Protocol of the Session on June 3, 2016

Erstens. Hätte die Entwicklung des Standorts durch andere Förderbedingungen beeinflusst werden können?

Zweitens - noch wichtiger. Wie können wir die GRW so umbauen, dass Fördergelder künftig noch effektiver durch unser Land genutzt werden.

Auf diese wichtigen Fragen wollen wir Antworten finden; doch dabei kann es keine Schnellschüsse geben. Das will ich Ihnen an einem Beispiel deutlich machen. Ich habe schon mehrfach die Forderung gehört, die Zweckbindungsfristen der GRWFördermittel von jetzt fünf auf zehn oder gar 15 Jahre zu verlängern. Das würde auf den ersten Blick auch Sinn machen. Die Firmen werden gezwungen, entsprechend lange vor Ort zu produzieren und Dauerarbeitsplätze zu besetzen. Ansonsten droht die Rückzahlung von Fördermitteln.

Dabei darf man aber folgenden Fakt nicht außer Acht lassen, nämlich dass wir in Sachsen-Anhalt im Standort- und Förderwettbewerb mit anderen Ländern stehen.

Bei einer isolierten Verlängerung der Zweckbindungsfristen hätten wir zwar in der Theorie vielleicht das beste Fördersystem für das Land; doch das nützt nichts, wenn Investoren dann in der Praxis einen großen Bogen um unser Land machen. Gerade bei der Erweiterung der Klemme AG gab es den Wettbewerb auch mit dem benachbarten Thüringen. Welche Firma kann schon heute abschätzen, wie sich der Markt in den 15 Jahren entwickelt?

Sehr geehrte Damen und Herren! Beim Umbau der GRW-Förderung geht Sorgfalt vor Schnelligkeit. Das heißt nicht, dass wir im Schlafwagen unterwegs sein wollen. Im Gegenteil: Ganz aktuell haben wir im Wirtschaftsministerium bereits eine Projektgruppe zu diesem Thema ins Leben gerufen. Hierin werden auch die Investitionsbank sowie die IMG des Landes mitarbeiten.

Unser Ziel ist es, bis zum Jahresende einen Vorschlag zum Umbau der GRW-Förderung auf den Tisch zu legen. Dafür werden wir einen breiten Dialog mit Verbänden, mit Gewerkschaften, aber selbstverständlich auch mit Ihnen, den Abgeordneten des Landtages führen.

Ein Schwerpunkt wird auch die Abstimmung mit den anderen ostdeutschen Ländern sein, um einen Fördermittelwettbewerb zulasten der Länder zu vermeiden.

Wir wollen die GRW-Förderung künftig noch effektiver einsetzen. Zum Dialog darüber lade ich Sie recht herzlich ein. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Minister, es gibt eine Nachfrage des Abg. Knöchel. Sind Sie bereit, diese Frage zu beantworten?

Ja.

Herr Kollege Knöchel, bitte.

Herr Minister, richtig ist: Die GRW-Förderung muss umgebaut werden. Im Endergebnis hat eine Mehrfachförderung stattgefunden. Zum einen ist der Standort in Klötze gefördert worden - dort gibt es 500 Arbeitsplätze - und zum anderen der Standort in Eisleben. Am Ende sind - Herr Höppner hat es ausgeführt - minus 205 Arbeitsplätze über die GRW-Mittel gefördert worden. Also ist mit Steuergeldern, die die Bürgerinnen und Bürger bezahlt haben, ein Arbeitsplatzabbau finanziert worden.

Uns interessiert, welche Gesamtkonzernbewertung können Sie sich denn - - Es geht nicht darum, überhaupt keine Fördermittel mehr auszureichen. Aber man muss ja eine Konzernbetrachtung durchführen. Welche Möglichkeiten für eine solche Konzernbetrachtung sehen Sie denn?

Das wird ein Teil sein, denke ich, der in diese Diskussion einfließen wird. Klar ist: Es sind zwei völlig selbstständige Unternehmen, die einen Mutterkonzern haben; das ist richtig. Deswegen wurden diese zwei getrennten Unternehmen getrennt voneinander gefördert. Deswegen muss auch jeder Unternehmensteil für sich erklären und darstellen, dass es die Bedingungen erfüllt. Das ist bisher der Fall. Es gibt bisher keine Überprüfung, in der der Konzern insgesamt eine Rolle spielt.

