Protocol of the Session on May 22, 2019

Deshalb muss man schon einmal die Frage stellen: Wollen wir in Zukunft - das wäre für mich die entscheidende Frage - tatsächlich die Erosion des Eigentums sowohl über das Naturschutzrecht als auch über gesellschaftspolitische Fragestellungen weiter vorantreiben, oder wollen wir das Eigentum dazu nutzen, den Wohlstand und die Freiheit in dieser Gesellschaft weiter zu fördern?

Herr Minister Willingmann, bitte.

Herr Abg. Daldrup, schönen Dank für die Gelegenheit, dazu etwas zu sagen. Ich teile vollends Ihre Auffassung, dass das Eigentum Wesensmerkmal unserer Gesellschaftsordnung ist und damit auch der wesentliche Kern unserer wirtschaftlichen Prosperität. Das ist gar keine Frage.

Dass wir zur Umsetzung politischer Ziele, die wir neben dem Eigentum anerkennen, sagen, dass wir auch in dieses Eigentum eingreifen können, ist seit 1949 geklärt, und zwar in Artikel 14 Abs. 3. Früher war es einmal der Eisenbahnbau, vor allem im 19. Jahrhundert. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es der Straßenbau. Und dann gibt es noch andere Zwecke, aus denen heraus man eingreifen kann.

Sie wissen, dass in der Sammlung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Fragen des Eigentums, seines Schutzes und der Enteignung einen breiten Raum einnehmen. Vor diesem Hintergrund bestätige ich Ihnen gern, dass wir Eigentum und Eigentumsschutz brauchen.

Zugleich brauchen die Politik und die gesellschaftliche Fortentwicklung die Möglichkeit, dort einzugreifen, natürlich nicht in der Form eines entschädigungslosen Eingriffs. Denn das muss man wiederum wissen: Artikel 14 Abs. 3 befindet sich in jenem Teil des Grundgesetzes, der unter Ewigkeitsgarantie steht. Wer also dort eingreift, der will die Bundesrepublik vollständig verändern. Dann gibt es aber auch kein Grundgesetz mehr. Wir fahren damit seit 70 Jahren sehr erfolgreich. Ich glaube nicht, dass irgendjemand ein ernsthaftes Interesse daran haben kann. - Danke.

Vielen Dank, Herr Minister. - Der Abg. Herr Gallert kann jetzt seine Frage stellen. Bitte, Herr Gallert.

Meine Frage richtet sich gemäß den Modalitäten der Fragestunde natürlich an die ganze Landesregierung. Aber wenn der Wirtschaftsminister schon vorn steht, kann er sie auch gern beantworten.

Das Interessante an der ganzen Debatte ist, dass der von Ihnen so bezeichnete jüngere Parteikollege eigentlich moniert hat, dass es bei uns in der Gesellschaft inzwischen eine extrem gefährliche Konzentration von Reichtum und Macht auf einige wenige Strukturen und Personen gibt und gleichzeitig eine immer größer werdende Menge innerhalb der Gesellschaft, die vom Eigentum vollständig und zum Teil auch vom Einkommen in gefährlicher Art und Weise ausgeschlossen ist.

So wie ich die Debatte verstanden habe, fragt er, ob wir diese Entwicklung weiter zulassen wollen oder nicht. Er fordert, dass wir massiv darüber nachdenken müssen, solche Dinge infrage zu stellen. Das ist das, was ich verstanden habe.

Meine Frage an die Landesregierung, explizit an Sie, Herr Minister, ist: Haben Sie das auch so verstanden? Teilen Sie diese Analyse oder teilen Sie sie ausdrücklich nicht? Wenn Sie sie teilen, welche Konsequenzen müssten aus Ihrer Sicht gezogen werden, um eine solche Entwicklung zu verhindern?

Herr Abg. Gallert, vielen Dank für die Frage. Dass der Juso-Vorsitzende Kühnert eine generelle Gerechtigkeitsdebatte anstoßen wollte, ist inzwischen durch ihn selbst erklärt worden. Er hat sich sozusagen authentisch ausgelegt. Diese Gerechtigkeitsdebatte kann man tatsächlich an den von Ihnen aufgeworfenen Fragen festmachen, nämlich an der Frage einer zunehmenden Ungleichverteilung von Vermögen.

