Protocol of the Session on June 30, 2005

Der Gesetzentwurf der Landesregierung bringt, wenn ich bildlich sprechen darf, ganz handgreifliche Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen. Dabei orientiert er sich zum einen an den Inhalten des Gleichstellungsgesetzes des Bundes, zum anderen an den Erfahrungen anderer Länder. Wesentliche Bestandteile des Gesetzes sind u.a. die Schaffung von Barrierefreiheit in der öffentlichen Verwaltung. Dabei geht es nicht nur um bauliche Barrierefreiheit, sondern insgesamt um Barrierefreiheit beim Kontakt von Menschen mit Behinderungen mit der öffentlichen Verwaltung. So enthält der Gesetzentwurf Regelungen hinsichtlich der barrierefreien Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken hinsichtlich der Inanspruchnahme von Gebärdensprachdolmetschern und die Verpflichtung der öffentlichen Verwaltung, ihre Internetpräsentation barrierefrei zu gestalten. Außerdem ist bei der Erarbeitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf Auswirkungen auf Menschen mit Behinderungen zu achten und deren

Gleichstellung auch sicherzustellen. Es werden mit dem Gesetzentwurf Interessenvertretungen für Menschen mit Behinderungen gesetzlich verankert. Dazu zählen der Landesbehindertenbeauftragte, der Landesbehindertenbeirat und die kommunalen Behindertenbeauftragten. Im Rahmen der Erarbeitung des Gesetzentwurfs wurde eine Anhörung durchgeführt. In sie wurden 69 Institutionen einbezogen, darunter Vereine und Verbände der Behindertenhilfe, die kommunalen Spitzenverbände sowie landesunmittelbare Anstalten, Stiftungen und Körperschaften des öffentlichen Rechts. Durchweg waren die Einschätzungen grundsätzlich positiv. Alle an der Anhörung Beteiligten haben den Gesetzentwurf der Landesregierung als einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben begrüßt. Die im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Anregungen wurden durch die Landesregierung auf ihre Umsetzbarkeit geprüft und bewertet. Natürlich ist vieles wünschenswert; sehr vieles davon setzen wir im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten auch um. Selbstverständlich gilt aber auch, die Aufgabenträger dürfen finanziell nicht überfordert werden, denn finanzielle Überforderung bedeutet, dass sie am Ende gar nichts mehr umsetzen können. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir Rahmenbedingungen schaffen, die ein gleichberechtigtes Miteinander behinderter und nicht behinderter Menschen fördern. Wir wollen zum Abbau von Benachteiligungen beitragen und das Entstehen von Benachteiligungen verhindern. Dabei hat die Landesregierung trotz der schwierigen finanziellen Lage bewusst nicht auf die Einbeziehung der Kommunen verzichtet. Es wurde lediglich eine Prüfpflicht bei der Planung und Durchführung von kommunalen Maßnahmen verankert. Grundsätzlich gelten alle im Gesetzentwurf enthaltenen Vorschriften auch für die Kommunen. So ist geregelt, dass die Landkreise kommunale Behindertenbeauftragte ebenfalls einrichten sollen.

Meine Damen und Herren, ich sagte bereits eingangs, dass zu einer glaubwürdigen und seriösen Politik auch gehört, wenn man ehrlich sagt, was möglich und was zumindest gegenwärtig nicht möglich ist. Darin unterscheidet sich der Gesetzentwurf der Landesregierung von entsprechenden Entwürfen der PDS-Fraktion. Der Gesetzentwurf der PDS ist schon aus finanziellen Gründen völlig unrealistisch. Ich frage mich, wer soll die damit verbundenen Kosten in Höhe von rund 300 Mio. € angesichts der aktuellen Finanzlage aufbringen? Ich bin überzeugt davon, meine Damen und Herren von der PDS, dass Ihnen die Undurchführbarkeit Ihres Gesetzentwurfs auch völlig klar ist. Ansonsten müsste ich annehmen, Sie wären finanzpolitisch völlig mit Blindheit geschlagen. Wenn Ihnen dieses klar ist, dann ist es, meine ich, in dem hohen Hause unred

