Unser Schulgesetz spricht bei dem Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen von dem Recht eines jeden jungen Menschen auf eine seine Begabungen, seine Fähigkeiten und seine Neigungen fördernde Erziehung, Bildung und Ausbil
dung. Dementsprechend gibt es in SachsenAnhalt neben dem grundlegenden Unterrichtsangebot auch einige eher bescheidene Angebote und Maßnahmen der Begabtenförderung. Dazu zählen unter anderem Angebote verschiedener Träger, zum Beispiel Sommercamps oder Sommerakademien und Schülerlabore. Das Bildungsministerium unterstützt bisher lediglich verschiedene Schülerwettbewerbe und eben auch das seit mehr als 25 Jahren bestehende Angebot der Korrespondenzzirkel.
Die Korrespondenzzirkel sind eine speziell in Sachsen-Anhalt entstandene Form einer dezentralen Begabtenförderung, vor allem im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften. Es sind engagierte Lehrkräfte des Cantor- und des Siemens-Gymnasiums sowie der Latina und Angehörige der Martin-Luther-Universität, die an interessierte und leistungsstarke Schülerinnen und Schüler regelmäßig mehrmals im Schuljahr Aufgabenblätter versenden.
Die Aufgaben werden dann von den Schülerinnen und Schülern bearbeitet und zurückgeschickt. Von den Leiterinnen und Leitern werden die Bearbeitungen durchgesehen, kommentiert und mit einem neuen Aufgabenblatt wieder an die Schülerinnen und Schüler verschickt. - So funktionieren im Prinzip die Korrespondenzzirkel.
Die Korrespondenzzirkel sind also ein niedrigschwelliges Förderangebot, das sich grundsätzlich an alle Schulformen richtet und oft über die Fachlehrkräfte in den Schulen vermittelt wird.
Mit diesem Angebot wurden in den letzten Jahren kontinuierlich mehr als 2 000 Schülerinnen und Schüler der verschiedenen Klassenstufen an den verschiedensten Orten erreicht. Das ist ein Angebot, das sich gerade auch für den ländlichen Raum besonders gut eignet und insgesamt deutlich ausgebaut, nicht aber eingestellt werden sollte. Das gilt im Übrigen auch für die sogenannten Kreisarbeitsgemeinschaften. Die Zirkel sind zudem ein Instrument zur Gewinnung von mehr Studierenden in den MINT-Fächern; sie dienen letztlich auch deren Studienvorbereitung.
Die Kosten für die Zirkel, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind außerordentlich gering. Wir reden hierbei über Mittel in Höhe von nicht einmal 15 000 € im Jahr. Es kann nicht ernsthaft angeführt werden, dass es am Geld liege. Es liegt ausschließlich am Verstand,
Dennoch wurden die Korrespondenzzirkel vom Bildungsministerium ohne jedwede Diskussion im November 2016 im Zuge der Aufstellung des
Doppelhaushalts schlicht einkassiert. Noch bevor der Haushaltsplan überhaupt beraten, geschweige denn verabschiedet war, wurde den Leiterinnen und Leitern der Zirkel mitgeteilt, dass die Zirkel ab dem Schuljahr 2017/2018 nicht mehr stattfinden können und dass man sich von der Unterstützung durch die Kolleginnen und Kollegen dankend verabschiedet. Als Grund wurde offiziell mitgeteilt, dass es nicht möglich gewesen sei, im Landeshaushalt die bisher verfügbaren Mittel weiterhin zur Verfügung zu stellen.
An wen, frage ich den Minister, wenden sich die bisher betreuten Schülerinnen und Schüler sowie die Fachlehrkräfte in den Schulen jetzt? Aktuell findet man auf dem Bildungsserver des Landes nur noch den Satz - ich zitiere -: „Korrespondenzzirkel als Angebot der Begabtenförderung werden im Schuljahr 2017/2018 nicht fortgesetzt.“
Einen ebenso bedauernden Satz findet man auf der Seite der Martin-Luther-Universität, verbunden mit dem Hinweis, dass die mathematisch interessierten Grundschülerinnen und Grundschüler in diesem Schuljahr lediglich die Möglichkeit haben, anhand der Aufgabenblätter der letzten Jahre und entsprechender Lösungen per Selbststudium ihre Begabung zu fördern.
Wir haben nach Kenntnisnahme dieses Umstandes versucht, das unverständliche Vorgehen des Ministeriums durch Anfragen und durch eine anschließende Diskussion im Bildungsausschuss aufzuklären und zu korrigieren. Die Aufklärung ist so weit gelungen, die Korrektur allerdings nicht.
