Protocol of the Session on June 30, 2005

(Beifall bei der PDS, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Panse.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Kollegin Thierbach, ich kann nur sagen, Augen auf. Es mag Ihrem getrübten Blick, so lange, wie Sie auf Ihrem Abgeordnetenplatz saßen, vielleicht aus politischen Gründen zuzuschreiben sein, dass Sie nicht erkannt haben, dass hier die Landesregierung anwesend ist. Aber spätestens, als Sie hier vorn am Pult standen, hätten Sie erkennen können, dass alle Minister der Landesregierung, die gleichzeitig Abgeordnete sind, auch anwesend sind und sogar Ihrem Vortrag

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: … dass die Abgeordneten dort sitzen.)

gelauscht haben, wenngleich es sicherlich auch wenig Erbauliches war, was Sie uns vorgetragen haben. Ich möchte Ihnen aber eingangs, weil Sie kritisieren die nach Ihrer Auffassung fehlende demokratische Aussprache und dass sich die CDUFraktion ja nicht einmal für eine Ausschussüberweisung Ihres PDS-Gesetzentwurfs erwärmen konnte. Ich möchte deshalb ganz gern mit einem Zitat beginnen. Frau Präsidentin, ich zitiere: „Der Ansatz für das Einführen eines solchen Gesetzes ist einfach unterschiedlich bei PDS-Fraktion und Landesregierung. Genau darin besteht auch das Problem, dass ich bereits in der ersten Lesung begründen möchte, warum wir noch nicht einmal für eine Ausschussüberweisung dieses Gesetzentwurfs sind.“ Das Zitat stammt von Ihnen, Frau Thierbach. Sie haben am 17.03.2005 genau mit der Begründung, damals ging es um das Ausführungsgesetz Pflegeversicherung, eine Ausschussüberweisung eines Gesetzentwurfs abgelehnt als PDS-Fraktion. Jetzt stellen Sie sich hier pharisäerhaft hin, beklagen mangelndes Demokratieverständnis, wenn man einen - das sage ich noch einmal - grottenschlechten Gesetzentwurf nicht an einen Ausschuss überweist. Ich sage noch etwas dazu, was der Kollege Nothnagel vorhin gesagt hat zu den Finanzen, das kann man ja alles so unter den Tisch mogeln.

(Glocke der Präsidentin)

Im Gesetzentwurf der Landesregierung steht, wie sich das mit den Finanzen und mit den Gesetzesfolgekosten, zumindest da, wo es bezifferbar ist, regelt. Im Gesetzentwurf der SPD-Fraktion steht das drin, im Gesetzentwurf der PDS-Fraktion steht das nicht drin. Herr Nothnagel hat gerade wieder erklärt, das wäre für ihn nicht so wesentlich und das müssten wir hier auch nicht diskutieren, geschweige denn, die PDS müsste auch gar Konzepte dazu vorlegen, wie sie das denn finanzieren möchte. Da streite ich nicht mit Ihnen, das habe ich in der ersten Lesung schon gesagt, darüber, ob das 320,

340 oder 380 Mio. € sind. Ich sage nur, es ist völlig gegriffen und völlig unrealistisch, was Sie uns hier in diesem Gesetzentwurf an Forderungen aufgeschrieben haben. Auch Frau Kollegin Künast hat gerade, glaube ich, den Finanzierungsvorbehalt kritisiert, der sich allerdings dann im Gesetzentwurf der Landesregierung wiederfindet, das eben nicht alles klar bezifferbar ist. Sie haben aber wenige Sätze zuvor gesagt, wie schwierig sich die Finanzsituation in den Ländern, in den Kommunen und im Bund darstellt. Sie sind nicht, darauf hat der Herr Minister hingewiesen, darauf eingegangen, warum das so ist. Das hätte man leidenschaftlich hier diskutieren können, die Finanzsituation, die sich auf all diesen drei Ebenen - im Bund, in den Ländern und den Kommunen - verschlechtert hat, so dass wir also auch genau hinschauen müssen, wie viel Geld wir überhaupt ausgeben können. Das hat die SPD-geführte Bundesregierung, die zumindest bis morgen noch ein minimales Vertrauen auch vielleicht von Ihren Genossen hat, ein Stück weit zu verschulden. Insofern gehört zur Ehrlichkeit dazu, auch zu sagen, dass wir uns in der jetzigen Situation nicht mehr alles leisten können.

