Protocol of the Session on September 1, 2016

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen bitte ich Sie, Frau Präsidentin, unter Buchstabe b des Antrags hinter dem Wort „Truppenübungsplätze“ die Worte „Altmark, Zeitzer Forst und Altengrabow“ einzufügen. Ich gebe Ihnen das hiermit schriftlich.

(Der Redner überreicht Präsidentin Gabrie- le Brakebusch ein Schriftstück)

Wir bitten, unseren so geänderten Antrag anzunehmen. - Danke.

Vielen Dank, Herr Gallert. - Bevor jetzt für die Landesregierung Herr Minister Holger Stahlknecht spricht, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler der Landesschule Pforta aus Naumburg herzlich zu begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über Frieden zu sprechen ist immer lohnenswert und aktuell, nicht nur am heutigen Tage.

Rufen wir uns allein die Meldungen aus den Abendnachrichten der letzten Monate oder die Schlagzeilen in den Zeitungen der letzten Monate kurz ins Gedächtnis, so müssen wir feststellen, dass wir global gesehen wahrlich in unfriedlichen Zeiten leben. Unzählige Menschen leiden überall auf der Welt unter Krieg und seinen Folgen und viele Menschen aus Krisen- und Kriegsgebieten nehmen alle Habe und allen Mut zusammen und begeben sich auf eine riskante Flucht bis vor unsere Haustür, um dem Elend des Krieges bei sich daheim zu entrinnen.

So erleben auch wir im reichen Westen bzw. friedlichen Norden seit einiger Zeit mittelbar und nicht mehr nur als Fernsehzuschauer oder Zeitungsleser die Folgen von Krieg und Gewalt.

Der jährliche Weltfriedenstag fällt auf das Datum, an dem Hitlers Wehrmacht im Jahr 1939 Polen überfiel. Wir alle kennen die schrecklichen Folgen - Herr Gallert und Frau Pähle haben dies auch ausgeführt - dieses Kriegsbeginns vor 77 Jahren.

Der Weltfriedenstag führt uns zugleich - ich deutete es bereits an - die viel zu vielen Kriegsschauplätze unserer Gegenwart vor Augen. So bietet uns der heutige Tag eine gute Gelegenheit, auch einmal, wenn wir es hier schon debattieren, in uns zu gehen.

Zunächst kann uns allen dieser Tag, so denke ich, ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit vermitteln; denn machen wir uns vor dem Hintergrund unserer Geschichte und der unzähligen Schreckensmeldungen Tag für Tag dankbar bewusst, wie wenig selbstverständlich es ist, in Frieden leben zu dürfen. Frieden war und ist eben keine Selbstverständlichkeit.

Aber, meine Damen und Herren, was ist Frieden überhaupt? - Ich denke, wir können den heutigen Tag auch dafür nutzen, uns einmal zu fragen, was Frieden eigentlich bedeutet bzw. bedeuten soll. Meint Frieden nur die Abwesenheit von Krieg? - Nein, Friede meint mehr. Für uns muss Frieden die allererste unserer Verpflichtungen sein, im Großen wie im Kleinen, Tag für Tag.

Gustav Heinemann formulierte es in seiner Antrittsrede als Bundespräsident im Jahr 1969 als erste politische Verpflichtung und auch unser Grundgesetz und unsere Landesverfassung unterstreichen es: Wir alle haben die Verpflichtung, dem Frieden zu dienen.

Ich habe die Frage aufgeworfen: Was ist Frieden eigentlich? - So schillernd der Begriff Friede auch

ist, so schwer ist es zugleich, eine allgemein gültige Definition dafür zu finden. Für mich als für Sicherheit zuständigen Innenminister, als Reserveoffizier der Bundeswehr, als Juristen und auch als Christ ist Friede unbedingt mit Recht verbunden. Schließlich gehört zum Frieden immer auch eine Friedensordnung; denn Friede und Recht bzw. Frieden und Gerechtigkeit hängen untrennbar miteinander zusammen. Für die Bibel ist Friede gar ein Werk der Gerechtigkeit.

Wo Unrecht herrscht und Recht mit Füßen getreten wird und wo Ungerechtigkeit an der Macht ist, dort ist der Friede gefährdet und, ja, zum Teil zerbrochen. Friede ist zugleich nie endgültiger Besitz, sondern eine immer wieder neu zu erfüllende Aufgabe und Herausforderung.

Um diese Aufgabe der Friedensherstellung und -sicherung bewältigen zu können, bedarf es engagierter und tatkräftiger Akteure. Ich denke hierbei auch an unsere Polizistinnen und Polizisten, die im ganzen Land den Frieden im Kleinen bewahren oder wiederherstellen, und das 365 Tage im Jahr, 24 Stunden rund um die Uhr. Dabei riskieren sie nicht selten Leib und Leben. Auch dies kann man am Weltfriedenstag meiner Meinung nach durchaus einmal voller Dankbarkeit erwähnen.