lich, bei den behinderten Menschen in unserem Land mit einem solchen Gesetzentwurf völlig falsche Hoffnungen zu wecken. Aber Ihr Entwurf weist noch weitere Mängel auf. Sie gehen von unscharfen Begriffen der Menschen mit Behinderungen aus. Nicht jede Andersartigkeit ist schon eine Behinderung. Der Personenkreis der behinderten Menschen muss meines Erachtens klar abgegrenzt werden. Nur wo eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt, ist auch Hilfe nötig. Ihr Gesetzentwurf führt zu einer extensiven Erweiterung der Zahl der Behinderten. Frau Thierbach, ich würde das gern einmal zitieren aus Ihrem Gesetzentwurf, Frau Präsidentin. In § 2 des Gesetzentwurfs schreiben Sie: „Menschen sind behindert, wenn sie aufgrund ihrer körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit in ihrer Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtig sind.“ Sie haben aber keinerlei Normierungen vorgesehen und damit einen fast unbegrenzten Zugang zur Gruppe der Behinderten organisiert.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Richtig.)

Im Gegensatz dazu ist der Begriff im Gesetz der Landesregierung in § 3: „Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.“ Ich denke, ich hatte vorhin die Zahl von 300 Millionen gesagt und, Herr Nothnagel, Sie weisen diese Zahl immer zurück. Ich glaube, dass diese Zahl eine untere Grenze darstellt, denn die Zahl der Behinderten ist nach Ihrer Definition nicht ermittelbar, sie ist aus meiner Sicht nach oben wesentlich offen.

Ebenfalls meines Erachtens bedenklich ist die Interpretation des Begriffs „Nachteilsausgleich“. Meine Damen und Herren, es wird nie möglich sein, die durch eine Behinderung verursachten Nachteile durch Anstrengungen des Staates vollständig zu kompensieren. Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes verpflichtet die Bundesrepublik dazu, ein sozialer Staat zu sein. Damit erhält der Staat aber nicht die Aufgabe, jedwede Unterschiedlichkeit seiner Staatsbürger auszugleichen. Ein solches Verständnis würde zu einer gefährlichen Überdehnung des Sozialstaatgebotes führen. Wenn der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar ist, hätten die am meisten darunter zu leiden, die der Hilfe der Gesellschaft am meisten bedürfen. Das kann nicht unser Ziel sein.

Meine Damen und Herren, es ist das Ziel aller Fraktionen des Thüringer Landtags, Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und ein möglichst selbst

bestimmtes Leben zu ermöglichen. Dies will ich ausdrücklich allen Fraktionen in diesem Landtag auch bestätigen.

(Beifall bei der CDU)

Allerdings kann ein Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung nur ein Schritt auf dieses Ziel hin sein. Die gesellschaftliche Teilhabe ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie setzt vor allem den Abbau von Barrieren in den Köpfen der Menschen voraus. Gesetze können nur ein Rahmen sein. Sie können Härten mildern, alles Weitere mag wünschenswert sein, ist aber utopisch. Ich bevorzuge statt Utopien eine Politik, die wertorientiert und realistisch ist. Gerade dies erfüllt auch das heute vorgelegte Gesetz der Landesregierung. Ich bitte Sie, den Gesetzentwurf der Landesregierung an die Ausschüsse zu überweisen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Minister Dr. Zeh für die Einführung und eröffne die gemeinsame Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Nothnagel, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung scheint zumindest in der Landesregierung nicht unbedingt der große Bringer zu sein, zumindest, wenn ich mir mal die Riege der hier anwesenden Minister und Staatssekretäre anschaue.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die zweite Lesung des Gesetzentwurfs impliziert immer den Eindruck, dass ein Gesetz intensiv in den Ausschüssen diskutiert, beraten worden wäre und dass es auch Änderungen am Gesetzentwurf gegeben hätte. Dies, das will ich hier noch einmal laut und deutlich sagen, ist durch den Willen der Mehrheit der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag nicht passiert, und das bei diesem Thema nun schon zum zweiten Mal. Eine demokratische Aussprache, so wie sich das unter Demokraten gehört, ist in diesem entsprechenden Fall nicht passiert und es gab keine Überweisung an die Fachausschüsse. Sie wurde einfach schnöde abgelehnt. Damit haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDUFraktion, und besonders Sie, Herr Kollege Panse, eine Vielzahl von Behindertenverbänden in Thüringen, die im außerparlamentarischen Bündnis für ein solches Landesgleichstellungsgesetz sich zusammengefunden haben, mit einem Handstreich diskriminiert. Denn unser Gesetzentwurf ist ein Produkt nicht nur von mir bzw. meinen Kollegen der PDS

