Protocol of the Session on April 21, 2005

Was war noch spannend? Die Regierung hat, soweit ich mich erinnern kann, erstmalig eine Verfristung des Gesetzes mit aufgenommen. Im Jahr 2010 sollte das Gesetz automatisch außer Kraft treten, wenn nicht bis dahin seine Sinnfälligkeit nachgewiesen wird und der Gesetzgeber das Gesetz verlängert hat. Der Ausschuss hat diesen Punkt zurückgenommen. Warum? Wir haben hier keine separate Regelung für die Juniorprofessur in einem überschaubaren Gesetz, sondern, wie Sie unschwer erkennen kön

nen, wenn Sie sich die Drucksache vornehmen, ist dies eine Änderung des gesamten Hochschulgesetzes. Mit der Übergangsbestimmung, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, wäre im Jahr 2010 das gesamte Hochschulgesetz außer Kraft getreten, was mindestens unserer Landesverfassung widerspricht, die an dem Punkt sehr deutlich ist, dass die Sache der Hochschulen in einem Gesetz zu regeln ist. Also darf, wenn man nicht verfassungswidrig werden will, auch nicht ein Tag jetzt mehr ohne Hochschulgesetz sein. Insoweit begrüßen wir prinzipiell das Vorgehen, Gesetze befristet anzulegen, bitten aber darum, dann überschaubare Rechtsmaterien daraus zu machen, entweder kompakte Einzelgesetze oder das Ganze so anzulegen, dass man bei weiteren Änderungen Neufassungen der Gesetze vornimmt und nicht die Änderung zur Änderung wieder nachvollziehen muss, um noch zu wissen, was eigentlich gilt.

Insoweit bitte ich um Verständnis für unsere Änderungen. Wir haben das auch deshalb getan, weil das Hochschulgesetz eines der Gesetze ist, die fast regelmäßig Novellierungen unterliegen, dass also auch dieser Aspekt, inwieweit die Juniorprofessurenregelung im Jahre 2010 als erfolgreich angesehen werden kann, immer wieder mit betrachtet werden kann. Ich bitte Sie ob der vorgetragenen Gründe um Zustimmung zu unserer Beschlussempfehlung und damit um Zustimmung zu dem Gesetz. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Schwäblein. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zur Abstimmung. Wir stimmen als Erstes ab über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Kunst und Medien, der Ihnen in Drucksache 4/793 vorliegt. Wer ist für diese Beschlussempfehlung? Wer ist gegen diese Beschlussempfehlung? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist diese Beschlussempfehlung einstimmig angenommen.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung, der Ihnen in Drucksache 4/591 vorliegt, unter Berücksichtigung der eben erfolgten Abstimmung über die Beschlussempfehlung in Drucksache 4/793 in zweiter Beratung. Wer ist für diesen Gesetzentwurf der Landesregierung? Wer ist gegen diesen Gesetzentwurf? Wer enthält sich der Stimme? Der Gesetzentwurf ist auch hier einstimmig angenommen.

Damit kommen wir zur Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf. Ich bitte Sie, jeweils durch Erheben von den Plätzen Ihr Votum zu dokumentieren.

Wer ist für diesen Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung? Wer ist gegen diesen Gesetzentwurf? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist dieser Gesetzentwurf einstimmig angenommen und wir können in Zukunft Juniorprofessuren mit großer Gesetzessicherheit berufen und ihre Tätigkeit sichern.

Damit rufe ich den nächsten Tagesordnungspunkt auf - Tagesordnungspunkt 2

Thüringer Gesetz zum Schutz der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/813 - ERSTE BERATUNG

Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Bitte, Herr Innenminister Dr. Gasser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, mit dem Thüringer Gesetz zum Schutz der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora sollen die genannten beiden Gedenkstätten dauerhaft vor rechtsextremistisch ausgerichteten Versammlungen geschützt werden. Für eine entsprechende Verschärfung des Versammlungsverbots hat der Bund mit dem Gesetz zur Änderung des Versammlungsrechts die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Nach diesem Gesetz, das am 1. April 2005 in Kraft trat, kann eine Versammlung verboten werden, wenn sie an einem Ort stattfindet, der - mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich - „als Gedenkstätte von historisch herausragender überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter nationalsozialistischer Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert“. Das Versammlungsgesetz des Bundes stellt das Denkmal für die ermordeten Juden Europas unter diesen besonderen Schutz. Gleichzeitig werden die Länder ermächtigt, andere derart schützenswerte Orte im Sinne des Gesetzes zu bestimmen. Diese Regelungsoption wird mit dem heute zu beratenden Gesetzentwurf wahrgenommen. Die Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora sind für Menschen aus ganz Europa Orte der Trauer und Erinnerung an die systematische Vernichtung von Menschen und die Herabsetzung der Menschenwürde während der Zeit des Nationalsozialismus. Buchenwald wurde im Jahr 1937 auf dem Ettersberg bei Weimar als eines der großen so genannten Schutzhaft- und Arbeitslager errichtet. Bis zur Befreiung der Häftlinge am 11. April 1945 verloren hier mehr als 50.000 Menschen ihr Leben. Zur Gedenkstätte im Sinne des Gesetzes gehören das Areal des Lagers, die von Häftlingen ausgebaute Zufahrtsstraße zum Lager, die so ge

nannte Blutstraße, die Bahntrasse, das 1958 errichtete Mahnmal, der SS-Bereich des Konzentrationslagers und der Bereich der Gustloff-Werke. Teilflächen der Gedenkstätte, insbesondere die Gräberfelder, dienen dem Gedenken an die Opfer des sowjetischen Internierungslagers. Diese Flächen waren bereits vor 1945 Teil des Konzentrationslagers und sind untrennbarer Teil der Gesamtkonzeption der heutigen Gedenkstätte. Deshalb werden auch sie in den vom Gesetz geschützten Bereich einbezogen. Mittelbau-Dora ging im Jahr 1944 als letzte KZ-Gründung des nationalsozialistischen Regimes aus einem Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald hervor. Es steht in einmaliger Form für den Zwangseinsatz und die Sklavenarbeit von Häftlingen vieler Nationen in der deutschen Rüstungsindustrie. Mehr als 20.000 von ihnen mussten in Mittelbau-Dora ihr Leben lassen.

In seiner Rede anlässlich der Gedenkfeier der Bundesrepublik Deutschland zum 60. Jahrestag der Befreiung der nationalsozialistischen Konzentrationslager am 10. April dieses Jahres hat Herr Ministerpräsident Althaus der Viertelmillion Menschen gedacht, deren Lebensweg durch Buchenwald auf die grausamste Weise geprägt wurde. Das Schicksal dieser Menschen nimmt uns in die Verantwortung, die Stätten des Leidens, Buchenwald wie auch Mittelbau-Dora, vor Versammlungen zu schützen, die die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlichen oder verharmlosen und auf diese Weise die Würde der Opfer und ihrer Angehörigen sowie die Würde des Ortes der Erinnerung verletzen.

Ich bitte Sie in diesem Sinne um zügige Beratung und Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Bundesgesetzgebung zur Änderung des Versammlungsrechts und des Strafrechts ist nach unserer Auffassung politischer, symbolischer Aktionismus. Redner im Bundestag betonten immer wieder, es gehe um das Ansehen Deutschlands, darum, welche Bilder am 8. Mai vom Holocaustdenkmal um die Welt gehen würden - möglichst keine demonstrierenden Nazis an diesem Mahnmal. Ja, meine Damen und Herren, das wollen auch wir nicht.

Aber es ging und es geht - also bei der Diskussion um das Versammlungsrecht - dann nicht um das

Problem des Rechtsextremismus als solches und nicht um wirkungsvolle Gegenwehr. Nein, es geht offenbar um etwas ganz Oberflächliches, nämlich um das Image, um eine saubere Fassade, die man der Weltöffentlichkeit präsentieren will. Also sind die Regierenden in Berlin der alten Idee verfallen, das Versammlungsrecht an bestimmten Orten einzuschränken und das Strafrecht zu verschärfen. Die CDU/CSU-Fraktion wollte das gleiche oberflächliche Ziel über eine Ausweitung und Zweckentfremdung der Bannmeile um das Reichstagsgebäude erreichen; am Ende setzte sich aber die Form des symbolischen politischen Aktionismus der Bundesregierenden durch.

