Protocol of the Session on September 9, 2004

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ah, das hat ja so einen Bart, Herr Schwäblein, also ehrlich.)

Was haben Sie denn? Ganz offensichtlich ist dies meine Meinung und ich bin in der Lage und berechtigt, sie zu äußern. Sollte es Ihnen nicht passen, Frau Abgeordnete Kollegin Becker, dann kommen Sie bitte hier vor und äußern sich dagegen,

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Den ganzen Abend können Sie dazu reden.)

aber seien Sie gewärtig, ich werde auch darauf eine Antwort zu finden wissen.

Also, man muss doch hinterfragen, was soll das Ganze jetzt, ein Jahr später, wenn es von solch hoher Bedeutung wäre, wie jetzt unterstellt wird, und dem Rechnungshofpräsidenten auch Zitate in den Mund gelegt werden. Ich habe mich eben noch mit ihm unterhalten. Er hat mir glaubwürdig versichert, mit keinem der Journalisten über dieses Thema gesprochen

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das sagen sie alle.)

zu haben. Wenn Sie da ein schlechtes Gewissen haben, ist das Ihre Sache. Der Rechnungshofpräsident ist, so weit ich ihn kenne, äußerst glaubwürdig und vertrauenswürdig und da nehme ich ihm diese Äußerung zu 100 Prozent ab. Ich lege also äußersten Wert darauf, dass seine Integrität hier auch durch Zwischenrufe von der Oppositionsbank nicht angegriffen wird. Also, wenn es von solcher Relevanz wäre, hätte das unmittelbar nach der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses behandelt werden müssen. Ich will zumindest einen Teil der Äußerungen von Herrn Pidde aufgreifen. Ich bitte die Regierung zu prüfen, ob man dem Rechnungshofpräsidenten in ähnlicher Situation nicht eventuell einen Informationsvorsprung vor den übrigen Mitgliedern des Haushalts- und Finanzausschusses zubilligt. Insoweit mag man darüber diskutieren, ob es da einen Formfehler gibt, aber rechtlich ist das nun wahrlich nicht angreifbar. Für das gedeihliche Zusammenwirken nehme ich also an, dass die Regierung den Rechnungshofpräsidenten zum frühestmöglichen Zeitpunkt informiert. Ob das in dem Fall geschehen ist, entzieht sich meiner Kenntnis.

In diesem Zusammenhang wurden aber grundsätzliche Fragen gestellt, ob denn diese Einigung nicht doch durchaus hätte später erfolgen können. Dem Herrn Minister bin ich dankbar, dass er das schon sehr deutlich gemacht hat, formal ist das richtig. Wir hätten warten können bis 2014 und hätten dann darüber diskutieren können, ob das, was öffentlich ausgestellt ist, gegen Nutzungsentgelt, zu dem die Vertragspartner sich aber finden müssen, auch zum Grundsatz, dann noch weiter hätte öffentlich ausgestellt werden können. Zu jedem Zeitpunkt seit Verabschiedung des Ausgleichsleistungsgesetzes durch den Bundestag im Jahr 1994 waren die Berechtigten aber befugt, nicht ständig ausgestellte Kunstgüter bereits wieder in Besitz zu nehmen, seit sie damals zu Unrecht von ihrem persönlichen Besitz enteignet wurden. Und wer jetzt unsere Archive kennt, die zum Glück gut gefüllt sind, kann und muss zur Kenntnis nehmen, dass weit über 90 Prozent unserer Kunstgüter nicht ständig ausgestellt werden können. Damit wäre die Verhandlungsposition mit jedem Jahr schlechter geworden. Ich habe diese Kritik schon einmal geäußert, als der Kollege noch Mitglied des Landtags war, insoweit traue ich mir das jetzt auch noch

einmal im Nachhinein zu machen. Dr. Schuchardt hat in seiner Amtszeit als Minister dieses Thema nicht offensiv genug angefasst und es war schon sehr viel Zeit ins Land gegangen. Das Beispiel des Nachbarfreistaats Sachsen hat gezeigt, dass man sich durchaus auch früher mit Fürstenhäusern einigen konnte.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Manche... einigen sich gar nicht.)