Fraktion allein, welches im stillen Kämmerlein entstand, sondern es ist ein Produkt von einer jahrelangen intensiven Diskussion mit den Betroffenen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Wir haben uns immer nach dem Motto der „Aktion Mensch“ gehalten, „Nichts über uns ohne uns“. Wir haben immer mit den Betroffenen die Diskussion intensiv gesucht. Somit ist die Äußerung des Abgeordneten Panse, die er sinngemäß in der 17. Plenarsitzung am 2. Juni dieses Jahres äußert: Der PDSGesetzentwurf sei - ich zitiere - „grottenschlecht“, weil er maßlos in seinen Forderungen sei. Das ist eine diskriminierende Aussage, Herr Panse,

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Schauen Sie sich den Gesetzentwurf doch mal an.)

für die Sie sich bei den Mitgestaltern und Mitinitiatoren dieses Gesetzentwurfs für eine Verwirklichung der gesellschaftlichen Teilhabe behinderter Menschen in Thüringen unverzüglich entschuldigen sollten. Dass Sie mit mir und der PDS so manche Probleme haben, kann ich sehr gut verstehen, aber dass Sie mit dieser Aussage das ehrenamtliche Arrangement der Behindertenverbände hier in Thüringen so in den Dreck treten ist unerhört und unverzeihbar.

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Arran- gement ist etwas anders.)

(Beifall bei der PDS)

An dieser Stelle, meine sehr verehrten Damen und Herren, erspare ich es mir, Ihnen noch einmal die Inhalte unseres Gesetzentwurfs vorzutragen, sie liegen Ihnen schriftlich vor. Ich weise Sie aber nochmals darauf hin, werte Kollegen der CDU, dass Sie mit der Nichtberatung unseres Gesetzentwurfs in den Ausschüssen eine Chance vertun, wirkliche Alternativen wie Nachteilsausgleiche, Assistenz, Verbandsklagen, Chancen für behinderte Frauen, Mobilitätsausgleiche, Berücksichtigung der Belange von Menschen mit so genannter geistiger Behinderung und Weiteres zu beraten.

An dieser Stelle will ich mich nicht auf eine nicht nachvollziehbare Finanzdiskussion einlassen, Dr. Zeh, denn Ihre Zahlen, werte Abgeordnete der CDU, die Sie mir und meiner Fraktion um die Ohren gehauen haben, sind weder nachvollziehbar noch begründbar. Denn Sie haben unseren Gesetzentwurf, so behaupte ich, nicht einmal richtig gelesen. Wenn Sie dies getan hätten, dann hätten Sie nicht solche populistischen Zahlen hier vorgestellt, die wirklich jeglicher sachlicher und fachlicher Grundlage entbehren.

(Beifall bei der PDS)

Sie haben einfach den großen Finanzhammer geschwungen, um somit sich ein Feigenblatt zu erarbeiten, diesen Gesetzentwurf nicht weiter beraten zu müssen. Ihr Auftreten in der ersten Lesung war unseriös. Dieses Vorgehen können Sie heute revidieren, indem Sie einer nochmaligen Überweisung federführend an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zustimmen. Dort können wir doch fachlich dann einmal über den ersten Teil unseres Gesetzes, den Gleichstellungsteil, reden, wenn Sie schon nicht bereit sind, mit uns über Nachteilsausgleiche zu reden. Dort mal reinzuschauen in unseren ersten Teil des Gesetzentwurfs, kann sich lohnen und es würde für jeden von Vorteil sein. Es ist schon verwunderlich, dass die Thüringer Landesregierung mehrere Jahre dafür braucht, um einen eigenständigen Gesetzentwurf für die Gleichstellung behinderter Menschen vorzulegen. Wir sind in Thüringen zwar nicht die Letzten, was den Termin einer Verabschiedung eines solchen Gesetzentwurfs betrifft, aber wir scheinen die Allerletzten zu sein, was die gesetzlichen Regelungen und Inhalte anbelangt.