Doch da war sofort der Einwurf des Einzelfallgesetzes. Also wurde bestimmt, dass die Bundesländer ebenfalls Gedenkstätten von „nationaler oder überregionaler Bedeutung“ benennen. Trotz dieser Öffnungsklausel für den Landesgesetzgeber bleibt diese Gesetzgebung in Gänze politisch gesehen faktisch eine Einzelfallgesetzgebung. Es ist aber nicht Sinn von Gesetzgebungen, als rein politisches Plakat benutzt oder gar missbraucht zu werden. Viele, die sich mit dem Versammlungsrecht auskennen, haben in der Diskussion eines immer wieder betont: Schon mit dem bisher geltenden Versammlungsrecht lässt sich das bewirken, was mit den Änderungen nun erreicht werden soll. Über die Generalklausel des § 15 Versammlungsgesetz, Stichwort „öffentliche Sicherheit und Ordnung“, können solche Neonaziveranstaltungen auch jetzt schon verboten werden. Das Problem mit der bisherigen Rechtslage bewegt sich nicht auf der Ebene der Gesetzgebung, sondern ist Mängeln beim Gesetzesvollzug geschuldet, so zum Beispiel bei nicht ausreichend begründeten Bescheiden. Hier müssen sich Behörden und Einsatzkräfte für tragfähige Argumentationen und wirksames Handeln rechtlich und tatsächlich mehr kundig machen. Denn werden diese Vollzugsdefizite nicht beseitigt, wird auch die neue Gesetzgebung an den gleichen Mängeln leiden und scheitern. Von dieser Gesetzgebung können wir keine ernsthafte Verbesserung im Vergleich zur vorherigen Rechtslage erwarten. Der Bundestagsabgeordnete Stadler hatte durchaus Recht, als er Montesquieu beschwor - Zitat: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es unbedingt notwendig, ein Gesetz nicht zu erlassen.“ Schlimmer noch, die Änderung des Versammlungsrechts und ihre Auswirkungen auf die Landesgesetzgebung ziehen rechtliche und politische Folgeprobleme nach sich, die die Demokratie beschädigen.

Im Brokdorf-Beschluss von 1985 hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit auch die freie Wahl des Versammlungsortes einschließt. Die aktuelle Gesetzesänderung schränkt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausdrücklich ein. Sie hat sich damit dem

Konzept der so genannten wehrhaften Demokratie verschrieben. Dieses ist aber nichts anderes als die absurde Idee, die Demokratie durch Einschränkung der Demokratie retten zu können. Ein Paradoxon sondergleichen und selbst eine Gefahr für die Demokratie.

Die Einschränkung von Grundrechten, gerade von politischen, bedeutet immer ein Stück Demokratieverlust. Demokratie herrscht nun einmal nicht als staatlicher Zustand. Nein, Demokratie muss von den Bürgerinnen und Bürgern als Prozess gelebt werden. Damit Bürgerinnen und Bürger Demokratie leben können, brauchen sie politische und auch soziale Grundrechte. Dann muss aber bedacht werden, dass die demokratische Zivilgesellschaft auf diese Grundrechte angewiesen ist, wenn sie sich in den viel beschworenen Aufständen der Anständigen rechtsextremistischer und neonazistischer Gefahr wehren will.

Meine Damen und Herren, eine Einschränkung von Grundrechten will daher sehr gut überlegt sein, selbst dann, wenn sie dazu dienen soll, rechtsextremistisches Unwesen zu dämmen. Ich weiß, dass gegen Unterstellungen kaum etwas hilft, aber ich will an dieser Stelle versuchen vorzubeugen. Wir sind für Politik gegen Rechtsextremismus und gegen Nazidemonstrationen, besonders dann, wenn sie die Würde von Menschen, sei es die der Opfer des Holocaust, sei es die von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern oder anderer gesellschaftlicher Gruppen, geistig oder praktisch mit Füßen treten.

