Protocol of the Session on October 24, 2018

Im Ergebnis der Beratung bestätigte der Verkehrsausschuss seine vorläufige Beschlussempfehlung sowie die Beschlussempfehlung des mitberatenden Sozialausschusses ohne weitere Änderungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr verabschiedete mit 6 : 5 :0 Stimmen die Ihnen als Drs. 7/3489 vorliegende Beschlussempfehlung. Im Namen des Ausschusses für Landesentwicklung und Verkehr bitte ich um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Büttner. - Es wurde eine Dreiminutendebatte vereinbart. Doch zuvor spricht für die Landesregierung der Minister Herr Webel. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung reagieren wir auf die in Sachsen-Anhalt bekannt gewordenen Fälle von unhaltbaren Wohnverhältnissen. Den Gemeinden sollen Handlungsmöglichkeiten eingeräumt werden, um künftig bei gravierenden Missständen, Verwahrlosung oder unvertretbarer Überbelegung einschreiten zu können.

Entsprechend der Zielrichtung, unlautere Vermietungspraktiken mit untragbaren Wohnverhältnissen zu unterbinden, sieht die Beschlussempfehlung Mindestanforderungen an Wohnraum vor. Der Eigentümer bzw. Vermieter ist dabei verpflichtet, vermieteten Wohnraum so auszustatten, dass die gesetzlichen Mindestanforderungen

eingehalten und erhebliche Beeinträchtigungen des Gebrauchs zu Wohnzwecken vermieden werden.

Die Beschlussempfehlung sieht außerdem eine Mindestwohnfläche je Bewohner vor. Für jeden Bewohner muss eine Wohnfläche von mindestens 9 m² und für ein Kind bis zu sechs Jahren von 6 m² vorhanden sein. Diese Vorgaben entsprechen den Regelungen in den Wohnungsaufsichtsgesetzen der anderen Länder.

Kommt der Eigentümer seiner Verpflichtung nicht nach, soll die Gemeinde nach der Beschlussempfehlung die Befugnis erhalten, die Beseitigung der Mängel anzuordnen. Werden die gesetzlichen Mindestwohnflächen unterschritten, kann die Gemeinde die Räumung von Wohnraum verlangen, bis der Zustand einer ordnungsgemäßen Belegung erreicht ist. Die Gemeinde hat hierbei die persönlichen und familiären Verhältnisse zu berücksichtigen, um soziale Härten zu vermeiden.

Ist eine Beseitigung von gravierenden Mängeln tatsächlich nicht möglich oder wirtschaftlich unzumutbar, kann die Gemeinde als schärfstes Mittel den Wohnraum für unbewohnbar erklären. Der Wohnraum darf dann nicht mehr für Wohnzwecke überlassen oder genutzt werden.

In Sachsen-Anhalt ist nicht von einem angespannten Wohnungsmarkt auszugehen. Wohnungssuchende sind deshalb nicht auf die Anmietung von desolatem oder überbelegtem Wohnraum angewiesen.

Um unlauteren Geschäftspraktiken entgegenzuwirken, sieht die Beschlussempfehlung erhebliche Geldbußen bei Verstößen gegen die Verpflichtungen aus dem Gesetz vor. Vermietern, die unter Verstoß gegen die Mindestwohnflächenregelung eine Wohnung überlassen oder erhebliche Missstände nicht abstellen, drohen Geldbußen von bis zu 50 000 €. Nach der Beschlussempfehlung ist nur dann ein Ordnungswidrigkeitstatbestand gegeben, wenn zum Zeitpunkt der Überlassung ein Verstoß gegen die Mindestwohnflächenregelung gegeben ist.

In der Anhörung wurde die Zielrichtung des Gesetzes allgemein begrüßt. Die Einschätzung des Landkreistages, dass insbesondere im kreisangehörigen Bereich kaum mit Anwendungsfällen zu rechnen ist, teile ich.

Ich möchte mich für die konstruktiven Beratungen in den Ausschüssen bedanken, bitte um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung und sage noch einmal herzlichen Dank. Dies ist ein Gesetz, das die Kommunen von uns verlangt haben. Ich bin dankbar dafür, dass der Landtag dabei mitmachen wird.

