Protocol of the Session on June 30, 2005

Jetzt haben wir aber nicht mehr 2004. Das stimmt nämlich nicht ganz. Zwischenzeitlich kam es zu Kürzungen, unter anderem in der Behindertenhilfe. Aber das war ja nun das Gegenteil von der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Und im Jahr 2005 kam es dann zur erneuten Vorlage unseres, des SPD-Gesetzentwurfs und im Juni zu der bereits angesprochenen Vorlage des Gesetzentwurfs der PDS. Siehe da, es geschehen noch Zeichen und Wunder, endlich liegt nun auch der Gesetzentwurf der Landesregierung vor. Deshalb möchte ich heute die Gelegenheit nutzen, um einen Glückwunsch auszusprechen - einen Glückwunsch an all die Verbände und deren Vertreter, die sich im außerparlamentarischen Bündnis für die Gleichstellung Behinderter zusammengeschlossen haben und deren Druck es gemeinsam mit den Oppositionsparteien im Thüringer Landtag im Wesentlichen zu verdanken ist, dass sich diese Landesregierung nach vergeblichen Anläufen und nicht eingehaltenen Absichtserklärungen nun endlich doch bewegt. Steter Tropfen höhlt den Stein und steter Druck setzt die Landesregierung irgendwann auch in Bewegung. Mir ist allerdings nicht klar, warum Sie so viel Zeit für diesen Gesetzentwurf brauchten. Inhaltlich finden sich dort nicht allzu viele neue Gedanken wieder. Es macht mich ein bisschen stolz, wenn ich beim Durchlesen feststelle, dass Textpassagen beinahe nahezu deckungsgleich oder zumindest inhaltlich aus unserem Gesetzentwurf übernommen wurden. Da unser Gesetzentwurf in ähnlicher Form bereits in der vergangenen Legislaturperiode vorlag, wundert es mich schon,

wie lange eine Ministerialbürokratie braucht, um wesentliche Inhalte zu übernehmen. Ja, ich habe es am Sonntag beim Durchlesen schon gesehen, dass einiges beinahe abgeschrieben ist. Es wundert mich, dass bei diesem Personalaufwand

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Und wo ha- ben Sie Ihres abgeschrieben?)

offensichtlich noch nicht einmal die Zeitvorgaben des Ministerpräsidenten eingehalten wurden, denn der wollte ja bekanntlich den Gesetzentwurf im vergangenen Jahr.

Meine Damen und Herren, bevor aber nun der Eindruck entsteht, dass wir den SPD-Entwurf unter dem Etikett der Landesregierung verabschieden könnten, möchte ich doch bereits in der ersten Lesung auf einige wesentliche Unterschiede hinweisen. Mit dem in § 2 vorgenommenen Generalvorbehalt im Hinblick auf die Kosten für dieses Gesetz habe ich den Eindruck, dass Sie einen Schritt vorwärts und gleichzeitig wieder rückwärts gehen. Ich weiß, dass auch wir in unserem Gesetzentwurf, insbesondere mit Blick auf die Kommunen, hier und da so genannte weiche Regelungen eingebaut haben. Dies gilt besonders im Hinblick auf die Barrierefreiheit, aber es gilt eben nicht für das gesamte Gesetz. Mit Blick auf das aktuelle Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 21.06.05 zum Thüringer Finanzausgleichsgesetz empfehle ich der CDU, schon jetzt zu überlegen, wie denn die Leistungsfähigkeit der kommunalen Träger, der öffentlichen Verwaltung durch die Landesregierung herzustellen ist. Im Klartext bedeutet diese Regelung des § 2 nämlich im Zweifelsfalle, dass das gesamte Gesetz wirkungslos ist. Es sei denn, die Landesregierung sorgt im Kommunalen Finanzausgleich für eine entsprechende Leistungsfähigkeit der Kommunen. Davon, meine Damen und Herren, denke ich, sind wir noch weit entfernt.

