Wenn es denn schon machbare Konzepte gibt, dann können wir nicht verstehen, warum nicht ernsthaft über diese Möglichkeiten nachgedacht wird. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, zeitnah die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um mit der Umsetzung des Modells der Pflegehelferinnenausbildung mit integriertem
Hauptschulabschluss zu beginnen. Selbstverständlich meinen wir es mit dem Zusatz „zeitnah“ sehr ernst und fordern daher bereits im dritten Quartal dieses Jahres eine Berichterstattung in den Ausschüssen für Bildung und Kultur sowie für Arbeit, Soziales und Integration.
In der Debatte ist eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Grimm-Benne. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Fachkräftemangel begegnen, Pflegesituation verbessern, Arbeitsbedingungen in der Pflege optimieren, Umbau der Pflegeversicherung - das sind Stichworte, unter denen Sie mit Ihren Anträgen die Landesregierung zum Handeln auffordern. Auch wenn - diese Anmerkung sei mir gestattet - einige der Aufforderungen hinter der aktuellen Entwicklung zurückbleiben, nutze ich gern die Chance, das Thema in den Fokus zu rücken.
Gestatten Sie mir dazu zunächst einen kurzen Blick nach Berlin auf die Konzertierte Aktion Pflege. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt und auf die hier in der Pflege beschäftigen Männer und Frauen, deren Engagement ich an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben möchte.
Das Bundeskabinett hat gestern das Gesetz für eine bessere Bezahlung in der Altenpflege auf den Weg gebracht. Es sieht zwei Möglichkeiten vor: Entweder wird ein Tarifvertrag verhandelt, der für allgemein verbindlich erklärt werden kann. Gelingt das nicht, soll es höhere Lohnuntergrenzen in der Altenpflege geben, um die Bezahlung anzuheben. Dann würde ein Pflegemindestlohn mit mehreren Stufen bei gleichem Lohn in Ost und West kommen.
Wir brauchen - das haben wir schon in unserer Koalitionsvereinbarung festgehalten - einen Flächentarifvertrag. Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen und eine gute Entlohnung in der Altenpflege.
Bei der Konzertierten Aktion Pflege geht es darum, Maßnahmen zu vereinbaren, die die Arbeitssituation von beruflich Pflegenden nachhaltig verbessern. Die Pflegesituation verbessern, Pflegekräfte stärken, den Beruf attraktiver machen - wie ist das hier bei uns zu erreichen? - Was die Umsetzung des Pflegeberufegesetzes angeht, sind wir auf dem Weg. Infolge der Neugestaltung der Ausbildung wird die Attraktivität des Berufsfeldes erhöht; davon bin ich überzeugt.
Das Thema Pflegehelferausbildung - Sie haben es angesprochen - steht bei uns ebenfalls auf der Agenda. Dies ist in der Enquete-Kommission durch meine Staatssekretärin Beate Bröcker ausführlich angesprochen worden, zumindest der Punkt Schuldgeldfreiheit und die ganzen anderen Punkte, bei denen wir uns ausdrücklich auf den Weg machen.
- Ja. Ich kenne das Projekt der Arbeiterwohlfahrt. Ich würde gern den Weg wie Sachsen gehen. Leider ist der Bildungsminister gerade nicht im Raum. Ich arbeite noch immer daran - das sage ich Ihnen zu -, weil ich finde, es ist ein richtiger Weg, das zu tun.
Auch der Arbeitsschutz ist wichtig. Die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes hat gerade in Berufen, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch ständigen Schichtwechsel und Wochenendarbeitszeiten besonders belastet sind, eine besondere Bedeutung.
Die Arbeitszeitgestaltung ist ein Schlüsselfaktor zur Fachkräftesicherung. Er legt die Basis dafür, dass Beschäftigte in der Pflege dauerhaft ihre eigene Gesundheit erhalten können und motiviert bleiben. Hierbei geht es in erster Linie um die konkrete Gestaltung im Unternehmen. Das Landesamt für Verbraucherschutz hat eine Überwachungsfunktion.
Es geht aber auch um das große Thema „Gute Arbeit“. Das unterstützt mein Haus auf vielfältige Weise. Sie wissen, gestern haben wir eine große Fachkonferenz durchgeführt. Ich hätte sie gern eröffnet. Aber leider hat um 10 Uhr parallel dazu die Landtagssitzung begonnen. Dort war der Pflegebeauftragte anwesend; er hat zum Thema „Gute Arbeit in der Pflege“ gesprochen.
