brachten Kritikpunkte wurden von der polizeilichen Einsatzführung sowie von den Verantwortlichen der Polizeiabteilung im Thüringer Innenministerium eingehend geprüft. Den Betroffenen wurden Gespräche mit Verantwortlichen der Polizeidirektion Jena angeboten und es haben auch tatsächlich viele solche Gespräche stattgefunden. Sofern Möglichkeiten zur Verbesserung von Einsatzabläufen unter Vorabweitergabe von Informationen bestehen, deren Umsetzung nicht die öffentliche Sicherheit bei derartigen Staatsbesuchen gefährden, werden diese bei der Einsatzvorbereitung und -durchführung in Zukunft berücksichtigt.
Meine Damen und Herren, zum Staatsbesuch wurden durch verschiedene Einzelpersonen, Gruppierungen und Vereinigungen Protestdemonstrationen angemeldet. Bei einer dieser Organisationen kann man davon ausgehen, dass sie als Tarnorganisation einer militanten iranischen oppositionellen Gruppe agiert. Die Kundgebungsplätze auf dem Theaterplatz, dem Goetheplatz und dem Unescoplatz sind von den Veranstaltern selbst ausgewählt worden. Sie wurden also nicht abgedrängt. Mit einer weiteren Organisation hat man sich im Kooperationsgespräch auf einen anderen als von der Organisation vorgesehenen Kundgebungsplatz verständigt. Diese Demonstrationen und Kundgebungen konnten ohne Behinderung stattfinden. Sie waren insofern sicherheitsrelevant, als vermutet werden konnte, dass einzelne Teilnehmer versuchen würden, sich in Richtung Stadtzentrum - sprich in Richtung Sicherheitsbereich - abzusetzen, um dort unangemeldet zu demonstrieren, was einer kleineren Personengruppe tatsächlich auch gelungen ist.
Meine Damen und Herren, die Immunität derjenigen Abgeordneten, die anlässlich des Chatami-Besuchs in Weimar demonstriert haben, wurde gewahrt. Zur Gefahrenabwehr darf die Polizei überall in der Bundesrepublik die Identität von Personen feststellen, auch die von Parlamentsmitgliedern. Im konkreten Fall wurde ein Mitglied dieses Hauses bis zur Klärung seiner Identität festgehalten und anschließend mit einem Platzverweis belegt. Die Immunität des Abgeordneten wurde entgegen dem, was die PDS in ihrem Antrag unterstellt, dadurch keinesfalls verletzt. Der Abgeordnete des Thüringer Landtags, um den es geht, hat bereits selbst erklärt, er habe seinen Abgeordnetenstatus selbstverständlich nicht missbrauchen wollen, um sich einer Personenkontrolle zu entziehen. Ich denke, wir alle müssen als Abgeordnete immer deutlich machen, dass gerade wir Recht und Gesetz in besonderer Weise achten. Und insofern danke ich unserem Kollegen für seine Klarstellung.
Abschließend darf ich Ihnen versichern, meine Damen und Herren, das Thüringer Innenministerium ist und bleibt bemüht, bei Staatsbesuchen alles zu tun, was möglich ist, um einerseits die Sicherheit von Staatsgästen zu wahren und andererseits Einschränkungen für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig den Grundrechten den entsprechenden Raum zu gewähren. Vielen Dank.