Gleichwohl ist es der Regierung geglückt, auch im Vergleich zu dem, was andere Länder ausgehandelt haben, einen sehr guten Vergleich zu finden. Ob die Restitutionsquote, wie dargestellt, bei 3 Prozent gelegen hat - oder waren es vielleicht 5 oder 8 Prozent - ist hier nachrangig. Es ist eine sehr, sehr gute Quote und wir sind angesichts dessen, was wir hätten verlieren können, zu einem sehr guten Ergebnis gelangt. Und dass der Rechnungshofpräsident natürlich im Nachhinein das Recht hat, das zu bewerten, ist ihm unbenommen. Er hat selbstverständlich auch das Recht, die Quoten und Preise, die die Stiftungen erzielten für das, wozu sie sich genötigt sahen zu veräußern, im Nachhinein zu prüfen und zu bewerten. Selbstverständlich steht dem Rechnungshofspräsidenten das Prüfrecht dieser öffentlich-rechtlichen Stiftungen zu, aber das ist nicht Sache des Regierungshandelns und kann in dem Moment hier auch nicht heute Gegenstand der Diskussion sein. Das werden wir in einem der nächsten Prüfberichte wahrscheinlich und zu Recht lesen.

Abschließend möchte ich noch mal betonen: Wir haben einem sehr, sehr guten Vertrag zugestimmt. Vielleicht sollten Sie sich, Kollegin Becker, etwas mehr mit Kunst als mit internen Kabalen Ihrer Partei beschäftigen, dann hätten Sie hier ein besseres Urteil abgeben können.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ich habe mich mit Kunst beschäftigt, weil Sie Wald verkauft haben.)

Ein sehr guter Vergleich und, lieber Dr. Dr. Heinrich Dietz, gute Vergleiche und Dunkelgräfinnen sollte man ruhen lassen. Vielen Herzlichen Dank.

(Heiterkeit bei der SPD)

Als Nächstes hat sich zu Wort gemeldet Frau Dr. Klaubert, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich glaube, die Dunkelgräfin ist nicht

Bestandteil irgendeiner gütlichen Einigung, es sei denn die des Herrn Rechnungshofpräsidenten mit Landesbehörden, aber das steht ja nicht zur Debatte. Es ist trotzdem ein etwas makaberer Zufall, dass wir diesen Antrag, dieses Berichtsersuchen der SPDFraktion vor dem Hintergrund dessen behandeln, dass der Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek uns gezeigt hat, in welcher Größenordnung materielle und immaterielle Werte nur allein in einem solchen Haus enthalten sind und wie schwer dann im Nachgang auch zu sagen ist, das ist x Mio.  ,!   sem Hintergrund haben wir dieses Berichtsersuchen der SPD-Fraktion schon ein bisschen anders bewertet. Ich habe ein bisschen befürchtet, dass die Landesregierung in ihrem Bericht sagt, der Rechnungshof ist einbezogen nach Landeshaushaltsordnung und wir haben keine Verstöße festgestellt. Insofern ist es ja löblich, Herr Minister Prof. Goebel, dass Sie noch mal auf den gesamten Einigungsprozess eingegangen sind. Sie wissen, das Thema hat auch hier im Haus uns lange Zeit beschäftigt und das hat auch hohe Wellen geschlagen. Ich sage immer noch, es ist eine schmerzliche, aber akzeptable Lösung, die für uns damit gefunden worden ist, dass man sich gütlich geeinigt hat. Aber das ist eben nicht alles, was dazu zu sagen ist.