Der Minister hat mehrfach erklärt, die Zirkel würden angeblich nicht mehr so angenommen, sie wären nicht effektiv und hätten sich quasi überholt. Den Nachweis für diese Thesen ist er uns bis heute schuldig geblieben. Stattdessen wolle er einmal etwas Neues konzipieren und nicht immer nur an alten Strukturen festhalten. Wir waren sehr gespannt und haben uns dazu im Ausschuss berichten lassen. Dabei hat sich aber sehr schnell herausgestellt, dass das Ministerium natürlich keine eigenen Ideen und keine Initiativen als Alternative zu den Korrespondenzzirkeln entwickelt hat.
Die Alternative soll vielmehr darin bestehen, dass sich Sachsen-Anhalt an einem neuen Bund-Länder-Projekt mit acht ausgewählten Schulen beteiligt. In diesem Projekt soll über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg versucht werden, an Regelschulen ein schulisches Leitbild mit Ausrichtung auf das Fördern und Fordern im Regelunterricht zu entwickeln. Anschließend sollen die an den ausgewählten Pilotschulen gewonnenen Er
Hierbei geht es um eine langfristige Entwicklung an wenigen Pilotschulen und eben nicht um kurzfristige Angebote in der Fläche des Landes. Die Auswahl dieser acht Pilotschulen ist im Übrigen teilweise entgegen der Intention des Projekts erfolgt. Ich zitiere kurz aus der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung über die Auftaktveranstaltung im Januar 2018. Darin heißt es:
„Kriterien waren unter anderen die regionale Verteilung, die Beteiligung aller länderspezifischen Schularten, die Ausgewogenheit von Schulen mit ‚Expertise‘ […] und Schulen mit wenig ‚Expertise‘, des Weiteren die Einbeziehung von Schulen mit hohem Migrantenanteil sowie sozial benachteiligten Schülerinnen und Schülern […]“.
Diesen Kriterien genügt Sachsen-Anhalt nicht; denn ausgewählt wurden lediglich vier Grundschulen und vier Gymnasien, von denen mit dem Cantor-Gymnasium und der Landesschule Pforta ebenso wie mit den privaten Christophorusschulen in Droyßig auch noch fast alle bereits über Expertise in der Begabtenförderung verfügen. Dagegen fehlen Schulen der Sekundarstufe I völlig. Und von Schulen mit hohem Migrantenanteil sowie von sozial benachteiligten Schülerinnen und Schülern kann auch nicht die Rede sein.
Ob wir mit diesem Projekt bei uns also überhaupt erfolgreich sein können, ist schon wegen der einseitigen Auswahl der Schulen fraglich.
Auch die regionale Verteilung lässt mit dem Fehlen von Schulen aus dem Norden und aus dem Osten des Landes deutlich zu wünschen übrig. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nun so und das ist nicht Gegenstand unseres Antrags.
Eines ist aber auch nach diesen kurzen Ausführungen sicherlich deutlich geworden: Die Korrespondenzzirkel haben mit diesem neuen BundLänder-Projekt im Grunde erst einmal nichts zu tun. Beides kann sich sicherlich gegenseitig ergänzen, aber auf gar keinen Fall ersetzen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Säulen, um bei der Förderung von Begabungen und besonders leistungsfähigen Schülerinnen und Schülern weiter voranzukommen. Denn insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir bei der Begabtenförderung eher ein Entwicklungsland mit viel Luft nach oben. Deshalb begrüßen wir den Impuls aus dem Bund-Länder-Programm.
Aber es gilt eben, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen. Wir brauchen solche Pilotprogramme, die der Bund unterstützt. Wir brauchen aber auch die Pflege bewährter Strukturen wie die
Wir können nicht hinnehmen, dass erst alles plattgemacht wird, was über die Jahre gewachsen ist, und dass wir uns dann vom Bildungsminister jahrelang mit nebulösen Konzepten vertrösten lassen;
denn genau das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist im Moment im Ausschuss für Bildung und Kultur der Stand.
Meine Hoffnung, dass wir im Ausschuss aus dem Bildungsministerium zeitnah irgendetwas vorgelegt bekommen, das die Bezeichnung Konzept verdient, ist nach allen bisherigen Erfahrungen äußerst gering.