Wir wollen insbesondere Pflegeunternehmen zu zentralen Informations- und Beratungsveranstaltungen einladen. Dort soll nicht nur geredet werden. Wir haben im Oktober 2018 in Magdeburg und in Halle damit begonnen. Zudem führen wir über unsere Programme „Sachsen-Anhalt Weiterbildung Betrieb“ und „Sachsen-Anhalt Weiterbildung direkt“ Weiterbildungs- und Personalentwicklungsmaßnahmen durch. Das ist gut gelaufen. Dass das schon so viele Pflegeunternehmen machen, zeigt, dass sie ihre Fachkräfte halten wollen. Sie wollen sie auch durch die Arbeitszeitgestaltung halten. Deswegen nehmen schon einige an unserem Wettbewerb „Mitarbeiterfreundliches Unternehmen“ teil. Das ist richtig.
Ich weiß, ich habe meine Redezeit schon um eine Minute überzogen. Aber es ist nicht so einfach, das Thema Pflege in drei Minuten abzuhandeln.
Ich möchte nur noch einen Punkt ansprechen, dessen Inhalt mich wirklich sehr verwundert hat. Sie wissen, dass ich schon sehr frühzeitig im letzten Jahr über die Pflegevollversicherung debattiert habe und meine Partei auf den Weg gebracht habe, dies zu tun. Wir hatten den Eindruck, dass das in der großen Koalition vielleicht nichts werden wird. Es kam die Diskussion darüber auf: Kann man den Eigenanteil nicht begrenzen und den Restbetrag, das Mehr, mithilfe von Steuergeldern finanzieren?
Ich war ein bisschen erschrocken, dass die Bundesratsinitiative, die von Hamburg eingebracht wurde und der sich viele angeschlossen haben, von der Tagesordnung des Bundesrates genommen werden musste, weil man festgestellt hat, dass andere Länder dem nicht folgen. Ich denke, dass dies eine Schlüsseldiskussion werden wird und dass diese Problematik nicht nur bei den zu Pflegenden und bei den Angehörigen abgeladen werden darf. Vielmehr sollte auch mit der CDU noch einmal darüber diskutiert werden: Wie können wir Modelle entwickeln, um dieses ganze System zu refinanzieren?
Ansonsten riskieren wir in der Bevölkerung einen Shitstorm, weil die Eigenanteile bzw. die Pflegekosten so hoch werden und die Menschen nicht genau begreifen, warum das so ist. Damit kommen wir politisch in schwieriges Fahrwasser. Wir sollten einen neuen Anlauf nehmen, entweder in der Koalition auf Bundesebene oder über den Bundesrat. - Herzlichen Dank. Ich habe meine Redezeit um 2:30 Minuten überzogen; das müssen Sie jetzt wieder einsparen.
Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Ministerin Frau Grimm-Benne für die Stellungnahme der Landesregierung. Wie sie schon gesagt hat, sie hat ihre Redezeit um etwas mehr als zwei Minuten überzogen. Das als Hinweis für die nachfolgenden Redner. - Für die CDU spricht der Abg. Herr Krull. Herr Krull, Sie haben das Wort.
Danke. - Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Mitglieder des Hohen Hauses! Schon mehrfach hat uns das vielfältige Thema Pflege an dieser Stelle beschäftigt. Dazu kommen zahlreiche Beratungen im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration sowie in der Enquete-Kommission „Die Gesundheitsvorsorge und Pflege in Sachsen-Anhalt konsequent und nachhaltig absichern“. Dort haben wir erst vor wenigen Wochen intensiv über die Situation der Ausbildung in den Pflegeberufen gesprochen bzw. diskutiert.
Nach den Pflegestärkungsgesetzen I bis III, dem Sofortprogramm Pflege und weiteren Initiativen haben sich aktuell gleich drei Bundesministerien auf das Abschlusspapier „Konzertierte Aktion Pflege“ geeinigt. Auf 182 Seiten finden sich zahlreiche wichtige Forderungen. Hier nur eine kleine Auswahl: Es sollen verbindliche Regelungen für die Besetzung von Pflegeheimen und Krankenhäusern mit Pflegekräften geschaffen werden. Die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften sollen verbessert werden. Die Ost-West-Differenzierung beim Pflegemindestlohn soll wegfallen. Auf Vorschlag der Pflegekommission sollen Mindestlöhne festgesetzt werden. Ein Tarifvertrag auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts soll flächendeckend wirken.
Gerade der letzte Punkt ist nicht unumstritten, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die bereits vorgetragene Kritik der privaten Arbeitgeber im Pflegebereich darf hierbei nicht einfach unbeachtet bleiben und zur Seite geschoben werden.
Klar ist aber auch: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegedienst sollen den Lohn bekommen, der ihnen für ihre schwere Arbeit zusteht.
