Protocol of the Session on June 14, 2002

Mit unserem Antrag in der Drucksache 3/2487 wollten wir die Landesregierung auffordern, dem Landtag rechtliche Regelungen vorzulegen.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Minister Krapp hat in seiner Rede erkennen lassen...

Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie die Abgeordnete in Ruhe aussprechen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Vor der Abstimmung.)

Herr Minister Krapp...

Einen kleinen Moment bitte, Frau Abgeordnete. Es gibt laut Geschäftsordnung das Recht eines Abgeordneten zum Abstimmverhalten zu sprechen. Dieses Recht werden Sie doch wohl Ihrer Kollegin Stangner einräumen.

(Beifall bei der PDS)

Ich bitte Sie jetzt, Frau Abgeordnete Stangner in Ruhe reden zu lassen.

Herr Minister Krapp hat in seiner Rede erkennen lassen, dass im Ministerium solche Regelungen erarbeitet werden, und Herr Ministerpräsident hat das noch einmal untersetzt. Warum werden diese dem Sinn unseres Antrags entsprechend dem Landtag

(Unruhe bei der CDU)

nicht vorgelegt? Das würde für mich Sinn machen, aber nicht die Überweisung an den Ausschuss, deshalb habe ich abgelehnt. Was hier versucht wird, ist Verschleppung, das kann ich nicht mittragen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Damit kann ich den Tagesordnungspunkt 10 abschließen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf

Information der Eltern volljähriger Schüler über schulische Angelegenheiten Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/2491

Ich rufe als ersten Redner Herrn Abgeordneten Döring ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wenn wir Schule wirklich erfolgreich gestalten wollen, brauchen wir eine gleichberechtigte Erziehungs- und Bildungspartnerschaft, die Elternhaus und Schule zusammenführt. Die Schule ist in ihrer Möglichkeit abhängig von der Erziehungsarbeit der Eltern und umgekehrt hängen die Eltern stark von der erzieherischen und pädagogischen Arbeit der Schule ab. Der Vorsitzende des Verbandes für Schulpsychologie Dr. Bernd Jütte hat es auf den Punkt gebracht: "Das Gelingen der Erziehung setzt voraus, dass jeweils der eine seinen Job korrekt macht, damit auch der andere seinen Job korrekt machen kann. Da ist jeder jedermanns Kunde. Wenn Hinweise da sind, dass Heranwachsende durch erzieherisches Fehlverhalten Schaden nehmen, muss aufsuchendes Eingreifen auf beiden Seiten möglich sein."

(Beifall Abg. Gentzel, SPD)

Meine Damen und Herren, natürlich haben wir bei volljährigen Schülern eine andere Rechtslage als bei Minderjährigen, aber dennoch gibt es juristisch einwandfreie Möglichkeiten, Eltern volljähriger Schüler über die schulische Entwicklung ihrer Kinder zu informieren. Herrn Krapp's Argument, es bedürfe in diesem Fall erst bundesrechtlicher

Veränderungen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Wenn der Kultusminister wenigstens ab und zu über den bürokratischen Tellerrand schauen würde, könnte er wahrnehmen, dass in anderen Bundesländern schon längst an entsprechenden rechtlichen Regelungen gearbeitet wird. Ich verweise hier nur auf Bremen, wo eine Kontraktlösung in Vorbereitung ist. Eine ähnliche Problemlösung wie in Bremen favorisiert auch die SPD-Fraktion. Wir haben einen entsprechenden Antrag erarbeitet und damit wieder einmal die Hausaufgaben des Kultusministeriums gemacht. Wir haben das gern getan, denn im Hause Krapp scheint man ja vor lauter sturem Beharren auf untauglichen, von der Realität längst ad acta gelegten Regelungen gar nicht mehr zu sinnvoller Innovation zu kommen.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, kurz unsere Überlegungen erläutern. Nach unseren Vorstellungen wird künftig zwischen volljährigen Schülern, ihren Eltern und den Schulen ein Kontrakt geschlossen. In diesem Kontrakt räumen die Schüler den Schulen das Recht ein, die Eltern über die schulische Entwicklung ihrer volljährigen Kinder zu informieren. Die Kontraktschließung erfolgt auf freiwilliger Basis, aber die Schulen laden zum Termin der Kontraktunterzeichnung die volljährigen Schüler und deren Eltern auf postalischem Wege getrennt ein. Damit ist in rechtlich einwandfreier Weise gewährleistet, dass die Eltern tatsächlich von der beabsichtigten Kontraktschließung erfahren. Durch die Einladung der Eltern wird bereits im Vorfeld der Kontraktschließung ein gewisser innerfamiliärer, insgesamt positiv zu wertender Druck auf die volljährigen Schüler erzeugt, sich der Unterzeichnung nicht zu entziehen. Sollten sich volljährige Schüler trotzdem verweigern, wissen ihre Eltern zumindest, dass die Schulen ein entsprechendes Angebot unterbreitet haben. Über die Ursachen für die ablehnende Haltung der Schüler kann anschließend im familiären Rahmen gesprochen werden.

