Protocol of the Session on March 9, 2018

Wir brauchen einen soliden Finanzrahmen. Dafür brauchen wir einen guten EU-Haushalt. Das Loch, das durch den Brexit gerissen wird, muss gestopft werden, und wir GRÜNEN haben auch Vorschläge unterbreitet, wie das gemacht werden kann, beispielsweise mit der Finanztransaktionssteuer. Auch die Plastiksteuer, so wie sie von EU-Kommissar Oettinger vorgeschlagen wurde, halten wir für überlegenswert. Sie ist gut für die Umwelt und auch den EU-Haushalt.

Die Kohäsionspolitik sollte sich zudem noch stärker als bisher an ökologischen Kriterien orientieren. Wir GRÜNEN fordern daher unter anderem die Unterstützung von Regionen, die den notwendigen Schritt des Braunkohleausstiegs gehen wollen, eben auch durch EU-Gelder, um den erforderlichen Strukturwandel zu unterstützen.

Es wurde gesagt: Das Geld darf nicht verpuffen, sondern muss nachhaltig eingesetzt werden. Die Beispiele, die ich genannt habe, zeigen ja, dass so auch eine Verbesserung für alle Bürgerinnen und Bürger in der EU möglich ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Frederking, Herr Farle hat sich zu Wort gemeldet. Wenn Sie antworten möchten? Ich weiß nicht, ob er eine Intervention hat. - Herr Farle, Sie haben das Wort.

Ich wollte Sie eigentlich nur fragen, ob Ihnen klar ist, dass mit solchen Anträgen wie dem, den Sie ja unterstützt haben, eigentlich nur eines bewirkt wird, nämlich dass wir einen wachsenden Teil unseres eigenen Wirtschaftsprodukts in andere Länder übertragen, die wir damit künstlich aufpäppeln, und bei unserer eigenen Bevölkerung das Geld zusammensparen - das sind im Jahr etwa 3 bis 4 Milliarden € - und in den kommenden Jahren eine gigantische Umverteilung auf Kosten unserer Bürger betrieben wird, damit in Polen und überall das Internet wirklich zu 100 % mit Breitbandverkabelung funktioniert, während bei uns die Leute noch nicht einmal richtig telefonieren können. Das ist nämlich das, was hinter dieser Solidarität in Europa steht - null Solidarität und Ausplünderung der deutschen Kassen.

(Beifall bei der AfD)

Frau Frederking, wenn Sie antworten möchten, dann haben Sie jetzt das Wort.

(Robert Farle, AfD: Ich wollte Sie fragen, ob Ihnen das klar ist! 5 Milliarden € mehr für Brüssel und die eigenen Leute darben!)

- Herr Farle, Sie hatten das Rederecht bereits. - Frau Frederking, Sie können antworten, wenn Sie möchten.

Ich glaube, in nahezu allen Redebeiträgen ist sehr deutlich geworden, dass die Kohäsionspolitik gerade das Ziel hat, eine solidarische Umverteilung hinzubekommen. Das Geld soll dahin gehen, wo es gebraucht wird.

(Robert Farle, AfD: Genau!)

Das Geld soll gezielt dahin gehen, wo es bestimmte Strukturschwächen gibt. Wir in SachsenAnhalt haben von diesen Geldern massiv profi

tiert, sei es durch die Dorferneuerung, sei es durch die Sanierungen.

(Zuruf von der AfD: Das ist vorbei!)