Die Zahlen der Auszubildenden und der ausbildenden Einrichtungen sollen bis zum Jahr 2023 im Bundesdurchschnitt um 10 % steigen. Es sollen mindestens 5 000 Weiterbildungsplätze zur Nachqualifizierung von Pflegehelferinnen und Pflegehelfern etabliert werden. Die Pflegeschulen sollen am Digitalpakt Schule teilhaben können. In der häuslichen stationären Pflege sowie in Krankenhäusern sollen technische Systeme zu Kontrollroutine und logistischen Tätigkeiten vermehrt als Unterstützung eingesetzt werden.
Es werden Mehrkosten von ca. 5 Milliarden € erwartet. Über die Deckung dieser Mehrausgaben wurde leider keine konkrete Aussage getroffen. Es bleibt zu vermuten, dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung von 3,05 % bzw. von 3,3 % bei Kinderlosen weiter steigen wird. Trotzdem wird es vermutlich auch bei den Eigenanteilen in Pflegeheimen von derzeit durchschnittlich 1 218 € in Sachsen-Anhalt - im Vergleich dazu betragen diese in Nordrhein-Westfalen 2252 € - weitere Steigerungen geben.
Es wäre sicherlich schon viel geholfen, wenn die Sätze der Pflegeversicherung für die unterschiedlichen Pflegegrade bei stationärer Unterbringung regelmäßig dynamisiert bzw. der Preisentwicklung angepasst werden würden.
Als Letztes sei daran erinnert, dass von mehr als 110 000 Pflegebedürftigen in unserem Land mehr als 81 000 daheim und wiederum davon fast
51 000 allein durch die Angehörigen versorgt werden. Diese pflegenden Angehörigen dürfen wir bei den entsprechenden Diskussionen auf keinen Fall vergessen.
In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unseren beiden Alternativanträgen.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Krull für den Redebeitrag. - Für die AfD spricht der Abg. Herr Siegmund.
(Ulrich Siegmund, AfD: Jetzt habe ich den Zettel vergessen! - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Aber über mich vorhin lachen! - Ulrich Siegmund, AfD: Ich habe nicht ge- lacht!)
Wenn, dann lächele ich, Frau Lüddemann. - Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident. - Liebe Kollegen! Ich finde es immer ein bisschen schade - das wird in dem Alternativantrag deutlich -, dass die eigentlichen Positionen des Antrages so gut wie nie Eingang finden. Das haben auch andere Fraktionen kritisiert. Das kritisiere ich jetzt auch wieder.
Ich finde, das im Alternativantrag hört sich immer interessant an, das hört sich gut an. Man soll die Arbeitgeber unterstützen und man soll für auskömmliche Löhne sorgen, nicht mehr und nicht weniger. Wie dies konkret erfolgen soll, ist nicht definiert. Aber die eigentlichen Themen, die wir beantragt haben, aus denen dieser Antrag und auch diese Debatte geboren sind, finden in den Alternativantrag überhaupt keinen Eingang. Das ist wie immer schade.
Wir haben Themen beantragt, die darin gar nicht vorkommen. Das betrifft die Wertschätzung des Berufes, den Internationalen Tag der Pflege und die gesundheitliche Prävention in der Pflege. Das alles findet sich darin nicht wieder. Das ist wie immer sehr, sehr schade. Deswegen werden wir uns bei der Abstimmung über den Alternativantrag der Stimme enthalten.
Polemik, sachlich und nüchtern betrachten. Umso nüchterner möchte ich feststellen, dass es wie immer nicht möglich ist, hier Themen zu behandeln, ohne den Integrationsgedanken als Grundlösung für dieses Problem zu sehen. Das ist unmöglich.
Ich möchte Ihnen einmal darlegen, welches Projekt Sie hier eigentlich feiern. Ich habe mir das einmal herausgesucht. Sie haben auf das Projekt in Nordrhein-Westfalen angespielt. Das habe ich mir einmal angeschaut. Bei diesem sogenannten Pilotprojekt Flüchtlinge in der Pflege wurden 25 Asylsuchende, Schutzsuchende - wie man es auch immer definieren möchte in den jeweiligen Regionen - herausgesucht, die in den Pflegeberuf wollten. 25! Nach sechs Monaten waren nur noch acht dabei. Das muss man sich einmal überlegen. Und das soll die Zukunft in der Pflege sein? - Das sehe ich mehr als kritisch.
Noch eine andere Zahl. 890 000 Asylbewerber sind im Jahr 2015 nach Deutschland gekommen. 890 000! Davon sind in der Altenpflege gelandet: 319. Das sind nicht einmal 0,05 %.
Das sind die nüchternen Zahlen. Das sehen Sie als d i e Lösung an. Ich lasse jetzt einmal ohne Polemik die Zahlen sprechen. Jeder soll sich seinen Teil denken.