Wenn wir jetzt auch im Bereich der Polizei- und Ermittlungsbehörden einen Personalaufwuchs zu verzeichnen haben und die Bediensteten alle ausgebildet ihren Dienst tun, müssen wir dann nicht damit rechnen, dass noch mehr Haftbefehle vollstreckt werden, dass Straftaten dementsprechend auch anders verfolgt werden und dass infolgedessen die Zahl der Strafgefangenen vielleicht noch einmal neu bemessen und nach oben korrigiert werden muss?
Wir haben im Land Sachsen-Anhalt nach wie vor eine zurückgehende Bevölkerungszahl zu verzeichnen. Es ist immer schwierig zu prognostizieren, wie viele Strafgefangenen es geben wird, welche Kriminalitätsentwicklung sich ergeben wird. Aber es gibt eine Beziehung zur Gesamtbevölkerungszahl. Bezüglich der Zahl der Personen, die wir hinter Gittern haben, gehen wir gemeinsam mit dem Finanzministerium von einem Wert zwischen 0,7 und 0,8 Promille der Gesamtbevölkerung aus.
Im Januar dieses Jahres - das ist in der Tat so - ist eine Reihe von zusätzlichen Haftbefehlen vollstreckt worden bzw. ist es möglich geworden, die betreffenden Personen ins Gefängnis zu bringen. Darunter sind sehr viele Ersatzfreiheitsstrafen. Diese Zuführung ist schlagartig vorgenommen worden. Ich rechne nicht damit, dass sich das im Jahr 2019 genauso prozentual widerspiegelt. Ich gehe im Augenblick davon aus, dass wir mit den 1 650 Plätzen ab dem Jahr 2025 auskömmlich ausgestattet sind.
Auch dazu ein Wort: Diese drei Vollzugsstandorte haben nicht nur damit etwas zu tun, dass der Vollzug effektiver organisiert werden kann, dass wir uns damit sehr viele Sicherheitsinvestitionen, die wir ansonsten vornehmen müssten, in den Altvollzug in Halle und in Volkstedt ersparen kön
nen, sondern sie haben auch etwas damit zu tun, dass der Vollzug mit Blick auf die Häftlinge anders und individueller organisiert werden kann. Wir können andere Angebote machen, wenn wir eine Reihe von Gefangenen haben, als wenn es sich um sehr kleine Anstalten handelt.
Bevor wir in die Aussprache eintreten, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Seelandschule in Nachterstedt im Hohen Hause. Seien Sie herzlich willkommen!
Noch eine Bemerkung. Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Durch Abgeordnete wurde an das Präsidium herangetragen, dass der Abg. Herr Poggenburg ein Abzeichen trägt, auf dem das Symbol der blauen Kornblume abgebildet ist. Ich möchte dazu an diejenigen gerichtet, die das dem Präsidium zugetragen haben, bemerken, dass das Präsidium darüber in der Mittagspause beraten und anschließend hierzu eine Erklärung abgeben wird.
Im Ältestenrat wurde die Redezeitstruktur „F“ vereinbart, also eine Debattendauer von 120 Minuten, vereinbart. Die Reihenfolge und die Redezeiten stellen sich wie folgt dar: AfD 22 Minuten, SPD zwölf Minuten, DIE LINKE 17 Minuten, die GRÜNEN fünf Minuten und die CDU 32 Minuten.
Falls jemand die Zeiten abgleicht, möchte ich noch auf die Drs. 7/3878 verweisen, nach der sich die Redezeiten etwas geändert haben.
Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank. Einen kleinen Moment noch. Jetzt hat das Rednerpult meine Arbeitshöhe erreicht.
Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Keding, es ist kein leichtes Erbe, ein Ressort wie das Ihre von den Sozialdemokraten zu übernehmen. Unter der SPD standen in der Vergan
genheit im Bereich Justiz und Gleichstellung Gender-Koffer und Beratungsverträge im Mittelpunkt, jedoch nie oder sehr selten die eigentlichen Justizbeamten, die trotz widriger Umstände alles am Laufen hielten.
Auch wurde in dieser Zeit die öffentlich-private Partnerschaft, zum Beispiel bei der JVA Burg, eingefädelt, die unser Bundesland bis zum Jahr 2034 finanziell knechten wird. In einem Quartal geben Sie dafür beispielsweise rund 2 Millionen € aus. Das ist der Antwort auf die Kleine Anfrage der LINKEN - nicht von uns - in der Drs. 7/545 aus dem Jahr 2016 zu entnehmen.
