Protocol of the Session on July 7, 2000

Herr Abgeordneter Dittes, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Wenn ich den Gedanken zu Ende gebracht habe, Herr Carius.

Nunmehr sitzt Herr Gnauck bekanntermaßen in der Landesregierung. Es dürfte ihm nicht schwer fallen, seine damaligen Forderungen umzusetzen, aber oftmals, wie auch beim jetzigen Diskussionsgegenstand, hat man den Eindruck, dass Herr Gnauck viele seiner früheren Forderungen heute anders bewertet oder besser formuliert, sie nicht mehr verfolgt; in diesem Punkt eigentlich unverzeihlich, Herr Gnauck.

Herr Carius, bitte.

Danke, Herr Dittes, können Sie mir vielleicht sagen, welchen Zusammenhang es zwischen der Streichung von Maurerstellen und der Verlängerung der Studienzeiten gibt.

Von Maurerstellen?

Es ging vorhin in Ihrer Rede, wenn ich Sie richtig verstanden habe, darum, dass Stellen in der Hochschule, insbesondere in der Bauabteilung, unter Umständen gestrichen werden könnten und Sie meinten dann, das würde zu Studienverlängerung führen. Ich sehe den Zusammenhang nicht ganz.

Herr Carius, da müssen Sie meinen Beitrag völlig missverstanden haben. Vielleicht können wir diesen Irrtum nachher noch einmal aufklären. Hier ging es eindeutig auch um die Nachfolgewirkung der Kürzung im Bildungsbereich in den allgemein bildenden Schulen, die sich dann auch auf die Studienzeit für die Studenten selbst auswirken können. Und auf diesen Umstand habe ich hingewiesen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Reform der Staatstätigkeit kann nicht in einem Schritt erfolgen, sondern wird Prozesscharakter aufweisen müssen. Die PDS spricht sich dagegen aus, dass notwendige Reformschritte zurzeit nahezu ausschließlich nur improvisierenden Charakter haben, vom reinen Pragmatismus und finanzwirtschaftlichen Kalkül geprägt sind. Aber die Reformen werden nur dann Erfolg haben, wenn in deren Erarbeitung und Umsetzung die Betroffenen, also auch die Beamten, die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst, frühzeitig an der Diskussion beteiligt werden. Die PDS setzt sich für eine stufenweise Reform der Staatstätigkeit, die der Herausbildung einer modernen, bürgernahen, effizienten und transparenten Verwaltungsorganisation dient. Dies kann nur im Zusammenhang mit einer Funktional- und Verwaltungsreform geschehen. Aus Sicht der PDS muss auch der Staat künftig Entwicklungsprozesse aktiv mitgestalten und für die Sicherung der Daseinsvorsorge als ein Mittel des sozialen Ausgleichs auch zukünftig den Schwerpunkt staatlicher Tätigkeit besetzen. So halten wir z.B. eine Diskussion zur Zuordnung von Aufgaben zum hoheitlichen Bereich für dringend erforderlich.

Meine Damen und Herren, resümierend lassen Sie mich noch einmal unterstreichen:

1. Es bedarf eines Gesamtkonzepts, um die Staatstätigkeit nach Umfang, Inhalt und Intensität neu zu definieren. Die Landespolitik und auch die Politik in den Kommunen zum ungezielten Stellenabbau nach dem Zufallsprinzip über die Nichtbesetzung und Streichung frei werdender Stellen wird abgelehnt. Es fehlt zumeist eine aufgabenkritische Betrachtung und eine Bedarfsanalyse in der Stellenpolitik. Damit wird die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes

eher gefährdet.

2. Die PDS-Fraktion fordert eine Personalentwicklungsund -organisationsplanung, die von einer aufgabenkritischen Untersuchung des öffentlichen Dienstes ausgeht. Im Ergebnis eines solchen Herangehens mögliche Veränderungen des Stellenbestandes, insbesondere durch eine Funktionalreform, eine Verwaltungsreform, durch den Abbau von Doppelaufgaben und durch grundlegende Umstrukturierung im öffentlichen Dienst müssen dann in einem Verfahren, dass die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Interessen der Beschäftigten sicher vollzogen werden, und bei der weiteren Kommunalisierung staatlicher Aufgaben ist das Konnexitätsprinzip unbedingt einzuhalten.

