Protocol of the Session on March 7, 2003

Bevor ich Herrn Abgeordneten Gerstenberger noch einmal das Wort gebe, bitte ich wie immer vor der Fragestunde um Ihr Einverständnis, dass wir erst mal diesen Tagesord

nungspunkt zu Ende bringen. Alle nicken. Herr Gerstenberger, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, nicht schummeln! Nicht schummeln, wenn Sie behaupten, Herr Minister Holter hätte sich dafür ausgesprochen, dann meinen Sie sicher, dass am Dienstag Herr Minister Holter sich zu der sächsischen Überlegung eines Sonderwirtschaftsgebiets geäußert hat. Er hat gesagt, dass auch die vom sächsischen Wirtschaftsminister Gillo ausgegebene Losung "Leichter entlassen - schneller einstellen" unterm Strich kaum mehr Arbeitsplätze bringen wird. Wir werden daher in Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern, hat er dann vorgeschlagen, gemeinsam für ein Sonderwirtschaftsgebiet streiten, das auf Innovation und nicht auf Niedriglohn setzt.

(Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, das dürfte wohl ein kleiner Unterschied sein zu dem, was Sie hier gesagt haben.

Das Zweite: Sie können uns ja vieles vorwerfen, auch, dass wir zu Ihren Anträgen nicht immer den nötigen Ernst mitbringen, wenn sie halt so substanzlos sind, dass dieser Ernst fehl am Platze wäre. Aber dass wir keine Vorschläge gemacht hätten in der Vergangenheit, Herr Ministerpräsident, das können Sie uns nicht vorwerfen. Ich führe als Beispiel einen Vorschlag an, der seit nahezu zwei Jahren auf dem Tisch Ihres Hauses liegt und bisher nur Ablehnung erfahren hat: die Auflage revolvierender Fonds, ein Vorschlag übrigens, den sogar die Enquetekommission gemacht hat - konstruktiv von Seiten der Landesregierung bisher null, außer der Aussage "nein". Wir haben mal darüber geredet; getan wurde nichts. Unsere Vorschläge in der Haushaltsdiskussion des Jahres 2000 und in der Haushaltsdiskussion des Jahres 2002 zu arbeitsmarktpolitischen Veränderungen und Vorstellungen wurden abgelehnt. Gut, dass wir darüber geredet haben, Herr Ministerpräsident. Die Konsequenzen, die wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt draußen im realen Leben erfahren, wo die Trägerstrukturen ums Überleben kämpfen und Tausende von Arbeitslosen keine Beschäftigungsmaßnahmen mehr bekommen, sind augenscheinlich, aber von Ihrer Seite keine Vorschläge zu Veränderungen dieser Richtung. Die Ausbildungspleite in Bezug auf betriebliche Ausbildungsplätze - sollte die Diskussion des gestrigen Tages Ihnen entgangen sein, Herr Ministerpräsident - führte dazu, dass zwei Anträge der SPD und der PDS abgelehnt wurden. Gut, dass wir darüber geredet haben; nur, von Ihrer Seite keine Vorschläge und Alternativen. Eine Infrastrukturpauschale, dort könnten wir das Gleiche wiederholen. Dort wurde darüber geredet, die wurde sogar gefordert. Als eigene Handlungsoptionen der Landesregierung eingefordert wurden, war davon plötzlich nicht mehr die Rede. Gut, dass wir darüber geredet haben; haben tun wir sie bis heute nicht. Stattdessen Ihr Antrag - und da kann ich es Ihnen nicht ersparen, ich

erkenne keine Handlungsoptionen aus Ihrem Antrag -, der empfiehlt, den Landkreistag und den Kommunen doch nahe zu bringen, Anregungen aufzugreifen und der auch keinen erkennbaren Handlungsrahmen anbietet in Punkt 5: Thüringen sollte sich als Musterbeispiel für Deregulierung und Bürokratieabbau empfehlen, und das möglichst bundesweit. Gut, dass wir darüber geredet haben, meine Damen und Herren, aber ändern wird sich davon nichts. Stattdessen in Ihrem Antrag, weil Sie es sich offensichtlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht trauen, in die öffentliche Diskussion zu hieven, verklausulierte Formulierungen wie in Punkt 1: "Der Landtag begrüßt die bisherigen Initiativen der Landesregierung zur Deregulierung von Gesetzen und Vorschriften. Arbeitsplatzschaffende Investitionen werden so weiter beschleunigt und erleichtert." Sie meinen wahrscheinlich, meine Damen und Herren, die Vorschläge von Dr. Gillo, seines Zeichens sächsischer Wirtschaftsminister, der vorschlägt, endlich den Kündigungsschutz aufzuheben, weil mit diesen Kündigungsschutzgesetzen keine Chance besteht für fire and hire. Er sagt, mit diesen Gesetzen entsteht no fire und no hire und er will, dass endlich wieder fire and hire, also Manchesterkapitalismus, in Deutschland seinen Einzug hält, und macht dafür seine Vorschläge. Und Sie wollen auch, meine Damen und Herren, dass durch zusätzliche befristete Arbeitsverhältnisse, die auf fünf Jahre ausgedehnt werden, dass die derzeitigen Arbeitsnomaden - das ist kein Begriff, den wir geprägt haben, sondern das ist der Begriff in den Aussagen von Dr. Gillo -, dass die derzeitigen Arbeitsnomaden, die alle zwei Jahre von Betrieb zu Betrieb wandern müssen, jetzt die Chance bekommen, nicht mehr so oft wandern zu gehen, und Sie glauben, dass damit neue Beschäftigung entsteht.