All solche Dinge sind gelaufen. Das darf jetzt nicht eingestellt werden, weil es dann bei einigen Entwicklungen, die jetzt gerade für Sachsen-Anhalt sehr positiv gelaufen sind, auch im Bereich Forschung und Entwicklung, zum Riss käme.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann danke ich Frau Frederking für die Ausführungen. - Für die CDU spricht der Herr Abg. Kurze. - Er verzichtet. Dann hat Herr Gallert für die Fraktion DIE LINKE noch einmal das Wort. Herr Gallert, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Im Grund genommen ist doch ein Bild klar geworden, das zu erwarten war. Eine Möglichkeit ist, die Europäische Union als Wachstumsmodell zu verstehen, eine Union übrigens, die Solidarität nicht nur zwischen Regionen und Nationen lebt, sondern die Solidarität auch zwischen Bevölkerungs- und Einkommensgruppen organisiert, übrigens eine europäische Union, die natürlich auch in der Zukunft, um Akzeptanz bei den Menschen zu bekommen, eine Union sein muss, in der zum Beispiel Arbeitsschutzstandards, Tariftreue und Ähnliches mindestens ebenso kontrolliert werden müssen wie die Einhaltung von Haushaltskennziffern, wenn nicht noch viel besser. Das sind die Aufgaben, die vor uns stehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben doch im Grunde genommen zwei Alternativmodelle. Das eine ist das Modell Deutschland first, Schweiz first, Frankreich first, Britain first, wobei den Leuten versucht wird zu erzählen: Lassen Sie uns allein bleiben, dann geht es uns besser; wenn wir zusammengehen, dann subventionieren wir nur die anderen.

Demgegenüber gibt es das Modell, das zugegebenermaßen etwas komplexer ist und verlangt, tatsächlich ein bisschen über den Tellerrand hinauszugucken, das auch verlangt, vertraute alte Anschauungen vielleicht einmal loszulassen und stattdessen zu sagen: Entwicklung ist heute nicht mehr die Entwicklung des Dorfes nur rings um die Kirchturmspitze; vielmehr wird die Entwicklung des Dorfes rings um die Kirchturmspitze nur dann möglich sein, wenn wir eine komplexe Entwicklung in Europa insgesamt hinbekommen, übrigens auch jenseits der jetzigen Grenzen der Europäischen Union.

Das ist das Entscheidende. Das sind die beiden alternativen Modelle, die hier nach der Rede von Herrn Raue gegeneinander stehen. - Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, Herr Raue; Sie haben es ganz klar auf den Punkt gebracht: nationale Egoismen, Punkt, aus, Schluss! An der Landesgrenze hört unsere Perspektive auf.

Das ist die Alternative. Dazu sagen wir: Jetzt müssen wir kämpfen. Ich kämpfe für die Alternative, dafür, zu sehen, dass sich dieses Europa nur in Gänze entwickeln kann, dass wir in SachsenAnhalt ein elementares Interesse daran haben, dass die Menschen in Rumänien und Bulgarien Mindestlöhne bekommen, von denen sie sich ernähren können, dass die Wirtschaft dort floriert, dass sie Infrastrukturausbau bekommen, weil das für sie da vor Ort gut ist und es für uns gut ist. Das ist die Alternative, und für sie werden wir weiter streiten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will an dieser Stelle noch etwas sagen: Wir können dem Alternativantrag, obwohl er an sich nichts Falsches enthält, nicht zustimmen. Zumindest hinsichtlich der Begründung haben wir ein Problem; denn dort wird Folgendes suggeriert: Wir machen das ganz einfach. Wir belassen die Kohäsionsfonds in etwa so, wie sie sind; aber die Regionen, die Übergangsregionen oder die etwas stärkeren, bekommen aus diesem Topf mehr Geld.

Das ist aber eigentlich völliger Blödsinn; denn natürlich heißt Kohäsion, dass die Schwächsten zuerst Geld bekommen. Wir sind nicht mehr die Schwächsten, aber wir wollen weiterhin Geld für Sachsen-Anhalt bekommen. Das wollen wir dadurch sichern, dass der Topf insgesamt nicht kleiner wird und daher auch für uns reicht. Wir wollen die Mittel aus den Visegrád-Staaten sowie Rumänien, Belgien und Italien nicht abziehen, damit es uns besser geht, sondern wir wollen, dass diese Mittel für alle reichen. Das ist die Alternative.