3. Die PDS-Fraktion spricht sich für eine Umverteilung von Arbeit und Einkommen im öffentlichen Dienst aus, das heißt vor allem für eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich für untere und mittlere Einkommensgruppen. Das Ziel solcher Maßnahmen besteht darin, keine weitere Belastung des Arbeitsmarkts zuzulassen und einen ausreichenden Einstellungskorridor für neu Einzustellende und Auszubildende zu gewährleisten. Die Einführung von Altersteilzeitmodellen für Angestellte und Beamte wird durch die PDS unterstützt.

(Beifall bei der PDS)

4. Die PDS-Fraktion wendet sich gegen die derzeitigen Privatisierungsstrategien, da sie ausschließlich Deregulierungen, Arbeitsplatz- und Sozialabbau sowie Standardabsenkungen nach sich ziehen und künftige Gestaltungsspielräume einschränken bzw. verspielen. Öffentliche und private Aufgabenrealisierung ist eben nicht beliebig austauschbar, meine Damen und Herren.

5. Die PDS-Fraktion vertritt den Standpunkt, dass der Einfluss des Landes und der Kommunen auf die Erbringer öffentlich notwendiger Leistungen oftmals unzureichend ist, weil Versorgungsaufträge nicht hinreichend definiert sind und ihre effiziente Erfüllung und Kontrolle nicht gewährleistet ist. Die Wirksamkeit der Landesregierung, der Kreis- und Gemeindeverwaltungen ist hier wesentlich zu erhöhen.

Und, meine Damen und Herren, nicht zuletzt sieht die PDS-Fraktion die beschäftigungspolitische Verantwortung des öffentlichen Dienstes nach wie vor als sehr bedeutsam an. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Als nächster Redner hat sich der Abgeordnete Dr. Pidde zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bin enttäuscht, ich bin enttäuscht von dieser Vorlage,

(Beifall bei der SPD)

von diesem Papier mit einer Dreiviertelseite Umfang. Und ich bin auch enttäuscht von dem Bericht, der nicht mehr ausgesagt hat, als auf einer Dreiviertelseite Papier gestanden hat.

(Beifall bei der SPD)

Immerhin wissen wir durch die Nachfrage nun, dass dieses Papier nicht etwa das Konzept sein soll - es wäre ja auch ein Hohn, dieses als solches zu bezeichnen -, sondern dass es eine Übersicht über die Zielzahlen sein soll. Herrn Fiedler möchte ich widersprechen - in vielen Punkten möchte ich Ihnen Recht geben, was Sie heute gesagt haben -, aber ich muss Ihnen widersprechen, als Sie begrüßt haben, dass sich die Landesregierung entschlossen hat, ein Personalentwicklungskonzept vorzulegen. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Der Landtag hat die Landesregierung per Beschluss beauftragt, zum 30.06.2000 dieses Konzept vorzulegen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Und es ist hier klipp und klar festzustellen, dass dieser Beschluss des Landtags nicht vollzogen worden ist

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Dr. Schuchardt, SPD: So ist es.)

und dass die Landesregierung bis heute kein Konzept vorgelegt hat.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Meine Damen und Herren, damit wir nicht aneinander vorbeireden: Auch die SPD sieht die Notwendigkeit weiterer Stellenreduzierungen,

(Beifall Abg. Fiedler, CDU)

aber Personalentwicklung ist mehr als einfach nur Stellenabbau.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da haben Sie vollkommen Recht.)

(Beifall bei der SPD)

Die SPD war es, die als Erste hier im Land die Forderung nach einem langfristigen Gesamtpersonalentwicklungskonzept aufmachte. Wie ein solches Konzept aus

zusehen hat, dafür hat die SPD auch schon genügend Hinweise gegeben. Dafür hat auch der Rechnungshof in seinem Jahresbericht 1999 genügend Hinweise gegeben.

Meine Damen und Herren, als ersten Schritt müsste man doch zunächst einmal die Aufgaben des Freistaats definieren. Diesen Auftrag des Parlaments, den wir gegeben haben, hätte die Regierung zum Anlass nehmen müssen, um ganz unbefangen darüber nachzudenken: Was sind denn die Aufgaben des Freistaats, was ist hoheitlich, was ist freiwillig und auch, was kann von anderen besser gemacht werden, oder was kann von anderen bei gleicher Qualität billiger gemacht werden?

