Es geht in dieser Debatte um etwas Grundsätzlicheres, nämlich auch um solche Standorte wie Seehausen in der Altmark oder Calbe (Saale) oder an verschiedenen anderen Stellen, wo es Krankenhäuser der Basisversorgung in der Fläche gibt.
Es gibt eine Diskussion in der Krankenhauslandschaft, in der es heißt, dass wir für die gute Behandlung von bestimmten Spezialfällen hohe Fallzahlen brauchen, die wir konzentrieren müssen. Denn - das stimmt durchaus; das will ich überhaupt nicht leugnen - bestimmte Schwer
punktbereiche, bestimmte hochqualitative Eingriffe können nur dann in hoher Qualität realisiert werden, wenn man hohe Fallzahlen hat und wenn man das entsprechende Personal dafür hat.
In diesem Bereich sind in der Vergangenheit Fehler gemacht worden. Einer dieser Fehler war zum Beispiel - das ist mir ausdrücklich auch von Vertretern der Uniklinik Magdeburg gesagt worden - die hohe Zahl von Frühchenstationen, die wir in Sachsen-Anhalt hatten. Diese führte dazu, dass die Sterblichkeit in dem Bereich höher war als in anderen Ländern. Das war einfach dadurch bedingt, dass das Personal nicht die gleich hohen Fallzahlen zu bewirtschaften hatte.
Dieses Argument der Konzentration von Spezialangeboten darf nicht umgekehrt werden. Es darf also nicht gesagt werden, die Basisversorgung müsse aus dem ländlichen Bereich raus. Nein! Der Beinbruch muss auch in einem ortsnahen Krankenhaus behandelt werden können. Der Blinddarm muss auch in einem ortsnahen Krankenhaus operiert werden können. Ältere Patienten, die eine temporäre Beobachtung brauchen - das kommt ganz häufig vor -, müssen diese ortsnah angeboten bekommen und nicht 60 oder 70 km entfernt. Dafür müssen wir einstehen.
Jetzt haben wir das nächste Problem. Natürlich muss man, wenn man ein solch differenziertes Herangehen will, zwischen den Krankenhausstandorten ordentlich optimieren. Spezialangebote zu konzentrieren oder auch über die Fläche auf bestimmte Punkte zu verteilen und gleichzeitig die Basisversorgung überall anzubieten, funktioniert nicht, wenn in einer Region unterschiedliche Träger in Konkurrenz zueinander stehen.
Das große Problem, das wir haben, das wir allerdings auch nicht so schnell ändern können, ist, dass die ganze Krankenhausfinanzierung, die auf dem DRG-System basiert, dazu führt, dass alle Träger ihre Kosten minimieren müssen, also Personal abbauen, schlecht bezahlen und Angebote ausdünnen, allerdings auf der anderen Seite ihre Einnahmen steigern. Wie mache ich das? - Ich habe lohnende Fälle und ich habe nicht lohnende Fälle. Die lohnenden Fälle will ich gefälligst im eigenen Haus behalten, und zwar unabhängig davon, ob ich die Qualität dafür habe, und die nicht lohnenden Fälle will ich am liebsten abschieben.
Wer so handelt, handelt nicht ethisch, aber betriebswirtschaftlich genau so, wie die Rahmenbedingungen es zurzeit vorschreiben. Unter den Bedingungen ist diese viel gepriesene Trägervielfalt genau das Gegenteil dessen, was wir benötigen. Denn die Träger vor Ort stehen in Konkur
Deswegen brauchen wir eine aktive Landespolitik, eine Politik des Landes, die zusammen mit den Landkreisen und den kreisfreien Städten wenigstens noch die Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft miteinander koordiniert und in eine gemeinsame Gesellschaft einbringt, um genau eine solch optimale Verteilung von Krankenhausstandorten, von Basisversorgung und Spezialversorgung anzubieten.
Das bekomme ich nicht mit einem Privatkonzern Ameos. Der versucht das übrigens auch. Dessen Strategie ist ganz klar. Er will die Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt im Wesentlichen übernehmen. Dann führt er diese Optimierung durch, und zwar in seiner Konzernzentrale in Zürich. Aber nein, wir wollen die politische Vorherrschaft über diese Krankenhauslandschaft haben. Wir wollen im Interesse der Menschen in Sachsen-Anhalt einen politischen Prozess der Optimierung und der Aufstellung der Krankenhauslandschaft haben. Dafür brauchen wir die öffentliche Hand. Dafür brauchen wir eine aktive Landesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wie kann man das machen? - Das kann man mit Geld machen, mit Geld, das man für Investitionen einsetzt. Ich sage ganz klar - das wissen wir alle -, diese Investitionsmittel sind in der Vergangenheit nicht geflossen. Das Land Sachsen-Anhalt hat Schuld auf sich geladen, hat Schuld und Schulden auf sich geladen. Diese müssen beglichen werden gegenüber der Krankenhauslandschaft, gegenüber diesen Trägern. Diese Mittel müssen eingestellt werden, um jetzt aktiv einzugreifen.