(Beifall bei der PDS)

Wir stellen aber entschieden infrage, dass die aktuelle Gesetzesänderung ein richtiger Weg ist. Die jetzige Gesetzesänderung fördert die passive Haltung von Bürgerinnen und Bürgern. Sie ist Ausfluss jener Zuschauerdemokratie nach dem Motto: Der Staat wird es mit Verboten schon richten und man kann es sich auf dem Sofa gemütlich machen. Damit wird aber gleichzeitig auch all denen das Hinterland entzogen, die sich widerständig wehren wollen. Demokratisch verantwortungsvolle Politik aber fördert zivilgesellschaftliche Initiative der Bürger und sie sorgt für Maßnahmen, die demokratische Eigeninitiative unterstützen. Die demokratische Zivilgesellschaft verteidigt sich und ihre Werte am wirkungsvollsten, wenn ihre Bürgerinnen und Bürger aktiv dafür eintreten. Wie dieses Engagement ganz konkret aussehen kann und auch schon erfolgreich praktiziert wurde, ist an einzelnen Orten dieses Landes schon deutlich geworden; ich erinnere nur an Weimar.

Meine Damen und Herren, mit der aktuellen Gesetzgebung zum Versammlungsrecht sind über die geschilderten negativen Wirkungen hinaus aber auch juristische und politische Folgen und Probleme ver

bunden, die deutlich gegen solches Vorgehen sprechen. Vor allem in der Anhörung des Bundestags zum neuen Versammlungsrecht wurden sie öffentlich klar benannt, und zwar von juristischen Fachleuten aller Couleur. Der wichtigste Einwand: Die bisherige Gesetzeslage reicht aus, um die mit der Änderung des Versammlungsrechts bezweckten Ziele zu erreichen. Allerdings müssten die Mängel bei der praktischen Rechtsanwendung beseitigt werden. Zum Beispiel müssten Behörden mehr Sorgfalt auf die Begründung von Bescheiden verwenden. Im Falle von spontanen Neonaziveranstaltungen müssten die Sicherheitskräfte vor Ort konsequent gegen Rechtsverstöße vorgehen. Diese berechtigen gegebenenfalls zur Auflösung von Versammlungen. Am vergangenen Samstag in Erfurt auf dem Anger war die Polizeiführung nicht einmal bereit, die Hinweise auf das Abspielen indexierter Musik zu prüfen. Bezogen auf die Änderungen des § 15 Versammlungsgesetz und das Kriterium „Würde der Opfer“ warnten die Fachleute davor, dass es eine verheerend wirkende Klassifizierung von Naziideologien geben wird, nämlich solche, die die Würde der Opfer verletzt, und solche, die dieses Verbotskriterium nicht erfüllt. Das könnte dann praktische Folgen haben, also etwa Neonazidemonstrationen am Holocaustmahnmal, nur eben z.B. gegen Hartz IV. Ein ähnliches Problem stellt sich beim geänderten Volksverhetzungsparagraphen 130 Strafgesetzbuch. Und es gibt zu diesem Problem auch schon die erste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Neonazis aus MecklenburgVorpommern haben gegen ein Demonstrationsverbot geklagt, das sich auf die neue Rechtslage stützt. Es geht um eine Versammlung unter dem schauerlichen Motto - Zitat: „60 Jahre Befreiungslüge - wir feiern nicht, wir klagen an! Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen verjähren nicht trotz künstlich geschaffener EU-Gebilde“. Das wird offensichtlich nicht als Verletzung der Würde von Opfern bewertet. Hinzu kommt, dass die Ordnungsbehörde bei der Begründung des Volksverhetzungstatbestandes und des Verbots offensichtlich auf Neonaziäußerungen im Internet Bezug genommen hat, die ersichtlich nicht den Anmeldern oder den Veranstaltern der Versammlung zurechenbar waren; ein auch für die Behörde erkennbarer Formfehler. Die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts erging am 16. April.