Kommen wir also direkt zu dem Gegenstand des Antrags der SPD-Fraktion. Sie verweisen in der Begründung darauf, dass es in diesem Sommer auch in der Öffentlichkeit Äußerungen gab, dass der Landesrechnungshof in den Bewertungsprozess zur gütlichen Einigung nicht umfassend einbezogen worden ist. Sie sagten jetzt in Ihrem Bericht, Herr Minister, er hat Gelegenheit zur umfassenden Stellungnahme bekommen und im Übrigen könne er sich ja zu allen Sachverhalten einmischen. Wir wissen zum heutigen Zeitpunkt nur, dass in dieser Haushalts- und Finanzausschuss-Sitzung vom 20. Juni angekündigt worden ist, dass die Prüfung aller Umstände ansteht, dass jetzt geprüft wird, und wir rechnen damit, dass in einem halben Jahr das Prüfergebnis vorliegt. Es ist auch bekannt und ich zitiere da nicht wörtlich, dass auf ein zu schnelles Tempo in dieser Ausschuss-Sitzung verwiesen worden ist, dass man sich mehr Zeit erbeten hätte, bestimmte Umstände zu prüfen. Das ist eigentlich der Punkt, von welchem aus man Fragen stellen muss. Wenn also die Landeshaushaltsordnung in § 102 bestimmt, bei welchen Gelegenheiten der Rechnungshof unverzüglich zu unterrichten ist, stellt sich doch eigentlich für das Parlament die Frage - die Regierung muss ganz andere Fragen stellen -, aber für das Parlament stellt sich die Frage: In welchen seiner Kompetenzen ist eigentlich der Landesrechnungshof beeinträchtigt worden und hätte dann, wenn die Beeinträchtigung erfolgt ist, für uns anderes Informationsmaterial zur Verfügung gestanden, nach welchem wir hätten unsere Entscheidungen treffen können? Nach unserer Prüfung der

Umstände mussten wir feststellen, dass das die derzeitige Gesetzeslage, jedenfalls für uns als Mitglieder dieses Parlaments, nicht hergibt. Wir müssen uns damit zufrieden geben, was wir an Antworten erreichen und soweit ich mich recht erinnern kann, hat selbst der Präsident des Landesrechnungshofs in einer der Thüringer Zeitungen gesagt, er glaube, er erfülle nur eine Alibifunktion. Da muss man dann schon aufhorchen als Parlament und erst recht als Opposition, denn: Welche Rolle spielt der Landesrechnungshof bei der Bewertung von dem, was unser aller Gut ist? Man kann natürlich immer nur das bewerten, was materielles Gut ist. Ich bin in meinem Beispiel zur Anna-Amalia-Bibliothek darauf eingegangen, dass wir es auch mit immateriellem Gut zu tun haben, welches dort zum Beispiel unwiederbringlich verloren ist. Daraus möchte ich schon einige Fragen stellen, bei denen wahrscheinlich heute keine Antwort gegeben werden kann, aber wir darüber nachdenken müssen, wie wir uns in der Zukunft mit diesem Thema weiter beschäftigen werden. Es steht nämlich die Frage: Gab es bei der Finanzierung der 15,5 Mio. $  # " sen-Weimar-Eisenach tatsächlich keine anderen Alternativen zur Veräußerung von Forstflächen? Wer bewertet denn eigentlich, ob das, was der Abgeordnete Kummer unserer Fraktion damals sagte, dass hier eigentlich ein Verstoß gegen das Waldgesetz vorliegt, ob dieser Verstoß gegen das Waldgesetz tatsächlich nachzuweisen ist? Das kann aber nicht der Landesrechnungshof. Nun ist die Frage: Wie kommen wir denn zu einer Bewertung der Probleme, die am Rande einer solchen gütlichen Einigung zu sehen sind? Die nächste Frage ist, die trieb uns schon herum, als wir erfahren haben, dass der Möricke-Nachlass verkauft wird: Wer hat eigentlich den Möricke-Nachlass bewertet?

Entschuldigung, Frau Kollegin Dr. Klaubert, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schwäblein zu?

Herr Schwäblein, können Sie mir die am Schluss der Rede stellen?

Zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Damit ist das so beschlossen.

Ich wollte erstens nicht bis zur Nacht sprechen und zweitens Sie daran hindern, mich zur Nacht mit Fragen zu belästigen.

