Protocol of the Session on May 22, 2019

Zu den Vereinen und Verbänden. Dieses Thema kenne ich. Es wird immer dann noch besonders schwierig in der Antragstellung und auch in der Abrechnung, wenn europäische Mittel mit im Spiel sind. Aber auch bei Landes- und Bundesmitteln ist das manchmal ein sehr forderndes und auch ein das Ehrenamt belastendes Verfahren. Darüber bin ich mir durchaus im Klaren. Wir sind aber gebunden an die Landeshaushaltsordnung bzw. auch an den Bundeshaushalt sowie an die Verwaltungsverfahren und die Vorschriften dazu.

Man kann, soll und will auch versuchen, diese Vorschriften so zu handhaben, dass sie dem Ehrenamt in der Arbeitsbelastung möglichst vieles erleichtern. Gleichwohl sind die Vorschriften einzuhalten.

Vielen Dank, Frau Keding. Es gibt eine Nachfrage von dem Abg. Herrn Lange. - Bitte, Herr Lange.

Zunächst freue ich mich über das Problembewusstsein seitens der Landesregierung. Plant die Landesregierung - gerade an den Stellen, an denen Vereine und Verbände im Ehrenamt etwas beantragen und abrechnen müssen -, den Vereinen und Verbänden eine unterstützende Stelle an die Hand zu geben, die dabei helfen könnte, diese doch manchmal sehr komplizierten Verfahren durchzuführen? - Es wäre doch denkbar, so etwas wie ein Fördermittelmanagement aufzubauen, mit dem man den Vereinen und Verbänden Leute an die Hand gibt, die das unterstützen.

Das sind zwei Stichworte, die mich beide dazu bewegen, einmal in Richtung der Regierungsbank zu schauen. Das Stichwort Fördermittelmanagement gab es einmal als großes Stichwort für Betriebe und Unternehmen, für die eine Fördermitteldatenbank eingerichtet werden sollte, ein Fördermittelfinder beim Wirtschaftsministerium. Ich glaube, das ist damals durch die IB auch realisiert worden.

Hinsichtlich der Begriffe Verwaltungsvorschriften und Umsetzung der Landeshaushaltsordnung blicke ich in Richtung Finanzminister. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Müsste jetzt Herr Lange etwas dazu sagen? Oder wie geht das jetzt weiter?

Sie können nur auf das antworten, was Sie wissen, Frau Keding. - Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Anfragen.

Wir kommen nunmehr zum nächsten Fragesteller. Die CDU-Fraktion ist an der Reihe. Herr Abg. Thomas hat sich bereits zu Wort gemeldet. - Herr Daldrup müsste jetzt einmal aus dem Weg gehen, damit der Fragesteller an das Mikrofon herankommt.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich warte gern den Moment ab, bis der Kollege Daldrup seinen Platz eingenommen hat. So viel Zeit darf sein.

Meine Damen und Herren! Wir haben derzeit eine in Deutschland laufende Diskussion, die mir als Wirtschaftspolitiker meiner Fraktion durchaus Sorge bereitet. Wir diskutieren nämlich über Alternativen zum Kapitalismus oder zum kapitalistischen Wirtschaftssystem, das wir in Deutschland nach Ludwig Erhard soziale Marktwirtschaft nennen. Mit dieser Art der Wirtschaftsform hat Deutschland viel Reichtum und Wohlstand erworben.

Es gibt mittlerweile Stimmen, die bundesweit vernehmbar sind, insbesondere aus Parteien wie der SPD, aber auch aus der Grünen-Partei, die davon sprechen, man müsste dieses System überwinden, man müsste Konzerne enteignen,

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

man müsste Unternehmen verstaatlichen. Ich finde diese Diskussionen sehr spannend. Man kann sie auch führen; ich will sie inhaltlich gar nicht bewerten. Aber es ist natürlich wichtig, wie man sich in dieser Diskussion verhält. Ich schaue einmal zu unserem Wirtschaftsminister Herrn Prof. Willingmann. Es ist mir vielleicht entgangen, dass Sie sich zu Wort gemeldet haben und klar für die

soziale Marktwirtschaft Position bezogen haben, wie wir das im Koalitionsvertrag eigentlich getan haben. Deswegen möchte ich Sie persönlich fragen, wie Ihr Standpunkt in dieser Diskussion ist und welche Position Sie einnehmen.

Vielen Dank, Herr Abg. Ulrich Thomas. - Hierauf wird jetzt der Minister Herr Prof. Willingmann antworten. Sie haben das Wort, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Vielen Dank, Herr Abg. Thomas, dass Sie mir die Gelegenheit geben, mich an dieser Stelle zu diesem Thema zu äußern, das sich offenbar auf die Äußerung eines jungen Parteifreundes von mir bezieht, der sich mit der Frage beschäftigt hat, inwieweit man Produktionsmittel in irgendeiner Weise vergesellschaften könne.

(Oliver Kirchner, AfD: Nein, der will den So- zialismus! - Siegfried Borgwardt, CDU: Zum Beispiel BMW!)

