Dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört nicht zuletzt auch die klare politische Analyse und auch Entlarvung der Punkte, auf die sich die NPD ganz offensichtlich stützt. Auch das will ich kurz skizzieren. Aus meiner Sicht sind es vier Faktoren, die da zusammenkommen. Es ist ein konsequenter Sozialpopulismus, ein ins Extreme gesteigerter völkischer Nationalismus, es ist die Denunziation des demokratischen Verfassungsstaats und die unerträgliche Umdeutung von Geschichte. Es sind die vier Säulen, auf denen die Ideologie der NPD ruht. Das müssen wir offen legen und in seinen verheerenden Auswirkungen auf den Weg unseres Volkes und Landes, vor allem jedoch in seiner ganzen politischen Dürftigkeit darstellen. Das geht nicht mit einem permanenten Erregungszustand, es geht aber vor allem durch überlegte Strategien von Seiten der Demokraten. Es geht mit stichhaltigen Argumenten. Daran, meine ich, darf und sollte es uns nicht fehlen. Dazu trägt auch ein entschlossenes, aber auch ein besonnenes bürgerschaftliches Engangement bei, wie es sich unter dem Motto sehr bewährt und immer weiterentwickelt hat, von Weimar ausgehend: "Bunte Vielfalt gegen braune Einfalt". Der Schulterschluss in Leinefelde und auch Schleusingen wurde schon benannt und natürlich gibt es da auch eine ganz enge Abstimmung mit der Landesregierung, mit dem Ministerpräsidenten, der auch ganz aktuell ständig informiert wird vom Bürgermeister, von den Vereinen und Verbänden, die Koordinierungsstelle Gewaltprävention, die nachhaltig diesen Prozess begleitet, und gerade aktuell kam auch diese Meldung vom Schleusinger Bürgermeister hier ins Haus. Das wollte ich eindeutig sagen. Es ist nicht so, dass nur geredet wird. Natürlich wird gehandelt und viele, viele Beispiele können wir aufzählen, die Abgeordneten, die selbstverständlich auch dabei und vor Ort sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, schließlich sollten wir den Rechtsextremisten auch keine Themen ohne Not überlassen, Themen die den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes wichtig sind und was man sehen muss. Die CDU hat ja hier zum Teil auch eine leidvolle Geschichte. Was sind wir manchmal angezählt worden, wenn wir darauf hingewiesen haben, z.B. das Thema der Nation gehört nicht in die Hände von Extremisten. Es ist inzwischen unter Demokraten Allgemeingut. Aber auch das war durchaus ein Entwicklungsprozess. Das wurde nicht immer so gesehen. Unionsfreunde von mir haben manches aushalten und abwehren müssen, wenn sie Gedanken in dieser Richtung geäußert haben, die dann auch bewusst überspitzt und auch fehlinterpretiert wurden. Es geht mir jetzt nicht darum, das aufzurechnen. Aber stattdessen zitiere ich schlicht und einfach jemand, der mit Sicherheit nicht in die
Nähe der Union gehört, Friedrich Schorlemmer, der aber ganz klar sagt, was Freunde meiner Partei vor Jahren schon gesagt haben, der sich bei ddp so zu Wort gemeldet hat - da heißt es: "Schorlemmer sieht eine Ursache für den Erfolg rechtsradikaler Parolen in der mangelnden positiven Identifikation vieler Parteien mit der Nation. Schorlemmer sagte, wenn in Deutschland von Schuld und Scham geredet werde, müssten auch die positiven Seiten des Erbes zur Sprache kommen. Wichtig sei aber die Reihenfolge." "Ein ganzes Land kann nicht 60 Jahre auf der Büßerbank sitzen", sagte er. "Wenn eine Nation ständig zu Kreuze krieche, könnten sich Nationalisten das zu Nutze machen." So weit Friedrich Schorlemmer. Auch dafür hat ja Ernst Cramer gestern ein Beispiel geliefert, indem er die 12 Jahre Nationalsozialismus eben in den ganzen Bogen deutscher Geschichte mit auch vielen, vielen positiven Seiten gestellt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus und den Verfassungsfeinden gehört auch, sich immer wieder der Widerstandsfähigkeit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der