Wer bewertete den Möricke-Nachlass? Es ist letzten Endes davon ausgegangen worden, dass es auch sinnvoll sein kann, dass er zum übrigen Nachlass nach Marbach gegangen ist. Aber er hat ja einen materiellen Wert. Wir wissen alle, dann, wenn Kunst veräußert werden muss, wenn man weiß, dass sie veräußert werden muss, sinkt ihr Wert. Hätte man nicht erst ohne den Druck einer solchen Abgabe des Möricke-Nachlasses diesen bewerten müssen und hätte dann eine Summe X gehabt, mit der man operieren kann? Und hätte man dann entscheiden können, das man diesen in die Finanzierung der gütlichen Einigung einbezieht? Oder die nächste Frage, die daraus entsteht, die ist jetzt von Ihnen, Herr Minister, in den Bereich des Nichtzuständigseins der Thüringer Landesregierung und des Thüringer Landtags verdrängt worden, das ist die Frage: Wie geht man denn nun um mit solchen Büchern wie dem "Vogelbuch" der Sachsen-Meininger, welches in einer Stiftung ist, die keine private Stiftung ist. Sie ist eine Stiftung, in der wir als Land Zuschussgeber sind und von der wir bislang annahmen, dass diese auch ein vernünftiges Konstrukt für die Kulturlandschaft in Meiningen darstellt? Nun erfahren wir, wir haben dort eigentlich überhaupt kein Mitspracherecht. Da haben erst die Mitglieder des Herzoghauses Sachsen-Meiningen geäußert, dass sie ein ganz persönliches Affektionsinteresse an diesem Buch haben, und kurze Zeit später wurde es bei Christies veräußert. Ja, was stimmt denn eigentlich? Kann dieses Haus nicht weiterleben ohne das Buch oder kann es nicht weiterleben ohne die 5 Mio.      !  sind? Und wir haben dazu alle nichts zu sagen. Das, das sage ich Ihnen, lässt immer wieder misstrauisch auf alle Werte blicken, die bei solchen gütlichen Einigungen in die Verhandlung gebracht werden. Diese gütlichen Einigungen, die kann man durchaus schließen. Sie sind vor dem Gesetzeshintergrund des Entschädigungsausgleichsleistungsgesetzes und des Verfassungsgerichtsurteils aus dem Jahr 2000 noch einmal auf die Notstände eingegangen. Aber wenn wir immer wieder erleben, dass hier jeder Fürst in Thüringen angerannt kommt und etwas aus seinem Erbe wiederhaben will und es anscheinend vor seinen Ahnen verantworten möchte, dass er diese seine Kulturgüter wieder in seinen Besitz überführt, und am Ende verscherbelt er es auf Auktionen, dann fehlt mir der Glaube an derartige redliche Interessen. Da, muss ich sagen, haben wir als Parlament kaum ein Prüfinstrumentarium, welches uns zur Verfügung steht. Deswegen wird an dem Antrag der SPD-Fraktion eigentlich deutlich, dass da noch sehr viel mehr dahinter steht und man könnte auch daraus die

Schlussfolgerung ziehen, vielleicht ziehen das die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion auch gleich mit, dass wir uns darüber verständigen müssen, welche Befugnisse der Landesrechnungshof eigentlich haben sollte und ob wir nicht gesetzliche Veränderungen brauchen, nach welchen der Landesrechnungshof sich nicht mehr in dieser Alibifunktion befinden kann, oder ihm das überhaupt nicht mehr ermöglicht wird und wir den Landesrechnungshof gleichermaßen als Dienstleister für unsere Entscheidungen zur Verfügung haben wie die Landesregierung. Wenn wir also mit Ihrem Antrag eine solche Gesetzesinitiative auf den Weg brächten und diese auch noch von der CDU-Fraktion unterstützt würde,

(Heiterkeit bei der SPD)

weil Sie natürlich keinerlei Interesse daran haben, dass es eine Diffamierung gibt, dann kämen wir tatsächlich selbst mit einem solch kleinen Ausschnitt der Betrachtung der Aufgaben des Thüringer Rechnungshofs ein Stück weiter. Leider hilft uns das rückwirkend nicht, aber wir sollen ja alle nach vorn schauen und das werden wir tun und wir können alle miteinander darüber nachdenken. Danke schön.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Weitere Wortmeldungen... Entschuldigung, selbstverständlich. Frau Dr. Klaubert, Sie hatten das Versprechen gegeben, die Frage zu beantworten. Ja, sonst muss es später erfolgen, richtig.