Ich gehe davon aus, dass die Fraktionen die Aussprache wünschen. Es wird genickt. Dann eröffne ich die Aussprache und bitte als Ersten Herrn Abgeordneten Mohring ans Rednerpult.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten hier im Plenarsaal und in der Kantine, 33 Jahre ist es her, seitdem ein iranischer Staatspräsident die Bundesrepublik besucht hat; 33 Jahre - letztendlich ein ganzes Leben, wenn man vergleicht und sieht, dass einige Abgeordnete in diesem Haus wesentlich jünger sind als diese Zeitspanne. 33 Jahre Auseinandersetzung und Sprachlosigkeit zugleich. Auch Deutschland wurde durch diese Zeit geprägt. Der letzte Schahbesuch 1967 in Berlin war von Massenprotesten der Studenten begleitet, in deren Verlauf Benno Ohnesorg erschossen wurde. Was danach folgte, große Koalition und Notstandsgesetze, ist hinreichend bekannt. Nach einer Revolution 1979 im Iran, dem langen Krieg zwischen dem Iran und dem Irak von 1980 - 1988, dem Anschlag auf Mykonos in Berlin und zuletzt das zunächst ausgesprochene Todesurteil gegen Helmut Hofer bis hin zur Politik des kritischen Dialogs von Klaus Kinkel - einem Versuch des Neuanfangs - folgte nun der Besuch von Mohammed Chatami in Deutschland auf Einladung der rotgrünen Bundesregierung. Auch dieser Besuch des iranischen Staatspräsidenten hat Teile der deutschen Gesellschaft gespalten. Aber es ist nicht mehr als das bloße Für und Wider, den Gast wieder auszuladen, wie die von Abgeordneten Hahnemann angesprochene Resolution einiger Parlamentarier letztendlich im Ziel meinte. Hier stehen sich doch plötzlich vielmehr völlig unterschiedliche Kulturen, völlig unterschiedliche Gesellschaftssysteme und letztendlich das Morgen- und das Abendland gegenüber. Einst waren Deutschland und das vormals westlich orientierte Iran wirtschaftlich und kulturell eng verflochtene Staaten. Natürlich umtreiben jeden Einzelnen, besonders politisch denkende Menschen, viele Gedanken bei einem solchen Besuch. Es ist das gute Recht, besonders der Jugend, anlässlich eines solchen Besuchs, auf Ungerechtigkeiten und Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen. Aber auch hier ist es viel mehr als der bloße Protest. Bei seinem Besuch ging es für Chatami um viel mehr. 1997 mit 77 Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt, sagte Chatami nun zu seinem Besuch in Deutschland, es gäbe keinen anderen Weg als Freiheit und Menschenrechte und rechtsstaatliche Institutionen, die die Demokratie begründen, auszubauen und zu festigen. Er wird im Iran getragen von einer alle Schichten durchdringenden Bewegung, die mehr Liberalität von der geistlichen Machtelite einfordert, ohne den Gottesstaat in seiner Grundsätzlichkeit in Frage zu stellen. Die drei wichtigsten Wahlen der letzten drei Jahre haben die Anhänger Chatamis im Iran gewonnen. Doch sind dem Präsidenten letztendlich die Hände gebunden, die Kontrolle über Armee, Geheimdienst, Justiz, Medien und Wirtschaft liegt noch immer in den Händen der Islamisten um ihren
Religionsführer Chomaini. Im Iran, wo zwei Drittel der Bevölkerung jünger als 25 Jahre sind, dringt vor allem diese Altersgruppe auf Veränderung. Auch dies muss man letztendlich bei der Bewertung der Proteste hier in Deutschland wissen. Ist "Thüringen tolerant" nicht weit mehr, als sich in Unterschriftenlisten aktuell einzutragen? Soll "Thüringen tolerant" nicht gerade auch die Offenheit gegenüber den anderen Kulturen, anderen Lebensweisen und anderen Ansichten demonstrieren? Der Iran ist ein islamischer Gottesstaat. Mit einem Besuch des iranischen Staatspräsidenten in Deutschland prallen unweigerlich zwei Systeme aufeinander und dennoch, Chatami braucht Erfolge außenpolitischer, auch symbolischer Art. Dem Iran und auch uns in Deutschland ist ein Scheitern dieses Präsidenten nicht zu wünschen. Der außenpolitische Erfolg ist die Grundlage für die Schwächung seiner innenpolitischen Gegner und dafür, seinen Anhängern im Iran selbst Mut zu machen.
Der Staatsbesuch des iranischen Staatspräsidenten hat höchste Sicherheitsvorkehrungen ausgelöst. Die Bundesregierung ging davon aus, dass sich gewaltbereite Volksmudschahedin auf den Weg nach Deutschland machten. Das Auswärtige Amt mit seinem grünen Außenminister legte dem Berliner Innensenator nahe, Kundgebungen während des Staatsbesuchs im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu unterbinden. Der SPD-Oberbürgermeister von Dortmund verfügte gegenüber den in Dortmund lebenden Iranern das Verbot der Teilnahme an Demonstrationen und die Auflage, sich täglich bei der Polizei zu melden; egal, ob der Empfänger dieser Verfügung nun kraftstrotzend, jung und dynamisch oder eine ältere bebrillte Dame war, die möglicherweise vor Aufregung zittert.