politischen Kultur gegen derartige Herausforderungen zu versichern. Natürlich bieten die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen Anlass zur Sorge. Denn offensichtlich ist, dass eine Welle des Protests auch gegen Hartz IV die NPD und die DVU in dieser Stärke in die Landesparlamente mitgetragen haben. Es ist unbestreitbar, dass die Rechtsextremisten dabei nicht allein standen, sondern, wenn auch als ungebetene Gäste, einen Boden nutzen konnten, der ihnen das Spiel erleichterte. Die politischen Ränder sind gestärkt worden und die Stimmanteile der Volksparteien der Mitte sind erodiert, jener Parteien, die diese Reformen getragen hatten. Die Frage, die im Thüringen-Monitor 2004 im Mittelpunkt steht, lag, meine ich, deshalb auch auf der Hand. Wird der demokratische Verfassungsstaat durch die notwendigen Sozialstaatsreformen erschüttert? Ist die Bundesrepublik Deutschland eine Schönwetterdemokratie, die ins Wanken gerät, wenn Reformen auch mit Zumutungen verbunden sind? Sind vor allem die jungen Länder dieser Herausforderung gewachsen, nachdem 2002 und 2003 Risse im Fundament der Demokratie diagnostiziert wurden? Diese Fragen stellen sich natürlich angesichts der Herausforderungen, vor denen Staat und Gesellschaft stehen, und sie werden im Thüringen-Monitor ausdrücklich benannt: die für die jungen Länder besonders schwierige demographische Entwicklung, die Erosion der Arbeitsmärkte und des Normalarbeitsverhältnisses, die wachsende Vielfalt der Lebensformen und nicht zuletzt auch die Fragen, Ängste und Sorgen, die mit der Globalisierung zusammenhängen. Dies alles stellt politisch verantwortliche Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Bürgerinnen und Bürger vor neue Heraus
forderungen. Die Wirtschaft wird global, aber das Soziale bleibt national. So hat Heiner Geißler schon einmal vor vielen Jahren das Problem in den Blick genommen. Deshalb kann man nicht mehr so tun, als lägen die Antworten in der Fortschreibung unserer sozialen Sicherungssysteme, die ihre Zukunft letztlich hinter sich haben, wenn man die Geschichte sieht. Unbestreitbar stehen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Systems, die soziale Sicherheit und die Demokratiezufriedenheit in einem Zusammenhang. Man kann nur mit Sorge beobachten, dass Reformanstrengungen auf Bundesebene nach den Anstrengungen des vergangenen Jahres zurzeit auf der Stelle treten. Dabei könnte zumindest die Bundesregierung, meine ich schon, die ausgestreckte Hand der Opposition im Bund, der CDU/CSU-Fraktion, auch weiterhin ergreifen. Sie ist da. Sie ist da aus staatspolitischer Verantwortung, weil es uns um Deutschland geht, nicht zuletzt auch, weil Bürgerinnen und Bürger erwarten, und das haben wir immer wieder diskutiert, auch in unseren Reihen, dass Opposition Regierung unterstützen soll. Natürlich muss es vernünftig sein, was die Regierung tut, und das gilt im Übrigen für alle Konstellationen und alle Parlamente.
Aber die Union hat sich auf wichtigen Politikfeldern, und das kann niemand bestreiten, als eine konstruktive Opposition erwiesen und auch in die Pflicht nehmen lassen. Das ist auch wichtig, denn Bürgerinnen und Bürger wollen Handlungsfähigkeit. Der Thüringen-Monitor gibt Antworten auf einige der aufgeworfenen Fragen. Er untersucht, wie auch durch den Ministerpräsidenten Dieter Althaus ausgeführt, unter dem Titel "Gerechtigkeit und Eigenverantwortung" Einstellungen zur Reform des Sozialstaats und ihre Auswirkungen auf die Stabilität des demokratischen Systems. Erfreulich ist, es steht Etliches auf der Habenseite, was in dieser Form nicht zu erwarten war, zumal wir in den letzten zwei Berichten 2002 und 2003 mit einiger Sorge auf die schon erwähnten Risse im Fundament der Demokratie geschaut haben. Aber dieser Trend hat sich gedreht. Der Anteil derer, die Demokratie als Wertordnung stützen, ist auf einem hohen Niveau von 80 