Protocol of the Session on September 1, 2016

und dem nicht nachlassenden Einsatz für Konversion militärischer Flächen.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle, dass ich der BI „Offene Heide“ gratuliere, die heute - ich glaube zeitgleich, zu dieser Stunde - den Aachener Friedenspreis erhält,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

eine Initiative, in der sich Menschen parteiübergreifend in, wie ich finde, vorbildlicher Weise engagieren.

Ich will nicht verhehlen, dass wir als Grüne in der friedenspolitischen Debatte einen längeren Weg gegangen sind. Für uns ist klar - das ist, glaube ich, ein Unterschied in der Betrachtung zu der Partei DIE LINKE -: Wir brauchen die Bundeswehr als Parlamentsarmee unter demokratischer Kontrolle - das ist mir ganz wichtig -, aber auch als Teil der UNO. Sie steht im allerhöchsten Ausnahmefall auch für Einsätze im Ausland zur Verfügung; zwingende Voraussetzung ist ein UNMandat. Es gilt, die Menschenrechte weltweit zu verteidigen.

Der Einsatz der Bundeswehr, ja jeglicher Einsatz militärischer Mittel ist für uns ganz klar die Ultima Ratio. Wir stehen für die Stärkung ziviler Krisenprävention, für die Stärkung friedlicher Konfliktbewältigungsstrategien.

Wir sind als Grüne - das sollte unser aller ureigenes Interesse als Menschen sein - bestrebt, nachhaltige Entwicklung auf der ganzen Welt voranzutreiben. Nur derjenige, der sich in seinem Umfeld wertgeschätzt fühlt, der dort eine sichere Einkommensperspektive hat, der dort nach Menschenrechten leben kann, der wird nicht auf das Territorium seines Nachbarn gehen, wird nicht mit kriegerischen Mitteln um sein Überleben kämpfen müssen.

Mir ist klar, dass eine funktionstüchtige Bundeswehr angemessen ausgestattet sein muss, dass der Einsatz von Waffen geübt werden muss. In welcher Weise das geschieht und in welchem Umfang, genau das sind die Fragen, die wir zu besprechen haben. Wenn gestern vermeldet wurde, dass die im Bau befindliche Übungsstadt Schnöggersburg - der Kollege Gallert hat es angesprochen - noch einmal um 40 Millionen € teurer werden soll, dann ist das für meine Fraktion nicht nur frag- und diskussionswürdig, es ist schlicht unsinnig und unverständlich.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen versichern, dass wir als Grüne das Spannungsfeld zwischen der Einsatzerprobung der Bundeswehr und der Stärkung ziviler Krisenintervention sehr

ernst nehmen. Ich möchte keiner Mutter erklären müssen, warum wir ihrem Kind nicht helfen konnten, weder der deutschen Mutter, warum ihr Sohn mit technischem Kampfgerät nicht entsprechend vertraut war und sterben musste, noch der syrischen Mutter, warum sie aufgrund von deutschen Waffenexporten ihr Kind verloren hat.

Wir Grünen stehen grundsätzlich für das internationale Konzept der Schutzverantwortung. Wir glauben an die Fähigkeit des Menschen, auch über sein eigenes Erleben hinaus Verantwortung für die Menschheit zu übernehmen. Wir glauben an die Überwindung von Resignation und von Gleichgültigkeit und an eine Zukunft des globalen Miteinanders ohne kriegerische Mittel. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Lüddemann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Bevor ich dem Abg. Herrn Farle von der Fraktion der AfD das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Ihnen mitzuteilen, dass Schülerinnen und Schüler des Privatgymnasiums Tangermünde und Seniorinnen und Senioren aus Zabitz und vom Verein Volkssolidarität Wulfen bei uns zu Gast sind. Herzlich Willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Farle, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über ein äußerst wichtiges Thema. Wir müssen uns fragen, welche Lehren man aus dem 1. September 1939 zieht und was es für unsere heutige Zeit bedeutet.

Der Hitlerfaschismus hat die größte Barbarei, die man sich vorstellen kann, angerichtet mit vielen, vielen Millionen Toten. Ich nenne nur einige wenige Zahlen. Bei dem Überfall auf Polen sind letztlich sechs Millionen Menschen umgekommen. 1,5 Millionen Menschen waren es in Südeuropa. Die Hauptlast der getöteten Menschen hat Russland getragen. Dort mussten im Zweiten Weltkrieg 27 Millionen Menschen das Leben lassen.