Lassen Sie mich noch einen weiteren Unterschied aufzeigen: Der gemeinsame Unterricht mit Kindern mit und ohne Behinderungen war und ist für mich eine Herzensangelegenheit. Ich habe dies bereits in der vergangenen Plenarsitzung betont. Gut, dass die Landesregierung dieses Recht auch in ihren Gesetzentwurf jetzt übernommen hat. Was ich allerdings nicht verstehe, das ist die Relativierung der elterlichen Mitspracherechte.

(Beifall bei der PDS)

Sie betonen doch sonst in all Ihren Sonntagsreden der vergangenen Wochen immer wieder die familiäre Verantwortung und das Recht der Eltern. Wenn Sie das tatsächlich wollen, dann schreiben Sie es doch

ins Gesetz. Das Gewähren von Beratung ist bestenfalls ein Gnadenakt einer Verwaltung gegenüber den Eltern. Das ist eben keine Verhandlung mit Eltern auf gleicher Augenhöhe. In der Formulierung fehlt eigentlich nur noch die Formulierung: „Die Beratung der Eltern wird auf Antrag gewährt“. Die Einbeziehung der Eltern in die Schulwahl ist eben auch keine Mitbestimmung. Meine Damen und Herren, sie verrät in diesem Fall, dass eine Ministerialbürokratie die Eltern von Kindern mit Behinderungen gnädigerweise in irgendeine Form mit einbezieht. Das ist das Gegenteil von dem, was Sie ansonsten täglich verkünden, und es ist auch das Gegenteil von einer modernen Verwaltung. Aber es ist kein Zufall, dieses Betrachten der Menschen als Untertan gegenüber einer allmächtigen Landesregierung in einer verkrusteten Ministerialbürokratie. Dieses Denken setzen Sie konsequent bei den Fragen der Mitbestimmung von Menschen mit Behinderungen und ihren Verbänden nämlich fort. Es ist auch ein gravierender Unterschied, ob ich ein Verbandsklagerecht einräume oder ob ich einem behinderten Menschen den Rechtsschutz durch Verbände ermögliche. Ich kann mich des Eindrucks hier nicht erwehren, dass das Engagement der Verbände und ihrer in dem außerparlamentarischen Bündnis zusammengeschlossenen Vertreter für diese Landesregierung derart störend ist, dass sie jetzt zwar zähneknirschend endlich einen Gesetzentwurf einbringt, gleichzeitig aber die Verbände abstraft.

(Beifall bei der PDS)

Der Ausschluss des Verbandsklagerechts, meine Damen und Herren von der Landesregierung und der Mehrheitsfraktion dieses Hauses, das entspricht dem Trotzverhalten eines kleinen Kindes. Das ist eine Reaktion frei nach dem Motto: Ihr habt uns geärgert und das habt ihr nun davon. Wenn es um die Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen geht, dann muss man auch die Rolle des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen betrachten. Es ist ein großer Unterschied, ob der Ministerpräsident einen Beauftragten ernennt oder ob dieser Landtag eine Person aus dem Kreis der Verbände der behinderten Menschen wählt. Es ist ein großer Unterschied, ob der Beauftragte anschließend der Staatskanzlei zugeordnet ist oder dem Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit. Die Konsequenzen dieser Ernennung und dieser Zuordnung sind uns seit Monaten klar und sind auch eindeutig zu beobachten.

Meine Damen und Herren, diese wesentlichen Unterschiede zu unserem Gesetzentwurf sind es, die bei mir den Eindruck aufkommen lassen, dass es um einen Schritt vorwärts und gleichzeitig um einen Schritt rückwärts geht. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass wir uns im Ausschuss für Soziales,

Familie und Gesundheit nicht nur mit den Details des Gesetzentwurfs der Landesregierung, sondern auch mit denen der SPD und der PDS befassen. Vielleicht gelingt es uns doch noch, einen entscheidenden Schritt für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen vorwärts zu gehen. Ich danke.