Natürlich denke ich bei der Friedenssicherung auch an die Bundeswehr und an die gut 4 500 Soldatinnen und Soldaten, die in Sachsen-Anhalt stationiert sind. Die Landesregierung steht - das möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen - zu unseren Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Denn die Bundeswehr ist der Garant für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, für den Schutz der eigenen Bevölkerung und damit auch für den Frieden.

In den mehr als 60 Jahren ihres Bestehens haben sich die Aufgaben der Bundeswehr gewandelt. Die Zahl der Krisenherde weltweit wurde nicht geringer, was unsere Soldatinnen und Soldaten vor enorme Herausforderungen stellt. Die Bundeswehr kann in entsprechenden Einsatzgebieten wertvolle Hilfe zur Selbsthilfe leisten, um die einheimischen Kräfte dabei zu unterstützen, Sicherheit wiederherzustellen und dadurch der Bevölkerung eine Rückkehr in ein friedliches Leben zu ermöglichen.

Die vielfältigen neuen Aufgaben bringen für die Soldatinnen und Soldaten neue Gefahren mit sich und machen eine gute Ausbildung unentbehrlich. Darum sage ich ganz deutlich, dass Sparen an der Bundeswehr nur mit Augenmaß geschehen kann; denn die Sicherheit unserer Soldatinnen

und Soldaten darf niemals unter Finanzierungsvorbehalt stehen.

Die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten erfordert aber auch eine adäquate Vorbereitung. Daher sind Truppenübungen auch bei uns in Sachsen-Anhalt eine gute Möglichkeit, Ernstfälle zu simulieren, Ausnahmesituationen zu üben und so am Ende hoffentlich Leben und auch das eigene zu retten.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frieden braucht Sicherheit und Sicherheit braucht Garanten, die Frieden, Freiheit und Sicherheit gewährleisten. Die Landesregierung ist auch in Zukunft sehr an einer partnerschaftlichen und gedeihlichen Zusammenarbeit mit der Bundeswehr interessiert. Deshalb plädiere ich als Mitglied der Landesregierung und als Mitglied meiner Fraktion dafür, den Antrag der Fraktion DIE LINKE abzulehnen.

Wie wichtig eine gut ausgestattete Armee ist, konnten und können wir in Sachsen-Anhalt immer wieder ganz direkt erleben. Ich denke hier natürlich sofort an die Unterstützung der Soldatinnen und Soldaten bei der Bewältigung der Hochwasserkatastrophe vor drei Jahren. Die Bundeswehr war sofort zur Stelle und half im gesamten Land.

Auch bei der Flüchtlingssituation konnten wir uns auf die Unterstützung der Bundeswehr verlassen. Für diese Unterstützung, für das damit einhergehende Engagement und auch für die professionelle Zusammenarbeit sei der Bundeswehr nochmals ausdrücklich gedankt.

(Zustimmung von Minister Marco Tullner)

Ich wünsche mir, dass wir uns dies immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass wir denen dankbar gegenübertreten, die Frieden und Sicherheit jeden Tag für uns verteidigen und sicherstellen, dass wir uns hier im Hohen Hause das Bemühen, nach Frieden zu streben, wechselseitig nie absprechen mögen, und das nicht nur am Weltfriedenstag. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der AfD und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir fahren in der Debatte fort. Nun ist die Abg. Frau Lüddemann an der Reihe. Sie haben das Wort, Frau Lüddemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin froh über diese Debatte. Es war in den Koalitionsfraktionen völlig unstrittig, gemeinsam, 77 Jahre nachdem einer der verheerendsten Kriege der Menschheits

geschichte von deutschem Boden ausging, diese Debatte zu beantragen.

Das Thema ist leider, so muss man sagen, einer Aktuellen Debatte auch würdig. Krieg ist präsenter in der Welt als je zuvor. Die Anzahl der Konflikte steigt rasant und damit auch die Anzahl der Opfer. Ich will hier explizit nicht nur auf die Todesopfer eingehen. Selbstverständlich ist jedes Menschenleben, das frühzeitig beendet wird, beklagenswert und eines zu viel; ihr Tod ist unsinnig.

Wir wissen aber aus Schilderungen von Überlebenden, von Geflüchteten, dass es für die Opfer des Krieges, die überlebt haben, fast genau so schlimm ist. Sie sind für ihr Leben gezeichnet und aus der Bahn geworfen. Die Erlebnisse des Krieges wird man nie wieder los.