Vom Bundeskriminalamt wurde, wie bei Staatsbesuchen von Staatspräsidenten üblich, wie z.B. aus den USA, Israel oder der Türkei, die Sicherheitsstufe 1 festgelegt. Was in Berlin selbstverständlich war, Chatami wurde dort übrigens zu all seinen Besuchsorten mit dem Hubschrauber transportiert, war in Weimar zum Teil von heftiger Kritik begleitet. Weimar bewegte die letzte und jüngste deutsche Geschichte, aber gerade auch deshalb ist Weimar so symbolträchtig. In Berlin war die komplette Mitte der Stadt total abgeriegelt. Selbst der Wochenmarkt vor dem Rathaus musste umziehen, der Verkehr in der Innenstadt der Hauptstadt brach völlig zusammen. Doch wer hat denn ernsthaft hier in Thüringen erwarten können, dass sich diese Sicherheitsvorkehrungen in Weimar, in dieser im Vergleich zu Berlin doch so kleinen Stadt, weniger gravierend auswirken? Wer hat denn ernsthaft erwartet, dass in Weimar weniger die Gefahr eines Anschlags in der Luft lag? Was bleibt denn letztendlich? Was bleibt, ist die Abwägungssache, weniger juristisch als vielmehr gesellschaftspolitisch. Letztendlich bleibt die Frage, was denn höher steht - das 1989 erkämpfte Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit oder der Schutz des gefährdeten Staatsgastes; die Unterstützung des Westens für den Reformer aus dem Iran oder die Kritik am System im Iran. Wer maßt sich denn eigentlich an, dies letztendlich so genau abwägen zu wollen? Können wir unser Demokra
tieverständnis hier in Europa einfach so auf den Gottesstaat im Iran exportieren? Hätten nicht auch die, die nun die Sicherheitsvorkehrungen in Weimar kritisiert haben, noch lauter geschrien, wenn Chatami etwas in Weimar durch einen Anschlag zugestoßen wäre? Deshalb will ich nicht nur dem Innenminister für seinen Sofortbericht danken, sondern auch ihm, der gesamten Thüringer Polizei und auch den befreundeten Polizisten, die in Thüringen anwesend waren, Dank dafür sagen, dass Chatami in Weimar nichts passiert ist.
Seien wir doch letztlich froh, dass ausländische Staatsgäste Weimar besuchen wollen. So viel internationale Aufmerksamkeit genießt keine andere so kleine Stadt in dieser Welt. Deshalb bleibt letztendlich für mich diese Botschaft, die auch mit Weimar in Verbindung steht: Heißen wir lieber die Gäste in den neuen Ländern willkommen, heißen wir sie in Thüringen willkommen und heißen wir sie auch besonders in Weimar willkommen! Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Besuch des iranischen Staatspräsidenten Chatami in der BRD und speziell in Weimar hat selbstverständlich auch zwei Seiten. Als Chomaini 1979 die Macht im Iran übernahm, war das mehr als ein bloßer Regierungswechsel. Die damaligen Machthaber predigten und praktizierten null Toleranz gegen anders Denkende und auch eine Abkehr von westlichen Grundsätzen. Der seit drei Jahren amtierende Präsident versucht nun, den Dialog mit dem Westen wieder in Gang zu bringen. Bundespräsident Rau sprach deshalb von einem hilfreichen und nützlichen Besuch und hofft, dass dieser Besuch unsere Völker näher bringt. Das ist die eine Seite. Den Ablauf dieses Besuchs in Weimar muss man natürlich auch vor dem Hintergrund des massiven Polizeieinsatzes in einigen oder in bestimmten punktuellen Fällen kritisch hinterfragen. Weimar glich am 12. Juli 2000 einer Festung und die gesamte Innenstadt war lahm gelegt. Der Einsatz der Mittel war im Wesentlichen unverhältnismäßig. Das haben Bürger und Gäste sehr deutlich zu spüren bekommen. Zugegeben, es gab die höchste Sicherheitsstufe und damit auch entsprechend den Bedarf. Die totale Absperrung der Stadt, Herr Innenminister, davon spreche ich, war überzogen. Hier bin ich mir auch mit dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn Althaus, einig, dass nicht Kritik von einem Staatsmann ferngehalten werden muss, die Äußerung in der TLZ vom 14. Juli 2000. Warum muss man einem Staatsgast jeden Protest vorenthalten? Weimars Bevölkerung wurde quasi vom Staatsbesuch ausgeschlossen und an
den Rand der Stadt gedrängt. Man hat hier, und da bin ich, Herr Innenminister, auch mit Ihnen einig, in bestimmten Punkten die notwendige Sensibilität vermissen lassen und es wäre notwendig gewesen, bereits im Vorfeld des Staatsbesuchs die Weimarer Bevölkerung auf die geplanten Maßnahmen besser vorzubereiten. Sie sprachen von Kindergärten, Handelseinrichtungen, das ist ein Punkt. Andererseits hätte man bei den polizeitaktischen Vorbereitungen berücksichtigen sollen,