- Zum Beispiel BMW hat er dabei genannt. Das war vielen Menschen gleich auch verständlich. Es ist auch prinzipiell lobenswert, wenn sich junge Politiker mit eigenen Ideen, mögen sie auch gedanklich ein bisschen weit in die Vergangenheit zurückreichen, zu Wort melden.

Lassen Sie mich zunächst ein ganz grundsätzliches Bekenntnis zum Eigentum und seiner Herkunft ablegen. Für mich als Mensch, der sich gern mit dem Altertum beschäftigt, ist die Frage der Proprietas oder des Dominiums eine Frage, die uns aus dem römischen Recht schon bekannt ist und die dazu geführt hat, dass auch unsere rechtlichen Vorfahren, nämlich die Römer, das Eigentum und seinen Schutz anerkannt haben. So kommt es über die Jahrhunderte auf uns, dass auch schon in frühen Kodifikationen, nämlich beispielsweise im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 oder im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs aus dem Jahr 1811, die Frage des Eigentums und - das ist das Bezeichnende - auch seiner Enteignung eine Rolle spielt, dort mit dem Terminus Expropriation.

Man könnte also fast sagen, Eigentum und Enteignung gehören zusammen. Dafür spricht, dass wir uns auch in unserer deutschen Geschichte immer wieder mit der Frage beschäftigen mussten, ob der Schutz des Eigentums auf der einen Seite eine Grenze findet, nämlich dadurch, dass der Staat eingreifen darf und dieses Eigentum beschneidet. Besonders drastisch ist die Diskussion nach 1919 geführt worden, als es um die Enteignung der ehemals fürstlichen Häuser ging.

Dafür gab es relativ viel Verständnis und relativ wenig Durchsetzung. Wenn wir uns den europäischen Raum anschauen, dann stellen wir fest, dass das andernorts durchaus eindrucksvoller aussah. Mit anderen Worten: Die Frage von Eigentum und Enteignung, von Vergesellschaftung von Eigentum ist ein historisch durchgängiges Phänomen.

Im Bereich der Fürstenhäuser hat man sich mit dieser Frage übrigens deshalb so intensiv beschäftigt, weil es in vielen der ehemals regierenden Häuser üblich war, durch sehr langfristige erbliche Bindungen im Grunde ein ewiges Eigentum zu schaffen. Wir nennen es Fideikommiss. Gerade diese sehr langen Bindungen waren nicht nur für die Erben, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung eher ein Nachteil. Aus diesem Grunde fand also die intensive Diskussion nach 1919 statt.

Diese Diskussion wird wieder aufgenommen. Im Jahr 1949 hat man sich beim Grundgesetz auch in Deutschland dazu bekannt, dass das Eigentum Wesensmerkmal - Sie haben es so schön gesagt - unserer Form des Kapitalismus, nämlich der sozialen Marktwirtschaft, ist und deshalb nach Artikel 14 zu schützen ist. Zugleich sagen wir in Artikel - -

(Unruhe)

Sehr geehrter Herr Professor, ich würde Sie gern unterbrechen wollen. - Ich weiß, dass diese Thematik vielleicht nicht jeden interessiert,

Was?

aber Sie haben in Ihren Fraktionen auch Fragen und möchten darauf sicherlich gern Antworten bekommen, die Sie auch verstehen können. Deswegen möchte ich Sie bitten, den Geräuschpegel jetzt wieder etwas zu senken. Im Übrigen soll doch die Landesregierung innerhalb von drei Minuten antworten. - Bitte, Herr Prof. Willingmann.

Pardon, Frau Präsidentin! Ich habe mir jetzt ein Beispiel an meiner unglaublich geschätzten Kollegin Keding genommen und gedacht, da mag ich mich doch nicht schelten lassen, dass ich dahinter zurückbleibe. Das war eine sehr kundige Aus

kunft. Außerdem habe ich erst das erste Viertel meiner Vorlesung beendet.

(Heiterkeit bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Im Jahr 1949 entschieden auch wir uns im Grundgesetz dafür, dass auf der einen Seite der Eigentumsschutz steht und auf der anderen Seite die Möglichkeit der Verstaatlichung - Artikel 14 Abs. 3, Sie alle kennen ihn.

Wir finden in Artikel 15 sogar eine besondere Form der Verstaatlichung, nämlich die Vergesellschaftung. Im Bildersturm und unter dem Eindruck der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und des Faschismus in Deutschland war das eine Vorstellung, die gar nicht so absurd erschien, nämlich Produktionsmittel vergesellschaften zu können. Artikel 15 gehört freilich zu jenen Normen unseres Grundgesetzes, die bis heute keine Anwendung gefunden haben. - So weit die praktische Umsetzung der Forderung von Kevin Kühnert. Aber das war, ehrlich gesagt, auch gar keine Forderung, sondern es war eher eine Idee, eine Anregung; die darf man doch haben.