Das gilt gleichermaßen für das afghanische Mädchen, das unter unmenschlichen Bedingungen in einem griechischen Flüchtlingslager sitzt, für den körperlich und geistig ausgetrockneten Flüchtling am Rande der Sahara, für meine Großmutter, die aus den vormals sudetendeutschen Gebieten kam, für den gefolterten chinesischen Oppositionellen, der eigentlich Tibeter ist, für den 13-jährigen Jungen aus dem Südsudan, der es nicht mehr aushalten konnte, Kindersoldat zu sein.

Die Liste könnte ich schier unendlich fortsetzen. Denn wir erleben aktuell weltweit eine der größten Flüchtlingsbewegungen aller Zeiten. Auf YouTube kann man sich das unter dem Stichwort „Weltkarte des Grauens“ plastisch vor Augen führen. Dort gibt es ein immer wieder aktualisiertes Video.

Aber eigentlich braucht es diese Videos nicht. Denn erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ist Krieg auch im Herzen Europas angekommen. Die Ukraine und andere Kriegsherde wurden schon angesprochen. Wir können uns vor den Auswirkungen des Krieges nicht mehr wegducken. Es ist nicht mehr nur eine Fernsehsendung, die man abschalten kann. Was wir auch hier bei uns in Europa, in Deutschland und in Sachsen-Anhalt erleben, insbesondere im letzten Jahr, das ist das wahre Leben.

Und, werte Kolleginnen und Kollegen, das ist erst der Anfang. Dass die Zahl der Geflüchteten, die derzeit Deutschland und damit auch SachsenAnhalt erreichen, nach unten geht, sollte uns nicht täuschen. Die Zahl der Konflikte - ich habe es eben erwähnt - geht nach oben.

Die Gründe für kriegerische Auseinandersetzungen nehmen zu. Es geht längst nicht mehr nur um Gebietskonflikte oder Grenzstreitigkeiten, es geht nicht mehr nur um die Auseinandersetzung zwischen sich diametral gegenüberstehenden politischen Systemen oder unterschiedlichen Religionen, um die Auseinandersetzung um Frauenrechte oder das Recht auf Bildung für alle. Insbe

sondere auf dem afrikanischen Kontinent geht es um das nackte Überleben. Es geht um den Kampf um natürliche Ressourcen, um den Kampf um Wasser und bebaubare Böden.

Wir Grünen streiten nicht umsonst seit Jahrzehnten für eine intensivere Entwicklungszusammenarbeit als Krisenprävention. Für uns ist das Bestreben, Vorreiter in der Entwicklung von umweltschonenden Verfahren, in der Erprobung von Umweltstandards oder auch dem eigenen Maßhalten zu sein, ein konsequenter Beitrag zur Minimierung von globalen Konflikten. Wir dürfen nicht gleichgültig werden, nicht gleichgültig gegenüber unserem eigenen Beitrag und nicht gleichgültig gegenüber globalen Zusammenhängen.

Ich habe zum Jahresanfang mit großer Faszination die Rede gelesen, die Papst Franziskus anlässlich des katholischen Weltfriedenstages am 1. Januar gehalten hat: „Überwinde die Gleichgültigkeit und erringe den Frieden“. Das spricht mir aus der Seele. Wir müssen sehen, was sich in der Welt tut, und wir müssen anerkennen, was das mit unserem eigenen Leben tun hat, wie wir selbst als Einzelperson, aber auch als Gesamtheit der sogenannten ersten Welt, der privilegierten Staaten des globalen Nordens dazu beitragen, dass es diese vielen kriegerischen Auseinandersetzungen gibt.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Wenn wir einmal ehrlich sind, dann tun viele von uns so - der eine mehr, der andere weniger -, als säßen wir hier auf einer Insel der Glückseligen. Wir tun niemandem etwas, also soll auch uns niemand etwas tun oder uns gar zu nahe kommen.

Dabei sind wir als Teil dieser Gesellschaft mitverantwortlich, auch für deutsche Waffenexporte, die aus meiner Sicht gerade in den letzten Monaten in einem nicht nachvollziehbaren Maße gestiegen sind. Wir sind auch verantwortlich für Landverknappung in Afrika, wenn wir hier nach wie vor auf Kosten der Menschen auf der Südhalbkugel leben.

Für uns Grüne ist neben dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen die friedliche Nutzung derselben zum Wohle aller Menschen essenzieller Teil des Grundkonsenses unserer Partei. Wir haben eine lange pazifistische Tradition.

Im Westen Deutschlands speist sich das aus dem Kampf gegen neue Atomwaffen, aus der Friedensbewegung der 80er-Jahre, aus dem Kampf gegen die Nachrüstung. Für den hiesigen Teil will ich an die Initiativen „Schwerter zu Pflugscharen“ oder „Frauen für den Frieden“ erinnern. Das gipfelte in den Zeiten der friedlichen Revolution in der Entwaffnung der Kampfgruppen

und dem nicht nachlassenden Einsatz für Konversion militärischer Flächen.