Meine Damen und Herren, wenn das Ihre Vorschläge und Vorstellungen sind, dann lohnt sich darüber nicht zu reden, Herr Ministerpräsident, denn die werden die Situation nicht verändern, die werden das Problem nicht lösen. Da kann man noch so viel einfordern an Debatte, aber die Zeit, um zu handeln, geht uns damit verloren und die haben wir angemahnt und das wäre das Ziel und die Anforderung an Ihre Politik, nicht das Reden und Kaschieren vom Nichtstun, so wie Sie es hier betrieben haben. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Bitte, Herr Abgeordneter Lippmann.

Ich erlaube mir Sie zu korrigieren, es ist keine Wortmeldung, aber da der Herr Ministerpräsident seine Rede mit der Hoffnung geschlossen hat, das Thema möge im Landtag relevant bleiben und weiterbehandelt werden, stelle ich den Antrag, beide Anträge, sowohl den der CDU-Fraktion als auch den der SPD-Fraktion, an den zuständigen

Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik zu überweisen.

(Beifall Abg. Gentzel, SPD)

Dann stelle ich erst mal fest, dass wir die Aussprache beenden können, sowohl zu dem Sofortbericht als auch zu den beiden Anträgen. Ich frage als Erstes auch und vor allen Dingen in dem Fall, weil es ja gewisse Irritationen gegeben hat, die antragstellende Fraktion: Ist das Berichtsersuchen zu Nummer 3 Ihres Antrags - also Drucksache 3/3159 - erfüllt worden oder ich frage einfacher: Erhebt sich gegen die Erfüllung Widerspruch? Es erhebt sich kein Widerspruch. Das Berichtsersuchen ist erfüllt.

Dann kommen wir zur Abstimmung über die Anträge, zunächst über die Nummern 1, 2, 4 und 5 des Antrags in Drucksache 3/3159. Zu diesem Antrag ist Ausschussüberweisung beantragt worden, also, das kann man schon alles zusammen unter diesem Begriff subsumieren. Wer für die Überweisung des noch verbliebenen Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik votieren will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sieht nach Einmütigkeit aus. Gegenstimmen? 2 Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? Also ist der Antrag mit sehr großer Mehrheit bei 2 Gegenstimmen

(Beifall Abg. Gentzel, SPD)

an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik überwiesen worden.

Dann stimmen wir über den SPD-Antrag in Drucksache 3/3162 ab und auch da erst mal über die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik. Wer der Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sieht ebenfalls nach großer Einmütigkeit aus, nach großer, nicht nach absoluter. Ich frage: Gegenstimmen? 2 Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? So ist auch dieser Antrag mit großer Mehrheit an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik überwiesen worden.

(Beifall Abg. Gentzel, SPD)

Ich kann den Tagesordnungspunkt 15 schließen und rufe auf den Tagesordnungspunkt 18

Fragestunde

Zunächst rufe ich die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Nothnagel in Drucksache 3/3104 auf. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Abgeordneter Nothnagel, lassen Sie sich noch einen Moment Zeit, vielleicht bekommen wir dann, wenn alle Leute, die rauswollen, draußen sind, wieder ein bisschen mehr Ruhe ins Auditorium.

Barrierefreier Zugang zu Veranstaltungen im Europäischen Informationszentrum (EIZ)

Am Donnerstag, 23. Januar 2003, führte das Europäische Informationszentrum eine Veranstaltung zum Thema "Bilanz der Europapolitik 2002 - Ausblicke auf das Jahr 2003" durch. Anlässlich der oben genannten Veranstaltung kritisierten eine Vielzahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass das neu errichtete und bei der Thüringer Staatskanzlei angesiedelte Europäische Informationszentrum nicht barrierefrei zugänglich ist. Menschen mit Behinderungen könnten dies auch als Diskriminierung oder Ausgrenzung auffassen. So ist zu bemängeln, dass Besucherinnen und Besucher nur über zwei Stufen im Eingangsbereich das Europäische Informationszentrum erreichen können. Gleichzeitig ist keine Klingel sowie keine Informationstafel für Rollstuhlfahrer sowie Gehbehinderte angebracht.