Wer aber von uns wollte so weit gehen, dass die bloße Anwesenheit dieser Leute am Mahnmahl in Berlin oder an den entsprechenden Gedenkstätten in den Ländern eine Verletzung der Würde der Opfer darstellt? Hier betritt man dann verfassungsrechtlich sehr bedenkliches Territorium.

Meine Damen und Herren, die juristischen Experten warnten auch vor der Hierarchisierung der Opfer durch Kategorisierung von Gedenkstätten oder Gedenkorten. Einer stellte die Frage, ob nicht auch

darin selbst eine Verletzung der Würde von Opfern zu sehen sei. Wer von uns will denn die Bedeutung der Orte und der Opfer gegeneinander abwägen, die mit den Namen Buchenwald, Dora, Jonastal, Laura, Todesmarschroute oder anderen verbunden sind? Außerdem wurde eine verheerende Folge der beabsichtigten Regelungen klar: An Orten, die von den neuen Gesetzen nicht erfasst werden, können sehr wohl Naziaufmärsche stattfinden und können nur noch schwerer über die Generalklausel des § 15 Versammlungsrecht verhindert werden. Genannt sei nur, das Heß-Grab in Wunsiedel oder die SS-Gräber auf dem Soldatenfriedhof in Halbe. Die Mehrzahl der angehörten Juristen hat vor einem Scheitern der Gesetzesänderung vor dem Bundesverfassungsgericht gewarnt. Ein solches Scheitern wäre nach Einschätzung der Fachleute in seinen Wirkungen genauso verheerend wie das Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens, zu dem ja Thüringen Entscheidendes beigetragen hat. Ein solches Scheitern, meine Damen und Herren, wird den demokratischen Rechtsstaat ebenso nachhaltig beschädigen und es birgt die Gefahr, dass am Ende Rechtsextremisten sich zu unschuldigen Opfern staatlicher Verfolgung stilisieren.

Angesichts dieser heftigen Nebenwirkungen der Gesetzesänderung schlug eine Vielzahl von Angehörigen, darunter Professoren wie Praktiker, einen ganz anderen Weg vor. Sie machten den Abgeordneten des Bundestags den Vorschlag, eine politische Entschließung zu verabschieden. Der Bundestag sollte die Bürgerinnen und Bürger aufrufen, am 8. Mai in Berlin den Neonazis mit zivilgesellschaftlichem Engagement am Holocaustmahnmal entgegenzutreten. Das, meine Damen und Herren, wäre ein Bild, das um die Welt gehen könnte und dessen wir uns nicht schämen müssten. 100.000 Berlinerinnen und Berliner oder mehr am Holocaustmahnmal und die Neonazis sähe man nicht.

Meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion hat diesen Gesetzgebungsweg, um den es in diesem Tagesordnungspunkt geht, diskutiert. Mit ausgesprochen klarer Mehrheit sind wir zu der von mir skizzierten Grundauffassung gelangt. Es wäre nach unserer Auffassung politisch sinnvoller, von der Landesgesetzgebung keinen Gebrauch zu machen. Aber was zu befürchten war, tritt nun halt mit zwangsläufiger Sicherheit ein. Man sucht den einfachsten und untauglichen Weg und geht ihn unbeirrbar fort. Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Debatten über die Wertigkeit von Gedenkstätten untereinander und gegenüber anderen historischen, bedeutungsträchtigen Plätzen. Und prompt mussten sie den Theaterplatz wieder aus der Planung herausnehmen. Aber das hat nur dazu geführt, dass sich der Innenminister an seinen Bundeskollegen wendet mit der Bitte, weitere Einschränkungen des Versammlungsrechts

über erweiterte Landesregelungen zu ermöglichen. Das ist verfassungsrechtlich wie rechtssystematisch, vor allem aber politisch bedenklich. Da tröstet auch nicht der Umstand, dass selbst die Stiftung Gedenkstätten den eingeschlagenen Weg nicht für den richtigen hält.