Wofür ich mich einsetzen werde - - Es ist ein Fakt, dass bei einer Verlagerung von Produktionsstätten zwischen Bundesländern bereits jetzt eine Anzeigepflicht vorhanden ist und dass es diesen Punkt in einem Land bisher nicht gibt. Das wird auch ein Punkt sein; den wir im Rahmen der GRW diskutieren müssen. Aber man muss die beiden Teile vollkommen getrennt voneinander betrachten.

Vielen Dank, Herr Minister. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Begrüßen Sie mit mir recht herzlich Schülerinnen und Schüler der Weitling-Sekundarschule in Magdeburg.

(Beifall im ganzen Hause)

Liebe Schülerinnen und Schüler, ihr erlebt jetzt eine Aktuelle Debatte. Hierbei geht es um die Schließung eines Unternehmensstandortes in der Altmark. Daran sieht man, hier wird Politik konkret.

Für die CDU Fraktion spricht der Abg. Herr Thomas. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Debatte hat zweifellos keinen schönen Anlass. Seitens der CDUFraktion bedauern wir sehr, dass wir in der Altmark ein für die Region wichtiges Unternehmen aller Voraussicht nach verlieren werden.

Es ist überhaupt keine Frage, dass wir uns eine andere Entwicklung bei Fricopan gewünscht hätten und dass wir natürlich hoffen, dass es eine Lösung im Sinne Belegschaft geben wird; denn eigentlich ist die Entwicklung des Unternehmens eine Erfolgsgeschichte. Quasi auf der grünen Wiese in den 90er-Jahren gegründet, entwickelt sich das Unternehmen sehr schnell. Das Geschäftsmodell geht auf, es wird regelmäßig investiert, die Zahl der Arbeitsplätze steigt rapide an. Fricopan mausert sich zu einem der größten Unternehmen in der Altmark.

Ein wichtiger Bestandteil für die weitere Entwicklung war die Landesförderung in Form der früheren GA, heute GRW. Wer, meine Damen und Herren, die Situation in den 90er-Jahren noch im Hinterkopf hat, der weiß, wie schwer es damals für ein junges Unternehmen war, an Kredite für notwendige Investitionen zu kommen.

Das Land Sachsen-Anhalt hat Fricopan in der Zeit des stetigen Wachstums erfolgreich unter die Arme gegriffen. Ich kann mich übrigens noch gut erinnern, als die Bäckerinnung unseres Landes beklagte, dass industrielle Backunternehmen gefördert würden, aber der Bäckermeister mit einem kleinen Unternehmen nicht.

Ich erwähne dies nur am Rande, um daran zu erinnern, dass Fricopan mit seinen industriell gefertigten Massenprodukten natürlich selbst für einen massiven Verdrängungswettbewerb im Backgewerbe gesorgt hat. Das ist nicht ganz unwichtig; denn wir reden hierbei von einem Markt, der sich seit Jahren vorrangig über den Preis definiert. Seinerzeit mussten viele Bäcker mit einem kleinen Unternehmen aufgeben. Heute läuft ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb in der Branche, der sich darüber hinaus zunehmend internationalisiert. Ich werde später noch einmal darauf zurückkommen.

Wir haben in den zurückliegenden Wochen viel über Fricopan gelesen. Dass das Schicksal der dort Beschäftigten von großem Interesse ist, dürfte jedem klar sein. Die Altmark ist nicht gerade mit großen Unternehmen gesegnet, genauso wenig wie sie mit einer für die Wirtschaft wichtigen Infrastruktur gesegnet ist. Aus diesem Grund habe ich großes Verständnis für das öffentliche Interesse, auch hier im Hohen Haus.

Aber, meine verehrten Damen und Herren, als Wirtschaftspolitiker wird man sehr schnell unruhig, spätestens dann, wenn pauschal ein Sündenbock für die aktuelle Situation bestimmt wird.

