Protocol of the Session on May 25, 2018

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Die Zeche Zollverein in Essen steht beispielhaft für die Transformation von Industriegeschichte in die heutige Zeit. Wie bei keinem anderen Industriedenkmal ist es hier gelungen, Industriegeschichte lebendig zu machen und die einzigartige und wegweisende Architektur mit neuem Leben und neuen Inhalten zu erfüllen. Die Zeche Zollverein ist dabei für eine ganze Region identitätsstiftend. Für die Menschen, die dort leben, ist sie zentraler Lebensmittelpunkt. Für die vielen, vielen Touristen, die diesen Ort besuchen, ist sie ein Ereignis.

Industriegeschichte ist auch für unser Land ein wichtiges Thema. Sie prägt die Landesgeschichte Sachsen-Anhalts, hat viele Ausrichtungen und steht bisher viel zu wenig im Fokus.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Es gibt bereits seit Jahren Initiativen, die sich um den Erhalt der Architektur und Kulturgeschichte bemühen. Viele werden ehrenamtlich unterstützt und geleitet. Das eingebrachte Engagement der hier agierenden Personen ist bewundernswert, und ihnen gilt all unser Dank.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Antrag ist ein wichtiger erster Schritt zur Unterstützung und Weiterentwicklung der Industriekultur in Sachsen-Anhalt. Ich möchte aus diesem Grund dafür werben, dem Antrag zuzustimmen.

In einem zweiten Schritt - das können Sie durchaus als Preview auf eine

(Ulrich Siegmund, AfD: Als was?)

spätere Initiative verstehen - möchten wir das Thema Industriekultur jedoch nicht nur konservierend betrachten, sondern wir wollen es auch in die Zukunft denken.

- „Vorschau“ für Sie, falls Sie „Preview“ nicht verstehen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Dabei beziehe ich mich auf die vielen brachliegenden und teils ruinösen Industriebauten, insbesondere in den größeren Städten des Landes. Hier möchten wir, dass Bedingungen geschaffen werden, um diese wieder zum Leben zu erwecken. Der konsequente nächste Schritt ist daher, für ausgewählte Objekte Potenzanalysen durchzuführen.

(Heiterkeit)

- Potenzialanalysen durchzuführen; sorry.

Ich wünsche mir, dass die Backsteinruinen mit den Birken auf den Dächern in unseren Städten nicht alle dem Verfall preisgegeben werden. Ihnen soll gezielt neues Leben eingehaucht werden. Ich wünsche mir, dass wir es ähnlich wie im Ruhrgebiet schaffen, das Thema Industriekultur als festen Bestandteil unserer Landesgeschichte in den Köpfen der Menschen zu verankern, und dass wir langfristig dafür sorgen, neben der Straße der Romanik und dem Blauen Band die Route der Industriekultur als touristische Marke im Land zu entwickeln und auszubauen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich sehe keine Nachfragen. Dann danke ich Herrn Aldag für die Ausführungen. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Gebhardt. Herr Gebhardt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss zu Beginn der Debatte gleich sagen, dass ich den Antrag persönlich und auch im Namen meiner Fraktion als sehr gut empfinde.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Viel besser hätten wir ihn auch nicht machen können.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Insofern kann ich auch vorwegnehmen, dass wir ihm in der jetzigen Form zustimmen werden. Das Land Sachsen-Anhalt - darauf haben alle oder fast alle jetzt schon hingewiesen - ist mit seinen bedeutenden Industriekulturstätten ein wichtiges Land in diesem Spektrum. Mein Landkreis und meine Heimatstadt haben einiges zu bieten.

Nachdem einige schon einiges genannt haben, möchte ich hier auch mal den Lokalpatrioten spielen und erzählen, dass in Hettstedt, also in meiner Heimatstadt, der Nachbau der erste deutschen Dampfmaschine Watt‘scher Bauart zu besichtigen ist, der untrennbar mit dem Maschinendenkmal verbunden ist. Beides sind Zeugnisse des ersten bedeutenden Falles von Industriespionage, der stattgefunden hat. Ohne diese Aktion damals wären der Bergbau und die Industrialisierung bei uns in Mitteldeutschland so überhaupt nicht vorangegangen.

Bergbau ist auch ein gutes Stichwort. Wir im Landkreis Mansfeld-Südharz sind sehr stolz auf die Haldenlandschaft. Viele andere betrachten das als Müll. Es liegt eben alles im Auge des Be

trachters. Deshalb ist an dieser Stelle ein solches Konzept, das die Elemente auch miteinander verbindet, sehr zu begrüßen.

Aber nicht nur bei mir Landkreis, sondern auch in anderen Landkreisen gibt es ähnlich bedeutende Zeugnisse, unter anderem auch den von der Kollegin Kolb-Janssen erwähnten Elsterfloßgraben. Fast 300 Jahre lang war die Flößerei in Mitteldeutschland ein ertragreiches Handwerk und eine wesentliche Voraussetzung für den Beginn der Industrialisierung bei uns.

Die Weiße-Elster-Flöße waren das umfangreichste und bedeutendste Brennholz-Transportsystem der Neuzeit in ganz Europa. Dieses Kunstgrabensystem ist eines der längsten noch erhalten gebliebenen Bauwerke und ein überregional bedeutender Sachzeuge der damaligen Ingenieurwissenschaft. Es ist also ein Bauwerk, das vom Wissen und dem technischen Können unserer Vorfahren zeugt und als Denkmal eines künstlichen Fließgewässers sowie als identitätsstiftendes Kulturlandschaftselement erhalten werden muss.