Herr Schwäblein, bitte.

Ja, da ich nicht weiß, wie lange das Parlament tagt, würde ich gern die Frage jetzt stellen wollen. Sie haben in Ihrem Redebeitrag auf das Waldgesetz abgehoben. Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen dieser § 31 Abs. 4 unseres Thüringer Waldgesetzes hinreichend genau bekannt ist, um zur Kenntnis zu nehmen, dass Staatswald dann veräußert werden darf, wenn es im wesentlichen öffentlichen Interesse liegt, Teil eins meiner Frage. Und würden Sie sagen, dass der Erhalt wesentlicher Kulturgüter Thüringens, die Sie ja eben so betont haben, durchaus im wesentlichen öffentlichen Interesse liegt?

Der Inhalt dieses Paragraphen ist mir bekannt, nicht weil mir das gesamte Waldgesetz bekannt ist, sondern weil wir eine intensive Debatte in der Fraktion

dazu geführt haben und der Abgeordnete Kummer immer wieder auf diesen Widerspruch hingewiesen und gesagt hat, auch mir erklärt hat, dass das eine sehr strittige Frage ist und wir sogar überlegt haben, ob man nicht dagegen klagen müsste. Demzufolge kann ich Sie nur bitten, dass Sie noch einmal dieses Protokoll nachsehen, denn der Abgeordnete Kummer hat in der Debatte zur gütlichen Einigung selbst gesprochen.

(Beifall bei der PDS)

Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Die Landesregierung möchte auch nicht mehr reden. Damit beende ich die Aussprache und stelle fest, dass das Berichtsersuchen der SPD-Fraktion erfüllt wurde. Gibt es dagegen Widerspruch? Das ist nicht der Fall, dann ist dem so und ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11

Aufhebung der Haushaltssperre für gemeinsame Investitionsförderprogramme des Bundes und des Freistaats Thüringen Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/49

Wird Begründung durch den Einreicher gewünscht? Dr. Pidde für die SPD-Fraktion zur Begründung.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, trotz der negativen Prognose der November-Steuerschätzung für das Jahr 2004 hat die Landesregierung keine ausreichenden, rechtzeitigen Lenkungsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung des Haushaltsausgleichs ergriffen. Es standen ja immerhin zwei wichtige Urnengänge vor der Tür und so kam es, dass die Finanzministerin viel zu spät, aber dann eine sehr weit gehende Haushaltssperre erlassen hat. Betroffen davon sind auch die so genannten Bund-Land-Förderprogramme. Insbesondere im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben stehen erhebliche Fördermittel des Bundes zur Investitionsförderung in Thüringen zur Verfügung. Die Haushaltssperre birgt die große Gefahr, dass Bundesmittel verschenkt werden. Wenn wir warten bis zum Beschluss des Nachtragshaushalts, voraussichtlich im November, dann hat das zur Folge, dass viele Bundesmittel wegen der Kürze der Zeit bis zum Jahresabschluss unweigerlich nicht mehr verausgabt werden können und sie damit für die Entwicklung in Thüringen verloren gehen. Deshalb beantragt die SPD-Fraktion die sofortige Aufhebung der Haushaltssperre für die gemeinsamen Investitionsförderprogramme von Bund und