dass man zwischen Bereichen, die besonders zu schützen sind, und Bereichen, bei denen man großzügiger umgehen kann, unterscheiden muss, aber immer wieder vor dem Hintergrund, oberste Priorität hat der Schutz des Staatsgastes. Da darf auch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht nicht in erheblichem Maße eingeschränkt werden. Weimar wird wieder hohe und höchste Würdenträger empfangen, bloß müssen die Verantwortlichen die notwendigen Lehren ziehen, damit das Image Weimars als weltoffene Stadt keinen Schaden erleidet. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, am 25. Januar 1995 erklärte der damalige Innenminister: "Wichtiger erscheinen der Landesregierung sachangemessene und sensible Einsätze der Polizei in Zukunft; die Thüringer Polizei wird aus den Abläufen im Zusammenhang mit dem angesprochenen Staatsbesuch lernen." Grund für diese nachdenklichen Worte, meine Damen und Herren, die schon etwas anders klingen als der Bericht des Thüringer Innenministers des Jahres 2000, war der Polizeieinsatz anlässlich des Besuchs des chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng am 7. Juli 1994 in Weimar. Der Veranstaltung hing damals eine Debatte nach, die vermutlich niemand hier in Thüringen vergessen wird. Nachdem der maßlose Polizeieinsatz durch die im Juli 1994 verantwortlich zeichnende Landesregierung gerechtfertigt wurde, bestätigte das Verwaltungsgericht Weimar die bürgerrechtliche Kritik, dass durch Polizeimaßnahmen das Grundrecht auf Demonstration und Versammlungsfreiheit verletzt wurde. Richard Dewes versprach damals: "Das Urteil des Verwaltungsgerichts scheint geeignet, die Polizei bei Großeinsätzen im Hinblick auf die auch bei solchen Einsätzen zu beachtenden Grundrechte zu sensibilisieren." Trotzdem, meine Damen und Herren, deswe
gen haben wir diesen Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung gesetzt, wurde fünf Jahr später Weimar erneut Schauplatz eines Staatsbesuchs, für den jeder Preis zu zahlen im politisch verantwortlichen Recht erschien. Dass der öffentliche Aufschrei im Nachgang verhältnismäßig geringer war als 1994, macht die Eingriffe in Grundrechte nicht harmloser.
Meine Damen und Herren, die Grundrechtseinschränkungen am 12. Juli 2000 haben nicht in erster Linie die Polizeibeamtinnen und -beamten vor Ort zu verantworten, sondern Lagezentrum und die politisch Verantwortlichen. Der Besuch des iranischen Staatspräsidenten Chatami war, wie mein Kollege Roland Hahnemann bereits ausgeführt hatte, im Vorfeld stark umstritten. Die PDS-Fraktion hat die Stadt Weimar aufgefordert, den Staatsgast auszuladen. In Berlin kam es zu vielfachen Protesten; in Weimar riefen Menschenrechtsorganisationen wie The Voice, verschiedene iranische Exilorganisationen, die Gesellschaft für bedrohte Völker und die Junge Union Thüringen zu Protesten auf. Nicht etwa, Herr Mohring, weil andere Kulturen oder andere politische Systeme nicht akzeptiert werden, sondern weil Menschenrechtsverletzungen, ganz gleich aus welcher Kultur, ganz gleich aus welchem politischen System sie entspringen, keine Akzeptanz finden dürfen. Am 12. Juni 2000 fuhren keine quietschenden Polizeifahrzeuge in die Reihen der Demonstranten hinein, nein, das Demonstrationsrecht wurde still und leise bereits im Vorfeld ausgehebelt. Die Protestierenden - und ich rede von denen, Herr Köckert, die beabsichtigten, auf friedliche Art und Weise ihren Protest zu artikulieren - hatten keine Chance, von Chatami, gegen dessen politische Linie sie demonstrierten, wahrgenommen zu werden. Sie hatten auch keine Chance eine mediale Öffentlichkeit mit ihren Inhalten für sich zu gewinnen. Dies aber genau, meine Damen und Herren, ist der schützenswerte Bereich des Demonstrationsrechts. Die eingeleiteten Maßnahmen veranlassten bereits im Vorfeld Weimarer Lokalpolitiker, wie z.B. den CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus-Peter Ruhland, zu der Äußerung, dass Demonstranten weggeschlossen werden. Er kritisierte, dass die Sicherheitsvorkehrungen das Demonstrationsrecht derart einschränken und fühlte sich an DDR-Zeiten erinnert. Die Hoffnung, die der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Panse noch am 11. Juli 2000 in der Südthüringer Zeitung äußerte, dass friedliche Demonstranten nicht massiv abgedrängt werden, zerschlug sich einen Tag später. Während ein Ministeriumssprecher und auch der Thüringer Innenminister in seinem Bericht verlautbaren lässt, der Staatsbesuch sei reibungslos über die Bühne gegangen und der Spagat zwischen der Einhaltung von Grundrechten und den Sicherheitsvorschriften wäre gelungen, titelte die Thüringische Landeszeitung am 13. Juli 2000: "Weimarer Polizeieinsatz blamiert den Freistaat".
