Protocol of the Session on March 9, 2018

Hemmungslose Lustmaximierung ist kein Leitbild für die Gesellschaft, ist nichts, was wir uns unseren Jugendlichen beibringen sollten, und nichts, was der Staat fördern sollte.

In Aldous Huxleys Roman „Schöne neue Welt“ leben die Menschen als glückliche Sklaven ohne Leid, ohne Schmerz, ohne Gefühlsschwankungen. Wenn die heile Welt einmal Risse bekommt, greifen sie zur Droge Soma, die frei zur Verfügung steht, jede Beunruhigung sofort vernebelt und das Gleichgewicht wiederherstellt.

Eine solche Massensedierung scheint auch Ihnen vorzuschweben, was einer gewissen Konsequenz nicht entbehrt; denn so viel steht fest: Ihre Politik wäre, würde sie jemals Wirklichkeit, nur im Zustand der Betäubung zu ertragen.

(Zustimmung bei der AfD)

Die Zeiten, in denen Linke über den Schriften von Marx und Lenin gebrütet und sich mit Kapitalismus- und Imperialismuskritik die Köpfe zerbrochen haben, sind lange vorbei. Heute wirbt die Linksjugend in Thüringen mit einem Bild von Pippi Langstrumpf, die sich eine Leine Koks reinzieht. Titel: „Hauptsache, es knallt! Für eine Welt, wie sie Dir gefällt.“

(Heiterkeit und Zustimmung bei der AfD)

Dazu passt auch dieser Antrag, der nicht nur die vollständige Freigabe von Cannabis begehrt, sondern selbst Frucht eines akuten Cannabisdeliriums zu sein scheint.

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)

Einfacher gesagt: Man fragt sich beim Lesen des Antrags schon, was Sie geraucht haben.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der AfD)

Ihr Leitbild ist der bekiffte Bürger, dessen ganzes Denken und Trachten darum kreist, sich angenehme Rauschzustände zu verschaffen. Sie haben es selbst gesagt: Recht auf Rausch! Unser Leitbild ist der mündige, freie, eigenverantwortliche und diszipliniert handelnde Bürger im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der AfD - Ulrich Sieg- mund, AfD: Jawohl! - Hendrik Lange, DIE LINKE: Nehmen Sie Eintritt dafür!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich reicht bei dieser Debatte ein Blick auf den Grundrechtekatalog unserer Verfassung; denn die allgemeine Handlungsfreiheit umfasst für mich auch ein Recht auf Rausch. Oder anders gesagt: Ich sehe keinerlei Grund

lage, erwachsenen Menschen ihren Feierabendjoint zu verbieten.

(Unruhe bei der AfD)

Wem das als Legitimation nicht reicht, einen reglementierten Cannabismarkt zu befürworten, dem sei gesagt: Wer Jugendschutz, Qualitätskontrolle und Suchtprävention will, der sollte auf Kontrolle statt auf Prohibition setzen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Lachen bei der AfD)

Heute ist es doch für einen 16-Jährigen leichter, an Gras zu kommen als an Schnaps, weil der Dealer eben nicht nach dem Ausweis fragt. Sollte er es doch tun, dann ist er wohl eher ein verdeckter Ermittler.

Wir GRÜNEN plädieren daher für einen kontrollierten Cannabismarkt. Es geht uns, verehrte LINKE, nicht um eine reine Legalisierung und Entkriminalisierung, wie Ihr Antragstitel nahe legt, sondern sehr dezidiert um Kontrolle.

Es geht nicht um einen Rückzug des Staates - auch das ist hier als Argument gekommen -, nicht um einen ungezügelten Drogenmarkt. Wir wollen keine Absatzmärkte für Kriminelle schaffen, sondern verantwortliches Wirtschaften ermöglichen.

Die gegenwärtige Prohibition schafft einen ungezügelten Drogenmarkt und damit ein Eldorado für Dealer. Oder anders gesagt: Die Prohibition erzeugt einen Cannabisschwarzmarkt. Dieser birgt große Risiken, die wir GRÜNEN durch Kontrolle minimieren wollen.

Wie gesagt: Der Schwarzmarkt führt dazu, dass Minderjährige leichter an Cannabis kommen als an Alkohol und Zigaretten. Er führt dazu, dass hoch konzentrierte Produkte unkontrolliert auf dem Markt sind. Prohibition sorgt dafür, dass Konsumenten nicht wirklich wissen, was sie konsumieren und was sie etwa bei der Dosierung beachten müssen. Prohibition sorgt dafür, dass Konsumenten aus Angst vor Kriminalisierung auf halblegale sogenannte Kräutermischungen unbekannten Inhalts umsteigen, deren Gesundheitsrisiken nicht abzuschätzen sind. Prohibition führt auch dazu, dass Cannabiskonsumenten bei Ihrem Dealer überhaupt erst mit harten Drogen in Kontakt kommen. Hätten wir zertifizierte Verkaufsstellen für Cannabis, kämen Konsumenten gar nicht mehr in Kontakt mit harten Drogen. Der Nutzen für die Prävention ist kaum zu überschätzen.