Die wichtigste Lehre ist für mich: Es dürfen von unserem Land nie wieder Kriege ausgehen, vorbereitet oder unterstützt werden. Wir wollen nie wieder Faschismus. Wir wollen auch nie wieder Krieg und erst recht nicht von deutschem Boden ausgehende unterstützende Handlungen für kriegerische Politik.

(Beifall bei der AfD - Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

Ich möchte aber nicht versäumen zu erwähnen, dass der Ausdruck der äußersten Barbarei darin bestand, dass der Hitlerfaschismus mit Parolen wie „Volk ohne Raum“, mit einer rassistischen Überlegenheit gegenüber anderen Menschen und Völkern sechs Millionen jüdische Menschen im Rahmen des Holocaust das Leben gekostet hat. So etwas darf sich ebenfalls nicht wiederholen. Auch das gehört zu den Lehren, die wir daraus zu ziehen haben.

Jetzt frage ich mich: Welche Politik betreibt die Bundesregierung? Werden diese Lehren berücksichtigt? - Ich sage als Erstes, von deutschem Boden geht wieder Krieg aus. Ich erinnere an den Drohnenkrieg. Im Juni dieses Jahres gab es Demonstrationen dagegen. In der US-Airbase Ramstein wird der Drohnenkrieg der USA aktiv befördert.

Irgendwo in Pakistan, irgendwo in der Welt steigen Drohnen auf. Dem amerikanischen Präsidenten werden Todeslisten vorgelegt, auf denen er unterzeichnet, wer zum Abschluss freigegeben wird. Da wird ein Kollateralschaden - so nennt es die verrückte Sprache, die mittlerweile in diesen Kreisen herrscht - von 1 zu 40 in Kauf genommen. Auf einen getöteten Terroristen, mutmaßlich getöteten Terroristen oder einen Menschen, den irgendein Geheimdienst zu Unrecht beschuldigt, ein Terrorist zu sein, sterben 40 Zivilisten.

Die Bundesregierung hat es bis heute nicht zustande gebracht, sich dagegen zu verwahren, dass das von deutschem Boden aus gemacht wird. Meine Damen und Herren, das ist ein Skandal.

(Zustimmung bei der AfD)

Nun zum zweiten Thema. Es ging schon zweimal in der Weltgeschichte gegen Russland, und zwar ganz massiv. Napoleon Bonaparte hat sich eine Abfuhr geholt. Die deutsche Wehrmacht hat es auch nicht geschafft. Im Gegenteil, es wurde zu einem Schlachtfeld, und die Menschen haben überall gelitten, in Russland und auch hier bei uns.

Es darf keinen dritten Versuch mehr geben, die russischen Bodenschätze durch kriegerische

Maßnahmen zu erobern.

(Zustimmung bei der AfD)

Es geht nicht, dass man Handel treibt, eine Sicherheitspartnerschaft eingeht und gleichzeitig dieses Land erneut angreift. Das Ergebnis trifft auch uns hier in Deutschland wieder ganz hart.

Welche Maßnahmen ergreift eigentlich die

NATO? Was macht die NATO eigentlich? - Wir haben doch alle offene Augen. Die NATO umzingelt Russland. Fünf große Militärstützpunkte der NATO sind Innerhalb der letzten zwei Jah

re an der Grenze zu Russland aufgebaut worden.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Haben Sie die Krim-Annexion nicht mitbekommen?)

- Das habe ich mitbekommen. Das war keine Annexion, sondern das war eine Sezession. Darauf wird Herr Poggenburg noch eingehen. Wenn Sie es nicht begreifen, tut es mir leid.

(Zustimmung bei der AfD - Sebastian Strie- gel, GRÜNE: Das ist doch absurd!)

Fünf Militärstützpunkte sind dort neu aufgebaut worden, obwohl man sich beim Zwei-plus-vierVertrag einig war, dass die NATO nicht nach Osten expandiert.