Wie die Fraktion DIE LINKE darauf kommt, dass ausgerechnet die GA- oder heutige GRW-Förderung, die in den zurückliegenden Jahren sehr erfolgreich in strukturarmen Gebieten Sachsen-Anhalts gewirkt hat, an dem Rückzug der Aryzta AG aus der Altmark verantwortlich sei, das bleibt mir ein Rätsel; denn ohne die damalige Investitionsförderung des Landes hätte es womöglich überhaupt kein Unternehmen namens Fricopan gegeben und damit ein Unternehmen, das über Jahre hinweg vielen Menschen in der Altmark einen Arbeitsplatz gegeben hat und vielleicht auch noch weitergeben wird.

Zum Schluss waren es mehr als 500 Beschäftigungsverhältnisse. Allein an dieser Entwicklung zeigt sich, dass die damalige Entscheidung, das Unternehmen zu fördern, richtig war. Das, meine Damen und Herren, ist auch ein Teil der Wahrheit.

Ich weiß nicht, ob der LINKEN aufgefallen ist, dass auch die GRW-Förderung inzwischen angepasst wurde. Erst im Jahr 2012 hat die damalige Koalition von CDU und SPD das System der Investitionsförderung für Sachsen-Anhalt grundsätzlich umgestellt. Seit dieser Zeit gilt hierzulande ein relativ geringer Basisfördersatz, der durch ein sogenanntes Bonussystem erhöht werden kann. Das war uns damals wichtig, weil wir es für angebracht hielten, nach den notwendigen Aufbaujahren, in denen in der Tat vorrangig neue Arbeitsplätze im Fokus standen, mehr Qualität in die Investition und Wirtschaftsförderung unseres Landes einzubringen.

Ein weiterer Grund für diese Anpassungen waren rückläufige Mittel in der Wirtschaftsförderung, sodass die Koalitionsfraktionen einen Schwerpunkt auf die Effizienzverbesserung der geförderten Maßnahmen gelegt haben.

Meine Damen und Herren! Die CDU hat sich stets dafür eingesetzt, dass das Instrument der Investitionsförderung allen Regionen - ich betone: allen Regionen - Sachsen-Anhalts zur Verfügung steht. Auch an dieser Stelle gab es in den letzten Jahren durchaus den einen oder anderen Versuch, Fördermittel nur noch auf Halle und Magdeburg zu konzentrieren. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass ein Investor entscheidet, wo er sich ansiedelt, und nicht die Politik.

Aber lassen Sie mich zur neu gefassten GRWRichtlinie aus dem Jahr 2012 zurückkommen. DIE LINKE fordert in ihrem Antrag ein Umsteuern in der Wirtschaftspolitik; dies wäre dringend nötig, um die Richtlinie der GRW zu reformieren.

Aber genau das haben wir bereits getan. Wir haben die Tarifbindung als zusätzliches Förderkriterium aufgenommen. Wir haben das Thema Ausbildung genauso gewichtet wie die Themen Forschung und Entwicklung. Das Umwelt- und Ressourcenmanagement wird ebenfalls belohnt. Hierzu haben wir Kriterien wie die Reduktion gefährlicher Stoffe, den Einsatz nachwachsender Rohstoffe, die Verbesserung des Immissions-, Gewässer- und Bodenschutzes, die Energieeinsparung durch den Einsatz erneuerbarer Energien, das Energiemanagement oder die Mitgliedschaft in der Umweltallianz verankert.

Die neue GRW setzt auf kleine und mittelständische Unternehmen und auf zukunftsfähige neue Arbeitsplätze.

Uns als CDU-Fraktion war es besonders wichtig, dass sich der Hauptsitz des zu fördernden Unternehmens in Sachsen-Anhalt befinden soll. So haben wir die für uns wichtigen wirtschaftspolitischen Schwerpunkte gesetzt und wird der Investor motiviert, seine Förderhöhe entsprechend selbst zu bestimmen. Der Erfolg, meine Damen und Herren, gibt uns hierbei Recht.

Trotz rückläufiger Mittel steigt das Investitionsvolumen weiter an. Inzwischen haben wir ein Verhältnis von über 1 : 5. Sprich: Mit einer Förderung von 1 Million € generieren wir 5,1 Millionen € an investiven Mitteln. Allein im Jahr 2014 konnten mit Mitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe in Höhe von 142 Millionen € Investitionen in einem Umfang von mehr als 721 Millionen € ausgelöst werden.

