Protocol of the Session on September 27, 2019

(Tobias Rausch, AfD: Alles klar, danke!)

Vielen Dank, Herr Dr. Grube. - Herr Büttner, ich gestatte Ihnen jetzt wirklich nur eine ganz kurze Nachfrage; denn Sie haben Ihre zwei Minuten Redezeit bereits ausgeschöpft. Bloß noch einmal eine Nachfrage stellen. Bitte.

Ich möchte mit dieser Behauptung aufräumen, dass sozialverträglicher Wohnraum über Sanierung herzustellen wäre. - Das ist falsch. Wenn Sie natürlich eine Sanierung so betrachten, dass Sie die Tapete abreißen, einen neuen Fußbodenbelag verlegen und ein bisschen Farbe an die Wand bringen, dann kann das durchaus möglich sein. Wenn Sie aber eine Immobilie vernünftig - -

Herr Büttner, das ist jetzt aber keine Nachfrage. Sie fangen - -

Die Nachfrage ist: Sind Sie der Meinung, dass es sozialverträglich ist, wenn sanierter Plattenbau - wie in meiner Heimatstadt, wo ich übrigens auch in dem entsprechenden Aufsichtsrat bin -, ohne dass die Heizung angefasst worden ist,

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

anschließend für 6 €/m² Kaltmiete vermietet wird?

Herr Dr. Grube, wenn es geht, bitte kurz antworten.

Wenn für Sie nur KdU-Sätze sozialverträglich sind, dann ist das nicht sozialverträglich. Die Frage ist die bezahlbare Miete. Für Menschen mit einem normalen Einkommen ist eine Kaltmiete von

6 €/m² hoch; sie sollte nicht weiter steigen. Aber es ist nach wie vor eine bezahlbare Miete. Wir reden nicht über 8 €/m², 10 €/m², 12 €/m². Das ist das, was ich gesagt habe. Zu KdU-Sätzen bekommen Sie natürlich - - Gerade im Plattenbau muss man schauen, wie die Buchwerte sind und wie die Ausgangsmieten waren. Das wird wahrscheinlich schwierig. Wahrscheinlich sind bei Ihnen die KdUSätze ein bisschen anders als bei uns; das kommt hinzu. Sie sind niedriger, keine Frage.

Bei privaten Hauseigentümern oder bei Altbau, bei dem Denkmalschutz besteht usw., ist das sowieso noch einmal eine andere Frage. Ich habe jetzt ausschließlich von den Großbaubeständen, den Plattenbauten usw., geredet. Aber ich bleibe dabei: Es gibt genügend zu reaktivierenden Wohnraum.

(Ulrich Thomas, CDU: Wer soll denn das bezahlen? - Tobias Rausch, AfD: Ja, beim Plattenbau ja, aber bei ordentlichen Häu- sern nicht!)

Vielen Dank, Herr Dr. Grube. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Henke. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist zur Erreichung bezahlbaren Wohnraums nicht geeignet. Abgesehen davon lässt er die tatsächliche Situation in Sachsen-Anhalt weitgehend unbeachtet. Ich darf daran erinnern: Wir haben einen steigenden Leerstand, einen sehr hohen Sanierungsgrad, eine fallende Mietanschlussquote und eine sinkende Bevölkerungszahl zu verzeichnen.

Mein Kollege Dr. Grube, dessen Ausführungen ich vollumfänglich zustimmen kann, hat darauf hingewiesen, dass sich auch die Baufinanzierungskosten durch die Niedrigzinsen nicht so exorbitant nach oben entwickelt haben, wohl aber die Grundstückspreise. Wenn die Mieten steigen, dann doch wohl wegen steigender Ertragserwartungen; das ist doch wohl der Hauptgrund.

(Beifall bei der LINKEN - Matthias Büttner, AfD: Also!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ohnehin bedenklich, wenn eine sehr kleinstaatliche, also nicht einmal bundeseinheitliche - im AfD-Sprech: nationale - Regelung angestrebt wird.