An dieser Stelle sei mir eine kritische Anmerkung gestattet: Bei der Durcharbeitung Ihres Gesetzentwurfs, Herr Dr. Zeh und Herr Dr. Brockhausen, konnte ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass Sie geistigen Diebstahl bei so manchen unspektakulären Paragraphen bei den Entwürfen der PDS sowie SPD-Fraktion begangen haben. Nur, ich frage mich dann, warum Sie so lange, mehrere Jahre, für dieses Teil gebraucht haben. Die Landesregierung hat doch ganz andere Möglichkeiten als eine Opposition.

(Beifall bei der PDS)

Ihren Verweis immer wieder auf Mecklenburg-Vorpommern, dass Mecklenburg-Vorpommern noch keinen Gesetzentwurf hat, können Sie sich an dieser Stelle auch wirklich sparen, denn bereits vor sieben Jahren hat Mecklenburg-Vorpommern mit der Installierung eines Integrationsförderrats begonnen. Dort wurden die ersten Schritte für ein Gleichstellungsgesetz unternommen. Sie sind somit Vorreiter hier in Deutschland für die Umsetzung dieser politischen Forderungen. Nur, das scheint an Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren der Landesregierung und der CDU-Fraktion, vorbeigegangen zu sein. Ich bitte nun nochmals, unseren Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Die Abstimmung dazu erbitte ich namens meiner Fraktion in namentlicher Abstimmung.

(Beifall bei der PDS)

Nun zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung: Was lange währt, wird endlich gut. Diese Binsenweisheit trifft auf Ihr Gesetz leider nicht zu. Jahrelang wollten Sie nichts von einem Landesgleichstellungsgesetz hier in Thüringen wissen. Nun geben Sie endlich zu: Ein solches Gesetz auch in Thüringen sei notwendig. Das Bundesgesetz löst eben nicht alles. Und auf die christliche Nächstenliebe von Staat und Gesellschaft können sich behinderte Menschen auch nicht immer verlassen. Schon bei der Einleitung dieses Gesetzentwurfs wird es befremdlich. Sie, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, haben den Gesetzentwurf dafür kritisiert, dass er erstens keine Kostenangaben mache und zweitens zu teuer sei - falls ich mich da richtig erinnere. Sie stellten Märchensummen in den Raum, die nichts mit den Formulierungen und Vorschriften zu tun haben. Sie konnten diese Summen rechnerisch nicht belegen. Und was machen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren? Sie schreiben dreist, ich zitiere: „Die Mehrkosten für die Herstellung der baulichen Barrierefreiheit seien nicht bezifferbar.“ Warum ist es dann so schlimm, wenn die PDS-Fraktion die gleiche Tatsache auch in ihrem Gesetzentwurf schreibt? Was stört Sie daran? Weil wir es sind oder weil die Erde noch eine Scheibe ist? Die grundsätzliche Tatsache, dass die PDSFraktion, die sich schon am längsten für ein Gleichstellungsgesetz einsetzt und das mit der Unterstützung eines breiten außerparlamentarischen Bündnisses? Man wird diesen Verdacht nicht los, denn in Ihrem Gesetz finden sich viele Vorschriften, die sinngemäß auch im PDS-Entwurf vorhanden sind. Sie haben bisher in sehr genereller Weise die Diskussion über den Entwurf der PDS-Fraktion verweigert. Warum? Wegen des Inhalts oder wegen des Ihrer Meinung nach falschen Etiketts? Die von Ihnen vorgelegten Inhalte hätten Sie seit der letzten Wahlperiode anhand des PDS-Entwurfs diskutieren können, insbesondere anhand des ersten Teils des Gesetzentwurfs, dem Gleichstellungsgesetz, wenn Sie eine solche Diskussion gewollt hätten. Stattdessen ließen Sie auch den neuerlich vorgelegten Entwurf nicht in die Ausschüsse. Manche seit Jahren von Betroffenen erhobene Forderungen haben Sie in Ihr Gesetz aufgenommen - so die Anerkennung der Gebärdensprache. Wegen dieser Frage war ja in der letzten Wahlperiode ein Entwurf der Landesregierung nicht eingebracht worden. Nun lassen Sie sich mit einer Rechtsverordnungsermächtigung eine Hintertür offen. Danach werden Sie nach Anlass und Umfang der Übersetzung in einer Verwaltungsordnung geregelt. Auch das Wahlrecht der Eltern auf integrativen Unterricht haben Sie aufgenommen. Auch die Belange behinderter Frauen finden sich im Gesetz wieder, deren besondere Bedürfnisse im Bereich der Assistenz haben Sie aber nur bei der Auswahlmöglichkeit hinsichtlich des Geschlechts der Pflegeperson berücksichtigt. Ein sol