Vielen Dank, Herr Minister Webel. Ich sehe keine Fragen. - Somit steigen wir in die Debatte der Fraktionen ein. Der erste Debattenredner wird für die SPD-Fraktion Herr Dr. Grube sein. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute in der zweiten Lesung über das sogenannte Wohnungsaufsichtsgesetz. Das ist ein Gesetz, bei dem wir alle miteinander hoffen, dass es nicht zur Anwendung kommen muss. Es wird in der Praxis auch nur in Einzelfällen zur Anwendung kommen. Aber da, wo infolge mutwilliger oder auch krimineller Überbelegung von Wohnraum Extremsituationen und Schieflagen in Wohnquartieren entstehen, wird es ein notwendiges und hoffentlich wirksames Instrumentarium sein.

Wir alle haben bei dem Gesetz die Umfassungsstraße in Magdeburg im Hinterkopf. Lassen Sie mich dazu zwei Anmerkungen machen:

Erstens. Das Gesetz ist kein Allheilmittel für solche Situationen, sondern das Gesetz ist ein Instrumentarium. Nur in seltenen Fällen wird die massive Überbelegung von Wohnungen die Ursache für den klassischen Stress im Kiez sein oder auch für neuen Stress. Aber da, wo sie die Ursache ist, braucht die Kommune eine Handhabe. Und mit diesem Gesetz wird sie diese Handhabe haben.

Zweitens. In den Beratungen im Ausschuss und auch in der Öffentlichkeit kam mehr oder weniger direkt der Vorwurf auf, die Koalition würde hier eine Lex Magdeburgensis auf den Weg bringen. Das ist natürlich großer Unsinn, mag aber der Anlass gewesen sein; ich habe gerade die Umfassungsstraße genannt. Aber ansonsten treffen wir als Koalition Vorsorge für alle Kommunen, somit also auch für andere Kommunen. Hoffen wir, dass das Instrument, das wir heute schaffen, im Werkzeugkasten bleiben kann.

Was wurde in den parlamentarischen Beratungen geändert? - In § 1 erfolgte eine Klarstellung. Es besteht kein Rechtsanspruch auf ein Einschreiten der Gemeinde. Das ist nicht nur eine Frage der Konnexität, sondern auch eine Frage der Subsidiarität. Keine staatliche Ebene kann die Situation in den einzelnen Wohnquartieren besser beurteilen als die kommunale Ebene. Deshalb muss auch dort die Entscheidung liegen.

Auch in § 5 erfolgte eine Klarstellung. Die Räumung der Wohnung - der Minister hat es eben ausgeführt - ist die Ultima Ratio, also nichts Beliebiges. Vor der Veranlassung einer Anordnung

soll den Verfügungsberechtigten die Möglichkeit gegeben werden, Abhilfe zu schaffen.

Zu § 6 und zu § 7. Die Wohnungen von Bewohnerinnen und Bewohnern sollen auch nur dann zwangsgeräumt werden, wenn adäquater Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann. Das heißt, keine Wohnung wird geräumt, wenn deren Bewohner auf der Straße landen.

Einer der Hauptdiskussionspunkte bei diesem Gesetz war § 8, nämlich das Betreten der Wohnung. Wir als Koalition halten die Abwägung zwischen der Unverletzlichkeit der Wohnung und dem Schutz von umliegenden Bewohnerinnen und Bewohnern bei solchen Situationen für gelungen. Der Schutz und das Wohl von Menschen ist ein ebenso hochrangiges Gut wie die Unverletzlichkeit der Wohnung. Wir werden am Ende sehen, wie das Gesetz in der Praxis wirkt.

Meine Damen und Herren, heute sollten wir es erst einmal auf den Weg bringen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Grube. Ich sehe auch hierzu keine Fragen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Henke. Sie haben das Wort, Herr Abg. Henke.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Aus den Bedenken meiner Fraktion in der ersten Lesung zu diesem Gesetz wurde die Gewissheit, dass dieses Gesetz der falsche Weg sein wird und eben nicht zu der von Minister Webel im November des vergangenen Jahres beschworenen Verbesserung der Lebensqualität im Quartier führen wird.

(Frank Scheurell, CDU: Sie Pessimist!)

- Das bin ich, und darum wird meine Fraktion dieses Gesetz auch ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Erstens. Mein Vorredner sprach soeben über § 8. Das sind die Mitwirkungs- und Duldungspflichten. Wir haben in der Anhörung die Verfassungswidrigkeit dargelegt bekommen, den Gegensatz zu Artikel 13 des Grundgesetzes und zu Artikel 17 der Landesverfassung. Es fehlt der qualifizierte Gesetzesvorbehalt. Das Betreten der Wohnung ist an Gefahrenlagen gebunden.