Das kam leider für das Burgenlandkreisklinikum zu spät. Auch dort haben wir wieder verloren. Auch dort haben wir keinen öffentlichen Einfluss mehr, sondern sind auf einen freien Träger angewiesen. Es muss jetzt für Havelberg kommen, um diesen Standort zu retten. Diese Entscheidung, dieses aktive Eintreten mit Geld für diese Krankenhauslandschaft brauchen wir auch in Zukunft für andere Standorte.
Herr Gallert, danke, dass Sie konkret beschrieben haben, welches Grundangebot in der Fläche unbedingt erhalten werden soll. Sie sprachen von Beinbruch, Blinddarm und Geriatrie. Bei Geriatrie und Beinbruch kann ich es mir noch einfacher vorstellen als beim Blinddarm. Gelegentlich wird ein Patient daran operiert.
Nun kann man planmäßig operieren, aber es gibt auch Notfälle. Wir sprechen über die Grundversorgung, über die Planmäßigkeit. Wie ist denn heute - Sie haben ja Kenntnis vor Ort - die OP-Fähigkeit dort am Standort? Sind Sie der Meinung, dass diese wohl bemessen ist? - Das ist mit viel Aufwand verbunden. Nach Ihrem Antrag soll es ja auch eine Stütze des Notfall- und Rettungsdienstes sein. Bezieht sich das auch auf die OP-Möglichkeiten? - Dafür brauchen Sie einsatzbereite Anästhesisten, wenn Sie es über 24 Stunden vorhalten wollen. Dies ist meine Nachfrage.
Ich habe gesagt, es geht hier um Havelberg; aber es geht eben nicht nur um Havelberg. Ich will Ihnen diese Frage aber gern beantworten. Nehmen wir einmal konkret Havelberg. Havelberg hatte eine vollständig erneuerte Infrastruktur, einen OP-Saal, eine Intensivstation und entsprechendes Ärzte- und Pflegepersonal.
Jetzt gehen wir weg von der gesundheitlichen Versorgung und gucken in die Bücher der KMG. Sie kommen aus der Region und wissen in etwa, wo die KMG weitere Standorte hat: Pritzwalk und Kyritz jeweils 40 km weit weg, und Wittstock etwa 70 km weit weg.
Sie haben den Krankenhausstandort Havelberg im Jahr 2002 übernommen, haben die Infrastruktur in den ersten zehn Jahre noch ausgebaut und haben dann damit angefangen, die Infrastruktur abzubauen. Das ging so weit, dass die völlig aus
gebaute, funktionsfähige Intensivstation abgerissen worden ist, dass man die Ärzte aus Havelberg abgezogen hat und dass man Ärzte, die neue Schwerpunkte bilden wollten, vergrault hat, und zwar aus einem einzigen Grund, nämlich um die beiden anderen Krankenhausstandorte in Pritzwalk und Kyritz mit Personal und Fällen zu versorgen.
Sie wollten aus betriebswirtschaftlichen Gründen - das kann man einem privaten Konzern übrigens nicht einmal übel nehmen - den Krankenhausstandort Havelberg in Grund und Boden stampfen, damit sie mehr schwarze Zahlen an ihren anderen Krankenhausstandorten schreiben.
Es wäre möglich, mit einer anderen Trägerstruktur und mit einem anderen politischen Auftrag die bisherige Situation in Havelberg wieder herzustellen.
Wie sind denn die OP-Einsatzmöglichkeiten, die Verfügbarkeiten als Stütze des Rettungsdienstes heute? Müssen diese dann nach Ihren Zukunftsplänen als Stütze des Notarztsystems ausgebaut werden? - Dass dort ein eingerichteter OP ist, das ist das eine. Wenn es für den Notfall- und Rettungsdienst sein soll, dann müssen wir dort eine Bereitschaft von Anästhesisten, Chirurgen, OPPersonal haben, damit es funktionieren kann. Dafür spielen durchaus auch Zahlen eine Rolle, nicht nur wegen der Wirtschaftlichkeit, sondern sie müssen natürlich auch ihre Fähigkeiten bewahren können. Wie ist die Situation heute und was sehen Sie mit Ihrem Antrag insoweit vor?