Am Ende triumphieren diejenigen, gegen die sich diese Gesetzgebung richten soll. Denjenigen, die mahnen und aktive Konzepte verfolgen, denen fällt solcherlei falsche Symbolpolitik in den Rücken. Die eigentlichen Alternativen in der Politik werden zweitrangig im Selbstbewusstsein herrschender Politik und im Bewusstsein der Bürgerschaft. Was wir brauchen, ist nicht die exekutive und administrative Hilflosigkeit der Politik, die sich selbst mit Verbotsgesetzen erschlägt, wie hilflose Eltern ihre eigene Erziehungsunfähigkeit hinter nutzlosen Verbotsanordnungen verbergen.

Wir brauchen die Anerkenntnis, dass rechtsextremistisches Denken, Reden und Handeln kein randständiges Problem dieser Gesellschaft sind. Rechtsextremismus hat seine Wurzeln auch in der Mitte der Gesellschaft. Das wissen wir Thüringen-Monitor-Leser doch allzu gut. Also brauchen wir ursachenorientierte Politik, wo immer auch möglich, nicht aber Symptombehandlungen in Form von Verbotsstrategien und Grundrechtseinschränkungen. Arbeitsmarktpolitik, Bildung, Kultur, Kinder- und Jugendpolitik, vor allem Ausländerpolitik müssen genutzt werden, um die sich ausprägenden Tendenzen von Rechtsextremismus und Neonazismus zurückzudrängen. Wir brauchen so etwas wie eine konzertierte Aktion der politisch Anständigen und der behördlich Zuständigen. Dafür ist das politisch gesetzliche Verbot nicht der richtige Weg. Politik und Behörden sollten alle Arten zivilgesellschaftlichen Engagements unterstützen, so dass eine Gegenbewegung von unten sich entfalten kann. Wir brauchen keine so genannte wehrhafte Demokratie. Wir brauchen die Überzahl widerständiger Demokraten, und das in allen Bereichen. So ist das Historikerurteil über die Weimarer Republik zu verstehen. Es gab nicht zu wenig demokratische Abgeordnete, es gab zu wenig Demokraten, auch und vor allem außerhalb der Institutionen.

Denn am Ende, meine Damen und Herren, werden uns Verbote und sonstige Administrationen nicht retten. So wie eine verfassungsgemäße Gesellschaft nicht von einem Landesamt für Verfassungsschutz geschützt werden kann, so kann eine Demokratie auch nur durch das zivilgesesellschaftliche Engagement, wenn vielleicht nicht aller, so doch aber der deutlichen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger am Leben erhalten werden. Denen aber, die Träger und Verteidiger der Demokratie sein sollen, denen werden Sie mit dieser Gesetzgebung einen

Bärendienst erweisen, ob Sie es beabsichtigen oder nicht. Wer aber auf zivilgesellschaftlichen Protest so reagiert wie Sie am Samstag, der hat diese Zeichen der Zeit noch nicht verstanden.

(Beifall bei der PDS)

Es darf, meine Damen und Herren, in einer Demokratie nicht um politische Friedhofsruhe gehen, sondern es geht um Engagement von unten, unterstützt durch Politik von oben. Die Mehrzahl der Leute auf dem Anger war einem parteiübergreifenden Beschluss des Erfurter Stadtrats gefolgt. Alles, was Sie dazu beizutragen hatten, war ein polizeitaktisch völlig überzogener und politisch peinlicher Einsatz von körperlicher Gewalt über Pfefferspray bis hin zu Wasserwerfern.

