jedem einzelnen Patent, hinter jedem einzelnen wirtschaftlichen Erfolg, vergleicht mit einem Land wie Baden-Württemberg. Dort liegt - um nur eine Zahl herauszugreifen - die Exportquote nicht bei 27 Prozent, sondern bei 43 Prozent. Diese Eckdaten sind es, die den Weg beschreiben, den wir noch vor uns haben. Da ist es mehr als ärgerlich, wenn man eigentlich sagen kann: Der Motor läuft, in den entscheidenden Bereichen holen wir gut auf, in den zukunftsträchtigen, innovativen Bereichen, und dann wird immer wieder die Benzinzufuhr gedrosselt.
Damit komme ich zu dem dritten Grund, warum wir umsteuern müssen, warum wir uns in dieser Situation befinden, in der wir sind. Wir müssen raus aus den Schulden. Wir müssen raus aus den Schulden, die Wirtschafts- und Steuerpolitik des Bundes hat zu dramatischen Einbrüchen geführt. Die Zahlen sind bekannt. Nach jüngsten Steuerschätzungen fehlen Thüringen von 2002 bis 2007 immerhin 5,6 Mrd. die es - wie auch immer - zu verkraften gilt. Die Bezugsgröße 2002, es ist das Jahr, in dem Rotgrün, Gerhard Schröder, zum zweiten Mal das Kanzleramt bezogen hat. Es ist nicht vermittelbar, wenn die rotgrüne Steuerpolitik dazu führt, dass Konzerne in Deutschland kaum noch Steuern zahlen und Steuereinnahmen durch Pfusch verloren gehen. Allein das Mautdesaster hat Einnahmeausfälle von 3,4 Mrd. verursacht. Allein das ist wieder so ein handwerklicher Punkt. Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, das hat Methode. Ich will nur das
jüngste Beispiel nennen. Mich hat es am Sonnabend fast umgehauen, als ich im Auto unterwegs war und in den Nachrichten hörte: Der Bundesfinanzminister beklagt die mangelnden Einnahmen bei der Tabaksteuer. Da habe ich gedacht, was ist denn jetzt los? Da werden die Steuern erhöht, man hat die Hoffnung auf Milliarden zusätzliche Einkünfte und dann kommen die nicht, Effekt völlig verfehlt.
Herr Matschie, der hat gute Kontakte zur Wirtschaftswissenschaft in Jena. Es gibt da ja so ein paar Professoren, die einen dann aufklären. Schon im ersten Semester im Volkswirtschaftsstudium lernt man, es gibt die Lenkungssteuer und die muss möglichst brutal sein, weil man Verhalten fördern will - eben nicht zu rauchen, Prävention für die Gesundheit. Und es gibt die Aufkommenssteuer, die sollte man möglichst moderat gestalten, weil die Leute zahlen sollen, aber es darf nicht so wehtun, dass sie nicht mehr zahlen. Die Bundesregierung denkt von Anfang an - es fing bei der Ökosteuer an, geht über viele andere Bereiche weiter, jetzt das Beispiel Tabaksteuer -, man könnte beides einfach immer miteinander verbinden. Dass am Ende keines von beiden aufgeht, ich denke, darüber wundert sich in Deutschland dann wahrscheinlich doch nur der Herr Eichel. Das wollte ich nur sagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich - auch das will ich gar nicht verschweigen - hat das Thema Schulden auch eine Landesseite, genauer gesagt, zwei Landesseiten. Die wollen wir nicht ausblenden, denn wir sind auch dafür, dass man eine ehrliche Politik macht. Die zwei Seiten gehören zusammen und man versteht sie am besten in der historischen Abfolge. Die eine Seite: Wir haben die Weichen 1990 in Thüringen anders gestellt als beispielsweise unsere Nachbarn in Sachsen. Wir haben sie anders gestellt, wir haben uns mehr geleistet, aber das sieht man auch, wenn man durch Thüringen fährt.