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete... Entschuldigung, das habe ich nicht gesehen durch den Wechsel. Frau Ministerin Diezel, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, im vorliegenden Antrag der SPD gibt es zwei Aussagen. Die Erste: Wir - die Finanzministerin, die Landesregierung - hätten nicht rechtzeitig gehandelt nach der November-Steuerschätzung. Lassen Sie mich zurückschauen auf den Monat Januar. Bereits im Januar habe ich eine Liquiditätsreserve über alle Ausgabenansätze von 15 Prozent erlassen; damals von einigen Seiten der Opposition heftig kritisiert. Mitten im Wahlkampf habe ich nach den Ergebnissen der Steuerschätzung im Mai diese Reserve zu einer Sperre umgewandelt und dann zusätzlich noch 0,5 Prozent aller Haushaltsansätze der Gruppen 4 bis 6 dazu gesperrt. Die Wiederbesetzungssperre vom Jahr 2003 wurde aufrechterhalten in das Jahr 2004. Gleichfalls blieben die Personalausgaben budgetiert. Ich habe im Mai einen Nachtragshaushalt angekündigt und wir haben dann im Juli, nach den Ergebnissen der Kassenlage und auch der Entwicklungen in anderen Ländern und des Bundes, den Nachtragshaushalt angekündigt und die Bindungssperre aufrechterhalten. Es ist eine Sperre, nicht eine Ausgabensperre, sondern eine Bindungssperre.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der zweite Vorwurf: In Anbetracht dieser Haushaltslage würden durch diese Bindungssperre Bundesmittel verschenkt. Die angesprochenen Investitionsförderprogramme haben wir insbesondere im Bereich der Landwirtschaft, der Wirtschaft, des Städte- und Wohnungsbaus und des Hochschulbaus. Die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes wird nur zum Teil von Verpflichtungsermächtigungen gesteuert. Im Übrigen wird dieser Baransatz jedes Jahr zwischen Bund und Ländern ausgehandelt. Nur auf diesen Baransatz könnte sich diese Sperre überhaupt beziehen. Rund fünf Sechstel der Mittel des Jahres 2004, nämlich 53,6 Mio. bei einem Ansatz von 66,8 Mio., werden von der Sperre nicht erfasst! Das sind zum 20. Juli Mittel, die schon gebunden waren. Damit stehen den Betrieben in diesem Jahr rund 15 Prozent mehr Mittel zur Verfügung als im letzten Jahr. Im letzten Jahr waren bei dem zur Verfügung stehenden Ansatz von 46,1 Mio. 45,3 Mio. abgeflossen. Wie Ihnen sicher bekannt ist, bestimmt sich der Baransatz des laufen

den Haushaltsjahres bei der Gemeinschaftsausgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur nach den in den Vorjahren belegten Verpflichtungsermächtigungen. Das heißt, diese Mittel sind bereits gebunden mit Bescheiden. Dort werden im laufenden Haushaltsjahr diese Verpflichtungen abfinanziert. Bei der haushaltswirtschaftlichen Sperre vom Juli diesen Jahres handelt es sich um eine Bindungssperre, nicht um eine Abflusssperre. Konkret bedeutet das, dass jeder, der einen Bescheid über die Förderung von GA-Mitteln hat, dieser Bescheid wird auch bedient. Gestatten Sie mir deswegen zu ergänzen, das heißt auch, dass die Verwaltung allen anderen am 20. Juli bereits bestehenden rechtlichen Verpflichtungen selbstverständlich nachkommt. Aber wenn bewilligte Mittel nicht

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Das ist auch so vorgeschrieben.)

abgerufen werden, sieht das Land davon ab, diese erneut zu bewilligen. Die Mittel werden genutzt, um Haushaltsreste zu finanzieren. Auch die Bund-Länder-Programme im Städtebau werden im Wesentlichen über Verpflichtungsermächtigungen gesteuert. Die Haushaltssperre betrifft daher von vornherein nur ein geringes Volumen und ebenfalls nur die Mittel, die bis zum 20. Juli nicht gebunden waren. Wo im Wohnungsbau Fälle aufgetreten sind, wo Vertrauensschutz gegenüber Bürgern zu gewährleisten ist, schützen wir dieses Vertrauen. Aber umgekehrt, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir im vergangenen Jahr eine Erfahrung gemacht gerade bei den GA-Mitteln im Hochschulbau, Herr Matschie. Wir sind als Land in die Vorfinanzierung gegangen und dann wurden mit dem Nachtragshaushalt 2003 die Mittel des Bundes gekürzt, aber die Aufträge waren ausgelöst, so dass wir als Land die 5 Mio.  zusätzlich mitfinanzieren mussten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz aller Sparzwänge wird die Landesregierung das notwendige Augenmaß behalten, insbesondere bei dem Investitionsförderprogramm. Aber die Haushaltszwänge sind so, dass die Haushaltssperre dem Grunde nach aufrechterhalten werden muss bis zum Nachtragshaushalt. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache und rufe als Ersten von der PDS-Fraktion den Abgeordneten Hausold auf.