Prozent nochmals leicht gestiegen. "Fast genauso viele sind mit dem politischen System in Deutschland, so wie es in der Verfassung angelegt ist, zufrieden", heißt es wörtlich im Fazit des Monitors. So wenig selbstverständlich dies ist, so überrascht waren die Jenaer Politikwissenschaftler über ein mindestens ebenso bedeutsames Ergebnis, der Anteil der so genannten zufriedenen Demokraten, das sind jene, die nicht allein mit der Theorie und Struktur, sondern genauso mit der Praxis der Demokratie zufrieden sind - immerhin mehr als 47 Prozent. Er ist damit so hoch wie noch nie seit Beginn dieser Erhe
bungen 2001. Man muss dabei bedenken, die Befragungen haben im September 2004, am Ende eines vollen Wahljahres, stattgefunden und in einem Zeitraum, in dem gerade in den jungen Ländern erbittert über Hartz IV - auch hier in Thüringen - und Arbeitslosengeld II diskutiert wurde. Entgegen dem verbreiteten Eindruck scheint damit klar zu sein, die Sozialreformen sind gewiss nicht populär, aber sie werden offenbar eher als Schritt zur Überwindung von Reformblockaden wahrgenommen - auch das ist wichtig, dass Handlungsfähigkeit die Bürgerinnen und Bürger wollen -, Reformen, die im Einzelnen strittig sind, aber nicht auf die Einsicht in den vorhandenen Veränderungsbedarf insgesamt durchschlägt. Das finde ich schon beachtlich, dass hier Bürgerinnen und Bürger klar differenzieren können. Ich darf aus dem Bericht zitieren: "Seit Beginn der Erhebungen hat es in keinem Jahr eine derart positive Entwicklung gegeben. Diese verdient umso mehr Beachtung, als sie in eine Zeit verstärkter Ungewissheit und eines in seinen Dimensionen womöglich bislang unbekannten Umbaus des Sozialstaats fällt." Das ist wirklich beachtlich. Offenbar finden die Sozialreformen, wie die Autoren der Studie deutlich machen, eben nicht automatisch zur Erosion der Systemunterstützung. Mutige Politik mit klaren Vorgaben - können wir daraus ableiten -, die sagt, was Sache ist und den Leuten nicht nach dem Munde redet, stabilisiert das demokratische System offenbar eher als das allen Wohl und niemandem Weh, was lange genug ja auch politische Szenarien beherrscht hat.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, politische Führung heißt, das Fähnchen nicht nach dem Wind zu drehen und auf die gerade aktuelle Mehrheitsmeinung zu schielen, denn wenn das so wäre, sähe Deutschland heute anders aus. Dann wäre etwa die soziale Marktwirtschaft nie eingeführt worden, die am Anfang hoch umstritten war, es hätte keine Westbindung und damit keine Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit gegeben. Und es gäbe keine Sozialstaatsreform im Bund und kein Zukunftsprogramm für Thüringen, wie wir es uns für die nächsten Jahre vorgenommen haben. Wir bekennen uns dazu, dass wir politische Mandate kraftvoll nutzen und vor politischer Führung auch dann nicht zurückschrecken, wenn uns einmal der Wind ins Gesicht weht und da haben wir ja im Moment jeden Tag Beispiele, das ist auch gar kein Wunder. Der Thüringen-Monitor bestärkt uns darin ausdrücklich.
Außerordentlich erfreulich ist auch, dass unsere Gesellschaft 15 Jahre nach der friedlichen Revolution als leistungsbezogen und leistungsgerecht wahr
Drei Viertel der Befragten meinen, dass derjenige es zu etwas bringen kann, der sich wirklich anstrengt. Entsprechend werden Leistungseliten und die damit einhergehenden Unterschiede im Sozialprestige und Einkommen durchaus auch akzeptiert. Zu Recht als bemerkenswert werden Veränderungen zwischen den Prioritäten - und auch darauf haben meine Vorredner Bezug genommen Freiheit und Gleichheit bewertet. Vor die Alternative Freiheit oder Gleichheit gestellt, entscheiden sich sechs von zehn Thüringern für die Freiheit. Ich denke, das ist ein entscheidender Befund für die Verankerung von Demokratie. Wer im Zweifel für die Freiheit votiert, auch gegenüber der Sicherheit, bei