Herr Dr. Grube, es war für unsere Fraktion schon bemerkenswert, mit welcher Kurzfassung im Ausschuss gesagt wurde: „Ja, wir haben eine andere Rechtsauffassung.“ Von einer Abwägung und

einer Erläuterung einer Abwägung haben wir nichts erfahren. Wenn Eingriffe zur Gefahrenabwehr notwendig sind, haben wir zum Beispiel den § 57 Abs. 4 der Bauordnung.

Zweitens. Das Gesetz bleibt unwirksam, da das Personal zur Durchsetzung fehlen wird. Ich erinnere an die Evaluation zur Wirkung des entsprechenden Gesetzes in Bremen.

Die Nachbesserung in § 1, nach der - Zitat - „kein Anspruch auf das Einschreiten der Gemeinden besteht“, soll doch einfach nur die Nichtbeachtung des Konnexitätsprinzips überwinden. Und dann wird es vermutlich auch keinen Leitfaden für die Verwaltungen zur Gesetzesanwendung geben. Warum auch? - Der in NRW hat nur 51 Seiten. Möglicherweise braucht man so etwas.

Drittens. Das Gesetz bleibt auch deswegen unwirksam, weil es isoliert ist. Es ist nicht mit städtebaulichen und flankierenden sozialen Betreuungs- und Unterstützungsangeboten verbunden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die notwendige Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen kommunalen Ämtern und Fördereinrichtungen sieht das Gesetz gar nicht vor. Es bleibt eine Einzelregelung. Im Ergebnis wird es nicht zu einem funktionierenden Gemeinwesen im Quartier beitragen. Die Probleme werden bestenfalls von einer Wohnung in die andere verlagert. Gelöst werden sie damit genauso wenig, wie die Ursachen ihrer Entstehung beseitigt werden.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass es sich schon heute rächt, dass dieser Landtag entgegen unseren Forderungen darauf verzichtet hat, die Vorlage im Innenausschuss, im Finanzausschuss und im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung mitzuberaten. Daran schwächelt es schon heute.

In Zukunft wird dieses Gesetz enttäuschen. Und, sehr geehrte Damen und Herren, aus Enttäuschung entsteht oftmals Zorn. Aber Zorn sollte doch eigentlich vermieden werden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Henke. Ich sehe auch hierzu keine Fragen. - Wir kommen zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann. Sie haben auch gleich das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Um es gleich am Anfang klar zu sagen: Meine grundsätzliche

Haltung zum Gesetz hat sich im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens und insbesondere infolge der Anhörung im Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr nicht wesentlich geändert. Kurz gesagt, man muss dieses Gesetz nicht haben, man kann es aber natürlich haben.

Die eigentliche Stoßrichtung eines solchen Gesetzes in anderen Bundesländern zielt darauf ab, auf einem überhitzten Wohnungsmarkt das Geschäftsmodell Schrottimmobilie zu verhindern. In Sachsen-Anhalt besteht diesbezüglich kaum

Handlungsbedarf. So hat es die Landesregierung selbst in ihrem Gesetzentwurf festgestellt.

Aber gut, aus ordnungspolitischen Gründen - der Kollege Grube war da eben auch sehr offen - ist dieses Gesetz von unseren Koalitionspartnern gewollt worden, von manchen sogar sehr vehement. Wir verweigern uns dann natürlich nicht. Aber wir hatten klaren Änderungsbedarf; denn der absolut berechtigte Einwand von verschiedenen Seiten war, es kann und darf nicht sein, dass der Staat Menschen in die Obdachlosigkeit zwingt. Das sehen wir genauso. Daher ist jetzt klar geregelt, dass Räumungen erst dann erfolgen dürfen, wenn Ersatzwohnraum zur Verfügung steht.

Gleichzeitig ist der Schutz der Wohnung insoweit gestärkt worden, als unangekündigte Überprüfungen nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit stattfinden dürfen. Damit hätten wir strengere Regelungen als im SOG gehabt.

Als Verteidigerin bürgerlicher Grundrechte haben wir GRÜNE bei diesen Punkten auf Nachbesserungen gedrungen. Die sind nun auch mehrheitsfähig. Nachdem der Mieterschutz jetzt gestärkt wurde, können wir diesem Gesetz heute zustimmen.

Klar ist aber auch, dass wir uns den Umgang mit diesem Gesetz auf kommunaler Ebene genau ansehen werden. Verantwortliche Politik darf sich nicht nach der Verabschiedung des Gesetzes zurücklehnen und keine Verantwortung mehr übernehmen. Nein, wir werden uns die Rechtsfolgen genau anschauen und gegebenenfalls auf Verbesserungen drängen. - Vielen Dank.