Also, wir haben bei der Notfallfrage zwei unterschiedliche Punkte. Sind wir in der Lage dazu, die Situation wiederherzustellen, die es vor zehn Jahren zum Beispiel an diesem Standort, aber auch an anderen Standorten gab, als man all dies vorgehalten hat? - Das ist der erste Punkt. Technisch kann man das sehr wohl machen. Das sind Dinge, deren Investitionsebene gar nicht so hoch ist.
verschiedenen Standorten vorzuhalten. Das geht natürlich nicht, wenn jedes Krankenhaus einen anderen Träger hat. Die werden einen Teufel tun, ihre Leute auszuleihen, weil sie ein Interesse daran haben, dass der Träger in der Nähe mehr oder weniger den Bach heruntergeht.
Dann haben wir einen zweiten Problemkreis, Herr Harms. Wir können uns gern mit den Leuten vom Rettungsdienst unterhalten. Diese sagen, natürlich sei es auch schon in den letzten Jahren so gewesen, dass sie Spezialfälle, zum Beispiel Herzinfarkt oder andere schwere Dinge, in anderen Krankenhäusern hätten unterbringen müssen, aber vier von fünf Fällen könnten sie, sogar ohne OP, in das Krankenhaus Havelberg bringen, weil diese leichteren Fälle dort hätten behandelt werden können. Dafür seien sie in 20 Minuten losgefahren.
Wenn ich mit einem Herzinfarkt aber nach Rathenow fahren muss, dann bin ich zwei Stunden lang weg. Was passiert denn in den zwei Stunden, in denen ich weg bin?
Wenn wir wenigstens den alten Zustand wiederherstellen könnten, der noch vor einem Jahr existiert hat - er existiert eigentlich immer noch -, wenn wir den bewahren könnten, dann hätten wir schon viel gewonnen.
Dann können wir gern über den anderen großen Bereich, bei dem es um die schwierigeren Fälle geht, darüber nachdenken, wie wir den wieder hinbekommen. Ich glaube, es ist vernünftig, das zu tun. Ich glaube auch, dass es Möglichkeiten dafür gibt, allerdings nicht, wenn jeder Krankenhausstandort, den wir haben, einem anderen Träger gehört und jeder darauf guckt, ob der nächstgelegene zuerst kippt.
Herr Kollege Gallert, ich habe eine Verständnisfrage. Ich weiß nicht, ob ich es in Ihrem Furor richtig verstanden habe. Haben Sie vorgeschlagen, dass alle Krankenhäuser, die jetzt noch in öffentlicher Hand oder öffentlicher Trägerschaft sind, also landeseigene Gesellschaft, Uniklinika und kommunale Häuser, in einer Gesellschaft zusammengepackt werden sollen? Habe ich das richtig verstanden oder habe ich das falsch gehört?
mal ausführlich dargestellt und begründet. Drittens kann ich Ihnen noch einmal ganz klar sagen, unter den Bedingungen von Spezialisierung und Konzentration in der Krankenhauslandschaft halte ich das für ein ausdrücklich vernünftiges Modell.
Ich habe übrigens inzwischen erfahren, dass auch in anderen Fraktionen schon über solche Dinge diskutiert worden ist, zum Beispiel über eine Nord- und Südgesellschaft in Sachsen-Anhalt. Darüber kann man echt nachdenken; denn wir haben noch ein anderes Problem, Herr Grube - das wird Sie als Magdeburger besonders interessieren -:
Durch diese aufgesplittete Trägerlandschaft bei uns in Sachsen-Anhalt haben wir noch ein spezielles Problem bei beiden Uniklinika, weil diese, anders als es vernünftig wäre, die wirklich schwierigen, gleich teuren Fälle häufig nicht aus der Fläche zugewiesen bekommen, weil andere Träger daran interessiert sind, diese teuren Fälle selbst zu behandeln. Das ist übrigens eines der Probleme, durch die sich die Situation der Uniklinika bei uns noch weiter zuspitzt. Insofern kann man auch gern über ein Nord- und ein Südkonstrukt nachdenken.
Über das, was wir vorschlagen, Herr Grube, wird in Magdeburg zwischen dem städtischen Klinikum auf der einen Seite und dem Uniklinikum auf der anderen Seite seit mindestens zehn Jahren diskutiert, und, was ich zumindest in der letzten Zeit gehört habe, jetzt ein bisschen offener.
Ja, ich glaube, wir brauchen eine solche gemeinsame Gesellschaft von Land, Landkreisen und kreisfreien Städten, die für diese Aufgabe verantwortlich sind. Sie haben mich richtig verstanden.