dem hat die Demokratie fast immer eine feste Bank. Insbesondere bei der heranwachsenden Generation wächst die Bereitschaft, Chancen und Risiken der Freiheit auf sich zu nehmen. Die Habenseite lässt sich mit den Worten der Verfasser des Monitors zusammenfassen: "Die Demokratie verfügt über" - so wörtlich - "ein festes Wurzelwerk" in Thüringen. Das nehmen wir mit Erleichterung auf. Nur gehören natürlich Haben und Soll meistens zusammen. Auch dazu möchte ich etwas sagen und die defizitäre Seite natürlich nicht verschweigen. Lassen Sie mich dazu zunächst als Folie den Idealzustand beschreiben, wie er sich nicht nur den Verfassern der Studie darstellt. Ein wesentlicher Punkt ist dabei, in welchem Verhältnis die Begriffe "Freiheit", "Gleichheit" und "Sicherheit" stehen und wie sie verstanden werden. Eine robuste, nahezu unverwüstliche Konstitution hat die Demokratie dann, wenn Bürgerinnen und Bürger Freiheit als Selbstverantwortung, Gleichheit als Chancengleichheit und Sicherheit als Planbarkeit verstehen und der Freiheit der Vorrang vor Gleichheit und Sicherheit gebührt. Schließlich wird die Systemzufriedenheit davon beeinflusst, ob die Gesellschaft als gerecht empfunden wird und man sich selbst als gerecht behandelt fühlt. Diese Latte liegt natürlich ziemlich hoch, denn wirklich gerecht - und auch das war ja eine Fragestellung in dem Monitor - ist nach Meinung der Leute letztlich nur der Verstand verteilt. Niemand glaubt, davon zu wenig zu haben, das nur nebenbei.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, soweit ich die Studie bisher zur Kenntnis nehmen konnte, sind wir also noch nicht ganz so weit, wie man sich das wünschen würde. Denn eine knappe relative Mehrheit von 41 Prozent versteht Freiheit in erster Linie als Freiheit von sozialer Not und lediglich für 36 Prozent heißt Freiheit vor allem Selbstverantwortung. Zwei Drittel der Thüringer geben der Sicherheit, mehrheitlich verstanden als Planbarkeit, den Vorrang vor der Freiheit - so die Erhebung. In der
Zusammenfassung des Monitors wird daraus geschlussfolgert - so wörtlich -, "dass die Thüringer sich nach wie vor von einer liberalen, vorwiegend auf Eigenverantwortung setzenden Denkungsart aufgrund eines stark ausgeprägten Sekuritätsbedürfnisses fernhalten." Adressat dieses Bedürfnisses ist nach wie vor der Staat, auch das wurde gesagt bei den großen Themen Krankheit, Pflege, Arbeitsplätze, Rentenstabilität, Bildung. Hier sehen die Bürger eindeutig den Staat in der Pflicht. Eigenverantwortung scheint sich auf weniger zentrale Punkte zu konzentrieren. Selbstverständlich wird sich der Sozialstaat - und das sage ich ausdrücklich - diesen Aufgaben nicht entziehen können, auch nicht entziehen wollen und niemand hat gesagt, dass der Staat nicht auch verantwortlich sei. Wenn hier eine Missinterpretation von Vollkaskomentalität vorgenommen worden ist, dann ist das schlichtweg falsch.
Es hat niemand gesagt, dass er den Staat aus der Verantwortung gezogen sehen will. Schließlich hat der Sozialstaat auch Verfassungsrang. Aber er soll den Bürgerinnen und Bürgern zur Seite stehen, wenn tatsächlich Hilfe geboten ist, wenn tatsächlich Bedürftigkeit für die Schwachen gegeben ist. So müssen wir den Staat reformieren, ändern, damit diese Leistung wieder erbracht werden kann, gerade um derentwillen Leistung gegeben werden muss. Hier muss man deutlich sagen, das setzt einen Zusammenhang von Subsidiarität und Solidarität voraus ein Verständnis, was noch nicht so ausgeprägt ist, wie es notwendig wäre, damit wir leistungsfähig bleiben zur Hilfe, zur Selbsthilfe für die Schwachen. Die Haltung, zunächst auf die eigenen Möglichkeiten zu schauen und erst dann, wenn ich das getan habe, wenn ich das auch ausgeschöpft habe, nach Beistand zu rufen, wo diese Möglichkeiten tatsächlich erschöpft sind, das ist noch nicht so entwickelt, wie es entwickelt sein könnte.