Meine Damen und Herren, die von mir eben skizzierte Regelung ist ohne weiteres umsetzbar. Wir loten damit lediglich den vorhandenen rechtlichen Rahmen aus. Ich denke, so muss eine an realistischen Problemen orientierte Bildungspolitik aussehen. Herr Krapp, deswegen seien Sie kreativ. Es genügt für einen Minister nicht, sich immer hinter bürokratischen Hindernissen wegzuducken, er muss sein Amt vor allem gestaltend ausüben. Das haben Sie jahrelang versäumt. Herr Minister, tun Sie es diesmal im Sinne der Schüler, Lehrer und Eltern. Ich kann Sie dazu nur auffordern. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter Emde, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, erstens möchte ich sagen, dieses Thema muss natürlich beredet werden und gegebenenfalls in eine Schulgesetznovelle oder in andere gesetzliche Regelungen einfließen.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

Aber ich möchte dazu auch sagen, in 99,9 Prozent der Fälle klappt die Zusammenarbeit zwischen Schule, Elternhaus und Schülern hervorragend.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

Deswegen, denke ich, ist es kein Thema, das so heiß gekocht werden sollte.

Ich halte zweitens den Weg der freiwilligen Vereinbarung, wie es Herr Döring vorgeschlagen hat - ich glaube, ähnlich macht man das in Bremen -, für gangbar. Es ist aber denkbar, dass man den Weg geht, wie man es z.B. in BadenWürttemberg sagt, dass sich die volljährigen Schüler ausdrücklich erklären müssen, ob sie eine solche Information haben wollen oder nicht. Die Eltern könnte man darüber ja auch informieren.

Meine persönliche Meinung ist, dass Schüler mit 18 Jahren durchaus noch von ihren Eltern betreut werden sollten, dass Eltern hier noch Rechte haben

(Beifall bei der CDU; Abg. Gentzel, SPD)

und dass Eltern auch das Interesse an der Entwicklung ihres Kindes haben. Ich denke, Schüler sind mit 18 Jahren nicht einfach per Gesetz fertige Menschen, schließlich muss man ja auch einmal sehen, das Kinder- und Jugendhilfegesetz schreibt Hilfen bis zu einem Alter von 27 Jahren vor. Das ist auch ein gewisser Widerspruch. Ob man in Thüringen auf die KMK warten muss, das halte ich nicht unbedingt für nötig und ein ähnliches Selbstbewusstsein, wie es die Bayern haben, das steht uns auch gut an.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

Auf den konkreten Lösungsvorschlag, noch einmal untersetzt, freue ich mich und beantrage deswegen die Überweisung an den Ausschuss für Bildung und Medien, um es dort zu bereden, und auch an den Justizausschuss.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

Als nächste Abgeordnete bitte ich Frau Sojka an das Rednerpult. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

(Beifall Abg. Nitzpon, PDS)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete, jetzt kann ich es ja gestehen, ich habe nie gewusst, ob ich Eltern informieren darf oder nicht. Ich habe es einfach getan.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Oh, Inti- mitäten!)