Der Ausländerbeauftragte der Landesregierung fragte sich, wie er angesichts derartiger Veränderungen demokratischer Meinungsäußerungen den Ausländern in Thüringen das rechtsstaatliche System der Bundesrepublik emotional nahe bringen soll. Und auch Ministerpräsident Dr. Vogel
und auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Althaus fanden die totale Absperrung zumindest bedauerlich. Bedauern, meine Damen und Herren, ist angesichts der Vorkommnisse am 12. Juli 2000 in Weimar aber nicht die adäquate Antwort eines Parlaments. Insgesamt 108 Personen wurden in Gewahrsam genommen, protestierende Landtags- und Bundestagsabgeordnete wurden ungeachtet ihrer Rechte und Pflichten, Herr Köckert, mit Platzverweisen oder Unterbindungsmaßnahmen belegt. Es geht hier eben nicht um den Missbrauch eines Status, es geht nicht um Sonderrechte für Abgeordnete, sondern es geht darum, dass es gerade auch die Aufgabe von Abgeordneten ist - ob von Bundes- oder Landtag -, Kritik zu äußern und es auch in ihrer Verantwortung liegt, solche Dinge, die in Meran gegenwärtig nach wie vor passieren, bei derartigen Staatsbesuchen auch öffentlich anzusprechen.
Weiterhin wurden akkreditierte Journalisten bei der Arbeit behindert oder zu Veranstaltungen, z.B. zu der im Weimarer Schloss, überhaupt erst gar nicht zugelassen. 20 Hundertschaften der Polizei aus verschiedenen Bundesländern ließen keinerlei öffentliche Kritik an den Menschenrechtsverhältnissen zu, demonstrierende Menschenrechtler wurden massiv bedrängt, zeitweise festgehalten und aus der Innenstadt gedrängt. Dass Chatami einen Besuch der Stadt Weimar durchführen konnte, ohne mit den Weimarer Bürgerinnen und Bürgern bzw. Gästen der Stadt Weimar zusammenzutreffen, verdankte er dem polizeilichen Einsatzkonzept, welches das gesellschaftliche Leben an diesem Tag in Weimar zum Erliegen brachte. Menschen kamen nicht zu ihren Arbeitsstellen, zu ihrem Studium oder gar in ihre Wohnung. Öffentliche Einrichtungen, Geschäfte wurden ohne Vorankündigung geschlossen bzw. der Zutritt für jedermann verwehrt. Händler, das wurde angesprochen, richteten daraufhin ihren Protest an die Stadtverwaltung in Weimar, aber auch an die Abgeordneten des Thüringer Landtags.
Meine Damen und Herren, dass insbesondere Menschen mit einem nichtdeutschen Äußeren einem besonderen Repressionsdruck unterlagen, ist durch nichts zu legitimieren. Allein die nach äußeren Merkmalen vermutete Herkunft außerhalb der Bundesrepublik Deutschland machte Menschen an diesem Tage als potenzielle Terroristen verdächtig. Meine Damen und Herren, hier wurde Menschen nach rassistischen Kriterien der Zugang zu Geschäften verwehrt,
zu Cafés versperrt und sie mussten sich einer besonderen intensiven Kontrolle unterziehen. Wie viele Menschen darüber hinaus überhaupt an der Anreise nach Weimar gehindert wurden, ist nach wie vor, auch nach dem Bericht des Innenministers, nicht bekannt.