(Beifall bei PDS, SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Zitzmann, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, wie schwer es war, dieses Gesetz auf den Weg zu bringen, vor allem auch vor dem Hintergrund unseres aufgrund der Haushaltslage begrenzten Handlungsspielraumes, kann jeder hier in diesem hohen Haus, wenn er will, nachvollziehen. Da muss aber davon gesprochen werden, dass Ehrlichkeit, Wahrheit, Klarheit und Machbarkeit eine Rolle spielen. Die Landesregierung hat in diesem Gesetzentwurf festgeschrieben, was gesetzlich verankert sein muss, in der Tat machbar ist, aber auch Neues und auch ganz andere Wege, die durch die Anhörung zu Stande gekommen sind, wurden begangen und integriert. Im Freistaat Thüringen leben gegenwärtig, um einmal eine Zahl zu nennen, rund 215.000 schwerbehinderte Menschen mit einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent; das sind rund 9 Prozent der Bevölkerung. Vor allem für diese Menschen ist unser Gesetz wichtig, dessen Entwurf wir heute in der ersten Lesung behandeln. Doch seine Wirkung reicht natürlich weit über deren Kreis hinaus. Er berührt die Angehörigen und betrifft eigentlich die ganze Gesellschaft. Mit diesem Landesgesetz wollen wir erreichen, dass Menschen mit Behinderungen als Gleichberechtigte wahrgenommen und gleichberechtigt behandelt werden. Wir wollen, dass sie ihr Leben selbstbestimmt gestalten, einfach die gleichen Chancen wie alle anderen haben sollen. Wir wollen, dass behinderte Menschen nicht mehr nur Objekt der Fürsorge und Vorsorge sind. Ich bin froh, dass das Gesetz jetzt vorliegt, und ich kann überhaupt nicht sagen, dass es lässig oder unmoderat gehändelt wurde oder ganz und gar, wie in einem Artikel nachzulesen war, eine "fragwürdige Auslegung des Bundesgesetzes" ist.

(Beifall bei der CDU)

Sehr intensiv beschäftigen wir uns schon seit langer Zeit mit diesem Problemkreis, sei es in der Enquetekommission, sei es bei Foren, bei Seminaren - überall ist dieses Thema flächendeckend im Freistaat Thüringen immer in der Diskussion. Sicherlich gibt es

immer Haken und Ösen, wenn es dann ums Geld geht.

Eine persönliche Bemerkung sei mir gestattet: Das ist das, was mich am meisten ärgert, dass wir ständig alles am Geld festmachen. Wenn wir zurückdenken, was wir seit 1990 besonders in diesem Bereich begonnen haben ins Leben zu rufen, wo Menschen sich nicht mehr verstecken mussten, wo sie auf die Straße gehen konnten, wo Eltern nicht mehr den Kopf einziehen mussten, weil sie ein behindertes Kind haben, und das hat alles kein Geld gekostet. Natürlich weiß ich auch, dass, wenn man ein Gesetz in einer ersten Lesung berät, die Finanzen sicherlich in die Diskussion mit einfließen müssen und darüber gesprochen werden muss, was finanzierbar ist. Was wir regeln können, ist ganz einfach der Versuch eines Ausgleichs für Menschen mit Behinderungen, dass sie am Alltag teilhaben können, dass sie wegen ihrer Behinderung nicht ausgegrenzt werden, sondern dass wir Möglichkeiten schaffen, sie dennoch und gerade wegen der Behinderung mit einzubeziehen. Auch wir haben unsere ganz natürlichen Grenzen, auch scheinbar nicht Behinderte. Wir sollten uns immer bewusst machen, dass Behinderte nicht schwächer oder bedauernswerter sind als andere. Sie haben das Recht auf ein selbst bestimmtes Leben und wollen von uns so genannten nicht Behinderten als gleichwertige Bürger und nicht wegen ihrer Behinderung akzeptiert werden. Ich denke, das ist ein Kernstück, das wir sichern müssen. Die kommenden Diskussionen bzw. Debatten mit Verbänden, Vereinen, Institutionen, in den Fraktionen, in den Ausschüssen, in der Öffentlichkeit werden garantiert aufzeigen, dass wir sehr differenzierte Meinungsäußerungen haben werden. Ich behaupte heute schon, es wird eine Lobbybildung geben, nämlich die eine Lobby wird mehr fordern und die andere wird Verständnis für das Machbare haben.