Da wir gerade bei den Haftanstalten sind, bleiben wir gleich bei den Haftverbüßungen. In SachsenAnhalt sind nach aktuellem Stand von 1 935 Haftplätzen - das war einer Ausgabe der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom Januar dieses Jahres zu entnehmen - 1 580 Haftplätze belegt. Das heißt, wir haben nach diesen Zahlen gegenwärtig 355 freie Haftplätze. Wir aber schicken von Sachsen-Anhalt - und das seit 2009 unter damaliger Verantwortung von Frau Ministerin KolbJanssen für das Justizressort - unsere gegenwärtig 70 einsitzenden weiblichen Gefangenen in die JVA Luckau-Duben - das ist vertraglich geregelt - nach Brandenburg, obwohl wir hier, wie gesagt, 355 freie Haftplätze haben. Begründet wird das mit den fehlenden Haftplätzen für weibliche Gefangene.
Wie gesagt, 355 Haftplätze sind hier frei und nicht belegt. Das kostet uns allein im Haushaltsjahr 2019 - wir haben bei Einzelplan 11 Kapitel 11 30 nachgeschaut - rund 2,75 Millionen €,
Seit Bestehen dieses Kooperationsvertrages haben wir schon knapp 20 Millionen € nach Brandenburg überwiesen und verpulvert. Wir hätten also schon lange eine separate Haftunterbringung der weiblichen Gefangenen in Sachsen-Anhalt organisieren können.
Es wäre einfach, alles auf die SPD-Vorgänger im Bereich Justiz zu schieben. In den drei zurückliegenden Jahren hatte die ressortführende CDU genug Zeit, um im Bereich Justiz und Gleichstellung prägende konservative Zeichen zu setzen.
Frau Keding, Sie tragen seit dem Jahr 1985 - ich habe nachgeschaut - das CDU-Parteibuch. Das spürt man in Sachsen-Anhalt aber nicht. Schauen wir ohne Berücksichtigung Ihrer Parteizugehörigkeit einmal auf diese Legislaturperiode zurück, so könnte man annehmen, das Justizressort wird von einer grünen und einer roten Ministerin verwaltet.
Eine Linienführung der CDU ist nicht einmal homöopathisch wahrnehmbar. Die CDU ähnelt immer mehr einer blassen Kopie der roten oder grünen Ideologen.
(Angela Gorr, CDU: Na ja! - Siegfried Borg- wardt, CDU, auf die Bänke der SPD und der GRÜNEN weisend: Das sehen die an- ders!)
Nächster Fakt. Schauen wir einmal auf die Gerichte. Die Verwaltungsgerichte sind hoffnungslos überlastet. Die Richter an den Verwaltungsgerichten befassen sich mit einer Welle von abgelehnten Asylverfahren. Andere Dinge bleiben deshalb mit langen Wartezeiten liegen.
Schauen wir weiter auf unsere Gerichtsvollzieher. Der Landesverband der Gerichtsvollzieher berichtet uns über viele gescheiterte Vollstreckungen. Eine davon betraf die „HaSi“ in Halle. Sie hätten im letzten Jahr im Plenum auf unseren Antrag zur Änderung des entsprechenden Runderlasses eingehen können. Das haben Sie von der CDU aber nicht getan. Sie schützen dadurch auch Titelschuldner, lassen Vollstreckungen platzen und schwächen damit indirekt den Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt und die Firmen, die darunter leiden, die ihrem sauer verdienten Geld nachlaufen.
Das ist ein Kapitel, das wir noch aufmachen werden. Unsere mittelständischen Unternehmen zahlen nämlich Steuern und dürfen einen verlässlichen Landespartner erwarten, wenn sie unsere staatliche Hilfe bei der Einforderung von Schulden benötigen. Verbessern Sie also die Situation der Gerichtsvollzieher! Das beginnt bei der Nachwuchsgewinnung. Bereits jetzt haben wir einen Fehlstand von 26 Stellen zu verzeichnen. In den nächsten Jahren werden es aufgrund von Altersabgängen 80 fehlende Gerichtsvollzieher sein. Über liegen gebliebene Haftbefehle wollen wir heute gar nicht reden.