In solchen Verkaufsstellen ließe sich auch endlich eine Drogenberatung etablieren, die zum verantwortungsbewussten Umgang mit Cannabis beraten kann. Die dort erzielten Gewinne gingen nicht in die Hände der organisierten Kriminalität, sondern würden steuerlich im Rahmen der Gesetze abgeschöpft.

Wer die Debatte um eine bessere Drogenpolitik zielorientiert führt, der kann sich eigentlich nur dem grünen Cannabiskontrollgesetz auf Bundesebene anschließen. Wer aber weiterhin auf Prohibition setzt, der führt einen Kulturkampf - ich glaube, das ist heute noch einmal sehr deutlich geworden -, der will einen Krieg gegen Drogen führen, der nie gewonnen werden kann.

Eine drogenfreie Gesellschaft hat es nie gegeben und es wird sie auch nie geben. Wir müssen mit Drogen leben lernen. Wir sollten unsere Kraft - damit meine ich vor allem die Kraft der Strafermittlungsbehörden und der Gerichte - nicht damit verschwenden, Cannabisverkäufer und Cannabiskonsumenten zu kriminalisieren; vielmehr sollten wir den Konsum von Cannabis in geregelte Bahnen lenken. Anbau, Produktion, Handel, Vertrieb bis hin zum Verkauf und zur Abgabe von Cannabis sollten unter staatlicher Regulierung laufen. Erst dann, verehrte CDU, und nur dann, wäre dem Jugendschutz und der Suchtprävention tatsächlich Genüge getan.

Es freut mich überaus, dass Sachsen-Anhalt an anderer Stelle Vorreiter in Sachen Cannabis ist; denn die Hochschule Merseburg plant ein interdisziplinäres Cannabisforschungsinstitut.

Seit März 2017 ist Cannabis für den medizinischen Einsatz verschreibungsfähig. Damit eröffnet sich auch die Möglichkeit für die Wissenschaft, die Wirkung und den Nutzen von Cannabispräparaten zu erforschen.

Der Rektor der Hochschule Merseburg Prof. Jörg Kirbs wird wie folgt zitiert:

„Die Hochschule steht dieser Idee sehr offen gegenüber. Das neue Gesetz fordert fachliche Expertise in den Bereichen Recht, Politik, Wirtschaft, Medizin, Soziologie, aber auch Ingenieurwissenschaften. Der Aufbau eines entsprechenden interdisziplinären Instituts wäre daher eine Option, die medizinische Nutzung von Cannabis wissenschaftlich zu begleiten.“

Damit, meine Damen und Herren, wären wir in Sachsen-Anhalt Vorreiter. Ich kann nur an unser hiesiges Wissenschaftsministerium appellieren, seine Zurückhaltung zu diesem Projekt abzulegen; denn wir sollten dabei auch die mögliche Ansiedlung von Unternehmen im Blick haben, die im Bereich der Arzneimittelherstellung tätig sind. Gerade laufen die Ausschreibungen für den Cannabisanbau im Auftrag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Schließlich findet sich das erste Start-up in Berlin, das mit dem Vertrieb und Verkauf von Medizincannabis nach Selbstauskunft im Jahr 2017 einen Umsatz von fast 4 Millionen € netto gemacht hat. Sachsen-Anhalt sollte diesen Zu

kunftsmarkt nicht außer Acht lassen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Striegel, es gibt Nachfragen, zunächst von Herrn Schmidt von der AfD. - Herr Schmidt, Sie haben das Wort.

Herr Striegel, konsumieren Sie selbst Cannabis?

Ich glaube, der Genuss von Cannabis ist eine sehr persönliche Entscheidung. Aber ich kann Ihnen sagen: Ich habe in meinem Leben schon Cannabis konsumiert.

(Matthias Büttner, AfD: Heute früh! - La- chen bei der AfD)

Eine kurze Nachfrage.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Wie es war!)

Meinen Sie nicht, dass es dann besser wäre, nicht Auto zu fahren?

Sie haben mich nicht nach dem Zusammenhang des Genusses von Cannabis und Autofahren gefragt, sondern nach meinem Cannabiskonsum. Ich halte es für völlig falsch, egal unter dem Einfluss welcher Droge jemand ist, Auto zu fahren. Wer Auto fährt, der sollte den Genuss von Drogen grundsätzlich - nicht im juristischen Sinne, sondern in jedem Fall - lassen. Das gilt für Alkohol; das gilt für andere Drogen genauso. Wer verantwortlich Cannabis konsumieren will, der sollte das nicht tun, wenn er später beabsichtigt, Auto zu fahren.

Nun hat Herr Gürth eine Frage.

Verehrter Kollege Striegel, ich muss gestehen, ich habe bisher in meinem Leben nur Erfahrung mit der Droge Alkohol gemacht, und zwar umfangreich.

(Heiterkeit)

Meine Einschätzung mit 55 Jahren ist: Das war nicht immer klug.

Ich habe keinerlei Erfahrung mit Cannabis. Sie sagten, Sie haben Erfahrung mit Cannabis. Jetzt möchte ich Sie gern fragen: Wie kommt man da eigentlich ran? Können Sie mir einen netten Dealer empfehlen oder einen Weg aufzeigen?

(Heiterkeit)

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Konsum von Cannabis gemacht und wozu können Sie uns raten?

(Heiterkeit)

Würden Sie vom Konsum von Cannabis vielleicht sogar völlig abraten?