Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben in Zeiten, in welchen sich ein sehr emotionaler und auch verantwortungsvoller Beruf verändert. Der Beruf des Pflegers, egal ob in der Kran
ken- oder in der Altenpflege, wird leider immer mehr zu einem Automatismus. Menschen verlieren ihr Gesicht und auch ihre Persönlichkeit, wenn man sie nur noch als Zahlen betrachtet. Die Pfleger leider auch unter diesem enormen Druck. Innerhalb kürzester und genau definierter Zeit müssen sie eine immer größere Bandbreite an Aufgaben erledigen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann und darf in unseren Augen nicht so weitergehen.
Für einen eigentlich unabdingbaren Teil ihrer Aufgabe, nämlich für Wärme, für Zuneigung, für eine emotionale Unterstützung oder auch ganz einfach für ein kurzes Gespräch, bleibt leider immer weniger Zeit. Schnell, schnell muss der Patient abgearbeitet werden, da die Liste an Aufgaben für den Tag noch lang ist.
Meine Damen, meine Herren, diese Zustände können wir niemandem zumuten, weder den Patienten noch den Pflegern selbst. Genau hier setzt unser Antrag an. Wir sehen nämlich einen Schlüssel auch im Bereich des Pflegemangels darin, den Beruf an sich attraktiver zu gestalten, damit sich mehr junge Menschen für diesen öffnen und sich für ihn entscheiden.
Eine gute und faire Bezahlung ist selbstverständlich oder sollte selbstverständlich sein. Ich denke, darin sind wir uns alle einig. Zu diesem Bereich möchte ich heute aber nicht sprechen; denn dieser Bereich entwickelt sich zum Glück in die völlig richtige Richtung.
Zu einem attraktiven Berufsbild gehört neben der Bezahlung auch, dass man auf faire und ausgewogene Arbeitsumstände zurückgreifen kann. Geld - das wissen wir alle - ist nicht immer alles. Deswegen sollen die Arbeitsumstände heute in den Fokus gerückt werden.
Familie und Beruf sollen miteinander vereinbart werden können. Das ist selbstverständlich. Man muss wissen, wann man Feierabend hat. Man darf den Körper nicht selbst innerhalb weniger Jahrzehnte abwirtschaften und man muss privat für sich selbst vernünftig planen können.
Wir fordern daher mit unserem Antrag eine bessere Planbarkeit der Arbeitszeiten. Pfleger sollen die Möglichkeit haben, sich etwaige Überstunden nicht nur ausbezahlen zu lassen, sondern diese auch gegen Freizeit einzutauschen. Außerdem muss endlich eine Begrenzung der Überstunden sichergestellt werden. Es gibt Einrichtungen, in denen dem Personal wirklich unfassbare Mengen an Überstunden zugemutet werden. Das geht auf keinen Fall so weiter.
Das nächste Problem ist der gesundheitliche Zustand vieler Pfleger selbst - ein Thema, welches hier in diesem Hohen Haus, soweit ich mich erinnere, noch gar nicht zur Sprache kam. Jeder, der
diesen Beruf einmal begleitet hat oder vielleicht sogar selbst ausgeführt hat, der kann ein Lied davon singen, mit welchen körperlichen Repressalien der Beruf des Pflegers einhergeht. Arthrose und vor allem Bandscheibenvorfälle sind Risiken für das Personal, welche bei der Arbeitszeitplanung der Klinik und auch beim potenziellen Renteneintrittsalter überhaupt nicht berücksichtigt werden.
Wir müssen der Wahrheit ins Gesicht blicken, dass auch die Pflege ein Knochenjob sein kann und dass man es keinem Pfleger zumuten kann und darf, dass er mit 65 oder noch älter 100 kg schwere Patienten anheben und wenden muss. Das geht einfach nicht. Wir brauchen ein gesundheitliches Präventionsprogramm für Pfleger. - Genau das ist ein weiterer Punkt in unserem Antrag.
Auch die öffentliche Wahrnehmung und das Ansehen des Berufs des Pflegers sind entscheidende Merkmale für junge Menschen und auch für Umschüler, wenn es darum geht, sich für diesen Beruf oder für das Berufsbild zu entscheiden. In den Augen der AfD hat der Pflegeberuf - das sage ich hier ganz deutlich -, egal ob in der Alten- oder in der Krankenpflege, überall in unserer Gesellschaft höchste Anerkennung verdient. Daumen hoch und alle Achtung für die Menschen, die täglich in der Pflege Großes leisten!