Diese schlauen Sätze - das muss ich eingestehen - stammen nicht von mir, sondern sie stammen von meinem ehemaligen Fraktionskollegen Frank Thiel, der mit seiner Anwesenheit hier heute im Landtag auch beweist,

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

dass sich Wirtschaftspolitiker für Industriekultur durchaus begeistern lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag; wir tun dasselbe. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

- Ach, halt! Ich habe noch eines vergessen - Entschuldigung; bei aller Euphorie -: Ich habe eine Bitte. Einen kleinen Schluck Wasser möchte ich dann doch noch in den eigentlich ganz guten Wein hineinkippen. Im Antrag ist nicht erwähnt worden, wie dieses Konzept entstehen soll. Meine herzliche Bitte - wir haben keinen Änderungsantrag dazu gemacht - wäre einfach, dass die Akteure vor Ort, die sich tagtäglich ehrenamtlich und hauptamtlich mit Industriekultur beschäftigen, damit auseinandersetzen und versuchen, sie weiterzuentwickeln, in die Konzepterstellung auch bitte eingebunden werden. Das ist auch ein dringender Wunsch der Akteure.

(Abgeordnete der CDU, der SPD und der GRÜNEN nicken mit dem Kopf)

- Ich sehe Kopfnicken. Das ist im Protokoll vermerkt. Damit konnten wir uns den Änderungsantrag sparen. Ich denke, das wird dann auch so umgesetzt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich danke Herrn Gebhardt für die Ausführungen. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Schumann. Herr Schumann, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie es der Staatsminister bereits erwähnt hat, wurde in den Koalitionsverhandlungen über dieses Thema gesprochen und im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir das etwas weiterentwickeln wollen. Nun ist es so weit. Die Kenia-Koalition setzt ihren Koalitionsvertrag um und wir sind dankbar dafür, dass dieser Antrag jetzt vorliegt.

Meine Damen und Herren! Industriekultur soll in erster Linie technische, wirtschaftliche und historische Zusammenhänge vermitteln. Sie ist Wissensvermittler und untrennbar mit der Region verbunden. Damit ist die Vermittlung klar identitätsstiftend. Sie trägt zur Stärkung des Heimatbezuges nach dem Motto bei: Wir sollten wissen, wo wir herkommen.

Sachsen-Anhalt ist kein geschlossener industrieller Raum. Das war die Region auch früher nie. Darin liegt eine Chance, aber auch eine große Schwierigkeit. Hier gilt es, bei der Erstellung des Konzeptes Schwerpunkte zu setzen, die finanziell darstellbar sind, pädagogisch ansprechend dargestellt werden können, touristisch von Bedeutung sind oder es werden können, für die Bevölkerung regional identitätsstiftend sind, und eventuell - was heißt eventuell? - die Vereine und Ehrenamtliche aktiv beteiligen.

Damit haben wir das, was eben von der LINKEN angesprochen wurde, schon berücksichtigt. Wir sind auf jeden Fall dafür, dass wir Ehrenamtlichen aktiv an der Erstellung des Konzeptes beteiligen.

Insgesamt ist es eine große Herausforderung, da hierbei eine sensible und begründete Auswahl erfolgen muss. Zu nennen wären für uns zum Beispiel das Halloren- und Salinemuseum in Halle, das Technikmuseum in Magdeburg, das natürlich den Schwermaschinenbau beinhaltet, das Deutsche Chemiemuseum in Merseburg, das Schiffshebewerk in Rothensee, der Herrmannschacht in Zeitz, das Kraftwerk Zschornewitz mit dem Schwerpunkt Braunkohle. Ich würde auch noch einmal auf den Förderverein Elsterfloßgraben aufmerksam machen, der sich mit der Flößerei befasst, die in unserem Bundesland eine große Geschichte hat.

Meine Damen und Herren! Allein Bergbau, Schwermaschinenbau und Chemieindustrie stellen neben der Landwirtschaft identitätsstiftende Industriezweige unseres Bundeslandes dar. Damit wird deutlich, wie wichtig und auch schwierig es sein wird, eine geeignete Auswahl zu treffen. Die

Stärkung des kulturtouristischen Potenzials, die Aufnahme von ausgewählten Standorten in die Europäische Route der Industriekultur und die Stärkung regionaler Routen halte ich für wünschenswert.

Meine Damen und Herren! An den dann ausgewählten Standorten sollten wir klotzen und nicht kleckern. Ich bitte um Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Schumann für die Ausführungen. - Für die SPD spricht noch einmal Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen. Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte mich zunächst einmal für die Zustimmung und für die zugesagte Unterstützung bedanken. Das zeigt mir, dass wir mit dem Aufgreifen des Themas wirklich auch ein Thema gefunden haben, das viele Menschen hier in unserem Land bewegt. Wir haben uns das in anderen Bundesländern angeschaut. Die haben wirklich früher angefangen, das Potenzial dieses Themas zu entdecken.

An die AfD-Fraktion gerichtet: Ich glaube, Sie haben gar nicht verstanden, worum es uns geht. Deshalb will ich diesbezüglich nur mit August Bebel antworten: Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.

Uns geht es also insbesondere darum zu versuchen, die Orte - das ist ja in den Beiträgen auch mehrfach angesprochen worden - im Hinblick auf ihre Identitätsstiftung - viele Menschen haben eine ganz enge Verbindung zu diesen Orten - zu erhalten und sie eben auch in die Gestaltung unserer Politik mit einzubinden.

Zu der Frage, wie dieses Konzept entstehen soll. Wir fangen nicht ganz von vorn an. Es gibt eine Studie von der Beratungsorganisation Culture Conzepts aus dem Jahr 2015, die schon eine erste Analyse vorgenommen hat. Darauf können wir aufbauen.