Besorgnis erregend ist schließlich das geringe Ausmaß, in dem unsere Gesellschaft als gerecht wahrgenommen wird. Das ist in gewisser Weise nachvollziehbar bei jenen, die glauben, weniger zu bekommen als ihnen zusteht. Doch auch von jenen, die meinen, einen gerechten Anteil vom Kuchen abzubekommen und sich wohl situiert wähnen, halten rund zwei Drittel unsere Gesellschaft für ungerecht. Ich meine, das ist politisch bedeutsam, denn wie die Studie klar ergibt, fällt das Urteil über den demokratischen Staat desto günstiger aus, je positiver die Gerechtigkeitswahrnehmung ist. Der Anteil von Nichtdemokraten oder gar Antidemokraten, die sich auch eine Diktatur vorstellen können, liegt unter denen, die bezüglich der eigenen Behandlung wie der Gesellschaft insgesamt, die Ungerechtigkeit verspüren, drei- bis vierfach höher als die vorhin
skizzierte Idealgruppe. Es wird aufschlussreich sein, wie sich bei einer eingehenderen Lektüre des Monitors bei dieser Frage weitere Erkenntnisse ergeben werden. Wenn wir fragen, woher eigentlich die Ungerechtigkeitsempfindungen kommen - soweit ich sie bisher sehen konnte, interessanterweise nicht in erster Linie aus der Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen und sozialen Situation. Maßgeblich sind nach einer ersten Durchsicht vor allem drei Faktoren: eher die allgemeine als die persönliche wirtschaftliche Lage; das Gefühl, gegenüber dem Westen noch immer benachteiligt zu sein und ideologische Nähe zur DDR. Die DDR - auch hier ein wörtliches Zitat - "ist aus dem Bewusstsein und politischen Koordinatensystem ihrer Bewohner keineswegs verschwunden. Vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und in politischen Konfliktsituationen dient die DDR vielfach als Referenzpunkt und Folie.", schreiben die Verfasser. Nach 15 Jahren kann es wahrscheinlich gar nicht anders sein, als dass hier nach wie vor natürlich Nachprägungen stattfinden. Es wäre aber an der Zeit, diese Prägungen doch weiter abzustreifen. Auch da gibt der Monitor Zahlen, dass dies in der Tat in der vergangenen Zeit beschleunigt geschehen ist. Wie die vorgelegten Daten eindrucksvoll zeigen, ist der Weg vom so einmal Rolf Hendrich - "vormundschaftlichen Staat" hin zu einem freien Gemeinwesen weit fortgeschritten, indem der demokratische Verfassungsstaat die pluralistische Gesellschaft, die soziale Marktwirtschaft sich gegenseitig stützen und stärken und dies auch im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger angekommen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sollte uns alles daran gelegen sein, diesen Weg konsequent weiter zu gehen, um zu vollends konsolidierten demokratischen Verhältnissen zu kommen. Aber hier gibt es auch Meinungsunterschiede, wie diese Wege aussehen. Da muss man ganz deutlich sagen, es gibt unterschiedliche Vorstellungen von Gesellschaft, von Politikentwürfen, von Visionen und darüber müssen wir demokratisch streiten, auch das ist eine Aufgabe dieses Hauses. Bürgerinnen und Bürger erwarten auch, dass es verschiedene Politikangebote gibt. Auch mir liegt daran, dass wir das in einer Weise tun, die für Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar und akzeptabel ist. Dann können Menschen in diesem Land natürlich darüber entscheiden.
Ich habe - das will ich hier an dieser Stelle auch einmal einflechten, weil es für mich auch ein Stück dieser demokratischen Streitkultur ist - mir vor einiger Zeit einmal die Mühe gemacht, den Beschluss der 1. Tagung des IX. Parteitags der PDS vom 31. Oktober des vergangenen Jahres zu lesen und bin jetzt angesichts der Ergebnisse des Thüringen-Monitors da
ran erinnert worden, weil mir aufgefallen ist, dass die dort formulierte Programmatik ein Teil dessen ist, was in dem Thüringen-Monitor als Problem beschrieben wird. Freiheit wird in Ihrer Programmatik in klassisch - und Sie stehen auch dazu, Sie haben ja auch selber Aussagen dazu getroffen - marxistischer Weise als die Verfügbarkeit über bestimmte Güter, wie saubere Umwelt, Arbeit, Erwerb, soziale Gerechtigkeit und Sicherheit definiert. Wörtlich: "Die Verfügung über diese Güter entscheidet, ob Menschen frei oder unfrei sind."
Darüber müssen wir streiten, weil Eigenverantwortung, worauf wir Wert legen und was für uns der Schlüssel ist für eine Weiterentwicklung, für Nutzung der Freiheit, der Chancen der Freiheit, in diesem Programm keinen Niederschlag gefunden hat. Im Gegenteil: Kollektive Systeme der sozialen Sicherung sollen ausgebaut werden. Das bedeutet für mich Schwächung, nicht Stärkung von Eigenverantwortung.