Meine Damen und Herren, dass in Weimar Eingriffsermächtigungen nahezu grenzenlos ausgedehnt wurden, ist Ergebnis einer Demokratie und bewussten Einsatzplanung, die in ihrem Einsatz und in der vollendeten Umsetzung
einen Skandal darstellt. Zeitungsberichten zufolge sollten durch die Sicherheitskräfte nicht nur gewalttätige Aktionen verhindert oder als Störung bewertet werden, sondern auch friedlicher Protest gegen die Menschenrechtsverletzungen im Iran entlang der Strecke des Staatsgastes sollten verhindert werden. Dieser könnte, so das zitierte Protokoll des Auswärtigen Amtes, zu einem Besuchsabbruch führen. Hier wurde zugunsten eines ungestörten Staatsbesuchs - und das ist hier ganz wörtlich gemeint, meine Damen und Herren, hier beginnt die Störung bereits bei der öffentlich formulierten Kritik - das Grundrecht auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit gegen null beschränkt. Aber auch bereits im Vorfeld waren Rechts- und Grundrechtseinschnitte die Regel. So wurden eigens anlässlich des Staatsbesuchs die Kontrollen an den Außengrenzen wieder aufgenommen. Die Tage zuvor bereits durchgeführte Rasterfahndung und die Einrichtung von Kontrollstellen greifen in die informationelle Selbstberechtigung von Hunderten von Menschen ein, ihre Datensätze werden auf Abweichung von der Norm durchgescannt. Dass bei der Anwendung solcher Maßnahmen ein Konformitätsdruck entsteht, um nicht unangenehm aufzufallen, ist die Folge. Eine polizeiliche Maßnahme wie die Rasterfahndung unterliegt in Thüringen im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern keinem Richtervorbehalt, sondern nur der Zustimmung des Leiters des Landeskriminalamts. Aber das macht die Sache ebenso wenig besser wie die Mängel im Datenschutz, auf die die Thüringer Datenschutzbeauftragte bereits reagiert hat, die ohnehin erst nachträglich von einer solchen Maßnahme zu informieren ist.
Meine Damen und Herren, der angekündigte kritische Dialog mit Chatami wurde verhindert, mit Chatami sind iranische Verhältnisse nach Weimar gekommen.
Grundrechtseinschränkungen, die Einschränkung der Pressefreiheit und ein sehr unverhältnismäßiger Umgang mit Demonstrationswilligen und breite Vertrauensverluste sind die einkalkulierten Kosten eines ohnehin fragwürdigen Staatsbesuchs. Dass im Ergebnis dieses Staatsbesuchs eine Verfünffachung der Hermesbürgschaften steht, die an keinerlei Kriterien an die Menschenrechtslage gebunden sind, lässt die dem Staatsbesuch zugrunde liegenden Interessen mehr als deutlich werden. So muss das vordergründig betonte Ansinnen einer Unterstützung eines vermeintlichen Reformers im Sinne positiver Menschenrechtsentwicklung zwangsläufig in Frage gestellt werden. Und, meine Damen und Herren, eine unterschiedlich kritische Haltung zu einem solchen Staatsbesuch hat dann wohl auch zu den konträren Positionen der CDU-Fraktion geführt, bei der ein aus menschenrechtlicher Besorgnis protestierender Abgeordneter für seine an diesem Tage erlittene Behandlung durch die Polizei in der eigenen Fraktion verlacht oder mit Häme bedacht worden ist.
Nein, Herr Fiedler, die Thüringer Presse fand den Ausspruch des Abgeordneten Krauße so bemerkenswert, dass sie ihn veröffentlichte.
Fraglich bleibt, meine Damen und Herren, wie der Besuch Chatamis zu bewerten ist. Nie ist die These, dass mit dem Besuch eine innenpolitische Stärkung von Chatami erreicht werden könnte, inhaltlich untermauert worden. Ob eine solche Stärkung durch den Besuch erreicht wurde, ist in der Öffentlichkeit dort nie bewertet oder diskutiert worden.
Fakt aber ist, dass mit Chatami ein Politiker hofiert wurde, der von Menschenrechtlern als einer bezeichnet wird, dessen Reformprojekt abgeschlossen ist und nun durch andere fortgeführt werden muss, da Chatami an die klerikale Despotie allzu sehr gebunden ist. Die Menschenrechtslage hat sich, so Prison Watch International seit der Amtszeit von Chatami nicht verändert. Auch unter seiner Präsidentschaft fanden die permanenten Menschenrechtsverletzungen ohne Abbruch Fortsetzung, wurde demokratischer Protest blutig niedergeschlagen und, Herr Mohring, die Kräfte, die ihn einst auch in sein Amt befördert haben, werden heute auch von Chatami mit bekämpft und das mit massivster Polizeigewalt. Sein Vertrauen - auch gerade im studentischen Kreis - sinkt nach wie vor.