Aufgrund der Investitionen wurden seinerzeit 2 563 Arbeitsplätze neu geschaffen. Im Jahr 2013 waren es sogar 3 144 neue Beschäftigungsverhältnisse in Sachsen-Anhalt.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass diese Arbeitskräfte gut entlohnt worden sind und die Entlohnung nicht in der Nähe der Mindestlohngrenze liegt. Die GRW-Förderung, meine Damen und Herren, darf als Erfolgsgeschichte gewertet werden. Die Umstellung auf ein Zuschlagssystem war richtig und wird von den Unternehmen positiv angenommen.

Im Übrigen möchte ich darauf verweisen, dass die Wirtschaftsförderung zu einer der erfolgreichsten Förderkulissen in unserem Bundesland gehört. In keinem Bereich der Landesförderung erfolgte der Mitteleinsatz effektiver. Auch die Ausfallquoten, zum Beispiel durch Insolvenzen, sind in den zurückliegenden Jahren überschaubar geblieben. Das sage ich auch vor dem Hintergrund, dass ich davor warnen möchte, Einzelfälle zum Standard oder zu allgemeingültigen Regelsätzen zu erheben.

Unter dem Strich - auch das gehört zur Wahrheit - hat Fricopan die eingesetzten Mittel mit Sicherheit

durch seine Wirtschaftskraft in der Region und über sein Steueraufkommen zurückgezahlt, sodass dem Steuerzahler kein Schaden entstanden sein dürfte.

(Zuruf von der LINKEN)

Nur der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, dass wir bei der Investitionsförderung Sachsen-Anhalts über die GRW hinaus auch auf Bürgschaften und Beteiligungen setzen. Damit sind wir für die unterschiedlichen Anforderungen der Investoren gut gerüstet. Auch das sollte einmal positiv erwähnt werden.

Aus diesem Grund ist mir der Antrag der LINKEN etwas schleierhaft. Dort steht zwar etwas von Umsteuern in der Überschrift, aber wohin, bleibt offen. Dass die GRW-Förderung an der Schließung des Werkes in Immekath schuld sein soll, erschließt sich mir ebenfalls nicht.

Wer sich mit der Backwarenbranche auseinandersetzt, der wird schnell feststellen, dass es in den zurückliegenden 20 Jahren in keinem anderen Bereich der Ernährungsindustrie größere Umbrüche gegeben hat.

Als das Unternehmen Fricopan gegründet wurde, fand die erste Phase des Verdrängungswettbewerbs statt. Damals erwischte es nämlich reihenweise das familiengeführte Bäckerhandwerk mit der Folge, dass wir heute kaum noch selbstständige und inhabergeführte Backstuben haben.

Anfang der 90-Jahre erlebte das Shop-in-ShopGeschäft seine Blüte. Das war die Zeit, als die Discounter und Supermärkte begannen, Bäcker und Fleischer in ihren Eingangsbereichen zu etablieren. Diese wiederum wuchsen zu eigenständigen Ketten, die ihre Waren preiswert und frisch rund um die Uhr anbieten konnten. Es war die, wenn Sie so wollen, Blütezeit des Aufbackbrötchens. Das kann man gut finden oder auch nicht.

Schlussendlich haben die Verbraucher durch ihr Konsumverhalten diese Entwicklung befördert. Der Bedarf an Convenience-Backprodukten wuchs stets. So verwundert es wenig, dass sich ein Unternehmen wie Fricopan in dieser Zeit gründen und entwickeln konnte. Fricopan industrialisierte gemeinsam mit seinen Mitbewerbern das Bäckerhandwerk und trug damit auch zur Verdrängung kleiner Backstuben bei, ohne dass sich beispielsweise Gewerkschaften daran störten. Man war einfach nur froh über die Arbeitsplätze in der Altmark und das kann man auch gut verstehen.

Inzwischen hat sich das Blatt aber dramatisch gewendet. Die Branche leidet seit Jahren an einem Überangebot und an einem enormen Preiskampf. Hinzukommen offene Grenzen, die den deutschen Tiefkühlbackwarenherstellern enorme Konkurrenz auch aus Osteuropa bescheren.