Bisher lassen Sie die Gerichtsvollzieher in anderen Bundesländern in der Laufbahn des mittleren Dienstes ausbilden. Bei den Anforderungen an diesen Beruf wäre eine Aufwertung der Ausbildung an einer Fachhochschule zu Beamten des gehobenen Dienst der logische Schritt.
Sachsen-Anhalt sollte selbstbewusst daran arbeiten, eine solche Ausbildung selbst hinzubekommen und sich damit im Rahmen einer Standortbewerbung für andere anzubieten.
In dieser Legislaturperiode haben wir uns in den Ausschüssen auch über den völlig inakzeptablen Stand der Justizwachtmeister gestritten. 26 Neueinstellungen sind überhaupt keine Antwort auf die Überalterung und die damit verbundenen Personalabgänge. Stattdessen beauftragen Sie von
der Justiz private Fremdfirmen mit Sicherheitsaufgaben an unseren Gerichten und den Staatsanwaltschaften sowie mit Transportaufgaben und geben dafür Steuergelder aus.
Eine logische Folge der anstehenden Tarifabschlüsse im privaten Sicherheitsgewerbe - das wissen Sie genauso wie wir - sind erhebliche Mehrkosten im Haushalt. Dafür geben Sie großzügig Gelder aus, aber für eine zeitgemäße Besoldung und Beförderung Ihrer eigenen Justizmitarbeiter reicht es hinten und vorn nicht.
Eine rückständige Besoldung dieser Männer und Frauen im einfachen - man höre und staune: einfachen - Justizwachtmeisterdienst ist unhaltbar. Jemanden mit der Besoldung der Besoldungsgruppe A 6 30 Jahre lang nach Hause zu schicken, gehört sich überhaupt nicht, Frau Ministerin. Selbst das rot regierte Thüringen hat diese Ungerechtigkeit schon lange abgeschafft.
Damit schlagen wir den Bogen zum Feinkonzept der Personalstrategie der Landesregierung bei der Justiz. Darin wurde vom Gewinnen und Anwerben junger gut qualifizierter Menschen getönt. Sie sprachen vorhin in Ihrer Rede von Initiativen, davon, wie man Leute in allen Bereichen gewinnen kann. Dabei fiel auch das Wort Amtsanwalt.
Wir hören von Rückkehrerprogramm, um aus Sachsen-Anhalt abgewanderte Menschen zurückzugewinnen. In der Praxis reicht es in Ihrem Ressort aber nicht einmal dazu, eine junge Amtsanwältin - ich habe sie bereits erwähnt - aus Sachsen-Anhalt in ihre alte Heimat zurückzuholen, die jetzt in Süddeutschland arbeitet. Die junge Mutter wollte aus familiären Gründen gern zurück und wandte sich bittend, aber erfolglos an Sie von der Justiz und auch an den Petitionsausschuss. Ihr Ministerium stellte sich quer und ekelte damit eine in Sachsen-Anhalt verwurzelte qualifizierte rückkehrwillige junge Mutter einfach weg mit dem Ausbildungsstatus Amtsanwältin. Und hier suchen wir Leute und stellen sie ein.
Nicht einmal hierbei zeigen Sie mit einer Einzelfallhärteregelung guten Willen und Führungskompetenz. Sie hätten das mit einem einzigen Telefonat regeln können. Einmal die Frage in die Runde der Regierung: Wer hat von Ihnen eigentlich selbst Kinder?
Sie sprachen vorhin in Ihrer Rede von Rechtsfrieden. Nach diesem medial unbekannten Einzelschicksal dieser Amtsanwältin machen wir einmal weiter mit in der Öffentlichkeit bekannteren Fehlleistungen Ihrer Ressorts, nämlich mit gravierenden Fehlleistungen Ihres Spitzenpersonals.
Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau genannt werden, der mit dem Tötungsfall des Marcus H. aus Wittenberg negativ in die Geschichte eingegangen ist. Neben seiner unsäglichen Rolle als Leiter der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau konnte es dieser hohe Beamte auch nicht lassen, öffentlich bei linken Netzwerkveranstaltungen aufzutreten - trotz seines Amtes. Auch in diesem Fall erfolgte von Ihrem Haus nie eine disziplinarische Maßregelung mit dem Hinweis auf ein politisches Mäßigungsgebot.