Der Blick des Antragstellers sollte doch über die eigenen Immobiliengeschäftsinteressen hinausgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es war letztlich ein EuGH-Urteil aus dem Jahr 2014, welches Deutschland, also die gesamte Bundesrepublik, zur Umsetzung der europäischen Bauproduktenrichtlinie veranlasste und zu der neuen im Antrag genannten MVV TB führte. Hierbei ging es um die Abgrenzung zwischen Produktanforderungen und Anforderungen an die Bauart. Außerdem galt es, Bauwerksanforderungen zu konkretisieren. Mit der neuen Musterbauordnung aus dem Jahr 2016 und der MVV TB aus dem Jahr 2017 führte Sachsen-Anhalt im Jahr 2018 seine VV TB per Runderlass ein.

Neben Änderungen im bauaufsichtlichen Verfahren und in der Bescheidpraxis gibt es nunmehr einen Ersatz für die Bauregelliste und die Liste der technischen Baubestimmungen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die aktuelle VV TB regelt Grundanforderungen an Bauwerke: mechanische Festigkeit und Standsicherheit,

Brandschutz, Hygiene, Gesundheits- und Brandschutz, Schall- und Wärmeschutz. Hinzu kommen Regelungen für Bauteile, Sonderkonstruktionen und vieles mehr.

Derartige grundlegende Sicherheitsvorschriften sollen nach dem Willen der AfD-Fraktion nun unter anderem von dem Verband der Versicherungsvertreter, dem Verband Haus und Grund sowie dem Ausschuss für Landeentwicklung und Verkehr überprüft werden. Zumindest Letzterem spreche ich aus interner Kenntnis die Qualifikation dafür ab.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Lustig oder entlarvend - ich weiß es nicht - ist die Formulierung in der Begründung: W i r wollen prüfen. - Erste Person Plural. Wer ist wir? - Die AfD? Pluralis Majestatis? - Ich weiß es nicht.

(Dr. Katja Pähle, SPD, lacht)

Also im Ernst: Im Jahr 2014 wurde auf Bundesebene das Bündnis für bezahlbares Wohnen gegründet. Die damit zusammenhängende Baukostensenkungskommission hat neben 300 Einzelempfehlungen auch zehn Punkte für eine Wohnungsbauoffensive genannt, die - ich verweise auf meine Eingangsbemerkung - nicht eins zu eins in Sachsen-Anhalt benötigt werden.

Es wird unter anderem die Normung angesprochen. Jene ist jedoch in nichtstaatlicher Trägerschaft organisiert. An der Fortschreibung von DINVorschriften arbeiten viele Verbände und Institutionen mit. Und ja: Jede, jeder vertritt dort auch wirtschaftliche Eigeninteressen. Je höher der technische Aufwand ist, desto größer sind der Umsatz und der Gewinn. Das kenne ich aus meiner eigenen Berufserfahrung. Aber genauso funktioniert Kapitalismus.

(Zuruf von der AfD - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ich erkläre Ihnen mal den Kapita- lismus!)

Um zu ändern, dass Sicherheitsvorschriften als Renditeermöglichung missbraucht werden können, wird mehr als dieser Antrag benötigt, nämlich eine andere Wirtschafts- und Sozialordnung. Das will die AfD bekanntlich nicht.

(Lachen bei der AfD - Lars-Jörn Zimmer, CDU: Wir sind hier aber nicht in der Volks- kammer! - Tobias Rausch, AfD: Oh Mann!)

Dieses Gerangel um Einfluss und Geschäftsanteile erfolgt also auf der Bundes- und auf der europäischen Ebene. Wenn w i r uns hier mit wem auch immer zusammensetzen, dann sendet es keine Schockwellen nach Berlin oder Brüssel. Die bestehende EU-Gebäuderichtlinie gibt bereits vor, was zu tun ist. Die Ergebnisse des Klimagipfels aus der Vorwoche werden zu Recht kontrovers diskutiert. Sehr geehrte Damen und Herren! Hierzu muss in Sachsen-Anhalt die Debatte fortgesetzt und mit der Strukturwandeldiskussion verbunden werden. Das ist die Herausforderung.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber genau das wird mit diesem Antrag nicht geleistet.