Liebe Kollegen, diese Sichtweise, die ich eben vorgetragen habe, müssen wir auch in die breite Bevölkerung bringen. Hierzu beantragen wir beispielsweise die Einführung eines öffentlichen Landespreises für die besten Auszubildenden in der Pflege, damit das Thema überhaupt erst einmal richtig in die Öffentlichkeit kommt und damit junge Menschen Mut fassen, den Weg in die Pflege zu wählen.
Außerdem ist der 12. Mai als Tag der Pflege viel, viel intensiver zu zelebrieren. Wir müssen diesen wichtigen Tag intensiver nutzen, um für den Beruf zu werben, um ihn attraktiver erscheinen zu lassen und um den aktiven Pflegern zu danken. Auch das kommt viel zu kurz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Pflege ist es fünf vor zwölf, das wissen Sie alle. Wir möchten - ohne jede Polemik - mit unserem breit gefächerten Antrag Stellschrauben drehen, die Pfleger pflegen, sie glücklicher in ihrem Beruf machen und die Türen für potenzielle neue Pfleger möglichst weit öffnen. Ich denke, Sie können unserem Antrag in allen Punkten zustimmen. Also lassen Sie es uns anpacken, für glückliche Pfleger, für glückliche Patienten und für nachhaltig menschenwürdige Bedingungen in jedem Pflegebereich unseres Landes. - Danke schön.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Siegmund für die Einbringung zu a). - Bevor ich Frau Zoschke das Wort erteile, begrüße ich Studentinnen und Studenten der Hochschule Harz in Halberstadt in unserem Hohen Hause. Seien Sie herzlich willkommen!
Herr Präsident! Nicht zum ersten Mal beschäftigt sich der Landtag mit dem Thema Pflege. Wir gehen davon aus, dass das heute auch nicht zum letzten Mal geschieht. Wir legen einen Antrag vor, der sich mit dem Fachkräftemangel im Bereich Pflege beschäftigt und der zum Finden von innovativen Lösungen auffordert.
Den letzten Anstoß für diesen Antrag hat die in der vergangenen Woche veröffentlichte Pressemitteilung von Ver.di gegeben. Darin heißt es, in den mitteldeutschen Kliniken seien 2019 bereits drei Millionen Überstunden angehäuft worden. Ich zitiere: „Die Pflegebranche entwickelt sich damit gegen den Trend. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung hat für alle Branchen das erste Quartal ausgewertet. Danach hat jeder Deutsche 48 Minuten weniger bezahlte und unbezahlte Überstunden gemacht als im Vorjahreszeitraum.“
Laut Ver.di müssten in der Pflegebranche allein für den Abbau der Überstunden 1 900 Vollzeitkräfte eingestellt werden. - Wenn dies keinen umtreibt, dann weiß ich auch nicht weiter.
Es herrscht ein Fachkräftemangel. Ihn zu beseitigen, bedeutet in erster Linie, ihn anzuerkennen. Ja, wir wissen auch, sowohl die bundesgesetzliche Ebene als auch die Länder sind gegenwärtig in diesem Bereich nicht untätig, zwingt sie doch allein das Pflegeberufereformgesetz dazu, tätig zu werden. Es bleibt dennoch die Frage: Woher nehmen wir die fehlenden Pflegekräfte?
Irgendwie komme ich mir manchmal so vor, als hätten wir zwar in den letzten 20 Jahren viel über den demografischen Wandel diskutiert; dass er tatsächlich kommt und Konsequenzen hat, haben wir bisher weniger begriffen.
Auch die Enquete-Kommission „Die Gesundheitsversorgung und Pflege in Sachsen-Anhalt konsequent und nachhaltig absichern!“ hat sich in zwei inhaltlichen Beratungen mit dem aktuellen Stand
der Umsetzung des Gesetzes zur Pflegeberufereform beschäftigt. In der letzten Beratung war die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen der Bundesagentur für Arbeit unter den Anzuhörenden. Herr Senius hat in seinem Redebeitrag unter anderem deutlich gemacht: Selbst wenn es uns gelänge, alle Absolventen der Schulen eines aktuellen Jahrganges dazu zu bringen, eine Ausbildung in der Pflege aufzunehmen, könnten wir das Fachkräfteproblem dieser Branche nicht lösen.