ches Wahl- und Einflussrecht bei Bestimmungen der Assistenzperson muss viel weiter ausgebaut werden. Die PDS-Fraktion hat in ihrem Entwurf ein umfassenderes Wahlrecht vorgesehen. Nachhilfe ist bei Ihnen noch vonnöten, meine sehr verehrten Damen und Herren der CDU.

(Beifall bei der PDS)

Überhaupt fällt auf, dass Assistenzleistungen im Gesetz nur punktuell erwähnt werden und nicht nur so weit notwendig berücksichtigt werden, so die Frage der Gebärdensprachdolmetscher im Rahmen des Schulunterrichts. Assistenzleistungen haben aber auch für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen eine absolut zentrale Bedeutung. Hier müsste noch viel mehr geschehen. Die Vorschrift der Zielvereinbarung klingt ganz gut, aber solche Selbstverpflichtungen Privater können sich in manchen Fällen als Papiertiger entpuppen - das ganz vorsichtig gesagt -, vor allem, wenn die Nichteinhaltung wie in Ihrem Gesetzentwurf eben keine Folgen hat. Immerhin haben Sie auch eingesehen, dass ein Behindertenbeauftragter wirkliche Kompetenzen braucht, soll er nicht nur eine Luftnummer sein. Allerdings haben behinderte Menschen und ihre Interessenvertretungen keinen gesicherten Einfluss auf die Auswahl dieser Personen. Auch hier lassen Sie die Betroffenen wieder mal außen vor.

(Beifall bei der PDS)

Und Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehen die Gleichstellung fälschlicherweise als typische Sozialkiste, sonst hätten Sie den Behindertenbeauftragten nicht zum Sozialministerium untergegliedert. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Gleichstellung ist nun einmal mehr als nur Soziales. Gleichstellung ist eine Querschnittsaufgabe, und das muss leider bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ankommen. Warum Sie der kommunalen Ebene nicht auch die Einrichtung von Beiräten offenlassen, ist für uns nicht nachvollziehbar. Die Vorschrift über die kommunalen Interessenvertretungen wird auch dadurch abgeschwächt, dass deren Einrichtung nicht zur Pflicht gemacht wird. Immerhin ringt sich der Gesetzentwurf dazu durch, dass sich Betroffene von Verbänden vor Gericht vertreten lassen können.

(Beifall bei der PDS)

Den Mut für ein Verbandsklagerecht hat die Landesregierung leider nicht gehabt, obwohl das Gleichstellungsgesetz auf Bundesebene ein solches verankert hat. Übrigens finden Sie ein solches Vertretungsrecht auch in unserem Gesetzentwurf bereits schon in der 3. Wahlperiode.