Letzter Punkt: Wie gefährlich die Deregulierung ist, erleben nach dem Urteil des EuGH zur Nichtanwendbarkeit der HOAI aktuell Ingenieure, Planer und Architekten. Die Kannibalisierung der Preise ist in vollem Gang,

(Tobias Rausch, AfD: Oh Mann!)

eine auskömmliche Bezahlung der Fachleute ist unmöglich, die Bauqualität ist gefährdet. Aber Obacht: Sinkende Baupreise gibt es nicht.

Die Fraktion DIE LINKE lehnt diesen Mist ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Henke. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann. Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es heißt, man braucht Weisheit, um zwischen dem zu unterscheiden, was man ändern kann, und dem, was man eben nicht ändern kann. Genau auf einem solchen Feld bewegen wir uns hier. Die Baupreise werden primär durch den Markt bestimmt.

Ich fand es großartig, dass DIE LINKE der AfD hier die Marktwirtschaft erklären muss und noch einmal deutlich macht, was Kapitalismus ist.

(Zustimmung von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

Denn in genau in diesem Umfeld bewegen wir uns. Das kann man bedauern. Das kann man versuchen zu regulieren, wie wir das sehen. Das kann man kritisieren, so wie andere das machen. Aber genau das ist das Umfeld, in dem wir uns bewegen. Die Baukostensenkungskommission ist sehr ausführlich dargestellt und sehr ausführlich erklärt worden. Es hätte vielleicht geholfen - bevor man diesen Antrag formuliert -, wenn man sich die Vorschläge dieser Kommission einmal angeschaut hätte.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE - Matthias Büttner, AfD: Haben wir!)

Es ist auf der Bundesebene zu regeln. Dort gibt es die entsprechenden Akteure, die nicht nur die Kenntnis haben - Kenntnis ist an der Stelle ein zu betonendes Wort -, sondern auch über das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen in Aktion treten. Das geschieht auf der Bundesebene, weil all diese Dinge auf der Bundesebene zu regeln sind.

Ich will in diesem Zusammenhang aber die Chance nutzen, um grundsätzlich für uns GRÜNE festzuhalten, dass unser Primat im Bereich der Wohnungspolitik in Sachsen-Anhalt bei der Sanierung und Instandsetzung liegt. Wir haben heutzutage an vielen Stellen schon die Situation, dass wir sehr zergliederte Landschaften haben, dass wir sehr auseinanderdifferenzierte dörfliche Strukturen haben. Es wird lieber draußen auf der grünen Wiese neu gebaut, als dass man den Ortskern revitalisiert oder als dass man Altbausubstanz saniert.

Hierin sehen wir unsere Aufgabe. Wir müssen Dorfkerne wieder ertüchtigen. Wir müssen revitalisieren. Wir müssen dabei natürlich die energetische und baubiologische Sanierung und Restauration in den Blick nehmen; nicht nur - wie der Kollege Henke es gesagt hat -, weil es die EU-Gebäuderichtlinie gibt, die uns das aufgibt, sondern weil wir auch eine Verpflichtung haben, im Gebäudebereich, der einer der größten CO2-Treiber in Deutschland ist, tätig zu werden.

Ich beschäftige mich lieber mit diesen Fragen. Ich beschäftige mich auch damit, wie man die ökologische Dämmung vorantreiben kann. Ich beschäftige mich damit, wie man innerstädtische Baulücken schließen kann. Von dieser Kommission, die Sie vorschlagen, ist keinerlei Erkenntnisgewinn für Sachsen-Anhalt zu erwarten.