Deswegen können wir Ihrem Antrag leider nicht zustimmen. Ich beantrage übrigens die Überweisung in den Europaausschuss. - Danke.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich danke Herrn Gallert für die Ausführungen. - Dann kommen wir zum Abstimmungsverfahren. Es wurde gerade der Vorschlag auf Überweisung unterbreitet.

(Robert Farle, AfD: Hallo? Ich habe eine Frage an Herrn Gallert!)

- Entschuldigung, Herr Farle. - Herr Gallert, Herr Farle hat eine Frage.

Ich habe folgende Frage: Sagen Sie den Menschen in unserem Land, dass Sie wegen des Brexit etwa 3,5 bis 4 Milliarden € zusätzlich in den EU-Haushalt investieren wollen? Oder haben Sie sogar die Vorstellung, den vollen Verlust wettmachen zu wollen, nämlich 7 Milliarden € in den EU-Haushalt zusätzlich einzuzahlen, damit wir am Ende davon ein Drittel wiederbekommen? Ist das Ihre Konzeption? Erzählen Sie es den Menschen in unserem Land tatsächlich so, wie es ist? Oder kommen Sie mit dem Argument der Solidarität und verschweigen, dass das enorme zusätzliche Belastungen für die Menschen in unserem Land bedeutet?

Nein, Herr Farle, das werde ich den Leuten nicht erzählen, weil es nämlich falsch wäre.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich habe deutlich gesagt: 6 Milliarden € beträgt das Defizit, das infolge des Brexit besteht. Damit, ob es 6 oder 7 Milliarden € sind, müssen wir uns an der Stelle nicht auseinandersetzen. Dieser Betrag würde proportional aufgeteilt werden; das ist so. Wie hoch der Anteil Deutschlands wäre, wissen wir nicht. Im Koalitionsvertrag steht erstaunlicherweise, dass der Eigenmittelanteil eventuell erhöht wird.

Mein Präferenzmodell ist übrigens ein ganz anderes. Mein Präferenzmodell ist eine Finanztransaktionssteuer, die ihren Namen wirklich verdient.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aus der grünen Perspektive gibt es zum Beispiel die Plastiksteuer - eine Variante, die ebenfalls zur Debatte steht.

Ach, die neuen Steuern.

Wir überlegen, dass die Europäische Union übrigens mit originalen europäischen Aufgaben in erster Linie nicht durch eine Umlagefinanzierung, sondern explizit durch eigene Steuereinnahmen ausgestattet werden sollte.

Mit dieser Finanztransaktionssteuer - keine AlibiFinanztransaktionssteuer, sondern eine wirkliche Finanztransaktionssteuer - würden wir, wenn sie vernünftig erhoben würde und wir die eigenen Steueroasen, zu denen zum Teil auch Deutschland gehört, trockenlegen würden,

(Zustimmung bei der LINKEN)

viel mehr als diese 6 Milliarden € zur Verfügung haben. Dort gibt es Finanzquellen. Wenn wir diese richtig nutzen, bleibt mit Sicherheit genug Geld für die Kohäsionspolitik, für uns und für die Unterstützung sinnvoller Projekte auch in anderen Ländern übrig. - Danke.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Fragen. Ich danke Herrn Gallert für die Ausführungen.

Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren. Es wurde der Vorschlag auf Überweisung des Antrags in den Europaausschuss unterbreitet. Wenn das Parlament dem zustimmt, dann bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die AfD. Damit ist einer Überweisung des Antrags nicht zugestimmt worden.

Damit stimmen wir über den Ursprungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 7/2518 ab. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die AfD. Somit ist dieser Antrag abgelehnt worden.

Jetzt stimmen wir ab über den Alternativantrag der Fraktionen der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. in der Drs. 7/2574. Wer diesem Alternativantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Die AfD. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit hat dieser Antrag die Zustimmung des Hauses erhalten. Der Tagesordnungspunkt 21 ist somit erledigt.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 22