Die Lösung des Ganzen besteht aber meines Erachtens - dazu darf ich Ihnen meine politische Auffassung sagen - nicht in der Androhung einer Vergesellschaftung, einer Verstaatlichung, sondern in anderen Instrumentarien, die die Umverteilung ermöglichen. Diese kennen wir ja bereits. Das sind steuerrechtliche oder andere Interventionsmöglichkeiten, die es erlauben, übergroße Unwuchten zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden auszugleichen. Dass wir grundsätzlich aber akzeptieren müssen, dass es in einer freien Gesellschaft eine unterschiedliche Verteilung von Gütern gibt, das gehört ebenfalls zur Marktwirtschaft, zu der wir uns entschieden haben.

Herr Gallert signalisiert, dass er eine Nachfrage hat. Bitte.

Eine Formulierung hat mich jetzt stutzig gemacht. Sie haben gesagt, Sie lehnen in dem Kontext eine Verstaatlichungsdebatte ausdrücklich ab. Nun gut. Sie sprachen danach aber über Steuerpolitik.

Herr Willingmann, ist eine stärkere Besteuerung von Reichtum, zum Beispiel über Vermögensbesteuerung, über Unternehmensbesteuerung, über Einkommensbesteuerung, nicht auch eine Verstaatlichung von Gewinnen, die entweder in die private Kasse fließen oder dem Staat für Sozialpolitik und Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung stehen, also eine Vergesellschaftung von Gewinnen?

Herr Minister Willingmann, bitte.

Das ist theoretisch zunächst der völlig richtige Ansatz. Selbstverständlich kann man in dem Moment, in dem der Staat über Steuern zugreift und damit Eigentum umverteilt, davon sprechen, dass es verstaatlicht wird. Das tun wir nur bislang nicht. Selbstverständlich ist diese Art von Deutung nicht falsch. Es ist aber etwas anderes als das, was wir landläufig unter Verstaatlichung verstehen, nämlich die entschädigungslose Enteignung von Produktionsmitteln, Grund und Boden oder Ähnlichem.

Vielen Dank. - Der nächste Fragesteller ist der Abg. Herr Thomas. Darüber hinaus hat sich Herr Lange gemeldet. - Bitte, Abg. Herr Thomas.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe in meiner ersten Frage darauf abgezielt, dass es nach meiner Auffassung wichtig ist, dass auch die Landesregierung in Person des Wirtschaftsministers in dieser Diskussion klar Stellung bezieht. Ich danke dem Minister für die geschichtlichen Erklärungen, aber ich will noch einmal zu meiner Kernfrage zurückkommen, auch vor dem Hintergrund dessen, was zwischendurch gefragt worden ist.

Herr Minister, wir haben beispielsweise im Süden des Landes einen Strukturwandel zu bewältigen, nämlich den Ausstieg aus der Kohle. Wir diskutieren dort über die Zukunft der Menschen in den nächsten 30 bis 50 Jahren. Wir wollen - das steht auch im Koalitionsvertrag - Unternehmensansiedlungen genauso unterstützen wie Existenzgründungen.

Sind wir denn einer Meinung darin - das ist de facto eine Ja-Nein-Frage, wenn Sie so wollen, also auch kurz zu beantworten -, dass der Kollege Kühnert, den Sie angesprochen haben, seine Meinung haben darf, dass wir als Land SachsenAnhalt aber klipp und klar sagen, dass das Privateigentum der Wirtschaftsbetriebe bei uns heute und in Zukunft sicher sein wird für die Unternehmen und dass vom heutigen Standpunkt aus aus der Sicht der Landesregierung niemand die Sorge haben muss, dass wir in unserem Land ernsthaft über Verstaatlichung oder Vergesellschaftung diskutieren?

Herr Minister.

Die Frage, Herr Abg. Thomas, lässt sich nicht allein mit Ja oder Nein beantworten. Ich will dennoch versuchen, darauf zu erwidern. Eine Vergesellschaftung, eine Verstaatlichung oder eine Kollektivierung kommt in unserem Land nur im Rahmen bestehender Gesetze in Betracht. Es ist also eine Entscheidung des Gesetzgebers, eine solche Maßnahme durchzuführen.