Die bestehenden demokratischen Verhältnisse werden durch eine Fülle von Demokratisierungsforderungen und Warnungen vor vermeintlichen Entdemokratisierungstendenzen dem Verdacht ausgesetzt, undemokratisch zu sein. Ich will das hier nicht im Einzelnen durchdeklinieren, aber das sind Punkte zur Auseinandersetzung, die wir auch im ganz konkreten Politikgeschehen hier im Haus immer wieder haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich nun noch einmal zum Rechtsextremismus zurückkommen, wie sich seine Gestalt im Thüringen-Monitor 2004 darstellt und wodurch er motiviert ist. Die Befunde unterscheiden sich ja nicht substanziell von denen, die auch in den zurückliegenden Jahren seit 2001 präsent geworden sind. Mit einem Anteil von 22,8 Prozent werden fast exakt so viele Befragte dem Rechtsextremismus zugeordnet wie im Vorjahr. Aber dennoch fallen zwei Aspekte auf: Nennenswert verändert hat sich nach den erhobenen Daten vor allem die so genannte sozioökonomische Ausländerfeindlichkeit. Den leichten Anstieg erklären die Autoren - meines Erachtens zutreffend mit der verschärften Konkurrenzsituation und knapper werdenden sozialen Ressourcen beim Um- und teilweise Abbau des Sozialstaats. Zum anderen hat sich das Ausmaß rechtsextremer Einstellungen bei Jüngeren und Älteren angeglichen. Dass es bei den Älteren um 10 Prozent gesunken ist, ist erfreulich. Wenn es sich aber bei den Jüngeren, bei den 18bis 24-Jährigen, fast verdoppelt hat und jetzt bei 23 Prozent liegt, ist das Besorgnis erregend und
auch damit müssen wir uns beschäftigen. Wir sollten uns diesen Punkt also genauer ansehen, auch in kommenden Debatten, wo wir immer wieder Gelegenheit dazu haben werden, danach fragen, was in Schule und politischer Bildung, in der Jugendsozialarbeit, in Elternhäusern möglicherweise falsch läuft. Eine spontane Antwort darauf wäre sicherlich leichtfertig, denn man muss sehr gründlich überlegen und analysieren. Aufschlussreich ist für mich, dass die Bewertung des Sozialstaats und der sozialstaatlichen Reformen offensichtlich kaum Erklärungswert für rechtsextreme Einstellungen hat, was ein positives Zeichen ist, abgesehen vom Empfinden, als Ostdeutscher gegenüber Westdeutschen benachteiligt zu sein. Dieser Punkt kommt immer wieder vor. Angesichts der eingangs bereits erwähnten Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg im heißen Hartz-Herbst hätte man etwas anderes erwarten können und es sind ja auch im Vorfeld Vermutungen in anderer Richtung geäußert worden, zumal die Erfolge von NPD und DVU - jedenfalls in dieser Höhe - auf die Proteste gegen das Arbeitslosengeld II ja immer wieder zurückgeführt wurden im Erklären der Wahlergebnisse. Offenbar kann Rechtsextremismus nicht umstandslos zur Folge der sozialen Verhältnisse erklärt werden. Wie auch dieser Monitor abermals belegt, sind es letztlich andere Faktoren, die zu einer rechtsextremen Einstellung führen: die Ablehnung der Demokratie, ein autoritärer Charakter und ein positives DDRBild. Letzteres wird auf den - so wörtlich - "starken Autoritarismus unter den Sympathisanten des DDRSozialismus" zurückgeführt. Zwischen den drei genannten Elementen gibt es große Schnittmengen und es ist deshalb schon konsequent, das Scheitern des staatlich verordneten Antifaschismus auch in diese Kategorien einzuordnen. Die Ausformungen des Rechtsextremismus - also Ausländerfeindlichkeit, Sozialdarwinismus, Nationalismus, Chauvinismus, die Verharmlosung des Nationalsozialismus, Antisemitismus und Sympathien für die Diktatur - müssen uns beunruhigen, denn diese Haltungen stellen einen latenten Resonanzboden für rechtsextremistische Parteien dar. Auch dazu sind die Erhebungen ja durchgeführt worden. Jedenfalls wird man das für einen Teil der Wählerinnen und Wähler sagen können, bei denen sich diese unterschiedlichen Dimensionen zu einem Einstellungssyndrom verbinden und verdichten, denn man wird nicht jedem, der nun einem oder wenigen dieser zehn genutzten Rechtsextremismuspunkte zustimmt, gleich Rechtsextremismus unterstellen können. Auch hier muss man differenzieren. Es scheint mir nötig, dies zu sagen, weil beispielsweise eine Fragestellung, die bis zu 63 Prozent Zustimmung erhalten hat, wenn man zusammenzählt, voll und ganz oder eher zustimmt, durchaus von sehr unterschiedlicher Bedeutung sein kann. Ich will es an einem praktischen Beispiel sagen: Wenn jemand sagt, die Aus
länder kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen, muss man sich damit auseinander setzen, um in aller Differenziertheit deutlich zu machen, welches Umfeld hier steht. Aber man kann nicht von vornherein sagen, das ist ein Rechtsextremist, wenn er ansonsten ein ganz loyaler demokratischer Staatsbürger ist. Hier müssen wir uns kritisch in der Pflicht sehen, aber nicht gleich das Stigma des Rechtsextremismus darüber legen.