Sie führen zwar die Gebärdensprache für Hörbehinderte ein, wollen aber das Blindengeld in seiner Funktion als Nachteilsausgleich abschaffen. Das schafft eine ungerechte Hierarchie innerhalb der Gruppe sinnesbehinderter Menschen. Ihr Gesetzentwurf berücksichtigt wichtige Aspekte der Gleichstellung, so den größten Teil der Nachteilsausgleiche, nicht. Ohne Nachteilsausgleiche gibt es aber keine wirkliche Gleichstellung. Ihr Gesetzentwurf besteht in ihrer Reichweite erheblich abgespeckten Form den Inhalten auch unseres Gesetzentwurfs. Warum haben Sie dann dafür so lange gebraucht, sich auf die Diskussion um ein Gleichstellungsgesetz einzulassen? Hier war offensichtlich viel Nachhilfe von Betroffenen noch notwendig, vor allem auch vom außerparlamentarischen Bündnis in Thüringen. Die Vorstellungen dieses Bündnisses zu einem solchen Gesetz finden Sie in unserem Gesetzentwurf. Wenn Sie die Diskussion über den PDS-Entwurf ablehnen, treffen Sie mit dieser Ablehnung auch das außerparlamentarische Bündnis und viele in der Gleichstellungsbewegung engagierte Menschen. Deshalb überlegen Sie nochmals ernsthaft, ob Sie bei Ihrer Verweigerung der Diskussion über den PDS-Entwurf bleiben. Ich werbe also nochmals um eine fachliche und sachliche Diskussion in den Ausschüssen von allen drei Gesetzentwürfen, dem der Landesregierung, dem der SPD-Fraktion und dem unsrigen.

Herr Minister Zeh, lassen Sie mich noch einige Worte sagen, was Sie uns vorgeworfen haben hinsichtlich der Begrifflichkeit in unserem Gesetzentwurf. Das war eine ganz bewusste Entscheidung von uns, Behinderung so, wie wir das in unserem Gesetzentwurf festgeschrieben haben, zu definieren. Denn wir wollen die gesellschaftliche Komponente, die immer noch heißt, Diskriminierung von Menschen mit Behinderung hier mit in das Bewusstsein bringen. Deshalb haben wir uns für diese Definition entschieden. Wie Sie dazu stehen, haben Sie ja mehrmals gezeigt, was das Antidiskriminierungsgesetz betrifft, wo Sie ja die Menschen mit Behinderung einfach außen vor lassen. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Abgeordneter Nothnagel, Sie hatten Ausschussüberweisung beantragt und hatten eine namentliche Abstimmung beantragt für diese Ausschussüberweisung. Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass das nach § 44 Abs. 4 Nr. 10 unserer Geschäftsordnung nicht zulässig ist. Ich werde eine normale Abstimmung durchführen. Das Wort hat die Abgeordnete Künast, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben uns in der letzten Plenarsitzung mit der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der PDS befasst. Ich will inhaltlich nicht verhehlen, dass uns dieser Gesetzentwurf in einigen Bereichen nicht realistisch erscheint; nicht realistisch deshalb, weil die Situation der öffentlichen Haushalte vieles von dem, was durchaus wünschenswert wäre, nicht zulässt. Als Stichwort dazu nenne ich nur den Nachteilsausgleich. Aber, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, um die fachliche Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf der PDS geht es mir heute nicht. Diese Auseinandersetzung sollte zunächst und vor allen Dingen im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit stattfinden, denn dort gehört sie hin und dort sollte es nicht nur um die Auseinandersetzung der Parlamentarier gehen,