Es bedarf aus unserer Sicht auch keiner langwierigen konzeptionellen Anstrengungen und auch keiner langen Ausschussdebatten, um so etwas Einfaches wie die Korrespondenzzirkel weiterzuführen. Hierfür ist eine klare Entscheidung nötig und möglich, und zwar rechtzeitig vor dem neuen Schuljahr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, unsere begabten und leistungsstarken Kinder nicht hängen zu lassen. Deshalb soll mit unserem Antrag dem Bildungsministerium schlicht der Auftrag erteilt werden, die Korrespondenzzirkel schnellstmöglich wiederzubeleben; denn noch sind die Strukturen vorhanden. Die wenigen Euro, die wir dafür brauchen, sind im Einzelplan des Bildungsministeriums ohne jedwede Probleme zu finden, wenn man sich den zum Teil schlechten Mittelabfluss an verschiedenen Stellen anschaut.
Ich finde es im Übrigen beschämend, dass wir immer wieder mit solchen Anträgen ins Plenum gehen müssen, unseren Bildungsminister zum Jagen tragen müssen, damit er seine Hausaufgaben erledigt.
Es gibt keine Fragen. Dann danke ich dem Abg. Herrn Lippmann für die Ausführungen. - Für die Landesregierung spricht jetzt Minister Herr Tullner. Herr Minister, Sie haben das Wort.
Stärkung der Begabtenförderung. Gefordert wird, das Angebot der Korrespondenzzirkel ab dem Schuljahr 2018/2019 fortzusetzen und dafür eine entsprechende Haushaltsvorsorge zu treffen. In der Begründung zu dem Antrag wird ausgeführt, dass Korrespondenzzirkel über 25 Jahre hinweg ein etabliertes Instrument der Begabtenförderung gewesen seien, mit dem jährlich etwa 3 000 Schülerinnen und Schüler mit geringem finanziellen Aufwand größtmöglich gefördert worden seien.
Zugleich nimmt der Antrag Bezug auf die gemeinsame Initiative von Bund und Ländern zur Förderung leistungsstarker und potenziell leistungsstarker Schülerinnen und Schüler, an der sich das Land Sachsen-Anhalt beteiligt. Die Korrespondenzzirkel seien aus der Sicht der LINKEN eine sinnvolle Ergänzung als außerschulisches Angebot für diese Initiative und würden dazu beitragen, die Begabtenförderung zu stärken.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Land Sachsen-Anhalt gibt es seit vielen Jahren eine breite Vielfalt an Angeboten zur Förderung von leistungsstarken Schülerinnen und Schülern. Dabei wird unterrichtliche Förderung durch außerschulische und außerunterrichtliche Angebote ergänzt und unterstützt. Diese Angebote führen landesweit Schülerinnen und Schüler mit ähnlichen Interessen, Kenntnissen, Fähigkeiten und Motivationen zusammen. Hierbei ist das Land mit Wettbewerben, Ferienkursen, Camps der Landesschülerakademie und anderen Dingen sehr gut aufgestellt. Viele Träger konnte die Akademie für diese Angebote gewinnen.
Darüber hinaus verfügt unser Land über Beratungsinstrumente wie die diagnostische Beratungsstelle an der Martin-Luther-Universität in Halle und die Koordinierungsstelle zur Begabtenförderung am Landesinstitut Lisa. Solche Instrumente sind längst nicht in allen Bundesländern vorhanden.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun zu dem Anliegen des Antrags der Fraktion DIE LINKE. Es ist richtig, dass über viele Jahre hinweg Korrespondenzzirkel als ein außerschulisches Angebot im Rahmen der Begabtenförderung mit dem Schwerpunkt mathematische Förderung vorgehalten wurden. Dabei wurde von den beteiligten Lehrkräften sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beiden Universitäten eine sehr engagierte Arbeit geleistet, die ich an dieser Stelle auch ausdrücklich würdigen möchte.
Im Laufe der letzten Jahre haben wir jedoch festgestellt, dass die Zahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler deutlich rückläufig war. Das Angebot der Korrespondenzzirkel wurde überwiegend von je einer Schule in Halle und in Magdeburg sowie von der Martin-Luther-Universität in
Halle unterbreitet. Durch diese regionale Bindung wurde landesweit nur eine sehr geringe Zahl von Schülerinnen und Schülern erreicht.
Korrespondenzzirkel sind im Übrigen nicht die einzigen Angebote zur mathematischen Förderung. Auf diesem Gebiet fördern wir auch im Rahmen von Feriencamps und Sommerkursen. Darüber hinaus gibt es die Mathematikolympiade und Lernmodule im Angebot „Lernen am anderen Ort“ an der Universität in Magdeburg.