Meine Damen und Herren, am 12. Juli 2000 haben in Weimar außenpolitische Erwägungen der Bundesrepublik dazu geführt, die innenpolitischen Bedeutungen eines solchen Besuches gering zu veranschlagen, die - und das sage ich in aller Deutlichkeit - allein bereits dafür gesorgt haben müssten, dass eine Einladung des Staatsgastes in Frage gestellt worden wäre. Die Verunmöglichung öffentlicher Kritik ist kein Merkmal von Demokratie, meine Damen und Herren, sie zieht notwendige Maßnahmen, wie sie am 12. Juli 2000 zur Anwendung kamen, wie eben die Einschränkung von Grundrechten zwangsläufig nach sich. Ein solcher Polizeieinsatz, meine Damen und Herren, darf sich nicht alle fünf Jahre in Thüringen oder gar häufiger wiederholen. Deshalb sollte der Thüringer Landtag der Landesregierung ein dringendes Votum mit auf den Weg geben. Dies lautet, dafür Sorge zu tragen, dass bei künftigen Staatsbesuchen oder ähnlich zu charakterisierenden Anlässen auf die Einhaltung der Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, des Rechts auf Freizügigkeit sowie die Pressefreiheit gedrängt wird, auch gegenüber den Behörden, die auf Bundesebene dafür mit die Verantwortung zu tragen haben.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich finde es richtig, dass über das Thema "Besuch des iranischen Staatspräsidenten in Weimar" hier im Landtag noch einmal gesprochen wird, auch wenn der Besuch nunmehr schon zwei Monate zurückliegt. Eine Bemerkung gleich eingangs. Herr Kollege Dittes, als der Abgeordnete Hahnemann sprach, dachte ich, wir kommen uns inhaltlich eigentlich sogar recht nah. Sie haben mir gerade klar gemacht, dass wir da noch sehr weit auseinander sind. Das, was Sie hier vorgebracht haben, mag man vielleicht in einzelnen Sätzen unterstreichen können, aber die Gesamtheit Ihres Vortrags ist einfach so, wie wir es auch in der Vergangenheit hier schon im Haus mehrfach erlebt haben. Herr Innenminister Köckert hat dem Parlament über die Sicherheitsmaßnahmen um diesen Besuch berichtet. Wie sicherlich alle hier in diesem Haus bin auch ich froh darüber, dass es an diesem Tag nicht zu gewalttätigen Angriffen auf Chatami gekommen ist. Es gab glücklicherweise keine Versuche von Selbstmordattentaten und im Nachhinein ganz offensichtlich keine Anzeichen, dass Ähnliches geplant war. Der Thüringer Landtag hätte sich sicherlich anderenfalls genauso mit diesem Staatsbesuch beschäftigen müssen und vom Innenminister Rechenschaft verlangt, warum die Sicherheitsvorkehrungen nicht ausreichend gewesen wären. Und natürlich ist es eine Gratwanderung, die berechtigten Sicherheitsanforderungen zu erfüllen und zugleich das Demonstrationsrecht nicht unzulässig einzuschränken.
Im Gegensatz zu meinen Vorrednern war ich aber an diesem Tag mit Freunden in Weimar und nutze daher die Möglichkeit, einige Ausführungen zu diesem Besuch zu machen, weniger allerdings zum technischen Ablauf der Sicherheitsvorkehrungen, dazu haben wir schon recht viel gehört.
Hinrichtungen im Iran, gerade in den letzten Tagen, fortwährende Menschenrechtsverletzungen und Einschränkungen der Pressefreiheit zeigen, dass sich in diesem Land auch nach dem Besuch von Chatami in Deutschland nichts zum Positiven verändert hat. Dies belegt, dass Proteste und Kritik geradezu zwingend notwendig waren und sind. Auch die FAZ vom 31. August diesen Jahres konstatiert, dass sich die Reformbewegung im Iran nunmehr enttäuscht von Chatami abwendet. Chatami ist schon lange nicht mehr der Hoffnungsträger im Iran, sondern Bremser auf dem Weg zur notwendigen Reform. Als Präsident trägt er zudem trotz allen politischen Einflusses der Mullahs die politische Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen in seinem Land. Bereits Wochen vor dem Deutschlandbesuch Chatamis gab es deshalb Kritik von verschiedenen Gruppierungen, u.a., wie angesprochen, eine Initiative von Bundestagsabgeordneten aller Parteien. Die anhal