Ich möchte einen weiteren Punkt aufgreifen, einen Ihrer Kritikpunkte, bei dem es um die Frage des Verbandsklagerechts ging. Ja, es ist nicht das uneingeschränkte Verbandsklagerecht, welches sich im Gesetzentwurf der Landesregierung wiederfindet. Es ist ein eingeschränktes Verbandsklargerecht, welches nämlich sicherstellt, dass die Rechte von Menschen mit Behinderung geschützt werden, dass auch rechtlich überprüft werden kann, wenn ihre Rechte verletzt sind. Aber es steht auch der Vorbehalt drin, dass das Einverständnis des Betroffenen vorliegen muss.

Herr Abgeordneter Panse, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Am Ende meiner Rede.

Gut.

Ich glaube, diese Rechtsschutzbefugnis muss auch bei den Betroffenen bleiben. So steht es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Wir wollen nicht, dass die Verbände wild drauflos klagen, sondern es soll schon der Bezug zu dem im Recht betroffenen behinderten Menschen sein.

Ein weiterer Punkt, auch das sprachen Sie an, ist die Frage des gemeinsamen Unterrichts, wie er in § 12 geregelt ist. Ich bin froh, dass das in dieser Form im Gesetzentwurf drinsteht. Aber ich sage auch, man muss den besonderen Förderungsbedarf für behinderte Kinder auch berücksichtigen. Das muss man im Dialog mit den Eltern diskutieren, dazu muss man Eltern vernünftig beraten und dazu muss man gemeinsam mit den Eltern nach bestmöglichen Fördermöglichkeiten suchen. Das ist eben nicht immer in einer normalen Schule gegeben, sondern Sie wissen sehr genau, dass das in manchen Fällen nur in einer Förderschule in diesem Umfang auch möglich sein wird.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Aber das Recht der Eltern darf man nicht un- tergraben.)

Ein letztes noch: Herr Nothnagel, Sie haben mich sehr persönlich aufgefordert, ich möge mich bei den betroffenen Verbänden entschuldigen. Ich kann Ihnen nur sagen, ich erwarte, dass die PDS-Fraktion sich bei den betroffenen behinderten Menschen im Freistaat Thüringen entschuldigt. Denn Sie haben mit diesem Gesetzentwurf bei behinderten Menschen eine Hoffnung geweckt, Emotionen geschürt, die Sie nie und nimmer erfüllen können, die Sie jetzt nicht erfüllen können, die auch eine PDS-Regierung nirgendwo in der Bundesrepublik Deutschland erfüllen kann. Vor diesem Hintergrund wäre es angemessen, dass Sie sich bei den Menschen entschuldigen und nicht hier mit dieser Polemik jedes Mal ans Pult treten und uns diese Vorwürfe unterbreiten. Wir sind als CDU-Fraktion mit den Verbänden im Dialog, auch das wissen Sie sehr genau. Insofern verwahre ich mich namens der CDU-Fraktion ganz entschieden gegen Ihre Vorwürfe, wir würden nicht den Dialog mit den Betroffenen suchen. Vielen Dank.

Abgeordneter Nothnagel, Ihre Frage bitte.

Also auf den letzten Teil werde ich jetzt nicht eingehen.

Es ist ja auch eine Frage.

Ich habe eine Frage. Wir haben ja nun seit Jahren über das Thema diskutiert, Kollege Panse, und könnten Sie mir zumindest in einem Punkt Recht geben, dass wir hier bei den Debatten immer auch

gesagt haben, es muss nicht immer neues Geld kosten, es muss nicht mehr Geld kosten, es geht auch um Umstrukturierung, wie z.B. ambulant vor stationär. Jeder predigt das, jeder weiß das.

Ihre Frage bitte.

Können Sie das bestätigen, dass wir hier darüber auch diskutiert haben, anstatt uns pauschal solche Dinge vorzuwerfen?

Ich kann Ihnen bestätigen, dass wir darüber auch diskutiert haben. Aber das ist eben nicht Kernpunkt Ihres Gesetzentwurfs. Kernpunkt Ihres Gesetzentwurfs - und das hat der Minister vorhin erläutert - sind diese immensen Mehrkosten, die Sie bei Assistenzleistungen und bei Mobilitätsprämien einfordern. Genau an dieser Stelle, habe ich Ihnen gesagt, geht das weit über das hinaus, was wir bis jetzt diskutiert haben, und weit über das hinaus, was realistisch umsetzbar ist.

Das Wort hat Herr Minister Zeh:

Frau Abgeordnete Thierbach, auch ich möchte noch mal für die Landesregierung ausdrücklich zurückweisen, dass hier nicht das notwendige Interesse der Kollegen vorhanden wäre. Frau Thierbach, wir haben im Kabinett fast über jeden Paragraphen sehr ausführlich diskutiert.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Wo, das stimmt ja nicht, das ist nicht öffent- lich.)