(Beifall bei der PDS, SPD)

sondern um die Diskussion mit externen Experten und mit den Vertretern der Verbände. Deswegen hat es mich schon erstaunt, mit welcher Ignoranz und Schärfe die CDU selbst diese Ausschussüberweisung, selbst diese selbstverständliche Diskussion nach der ersten Lesung verweigert hat.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie wissen, dass es mein Stil ist, das Gespräch, die sachliche Auseinandersetzung über die Parteigrenzen hinweg zu suchen und auch zu pflegen. Ich dachte bisher, dass dies auch der Stil ist, der zumindest von den Sozialpolitikern aller drei Fraktionen gepflegt wird. Deshalb möchte ich heute nochmals an Sie, liebe Kolleginnen und Kolleginnen von der CDU, appellieren: Lassen Sie uns bei allem Unterschied in der Sache dafür Sorge tragen, dass wir differenziert und mit dem dafür erforderlichen Zeitaufwand die Argumente im zuständigen Fachausschuss austauschen. Alles andere würde weder der Sache der Menschen mit Behinderungen noch dem Politikverständnis innerhalb eines demokratischen Rechtsstaats gerecht werden. Wir alle wissen, welches Ausmaß Politikverdrossenheit mittlerweile angenommen hat. Es wäre ein Lehrstück zur Förderung von Politikverdrossenheit, wenn die CDU-Mehrheit in diesem Parlament die Diskussion über den Gesetzentwurf der PDS in den Fachausschüssen verweigern würde. Deshalb nochmals mein Appell: Überdenken Sie Ihre Position aus der ersten Lesung und lassen Sie uns den Gesetzentwurf der PDS an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit überweisen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Das sollte umso selbstverständlicher sein, wenn wir uns die Entwicklung des heute von der Landesregierung erstmals in das Parlament eingebrachten Gesetzentwurfs vor Augen führen. Dieser Entwurf, meine Damen und Herren, ist nur deshalb entstanden, weil das außerparlamentarische Bündnis der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und die Oppositionsfraktionen in diesem Haus seit Jahren Druck machen. Ich erinnere deshalb nochmals an die von uns bereits in der vergangenen Legislaturperiode eingebrachten Gesetzentwürfe und die damalige Argumentation, dass alles nicht zu finanzieren wäre. Nun hat sich aber die Finanzsituation des Landes Thüringen dank der Haushaltspolitik der CDU-Landesregierung seit dieser Zeit bekanntlich wirklich nicht verbessert. Stattdessen hat der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung vom 9. September des vergangenen Jahres erklärt, ich zitiere: „Das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung wird kommen, wir werden es noch in diesem Jahr auf den Weg bringen.“ Und wir erinnern uns, es war das Jahr 2004, von dem der Herr Ministerpräsident sprach. Das Jahr 2004 verstrich und nichts geschah.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Jetzt haben wir aber nicht mehr 2004. Das stimmt nämlich nicht ganz. Zwischenzeitlich kam es zu Kürzungen, unter anderem in der Behindertenhilfe. Aber das war ja nun das Gegenteil von der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Und im Jahr 2005 kam es dann zur erneuten Vorlage unseres, des SPD-Gesetzentwurfs und im Juni zu der bereits angesprochenen Vorlage des Gesetzentwurfs der PDS. Siehe da, es geschehen noch Zeichen und Wunder, endlich liegt nun auch der Gesetzentwurf der Landesregierung vor. Deshalb möchte ich heute die Gelegenheit nutzen, um einen Glückwunsch auszusprechen - einen Glückwunsch an all die Verbände und deren Vertreter, die sich im außerparlamentarischen Bündnis für die Gleichstellung Behinderter zusammengeschlossen haben und deren Druck es gemeinsam mit den Oppositionsparteien im Thüringer Landtag im Wesentlichen zu verdanken ist, dass sich diese Landesregierung nach vergeblichen Anläufen und nicht eingehaltenen Absichtserklärungen nun endlich doch bewegt. Steter Tropfen höhlt den Stein und steter Druck setzt die Landesregierung irgendwann auch in Bewegung. Mir ist allerdings nicht klar, warum Sie so viel Zeit für diesen Gesetzentwurf brauchten. Inhaltlich finden sich dort nicht allzu viele neue Gedanken wieder. Es macht mich ein bisschen stolz, wenn ich beim Durchlesen feststelle, dass Textpassagen beinahe nahezu deckungsgleich oder zumindest inhaltlich aus unserem Gesetzentwurf übernommen wurden. Da unser Gesetzentwurf in ähnlicher Form bereits in der vergangenen Legislaturperiode vorlag, wundert es mich schon,