Der uns vorliegende Gesetzentwurf verdeutlicht die Rechte der Menschen mit Behinderungen, ihre wirtschaftliche Teilhabe, aber er zeigt auch ganz klar auf, Politik, Verwaltung und Wirtschaft werden in die Pflicht genommen, Chancen und Interessen behinderter Menschen umfassender zu wahren. Der Minister hat in seiner einführenden Rede auf die wichtigsten Eckpunkte hingewiesen, die ich jetzt nicht noch einmal wiederholen werde. Wie ich bereits ausgeführt habe, werden wir uns sehr intensiv im Ausschuss mit den Details auseinander setzen und für meine Fraktion beantrage ich die Überweisung federführend an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, begleitend an den Innenausschuss, an den Ausschuss für Bau und Verkehr und an den Gleichstellungsausschuss. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen derzeit keine weiteren Wortmeldungen vor. Herr Minister Zeh hat sich noch einmal gemeldet.

Ich würde gern auf zwei, drei Argumente noch einmal eingehen wollen.

Erstens: Frau Künast, ich halte die Ablehnung des Gesetzes der PDS-Fraktion für konsequent und richtig, denn das Fatale an dem PDS-Gesetz ist, dass man falsche Hoffnungen bei den Betroffenen weckt und dass man den Eindruck erweckt, man könnte, wenn man nur wollte. Ich halte dieses für ein unseriöses Verfahren, das findet eben nicht unsere Zustimmung und das ist in der Demokratie ausdrücklich so vorgesehen, dass manches eben nicht unsere Zustimmung finden kann.

Frau Künast, unseren Entwurf gab es natürlich wesentlich früher, als ich ihn heute hier eingebracht habe. Wir haben nur über einige Fragen wesentlich sorgfältiger diskutiert und abgewogen, was ist machbar und was ist nicht machbar. Wir haben gut daran getan, etwas sorgfältiger abzuwägen, denn die Finanzsituation hat sich in diesem Jahr in einer Art und Weise dramatisch verschlechtert, dass wir doch abwägen müssen, was noch leistbar ist. Diese Finanzsituation haben nicht wir hier zu verantworten, das hat Rotgrün in Berlin zu verantworten.

(Unruhe bei der PDS)

(Beifall bei der CDU)

Deswegen ist es Nebelkerzenwerfen, Frau Künast, wenn Sie uns hier vorwerfen, wir hätten ein wenig gezögert. Ich halte es für seriös, wenn wir den Bürgern sagen, was ist noch finanzierbar und was ist nicht finanzierbar. Herr Nothnagel, Sie werfen uns ja vor, in unserem Gesetz würden auch nicht bezifferbare Kosten stehen und deshalb würden wir dann auch die nicht bezifferbaren Kosten der PDS so konsequent attackieren oder nicht ertragen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD. Aber der Spielplatz in … ist finanzierbar, Herr Dr. Zeh.)

Wissen Sie, der Unterschied besteht einfach darin, die schon bezifferbaren Kosten sind schon so immens hoch, zusätzlich 280 Mio., und die sind bezifferbar, das können wir Ihnen belegen, geschweige denn die nicht bezifferbaren, die durch die Unschärfe Ihres Gesetzes hervorgerufen werden. Deswegen gebe ich meinem Kollegen Panse Recht, das Gesetz

ist eben schlecht gemacht und ich glaube nicht, dass es in allen Fragen das widerspiegelt, was die Behinderten wollen. Denn die Behinderten wollen ein klares Gesetz und kein unbestimmbares Gesetz, das in vielen einzelnen Detailfragen so unpräzise ist.