Um die Substanz des demokratischen Verfassungsstaats und der ihm zugrunde liegenden Werte mit der Menschenwürde als gedanklichem Ausgangspunkt geht es auch bei ganz anderen Punkten. Hier muss man dies mit ganzer Entschiedenheit auch deutlich machen und sagen, das ist Besorgnis erregend und das ist wirklich mit allen Mitteln und kompromisslos zu bekämpfen und hier auch deutlich gegenzuhalten, wenn z.B. bei wertvollem und unwertem Leben unterschieden wird mit einem für mich wirklich Besorgnis erregenden, völlig inakzeptablem Wert von 31 Prozent.
Oder bei Antisemitismus: Es sind nach allen Erfahrungen des Holocaust und allem, was wirklich in dieser Gesellschaft auch Konsens ist unter den Demokraten, immer noch 13 Prozent; und die Verharmlosung des Nationalsozialismus, hier haben wir einen Wert von 20 Prozent, oder auch, wenn 18 Prozent meinen, im nationalen Interesse unter bestimmten Gründen eine Diktatur befürworten zu müssen. Ich meine, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist alarmierend. Diese Zahlen zeigen genauso wie 11,4 Prozent so genannter Nichtdemokraten und 7,3 Prozent ausgesprochener Antidemokraten, dass auch der Thüringer Landtag sich nicht sicher wähnen kann, bei einer der nächsten Wahlen vielleicht auch zur Bühne für rechtsextreme Abgeordnete zu werden. Es kommt also auf unsere Tatkraft an, es kommt auf unsere Geschlossenheit an, deutlich zu sagen, das wollen wir nicht, wir haben hier keinen Platz für Extremisten dieser Art.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sicher sollten wir uns auch deshalb nicht wähnen, weil rechtsextreme Parteien eine durchaus ernsthafte Größe sind. Auch darauf wurde schon hingewiesen. Am Montag dieser Woche hat das "Freie Wort" seinen Thüringentrend veröffentlicht. In den 8 Prozent für Sonstige stecken eben 4 Prozent Stimmen für NPD, DVU und Republikaner. Ohne Republikaner hatten NPD und DVU bei den Landtagswahlen immerhin zusammen 3,6 Prozent. Wir müssen sie zusammenzählen, zumal diese Einigungsabsprachen erfolgt sind.
Das heißt aber andersherum, das sächsische Ergebnis scheint zurzeit nicht abzufärben, aber der Anteil ist angesichts der Einigung von NPD und DVU auch nicht zu vernachlässigen und der Abstand letztlich zur 5-Prozent-Hürde ist so groß ja nicht. Deshalb sind die demokratischen Parteien aufgefordert, sich offensiv mit Rechtsextremismus wie mit jedem politischen Extremismus auseinander zu setzen. Ich brauche dazu nicht zu wiederholen, was ich eingangs gesagt hatte. Über geeignete Wege wird in diesem Haus ja Gott sei Dank auch ernsthaft gerungen, aber immer wieder gestritten, kontrovers diskutiert. Wenn wir im Grundsatz einig sind, denke ich, ist es auch wichtig, über die Lösungen dazu zu streiten und auch Lösungsangebote verschiedener Art dazu zu haben. Es zeichnet dieses Parlament aus, dass es, wenn es um die fundamentalen Fragen geht, um die Fragen der Wahrung der Menschenwürde, um die Frage der Verteidigung von Grundfesten unserer Gesellschaft und gesellschaftlichen Ordnung und deren Vergewisserung, auch in entscheidenden Situationen die Einigung gegeben hat, wenn ich an den Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge denke, die Gewalttat am Gutenberg-Gymnasium oder auch die Gedenkstunde, wie wir sie gestern hier im Haus erlebt haben.