Wenn wir beispielsweise im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten oder mit Großansiedlungen vor dem Problem stehen, dass wir Flächenbedarf haben, den wir im Interesse des Allgemeinwohls nutzen müssen, um beispielsweise Ansiedlungen zu ermöglichen, dann kennen wir bereits die Enteignung. Dagegen hat bisher niemand etwas gehabt, weil wir davon überzeugt sind, dass es ein Wesensmerkmal der Marktwirtschaft ist, dass man auch unter gesetzlich eng gesetzten Bedin

gungen - Artikel 14 Abs. 3 des Grundgesetzes - in das Eigentum eingreifen darf.

Genau unter dieser Maßgabe kann ich Ihre Frage bejahen. Selbstverständlich muss niemand Angst vor Verstaatlichung haben. Im Rahmen bislang geltender Gesetze sind Möglichkeiten dafür geschaffen, aber diese sind auch verfassungsmäßig legitimiert.

(Tobias Rausch, AfD: Erzählen Sie das mal Ihren Kollegen!)

- Wollen Sie etwas fragen?

Vielen Dank, Herr Willingmann. Das war keine offizielle Frage. Wir haben aber noch einen Fragesteller aus der Fraktion DIE LINKE. - Der Abg. Herr Lange möchte noch eine Frage stellen. Bitte, Herr Abgeordneter.

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Prof. Willingmann, nach dem ersten schwer nachvollziehbaren Aufschrei insbesondere des Seeheimer Kreises, der gleich mit Ausschluss gedroht hat, gab es eine Wortmeldung, ich glaube, Ihres Parteikollegen Stegner,

(Ulrich Siegmund, AfD, lachend: Stegner!)

der sagte, ihm ist ein Juso-Vorsitzender, der links der Partei steht, lieber als ein Vorsitzender der Jungen Union, der rechts seiner Partei steht. Teilen Sie dieses Urteil?

(Lachen bei der CDU)

Herr Minister, Bitte.

Ganz einfach: ja.

In der Tat ist das eine Ja-Nein-Frage. Wenn ich mir diese Freiheit erlauben darf, dann beantworte ich sie gern mit Ja. Ich finde es aber vor allem wichtig, dass wir aus dem Bereich der jüngeren Kräfte in unseren Parteien durchaus Anregungen bekommen, die auch politische Gedankenspiele zulassen, zu denen wir vielleicht im vorgerückten Alter nicht mehr so leicht bereit sind und uns bewegen müssen.

(Ulrich Thomas, CDU: Aber nicht Enteig- nung!)

Es gibt eine weitere Wortmeldung, und zwar möchte der Abg. Herr Rausch gern eine Frage stellen. Bitte, Herr Rausch.

Jetzt haben Sie mich doch veranlasst, eine Frage zu stellen, Herr Prof. Willingmann. Finden Sie den Vorschlag von Herrn Kühnert zur Enteignung doch nicht so schlecht, nur im Alter würden Sie es nicht mehr so drastisch ausdrücken?

(Oh! bei der LINKEN)

Nein.

Ich will Ihren Kollegen in der SPD Herrn Kahrs zitieren, der auf die entsprechende Äußerung hin sagte: Was erzählt der denn für einen Unfug? Was hat der geraucht? - Legal kann das nicht gewesen sein.

Ich will nur sagen, dass eine solche Äußerung natürlich sehr umstritten ist. Daher möchte ich Sie als Minister fragen, ob ich es richtig verstanden habe, dass Sie den Grundsatz der Enteignung nicht schlimm fanden.

Nein.

Ich will jetzt noch einmal wissen, wie Sie dazu stehen.

Herr Minister, bitte.

Gern. - Ich könnte etwa vor 20 Minuten noch einmal beginnen. Der Ausgangspunkt ist doch folgender, Herr Abgeordneter: Wir kennen in unserer sozialen Marktwirtschaft den Schutz des Eigentums und wir kennen gesetzlich zugelassene Eingriffe. Sie sind von Verfassungs wegen abgesichert. Es ist, wenn entschädigt wird, erlaubt, zu Zwecken des Allgemeinwohls zu enteignen.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Es ist also nicht falsch, wenn man dieses Gedankenspiel überhaupt erst einmal entfacht. Dass darüber hinausgehend Verstaatlichungen oder

Kollektivierungen, die entschädigungslos beabsichtigt sind, ein schwerer Verstoß gegen das Grundgesetz wären, liegt auf der Hand. Ich habe es gerade erklärt. Das ist sozusagen die Umkehrung dessen, was ich Ihnen gerade gesagt habe.