Ein Letztes: Sie werfen mir vor, dass diese Aufgabe der Behindertenpolitik im Sozialministerium ist - natürlich ist Gleichstellung eine Querschnittsaufgabe, das bestreitet keiner. Ich sage aber zusätzlich, fast alle Themen in meinem Ministerium sind Querschnittsaufgaben. Und so wie ich Behindertenpolitik nicht auf bloße Sozialpolitik begrenzen werde und begrenzen möchte, so bitte ich Sie ausdrücklich, auch mein Ministerium nicht nur auf Soziales zu begrenzen, denn wir haben Familienpolitik, wir haben Jugendpolitik, wir haben Gesundheitspolitik und vieles, vieles andere mehr, also, bitte schön, begrenzen Sie dieses Ministerium nicht nur auf Sozialfragen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Wir kommen zur Abstimmung. Es gibt noch eine Wortmeldung? Bitte, Frau Thierbach.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es geht nicht darum, den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, den Gesetzentwurf der PDS-Fraktion, den Gesetzentwurf der Landesregierung zu verteidigen, sondern es geht endlich darum, in Thüringen rechtliche Regelungen zu bekommen, die die Probleme von Menschen mit Behinderungen tatsächlich lösen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Es geht auch nicht darum, wie der Minister in seiner Rede gesagt hat, der PDS irgendwelche Verfassungsbedenklichkeiten, Geschäftsordnungsunfähigkeit oder gar Unwissenheit in den Gesetzentwürfen aufzuschreiben, ich lese ihn vor. In der Verfassung des Landes Thüringen Artikel 2 Abs. 4 steht: „Menschen mit Behinderungen stehen unter dem besonderen Schutz des Freistaats. Das Land und seine Gebietskörperschaften fördern ihre gleichwertige Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft.“ Und wenn Sie fünf Urteile nehmen, die gegenwärtig in Bezug auf Gleichstellung gemacht wurden durch das Bundesverfassungsgericht, dann finden Sie das „fördern“ nicht in den Wind reden heißt, sondern verbunden mit Leistungen, die tatsächlich aufzubringen sind, gebunden werden, und genau das erwarten wir auch von dem Gesetz der Landesregierung wie von allen anderen Gesetzen. Und wenn das Geld kostet, dann geht das nicht um Haken und Ösen, dann kann man verstehen und über die Wertigkeit, ob machbar, Ehr

lichkeit und Wahrheit diskutieren, aber dann kann man nicht, wie das Ministerium der PDS-Fraktion vorwirft, dass unser Gesetzentwurf 320 - und interessanterweise heute 380 Mio. -, ich nehme an, pro Woche werden hier 10 Mio. draufgeknallt, die zwischen den Lesungen

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Nein, falsch verstanden. Ich habe 280 gesagt.)

Herr Minister Zeh, mir haben Sie mal gesagt, betroffene Hunde bellen, aber Sie sind im Moment wenigstens der Minister, der hier noch was sagt, denn die größte Kritik ist die, wie hier die Bänke der Minister sich geleert haben

(Beifall der PDS)

in dem Moment, als das Gleichstellungs…

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident)

Herr Ministerpräsident Althaus, ich habe die ganze Zeit gesehen, dass Sie der einzigste auf dieser Bank waren, was ich auch ehrenwert fand. Ich glaube, sonst hätte ich nämlich nach Geschäftsordnung das Herbeirufen der Landesregierung für meine Fraktion vorgeschlagen, weil, wenn es stimmt, dass Gleichstellung keine Ressortpolitik ist, dann hätte ich mir gewünscht, die Würde des Hauses an dieser Stelle bei dem ersten Gesetz zur Gleichstellung wäre höher gewesen.