Ich ging auch davon aus, dass die Lehrer meiner Söhne das machen. Natürlich ist das eine Frage der Form und des pädagogischen Geschicks. Ich habe beispielsweise einem Schüler meiner 5. Klasse, der wegen einer Drei in Mathe bitterlich weinte, sich nicht nach Hause traute, dadurch geholfen, dass ich in seinem Beisein den Vater anrief und ihn bat, seinen Sohn abzuholen. So hatte ich die Chance, mit beiden gleichzeitig zu reden und die Reaktion des Vaters auch zu beeinflussen. Genau das ist auch manchmal bei älteren Schülern nötig. Wenn man das Vertrauen als Klassenlehrer hat, bitten sie sogar manchmal darum. Sicher werden nicht alle Volljährigen begeistert sein, dass ihre Eltern trotz ihrer eigentlichen Volljährigkeit und damit der Eigenverantwortung für ihre Person noch immer über ihre schulischen Belange informiert werden. Aber es gilt, den jungen Leuten eine Brücke zu schlagen, die sie vielleicht gerade in schwierigen Zeiten nicht selbst bauen können. Im Interesse der Jugendlichen, im Interesse einer guten Zusammenarbeit zwischen Schule, Elternhaus und Schülern bis zum Ende der Schulzeit müssen Schulen die rechtlichen Möglichkeiten bekommen, die Eltern volljähriger Schüler über deren Leistungsstand und schulische Angelegenheiten in Kenntnis zu setzen. Damit entstehen auch andere Beratungsmöglichkeiten und natürlich auch Pflichten für Lehrerinnen und Lehrer. Sie sind als Pädagogen eben auch gerade dazu ausgebildet und verfügen über pädagogisches und psychologisches Geschick.

Im Beschluss zur Regierungserklärung "Der 26. April und die Konsequenzen" lautete der letzte Abschnitt von Punkt 6: "Eltern bereits volljähriger Kinder müssen ein Recht auf Information über die schulischen Belange erhalten. Wir unterstützen das Bemühen der Thüringer Landesregierung, die rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen." Alle drei Fraktionen haben also schon einmal zugestimmt, dass die Notwendigkeit einer Information der Eltern besteht. Aus der Presse war nun zu entnehmen, dass die Landesregierung geprüft hat, aber unser Kultusminister keine juristischen Möglichkeiten sieht, eine Zwangsinformation einzuführen. Deswegen wird nicht gehandelt, sondern erst einmal abgewartet, was der Bund tut, um das offensichtliche Problem zu lösen. Warum muss es denn eine Zwangsinformation sein? Im vorliegenden Antrag wird die Forderung nach freiwilligen Vereinbarungen aufgemacht, die den vergleichbaren Regelungen anderer Bundesländer entspricht. Auch wir halten Freiwilligkeit für die bessere Lösung. Grundgesetzliche Änderungen wären nicht notwendig und eine bessere Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule könnte sich praktisch sofort verwirk

lichen lassen.

Vielleicht kommt auch Thüringen zu einer Lösung, wenn z.B. alle Fragen geklärt werden, ob überhaupt eine Verletzung des Schutzes der Persönlichkeit und der Privatsphäre volljähriger Schüler in Betracht kommt. Wenn es um die Sicherung und Förderung der personalen und sozialen Entwicklung der Schüler im ureigensten Sinne geht. Individualität zu entwickeln und zu wahren, wurde stets als hohes Gut vom Bundesverfassungsgericht gewährleistet. Aber es gibt auch Urteile höchstrichterlicher Rechtsprechung, die von einer Informationspflicht unterhaltsberechtigter Volljähriger über die Tatsachen des Abbruchs einer Ausbildung gegenüber den unterhaltsverpflichteten Eltern ausgehen.

Im Freistaat Bayern übrigens hat man das hier behandelte Problem gelöst, ebenso in Baden-Württemberg. In Bremen ist es in Arbeit. Es gibt also Wege, die man öffnen sollte, man muss es nur wollen. Gerade in diesem Punkt ist die Ideenlosigkeit und das geringe Engagement der Landesregierung ärgerlich. Aber Schulämter und Direktoren scheinen meiner Kenntnis nach weniger ängstlich zu sein.

Ich darf den Kultusminister zitieren, als es um das Ineinanderführen von vorschulischer und schulischer Ausbildung im Rahmen der Debatte zur letzten Enquetekommission ging: "Zu dieser Kultur der Anstrengung gehört auch, dass wir Politiker Zuständigkeitshürden im Interesse konsistenter Bildungsbiografien unserer Kinder unbürokratisch überwinden."

(Zwischenruf Dr. Krapp, Kultusminister: Zu- ständigkeitshürden sind keine Gesetzeshürden!)

Im Interesse unserer volljährigen Kinder sollten auch jetzt Zuständigkeitshürden und Bürokratie mit ein wenig Kreativität überwunden werden können. So werden Pädagogen ihrer Profession entsprechend tatsächlich Berater und Moderatoren und somit zur Stärkung der Erziehungskompetenz von Eltern auch beitragen können. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Herr Minister Krapp, bitte schön.