Was sollte denn einen jungen Menschen dazu bringen, eine Ausbildung und Beschäftigung in der Pflege aufzunehmen?
Ich will an dieser Stelle ein bisschen sarkastisch werden: Die aktuelle Ausbildung und die aktuellen Arbeitsbedingungen sind es bestimmt nicht. 365 Tage im Jahr abrufbar im Dienst, unter Umständen an Sonn- und Feiertagen arbeiten, wenn andere mit ihren Familien etwas unternehmen können, Früh- und Abenddienste absolvieren müssen, losgehen müssen, wenn andere in ihren Feierabend gehen. Hinzu kommen besagte Überstunden, verursacht durch Situationen wie: Kollege krank oder im Urlaub oder gekündigt, weggezogen, in einen anderen Beruf abgewandert oder zur Weiterbildung, was das Positive wäre. - Und das bei einer Bezahlung, die, werte Kolleginnen und Kollegen, unterirdisch ist.
Aus diesem Grund bleiben wir bei unserer Forderung nach einem einheitlichen, flächendeckenden Tarifwerk für die Pflegebranche.
Wir begrüßen es außerordentlich, dass sich am letzten Freitag, also am 14. Juni 2019, die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche gegründet hat und damit eine wichtige Voraussetzung für Verhandlungen für einen Flächentarif gegeben ist.
Damit es nicht zulasten der zu pflegenden Menschen geht, muss die Pflegeversicherung in eine Vollkaskoversicherung umgewandelt werden. Alle bisherigen Lohn- und Gehaltsverbesserungen in den stationären Einrichtungen haben zur Erhöhung der einwohnereinheitlichen Eigenanteile geführt. Ich habe von Angehörigen schon oft den Satz gehört: Wenn das so weitergeht, holen wir eben den Opa wieder aus dem Heim, weil wir es uns nicht mehr leisten können.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden hier von einer Generation, die uns mit ihrer Arbeit unser Leben ermöglicht hat. Und an ihrem Lebensabend sind sie gezwungen, ein Sozialhilfefall zu werden, um ihre eigene Versorgung und Betreuung weiterhin zu ermöglichen. Das kann nicht unser aller Anliegen sein.
Woher sollen denn nun die fehlenden Fachkräfte kommen? - Eine reale und für unser Verständnis auch innovative Lösung sehen wir in dem Angebot an geflüchtete Menschen in unserem Land, das Modellvorhaben Pflegehelferinnenausbildung mit integriertem Hauptschulabschluss umzusetzen. Dazu gibt es neben funktionierenden Konzepten in anderen Bundesländern, zum Beispiel in unserem Nachbarbundesland Niedersachsen,
auch interessierte Träger sowohl der theoretischen als auch der praktischen Ausbildung in unserem Land.
Bereits im Jahr 2015 hat die Arbeiterwohlfahrt sowohl mit einem inhaltlichen als auch mit einem Finanzierungskonzept den Versuch unternommen, über dieses Vorhaben sowohl Integration zu ermöglichen als auch den Fachkräftemangel zu minimieren. Neben dem Erlernen der Sprache, dem Wissenserwerb für den Hauptschulabschluss auch noch eine Orientierung für eine mögliche spätere Berufstätigkeit zu erhalten, ist ein interessantes und für unsere Begriffe sehr innovatives Angebot.
Bei einem erfolgreichen Abschluss sind auch die Voraussetzungen für die anschließende berufsbegleitende Qualifizierung bzw. Weiterbildung zur Pflegefachkraft gegeben. Das setzt allerdings auch das Bleiberecht voraus.
In der Enquete-Kommission ist ein Fall geschildert worden, in dem ein Träger, der sowohl die theoretische als auch die praktische Ausbildung angeboten hat, einem jungen Geflüchteten mit einem hohen Eigeninteresse die Möglichkeit gegeben hat, genau diesen Weg zu beschreiten. Am Ende der Ausbildung, bereits mit dem Wissen um einen Arbeitsvertrag, ist dieser dann in sein Heimatland abgeschoben worden. - So ist niemandem geholfen.
Wenn es denn schon machbare Konzepte gibt, dann können wir nicht verstehen, warum nicht ernsthaft über diese Möglichkeiten nachgedacht wird. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, zeitnah die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um mit der Umsetzung des Modells der Pflegehelferinnenausbildung mit integriertem