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe bei der CDU)

Zur fachlichen Kritik des Ministers über die Definition, die die PDS-Fraktion in dem Gesetzentwurf in § 2 erwähnt: Ich finde es ja lustig, wir haben einen Sozialminister, der die WHO-Definition nicht kennt. Soll ich dieses fragen? Oder Sie machen uns den Vorwurf, dass die Behinderung bei uns in der Definition die mindestens sechsmonatige Zeitbegrenzung nicht enthalten hat. Ist Ihnen nicht bekannt, dass es durch die kritischen Juristen und behinderte Juristen, die am Bundesgesetz geschrieben haben, genau diesen Definitionsvorschlag gibt, der nämlich genau beinhaltet, dass man nicht erst jahrelang einen Nachteil aufbauen muss, sondern dass ohne Zeitbegrenzung geholfen wird in dem Moment, wenn die Benachteiligung durch die Behinderung schon existiert. Eine fachliche Debatte im Ausschuss wäre möglich. Oder, Sie haben kritisiert, dass unser Begriff des Nachteilsausgleichs, den wir immer wieder bringen würden, nicht definierbar wäre. In

Artikel 24 können Sie doch im Grundgesetz auch an diese Fördergebote herangehen. Sie können auch nicht in dieser Mentalität, wie Sie gesagt haben, Nachteilsausgleiche zu versprechen wäre unseriös und dann eine Begrifflichkeit von Nachteilsausgleich nehmen, wo ich mir sage, um Gottes Willen, Leute, beseitigt nicht alle Nachteile. Macht bitte nicht alles weg, denn dann müssen manche Menschen Nachteile bekommen, die andere haben oder wir machen die Nachteile von den Frauen in unserer Gesellschaft zum Nachteil der Männer. Genau in diesem Denkduktus hatten Sie uns Ihre Kritik vorhin an der PDS-Fraktion gemacht. Ich möchte als allerletztes noch einmal dafür werben, dass Sie den Gesetzentwurf der PDS-Fraktion aufgrund der inhaltlichen Bestimmungen an den Ausschuss mit überweisen, damit es überhaupt eine Diskussionsebene gibt, ob man die sechs Monate Befristung, ob man Nachteilsausgleich nur an Geld, ob man tatsächliche Kostenanalysen erstellen muss, um zu beziffern, was ja dann bei der Landesregierung auch notwendig wäre, da dort enthalten ist, näher bezifferbare Kosten sind nicht zu bestimmen. Dass wir eine Diskussion über den Inhalt haben und nicht diesen Wettlauf, der hier im Landtag seit anderthalb Jahren läuft, wer hat für wen welches Gesetz am schnellsten oder bzw. am besten gemacht. Ich wünsche mir eine inhaltliche Debatte und möchte auch auffordern, auch unter dem Gesichtspunkt, dass Frau Zitzmann gesagt hat, Ehrlichkeit, Wahrheit und Machbarkeit, wo, wenn nicht im Ausschuss, sollte dieses auch diskutiert werden. Wir könnten jetzt hier ganz glücklich sein. Da lassen wir eben unseren Gesetzentwurf „glücklich“ heute hier endgültig noch in namentlicher Abstimmung begraben durch die Mehrheit des Landtags. Aber dann kann ich Ihnen doch jetzt schon sagen, in welchen Paragraphen in dem Gesetzentwurf der Landesregierung welcher Änderungsantrag der PDS-Fraktion kommt. Lassen Sie uns lieber im inhaltlichen Dialog darüber reden als mit Brachialgewalt mehrheitlich hier zu sagen, euch wollen wir nicht. Der der SPD-Fraktion ist schon fast totgelegen, denn der erste Satz im Ausschuss wird immer sein: Welcher Gesetzentwurf wird zum Gegenstand der Ausschussberatung? In dem Moment, dieses Spiel haben wir genug erlebt, ist auch einer, der bereits sechs Monate liegt ohne einmal inhaltlich behandelt worden zu sein, schon wieder begraben. Genau diese Situation sollte nicht zu Stande kommen. Lassen Sie die Beratung aller drei Gesetzentwürfe zu.

(Beifall bei der PDS, SPD)