Ich meine, wir sollten es so weiter halten. Der Monitor 2004 erlaubt uns, ein wenig Luft zu holen, ohne aber leichtfertig damit umzugehen. Er zeigt eben auch die offene Gesellschaft. Sie hat Feinde. 20 Prozent der Bürgerinnen und Bürger stehen dem demokratischen Verfassungsstaat gleichgültig oder sogar ablehnend gegenüber. Sie sind zum Teil Anhänger rechtsextremer Strömungen, aber sie sammeln sich nicht nur dort. Für alle gilt, die Unbelehrbaren müssen wir bekämpfen, die Nachdenklicheren sollten wir mit aller Kraft für die Demokratie gewinnen. Ich denke, das lohnt jede Mühe
und ist eine permanente Aufgabe. Ernst Cramer - ich komme noch einmal darauf zurück - hat uns gestern eindrucksvoll und eindringlich vor Augen geführt, wie eine Demokratie auch verspielt werden kann. Sie ist eben nicht selbstverständlich, sondern eine Gemeinschaftsleistung der Bürgerinnen und Bürger. Demokratie ist, um es mit Romano Guardini zu sagen "die anspruchsvollste und damit gefährdetste aller politischen Ordnungen".
Lassen Sie uns dies nie vergessen und darauf achten, dass wir in unserem politischen Tun und Unterlassen diese Erkenntnis stets vor Augen haben. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Gibt es jetzt weitere Wortmeldungen? Das ist offensichtlich nicht der Fall. Damit möchte ich den Tagesordnungspunkt 1 schließen. Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 13 - wir hatten uns gestern vereinbart und im Ältestenrat besprochen, dass dieser als zweiter Tagesordnungspunkt am heutigen Tag aufgerufen wird:
Bericht der Landesregierung über die Anwendung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes Beratung des Berichts der Landesregierung - Drucksache 4/354 - auf Verlangen der Fraktion der CDU dazu: Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 4/244
Zunächst meine Frage in Richtung CDU-Fraktion: Wünscht aus der Fraktion jemand das Wort zur Begründung? Das ist offensichtlich nicht der Fall. Möchte die Landesregierung zum vorliegenden Bericht gleich Stellung nehmen? Bitte, Herr Minister Dr. Zeh.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, erstmals liegt dem Thüringer Landtag ein Erfahrungsbericht der Landesregierung nach § 13 des Thüringer Gleichstellungsgesetzes über die Anwendung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes vor. Darin geht es im Wesentlichen um Fragen der Personalentwicklung, der Frauenförderung und der tatsächlichen Gleichstellung im öffentlichen Dienst.
Gleichberechtigung für Frauen und Männer ist ein Auftrag, der im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und in der Verfassung des Freistaats Thüringen verankert ist. Dazu heißt es in der Thüringer Verfassung: "Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land, seine Gebietskörperschaften und andere Träger der öffentlichen Verwaltung sind verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zu sichern."
Vor diesem Hintergrund hat der Thüringer Landtag im November 1998 das Thüringer Gleichstellungsgesetz verabschiedet. Der Wirkungsbereich dieses Gesetzes erstreckt sich auf das Personal im gesamten öffentlichen Dienst unseres Freistaats. Nach § 13
des Thüringer Gleichstellungsgesetzes wird der Landtag regelmäßig in jeder Legislaturperiode einen Bericht über die Anwendung dieses Gesetzes vorlegen. Dieser Bericht liegt nun vor, sechs Jahre nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes. Er bietet für den Berichtszeitraum von 1999 bis 2002 erstmals eine statistische Bestandsanalyse zur Beschäftigungssituation in der Thüringer Verwaltung. Damit existiert eine verlässliche Datenbasis, auf deren Grundlage es möglich sein wird, weitere Schritte in der Gleichstellungspolitik in Thüringen anzusteuern. Der Bericht selbst umfasst rund 100 Seiten. Im Anhang ist umfangreiches Zahlen- und Datenmaterial in tabellarischer Form übersichtlich dargestellt. Der Bericht gliedert sich in acht Einzelabschnitte. Nach der kurzen Einleitung wird zunächst die Datengrundlage für den Bericht beschrieben. Diese Datengrundlage wurde aus verschiedenen Quellen erarbeitet. So wurde die Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Erfurt durch die Thüringer Staatskanzlei beauftragt, mit einem genderorientierten Forschungsprojekt zum Thüringer Gleichstellungsgesetz wissenschaftliche Daten zu analysieren, neue weiter gehende Erhebungen anzustellen sowie entsprechende Schlussfolgerungen abzuleiten. In diesem Zusammenhang - gestatten Sie mir das -, möchte ich Frau Prof. Dr. Wobbe, deren Forschungsarbeit in den vorliegenden Bericht eingegangen ist, ganz herzlich danken.