Ich weiß, meine Damen und Herren, dass Flaschen geflogen sind und ich hasse das. Es gibt andere Möglichkeiten Protest auszudrücken und andere - und das sage ich ausdrücklich - polizeiliche Möglichkeiten damit umzugehen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Diese führen dann nicht dazu, dass Neonazis den Polizeikräften Beifall jubeln. So aber sind Einsatzleiter, Staatssekretär und Innenminister wieder auf die alte Argumentationslinie eingeschwenkt, die da heißt: Linke Chaoten und Gewaltbereite. Diese hätten am Samstag Jörg Schwäblein, Susanne Hennig, Andreas Bausewein geheißen oder auch Matthias Büchner. Am Ende haben die politischen Verantwortlichen die demokratischen Anständigen verjagt und verschreckt. Das Gleiche, meine Damen und Herren, werden Sie mit dieser Gesetzgebung erreichen und nichts anderes.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Gentzel, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Entstehungsgeschichte des Gesetzes und die Frage des Zusammenwirkens von Bund und Land kann ich mir an dieser Stelle ersparen. Der Innenminister hat dieses korrekt vorgetragen. Im Gegensatz zur Thüringer PDS sagen wir von der SPD, dieses Gesetz sowohl auf Bundes- als auch das Ausführungsgesetz auf Landesebene ist richtig und maßvoll. Wir halten es für positiv, dass man sich auf Bundesebene zumindest auf der Ebene der großen Volksparteien einigen konnte auf sicher

lich eine kritische Frage, nämlich die Einschränkung des Versammlungsgesetzes, und wir halten das Landesausführungsgesetz für richtig. Wir sind mit dem Gesetz zufrieden, über die öffentliche Debatte - das sage ich ganz frei - enttäuscht. Wir haben gehofft, dass es parteiübergreifend zu einem gemeinsamen Handeln an dieser Stelle kommt, weil wir leider auch - und darauf werde ich noch mal eingehen - an dieser Stelle eine Geschichte haben, aber statt parteiübergreifenden Diskussionen und Einverständnis eine Debatte über gesellschaftliches Handeln oder auf der anderen Seite die Frage Engagement der Politik auch in Richtung Versammlungsrecht. Ich behaupte, dieses wirkt nicht gegeneinander, wir brauchen beides. Wir brauchen das zivilgesellschaftliche Engagement und wir brauchen auf der anderen Seite das zivilgesellschaftliche, das gesamtgesellschaftliche Handeln.

(Beifall bei der SPD)

Herr Hahnemann, Sie haben ja vieles von dem, was Sie eben noch mal hier vorgetragen haben, schon in Ihrer Presseerklärung dem Thüringer Volk zur Kenntnis gegeben. Wie absurd und vor allen Dingen praxisuntauglich Ihre Vorschläge sind, will ich Ihnen nicht an Mecklenburg-Vorpommern, nicht an Brandenburg, sondern an aktuellen Thüringer Geschehnissen erläutern, die Sie sehr gut kennen. Sie schreiben in einer Ihrer Presseerklärungen: „Es geht um die Verbindung der Verantwortlichkeit der Zuständigkeit mit der Verantwortung der Anständigen. Es wird keinen Naziaufmarsch in Buchenwald geben, wenn sich die politisch Verantwortlichen zusammen mit Tausenden Bürgerinnen und Bürgern solchen Veranstaltungen in den Weg stellen.“ Das ist ein Satz, ich würde mich freuen, wenn er auch umsetzbar wäre in jedem Fall. Aber Sie wissen ganz genau oder Sie haben es vergessen, dass die Realität, weil das Handeln der Neonazis in Deutschland langsam auf einem anderen Level abläuft, eine ganz andere ist. Anfang der 90er-Jahre - vielleicht auch Mitte, man möge es mir verzeihen - gab es nicht in diesem Plenarsaal, sondern im Plenarsaal nebenan, ich glaube, sogar eine Sondersitzung des Thüringer Landtags. Was war die Grundlage? Neonazis machten durch Franken eine Bustour und nach reichlich Alkohol und Rast an einer Raststätte kam man zu dem kurz getroffenen Entschluss: Wir besuchen Buchenwald. Und wenn ich Hunderttausend engagierte Bürger hätte, wie soll ich die denn rechtzeitig nach Buchenwald bringen? Und wenn Sie die Debatte damals verfolgen, auch die PDS hat ein restriktiveres Vorgehen der Polizei gefordert. Aber dazu brauchen wir doch dann auch rechtliche Grundlagen,

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Die haben wir doch.)