tenden Menschenrechtsverletzungen im Iran führten in Thüringen dazu, dass u.a. die Gesellschaft für bedrohte Völker und die Junge Union Thüringens Protestdemonstrationen ankündigten. Glaubwürdig hätte es sein können, wenn sich die Kollegen von der PDS im Vorfeld nicht nur mit der Forderung nach Ausladung Chatamis an die Stadt Weimar gewandt hätten, sondern sich in Weimar aktiv beteiligt hätten. Interessanterweise war aber wohl am 12. Juli keiner der Landtagskollegen von der PDS vor Ort. Gemeinsam mit Vertretern der Jungen Union Thüringens habe ich zu Protesten aufgerufen, daher einige Sätze zur Erklärung dazu. Die Junge Union habe ich das erste Mal bewusst wahrgenommen, als in den 80er Jahren die Tagesschau über Protestdemonstrationen anlässlich des Honecker-Besuchs in der Bundesrepublik berichtete. Damals protestierten Junge Christdemokraten gegen Menschenrechtsverletzungen in der DDR. Nach der Wende und der Neugründung der Jungen Union in Thüringen standen Menschenrechtsfragen auch für uns immer oben auf der Tagesordnung. Hilfstransporte in die Bürgerkriegsregionen des ehemaligen Jugoslawiens, der Besuch in palästinensischen Flüchtlingslagern, Proteste anlässlich des Li-Peng-Besuchs, Sie sprachen gerade davon, ein Hilfstransport zu den Kosovo-Albanern - dies sind alles Beispiele dafür. Aber auch die regelmäßig jährlich stattfindende Mahnung und Erinnerung an den 17. Juni und den 13. August, die mit Grenzregime, Mauer und Stacheldraht für die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen auf deutschem Boden nach dem Zweiten Weltkrieg stehen, gehören hierzu. Das Eintreten für Menschenrechte hat also durchaus eine gewisse Tradition, und ich sehe die Verantwortung von Politikern auch darin, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern und die Einhaltung bzw. Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten zum vorrangigsten Ziel zu erklären. Staatsgäste müssen hingegen Kritik an Zuständen in ihrem Land ertragen können und die Öffentlichkeit muss Gelegenheit haben, diese Kritik wahrzunehmen und sich dazu zu positionieren. Ich bedaure deshalb die beinahe vollständige Absperrung der Innenstadt von Weimar an diesem Tag. Bereits im Vorfeld war dies allerdings schon abzusehen, da Demonstrationsgenehmigungen nur weit entfernt vom Ort des Geschehens erteilt wurden. Es ist jetzt müßig darüber zu streiten, ob dies der Wunsch des Bundesinnenministeriums, die Anweisung des Thüringer Innenministeriums oder der Eifer des Ordnungsamts Weimar gewesen sei. Spannender ist für mich die Frage, ob der ausschließliche Grund Sicherheitsbedenken waren oder ob doch der Wunsch, Proteste aus dem Blickfeld von Chatami zu verbannen, eine Rolle spielte. Ich denke, und von dieser Meinung werde ich nicht abrücken, dass auch angesichts der zahlreichen Polizeibeamten in Weimar friedliches Demonstrieren mit Plakaten hätte möglich sein müssen. Ich entsinne mich dabei an den Staatsbesuch von Bill Clinton in Eisenach. Trotz höchster Sicherheitseinstufung wurde er damals nicht nur auf menschen- und demonstrantenfreie Plätze geführt.
Mit Freunden der Jungen Union habe ich am 12. Juli in Weimar eine Möglichkeit gesucht, unsere Kritik an den
Menschenrechtsverletzungen im Iran Herrn Chatami vor Augen zu führen, jedoch nicht in dem Glauben, dass dies reaktionslos bleiben würde. Herr Innenminister Köckert hat geschildert, wie die Reaktion erfolgte, die Polizeibeamten vor Ort haben sehr schnell - für uns leider viel zu schnell - gehandelt. Die Plakate und Transparente hingen nur wenige Minuten aus den Fenstern am Frauenplan. Auch wenn ich mit dem Ergebnis nicht einverstanden bin, das Handeln der hessischen Polizeibeamten vor Ort war korrekt. Ich sage auch deshalb hier ganz deutlich, ich fühle mich nicht ungerecht behandelt oder gar in meiner Immunität als Abgeordneter beeinträchtigt. Ich bedurfte also auch keinesfalls der fürsorglichen Solidarität von SPD und PDS, wie am nächsten Tag in der TLZ zu lesen war. Zur PDS sagte ich eingangs schon etwas.
Deshalb jetzt noch eine Anmerkung zur SPD: Eine politische Wertung und Kritik zum Chatamibesuch im Vorfeld war leider Fehlanzeige bei Ihnen, werter Kollege Pohl; denn dann hätten Sie sich auch an die eigene Bundesregierung wenden müssen, die hatte schließlich Chatami nach Deutschland und Weimar eingeladen. Umso schneller war bei Ihnen hingegen die Reaktion am Tag des Geschehens.