Wir haben in der üblichen Befassung aller Ressorts diesen Gesetzentwurf auch erarbeitet. Ich möchte gerade im Angesicht auch der Zuschauer, die das natürlich nicht sehen können, erklären: Alle Minister sind hier anwesend, die als Abgeordnete hier auf ihren Plätzen sitzen, die ihnen als Abgeordnete hier zugewiesen sind.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Wenn er dort sitzt, sitzt er als Abgeord- neter und nicht als Minister.)

Aber, Frau Thierbach, der Vorwurf lautet: Die Landesregierung würde an diesem Thema nicht interessiert sein, weil sie nicht anwesend sind. Sie sind anwesend, das wollte ich hiermit richtig stellen.

(Unruhe bei der CDU)

Zweiter Vorwurf, wir würden Ihren Entwurf nicht im Ausschuss diskutieren. Natürlich haben Sie alle Rechte, im Ausschuss im Zusammenhang mit diesen Entwürfen auch Ihre Anträge zu stellen und über Ihre Ideen auch zu diskutieren.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Das machen wir sowieso.)

Nur dieses Zeichen hat die CDU ganz bewusst gesetzt, weil man mit einem Gesetzentwurf, der den Betroffenen in einer Art und Weise Hoffnungen macht, nicht unseriös diskutiert und nicht umgehen kann. Deswegen hat die CDU-Fraktion ausdrücklich gesagt, und das ist ihr demokratisches Recht, diesen eben nicht an die Ausschüsse zu überweisen. Natürlich können Sie alle Ihre Argumente, Frau Thierbach, im Ausschuss wieder vorbringen und wie ich Sie kenne, werden Sie das natürlich auch so tun.

Ein Drittes noch: Sie werfen mir indirekt vor, ich würde nicht den Nachteilsausgleich anstreben, so in etwa war Ihre Formulierung. Natürlich geht es uns, wenn wir ein solches Gesetz einbringen, immer um den Nachteilsausgleich. Aber was wir natürlich nicht machen können, wir können keinem einen 100-prozentigen Nachteilsausgleich in allen Situationen dieses Lebens vorgaukeln. Das geht schlichtweg nicht. Und, Frau Thierbach, das müssen wir doch endlich einmal begreifen, dass wir solche Hoffnungen nicht nach außen tragen.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Man müsste es echt mal versuchen.)

(Beifall bei der CDU)

Ein Allerletztes: Ich habe nicht von 380 Mio. € gesprochen. Falls es akustisch nicht so bei Ihnen angekommen ist, dann korrigiere ich das ausdrücklich an dieser Stelle: Die bezifferbaren Kosten sind bei 280 Mio. €, die nicht bezifferbaren sind wahrscheinlich mehr als doppelt so hoch.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Sie sind tatsächlich bei 22 Mio. €.)

Aber darüber zu diskutieren, ist ja müßig, denn das ist Spekulation. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Bitte, Herr Abgeordneter Ramelow.

(Unruhe bei der CDU, SPD)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich gemeldet, weil ich es hoch erstaunlich finde, wie die Landesregierung mit dem Parlament umgeht - um den Konflikt ging es gerade.

(Unruhe bei der CDU)

Es ging um die Frage von Frau Thierbach, ob die Landesregierung hier vorn im Plenum sitzt und ob die Landesregierung an ihren Plätzen ist. Und dann wird geantwortet, sie sind Abgeordnete und sitzen alle in der Reihe. Darf ich an der Stelle mal eine kritische Anmerkung machen, dass es einen Tagesordnungspunkt vorher um das Recht des Parlaments ging, die Landesregierung zu kontrollieren. Da saßen Sie alle hier vorn auf der Regierungsbank und Ihre Mitte hat dafür gesorgt, dass wir die Kontrolle gegenüber der Landesregierung in diesem hohen Haus nicht verstärken. Jetzt gehen Sie auf Ihre Plätze und sorgen dafür, dass es kontrolllos gestaltet wird und dass Sie jetzt auf einmal sagen hier vorn auf den Plätzen, das wären die freien Plätze.

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, entscheiden Sie sich mal, wie Sie mit dem Parlament und mit den Parlamentsrechten umgehen und entscheiden Sie sich auch mal, wie Sie mit der Würde des hohen Hauses umgehen. Man kann es nicht so rum und so rum biegen, wie man es braucht, nur weil Sie zwei Stimmen Mehheit hier im hohen Haus haben. Das nenne ich eine unerträgliche Arroganz der Macht.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS, SPD)