Dass Enteignungen nicht ganz so selten vorkommen, können wir in unserer eigenen Landesverwaltung erkennen. Auch in Sachsen-Anhalt enteignen wir für Infrastrukturmaßnahmen, für Straßenbau, für Bahnen. In den letzten Jahren waren es rund 30 bis 40 Enteignungen. Es laufen einstweilen auch noch weitere Verfahren, etwa 30 bis 40, in aller Regel, um den Straßenbau zu ermöglichen. Noch keine Enteignung gab es bisher bei uns für einen Flughafenbau. Auch das wäre übrigens möglich.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das ist aber nicht die Ursache für den Berliner Flug- hafen!)

- Nein, das ist nicht die Ursache für den BER, das steht außer Frage. Der ist schon staatlich. Aber es ist eine gute Idee, vielleicht darin einen Ansatz für das Problem zu sehen.

Grundsätzlich sind staatliche Unternehmen auch gar nichts Schlechtes. Wir kennen sie in manchen Bereichen der Daseinsvorsorge, kommunale Träger, Wohnungsverwaltungen und Ähnliches. All das scheint mir durchaus entspannt zu sein.

Das, was Kevin Kühnert wohl meint, ist eine Diskussion über die Umverteilung von Reichtum. Seine Idee wird übrigens häufig missverstanden; denn in dem Originalinterview ist von der Kollektivierung die Rede, also von einer besonderen Form der Vergesellschaftung. Er spricht gar nicht von Verstaatlichung im eigentlichen Sinne. Diese Kollektivierung scheint mir eher eine Chiffre zu sein für die Umverteilung zugunsten und im Sinne unserer sozialen Marktwirtschaft, weil wir schon

wissen, dass in unserer Gesellschaft das Eigentum verpflichtet. Dort, wo dies nur unzureichend ausgeübt wird - wir alle kennen Baulücken, Bausünden in manchen Städten -, kann man staatlich eingreifen.

Es ist also im Grunde eine Form des sozialen Ausgleichs unserer Unterschiede. Diesen gestalten wir üblicherweise durch Steuern; das ist klug. Aber man kann ihn grundsätzlich natürlich auch durch Enteignung vornehmen.

Meine Damen und Herren, nun wissen wir alle aber - damit will ich an dieser Stelle zum Schluss kommen; dann können wir, glaube ich, eine kleine Kaffeepause machen -,

Ich will Ihnen nur sagen, auch Ihre drei Minuten sind schon sehr lange um. Aber es gibt noch zwei Fragesteller. Insofern können Sie das verlängern.

dass wir unsere soziale Marktwirtschaft auf dem Grundrecht von Eigentum und Erbrecht aufbauen. Deshalb wird dieser Wirtschaftsminister - damit will ich Ihre Frage beantworten - selbstverständlich mit aller Kraft an der Fortentwicklung der sozialen Marktwirtschaft arbeiten. Er hegt auch keine Wünsche, den Sozialismus aufzubauen. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Willingmann. Es gibt drei Fragen. Die erste Frage wird von dem Abg. Herrn Daldrup gestellt, die zweite von dem Abg. Herrn Gallert und die dritte von dem Abg. Herrn Thomas. - Bitte, Herrn Daldrup.

Herr Minister, Sie haben hier eine historische Replik gemacht. Es ist wirklich schwer, in weniger als drei Minuten von den Römern bis zu BMW zu kommen.

(Heiterkeit bei der SPD - Olaf Meister, GRÜNE, lacht)

Angefangen hat es mit der Bauernbefreiung, die nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, dass das Eigentum personifiziert worden ist und damit auch Prosperität und Freiheit organisiert worden ist. Auch über die Frage der Fürstenenteignung sind an diesen Stellen Freiheitsrechte organisiert worden bis hin zu der Zeit nach dem Krieg. Das haben Sie richtig beschrieben. Doch auch im

Ahlener Programm meiner Partei sind ein paar Sätze enthalten, die aus heutiger Sicht nicht ganz christdemokratisch sind. Gott sei Dank haben wir das so nicht erlebt.

Eigentum ist heute ein wesentlicher Bestandteil unseres Wohlstands und unserer freiheitlichen Grundordnung. Wir haben heute sehr wohl ganz andere Mittel, damit umzugehen, als nur durch Enteignung. Die Enteignung, von der Sie gesprochen haben, ist etwas völlig anderes als die Enteignung bei Infrastrukturmaßnahmen; denn dafür gibt es eine Entschädigung. Kevin Kühnert hat eine Entschädigung ausdrücklich ausgeschlossen.

Wenn wir an dieser Stelle einmal überlegen, wie die Eigentumsverhältnisse bei BMW und bei anderen großen Konzernen sind, dann werden Sie feststellen, dass die Masse der Aktien im Streubesitz ist. Wen enteignen wir denn da?

Deshalb muss man schon einmal die Frage stellen: Wollen wir in Zukunft - das wäre für mich die entscheidende Frage - tatsächlich die Erosion des Eigentums sowohl über das Naturschutzrecht als auch über gesellschaftspolitische Fragestellungen weiter vorantreiben, oder wollen wir das Eigentum dazu nutzen, den Wohlstand und die Freiheit in dieser Gesellschaft weiter zu fördern?