(Beifall bei der SPD)

Der Umfang der staatlichen Aufgaben ist entscheidend für die Personalentwicklung. Erst wenn man diese Analyse gemacht hätte, kommt der zweite Schritt, dass man sagt: Wie viel Personal braucht man denn zur Erfüllung dieser Aufgaben? Erst danach kommt der dritte Schritt, nämlich die Finanzierbarkeit, dass man darüber nachdenken muss: Was kann man sich gleich leisten und was muss verschoben und später gemacht werden? So muss ein Personalentwicklungskonzept gestrickt werden.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal darauf hinweisen, was der Rechnungshof in seinem Bericht geschrieben hat im vergangenen Jahr - Frau Präsidentin, ich zitiere mit Ihrer Zustimmung: "Wegen der unmittelbaren finanziellen Auswirkung des Personalumfangs auf die Personalausgaben des Landes ist es zwingend geboten, die Ermittlung des erforderlichen Personalbedarfs künftig exakt und mit analytischen Verfahren vorzunehmen." Und was bekommen wir hier vorgelegt?

(Beifall bei der SPD)

Fehlanzeige, wenn man das sieht. Wo ist denn die geforderte umfangreiche Aufgabenanalyse und -kritik. Aus dem Konzept, was wir erwarten, muss klar nachvollziehbar sein, warum, wer, wo, wie viel in der Landesverwaltung arbeitet. Mit der Presseinformation, die Sie gegeben haben, mit der Dreiviertelseite, die Sie dem Landtag zugeleitet haben, mit dem heutigen Bericht muss ich nur sagen: Die Landesregierung hat das Ziel nicht nur nicht erreicht, sie hat es noch nicht einmal anvisiert.

(Beifall bei der SPD)

Diese Chance hat die Landesregierung verpasst.

Meine Damen und Herren, wenn man gesehen hat, mit wie viel Tamtam von der Landesregierung das so genannte Personalentwicklungskonzept - was ja nun noch nicht einmal vorliegt - der Öffentlichkeit vorgestellt wurde; es wurde dabei durch das gemeinsame Auftreten von Finanz- und Innenminister Einigkeit beider Ressortminister demonstriert. Doch wenn der Innenminister

seine Verantwortung als Personalminister ernst nimmt, kann es diese Einigkeit eigentlich nicht geben. Das vorgelegte Papier hat mit Personentwicklung nichts zu tun, hat mit Konzept sowieso nichts zu tun, ist ein reines Zielzahlenpapier zum Stellenabbau. Dieses Papier trägt einzig und allein die Handschrift des Finanzministers, der rein fiskalisch an die Sache herangegangen ist, der wichtige andere politische Aufgabenstellungen der kurzfristigen fiskalischen Betrachtungsweise untergeordnet hat. Und genau das müsste den entschiedendsten Widerstand des Innenministers hervorrufen.

Meine Damen und Herren, es ist bedauerlich, dass die große Koalition die Erarbeitung eines Personalkonzepts in der vergangenen Legislaturperiode wegen der unüberbrückbaren Differenzen nicht mehr vollzogen hat und nicht mehr realisieren konnte, aber ein solch nichts sagendes Papier von einer Dreiviertelseite hätte es mit der SPD-Beteiligung in der Regierung nicht gegeben. Man muss es sich einmal bildlich vor Augen führen: Mit der Ausführung von einer Dreiviertelseite wird dem Landtag, wird uns hier begründet, warum fast 9.000 Stellen im Landesdienst gestrichen werden sollen. Da wurden ja in der entsprechenden Pressekonferenz mehr Informationen gegeben.

Meine Damen und Herren, ich möchte auch daran erinnern, dass der Finanzminister gesagt hat, dass das Einsparen von Stellen nach der Rasenmähermethode ausgeschöpft ist, und jetzt präsentieren Sie - bildlich gesagt statt eines Rasenmähers einen Schwadmäher der ehemaligen LPG Kleinschmalkalden.

(Beifall bei der SPD)