Das Nächste, was kommt, ist die Modernisierung der Atomwaffen. Die wenigsten wissen das. Wir haben Atomwaffen der USA in Deutschland. Jetzt muss man sich wirklich festhalten: Diese werden auf Bomber geladen, auf F 16 und andere. Diese werden nach Osten geflogen. Wer soll sie fliegen? - Soldaten unserer deutschen Bundeswehr.

Das geht nicht. Von deutschem Boden darf nicht nur kein Krieg ausgehen, sondern unsere Soldaten dürfen auch nicht unter dem Kommando einer ausländischen Macht stehen, die unsere Soldaten wieder gegen Russland in Gang setzt. Nein, das wollen wir nicht.

(Zustimmung bei der AfD)

Der dritte Fakt, den man ansprechen muss, der vielleicht der erheblichste ist: 40 000 Soldaten werden bei der NATO in einer Eingreiftruppe zusammengestellt - den englischen Namen lesen Sie bitte im Antrag der LINKEN nach -, die im Osten wirken kann. Ich weiß nicht, wie viele deutsche Soldaten unter diesen 40 000 Soldaten sind. Ich bin mir aber sicher, dass das größte Kontingent dieser Truppe von der Bundesrepublik Deutschland gestellt wird.

Wenn deutsche Soldaten in kriegerische Handlungen eingebunden sind - auch wenn es nur begrenzte Konflikte sind -, dann ist genau das eingetreten, was wir verhindern wollen, nämlich Särge deutscher Soldaten, die zu uns nach Hause kommen, weil andere einen Krieg führen wollen. Das wollen wir nicht.

(Zustimmung bei der AfD)

Wenn man Krieg führen will gegen andere, dann muss man das Gesicht der anderen verkleistern, nicht mehr sehen. Die muss man als Menschen nicht mehr kennen. Die Nazis haben daraus einen Überlegenheitswahn produziert mit ihrem Rassenquatsch.

Hier haben wir aber die Situation, dass Putin in unserem Land dämonisiert wird, dass man mit

russischen Politikern nicht mehr sprechen darf - diese dürfen noch nicht einmal einreisen - und dass man Wirtschaftssanktionen verhängt, um Handel und Wandel zu unterbinden, weil diese Kräfte ganz genau wissen: Wer miteinander Handel treibt, sich tagtäglich sieht und Wirtschaftskontrakte schließt, der schießt nicht auf einander. Wer durchsetzt, dass unsere Handelsbeziehungen zerstört werden, der hat nichts Gutes im Sinne.

(Zustimmung bei der AfD)

Ich glaube, ich muss auf die Zeit achten. - Einen wichtigen Konfliktherd muss ich aber noch ansprechen. Es ist genau so, wie es Herr Gallert und ein anderer gesagt haben. In Syrien erleben wir, dass Deutschland auf zwei Seiten engagiert ist. Wir liefern Waffen in Konfliktgebiete. Das ist meiner Meinung nach und auch nach Auffassung der AfD völlig unverantwortlich.

Wir stellen Aufklärungsflugzeuge für einen Herrn Erdogan zur Verfügung. Unsere Bundestagsabgeordneten dürfen den Standort aber gar nicht besuchen. Da wird jetzt an die Tür geklopft: Dürfen wir als Bundestagsabgeordnete zu unserer Truppe fahren, die in der Türkei stationiert ist? - Das ist doch ein Witz. Wir schützen sie, sie lehnen jedoch ab, dass man überhaupt dorthin fahren kann.

Auf der anderen Seite werden die Daten, die unsere Aufklärungsflugzeuge liefern, genutzt, um gegen die Kurden zu schießen. Die Kurden wiederum sind die Hauptträger des Kampfes gegen die IS-Miliz. Was läuft denn da ab? - Da kann man doch nur den Schluss ziehen, dass die Bundeswehr nur dann eingesetzt werden darf, wenn unsere Sicherheitsinteressen betroffen sind.

Wenn man darüber hinaus noch weiß, dass vor der syrischen Küste gigantische Erdgas- und Erdölvorkommen liegen und dass es letztendlich nur darum geht, dass die Saudis Pipelines durch dieses Land ziehen wollen, dann weiß man auch, warum sich die USA so engagiert haben, diesen IS hochzupäppeln. Jetzt merken die USA jedoch, dass der IS zu groß geworden ist, und gehen dagegen vor. Das kann doch nicht sein.