Ich frage die Landesregierung:

1. Werden im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 durch das Europäische Informationszentrum Thüringen Themen von und für behinderte Menschen aufgegriffen sowie diesbezüglich Veranstaltungen angeboten?

2. Wenn nein, warum nicht? Und wenn ja, welche Themen mit welchen Referenten und wo werden diese durchgeführt?

3. Gibt es Absprachen mit dem Sozial- und Kultusministerium hinsichtlich Veranstaltungen zum Europäischen Jahr der Behinderten 2003?

4. Ist geplant, das Europäische Informationszentrum Thüringen so umzubauen, dass ein barrierefreier Zugang für Bürgerinnen und Bürger ermöglicht wird?

Herr Minister Gnauck, Sie haben das Wort, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Fragen 1 und 2: Im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen bietet das EIZ eine Reihe unterschiedlicher Veranstaltungen für behinderte Menschen an. Das EIZ beteiligt sich u.a. an vier Großveranstaltungen für Behinderte, am 17. Mai 2003 unter meiner Schirmherrschaft am thüringenweiten Spielfest "Spielend durch Europa" im Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena, am 18. Juni 2003 am "Integrativen Sportfest" hier im Erfurter Steigerwaldstadion, am 20. Juni 2003 am "Thüringer Behindertentag 2003" im Messezentrum Erfurt sowie am 27. September 2003 am "Kunst- und Kulturfestival von Menschen mit und ohne Behinderungen" des Diakonischen Werkes auf dem Gelände der ega. Am 16. Mai 2003 findet in der Zeit von 10.00 bis 12.00 Uhr in den Räumen des EIZ eine Diskussionsrunde mit einer Band behinderter Jugendlicher aus Österreich statt. Die Band, die auch am Spielfest am 17. Mai des Jahres teilnimmt, diskutiert mit Jugendlichen über die behinderungsbedingten Besonderheiten ihres Schaffens. Im III. oder IV. Quartal 2003 findet in den Räumen des EIZ ein Informationsnachmittag mit dem Europaabgeordneten Dr. Koch für die Weimarer Förderschule für Sehbehinderte und Blinde statt. Dr. Koch spricht über die Osterweiterung und die Interessenvertretung behinderter Jugendlicher im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments.

Zu Frage 3: Selbstverständlich sind die Veranstaltungen zwischen Sozial- und Kultusministerium abgestimmt. Der aktuelle Veranstaltungskalender ist zudem im Internet veröffentlicht. Er enthält alle bisher gemeldeten Veranstaltungen von Verbänden, Vereinen und Institutionen.

Zu Frage 4: Zum EIZ gibt es bereits seit seiner Eröffnung einen barrierefreien Zugang über die Markgrafengasse sowie eine behindertengerechte Sanitäranlage. Auf den barrierefreien Zugang wird am Haupteingang Regierungsstraße hingewiesen.

Es gibt eine Nachfrage. Bitte schön, Herr Abgeordneter Nothnagel.

Es betrifft die Frage 4. Seit wann wird darauf hingewiesen?

Schon länger, Herr Abgeordneter Nothnagel.

(Beifall Abg. Dittes, PDS)

Wenn Sie mich gefragt hätten, statt diese Mündliche Anfrage zu stellen, hätte ich Ihnen das auch vorher schon gesagt.

Scheinbar haben Sie ausreichend geantwortet, Herr Minister, vielen Dank.

Wir kommen zur nächsten Frage in Drucksache 3/3142, eine Frage der Frau Abgeordneten Becker und Frau Abgeordnete Doht wird sie stellen. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Stand des Rauminformationssystems (RIS) für den Freistaat Thüringen

Der Aufbau eines Rauminformationssystems für den Freistaat Thüringen ist in § 22 des Landesplanungsgesetzes geregelt. Bereits am 20. Dezember 2001 teilte die Staatskanzlei in ihren Informationen und Mitteilungen zur Raumordnung und Landesplanung mit, dass im Ergebnis einer Studie konkrete Empfehlungen für den Aufbau des RIS vorliegen. Die kurzfristige Einrichtung einer Kopfstelle des RIS in der Staatskanzlei wurde angekündigt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Seit wann ist die geplante Kopfstelle in der Staatskanzlei arbeitsfähig?

2. Wie weit ist der Aufbau des RIS vorangekommen und wann wird dieser abgeschlossen sein?

3. Reichen die im Haushalt 2003/2004 bereitgestellten Mittel für Gerätetechnik und Software, den Aufbau des RIS zeitnah abzuschließen?

4. Wie hoch war die Summe der im Haushaltsjahr 2002 verausgabten Mittel zum Aufbau des RIS?

Herr Minister Gnauck, wenn Sie so freundlich wären! Danke schön.

Frau Präsidentin, auf so viel Freundlichkeit kann man nur mit besonderer Freundlichkeit reagieren.