Protocol of the Session on March 8, 2018

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Zoschke. Es gibt eine Wortmeldung. Möchten Sie die Frage beantworten? - Es gibt noch eine Zweite. Jetzt erst einmal Herr Lieschke und dann Herr Farle. Bitte, Herr Lieschke.

Sie haben jetzt grundlegend sehr viel bei Schadstoffen durcheinander geworfen. Ich weiß nicht, wer Ihnen das ausgearbeitet hat. Aber wenn Sie von CO2 sprechen und Tod der Menschheit und von solchen Geschichten und Sie jetzt die Dieselmotoren abschaffen möchten, ist Ihnen dann klar, wenn Sie auf alle Diesel verzichten, dass das durch Benziner ausgeglichen werden muss und Sie dadurch die CO2-Belastung um ein Vielfaches erhöhen werden?

Frau Zoschke, bitte.

Danke, Frau Präsidentin. - Wenn Sie mir richtig zugehört hätten, habe ich die Worte, wir müssen Dieselfahrzeuge abschaffen, nicht an einer einzigen Stelle benutzt, sondern ich habe gesagt, die Autoindustrie ist jetzt gefordert, die Dieselfahrzeuge so aufzurüsten, dass der Schadstoffausstoß verringert und minimiert wird. Das ist die Aufgabe, nicht die Abschaffung von Dieselfahrzeugen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine zweite Nachfrage: Ich bin auch relativ Vielfahrer. Ich fahre so ca. 80 000 km im Jahr.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Und Sie ha- ben keine Bahncard?)

Wie viele hier in Sachsen-Anhalt fahre ich viel durch die Gegend. Es ist letztlich so, dass viele Pendler einfach auf das Auto angewiesen sind, und viele fahren, die keine Bahncard haben, Herr Striegel. Und für diese werden sich die Kosten um ein Vielfaches erhöhen. Wie wollen Sie das verkaufen, wenn die Leute schon relativ wenig verdienen und Sie sagen, sie müssten am besten auf Benziner umsteigen, weil es für die Umwelt gut ist, aber sich die Familien das nicht leisten können?

Frau Zoschke.

Danke schön. - Auch dafür gibt es Lösungen. Wenn sie meiner Kollegin Eisenreich in der Vergangenheit mehrmals richtig aufmerksam zugehört hätten, wäre eine der Lösung, die wir anbieten, tatsächlich eine Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs. Wenn ich jetzt einmal an die Große Koalition denke, ist ein ticketfreier Nahverkehr zum Beispiel gegenwärtig auch ein Thema. Auch das wäre eine Möglichkeit. Wenn wir gemeinsam darüber nachdenken, finden wir Lösungen.

Vielen Dank, Frau Zoschke. - Herr Farle, Sie haben das Wort. Bitte.

Das ist eine kurze Zwischenintervention.

(Sebastian Striegel, GRÜNE, lacht)

Ich habe in meinem Beitrag aus Zeitgründen nicht erläutert, warum diese Studien über die angeblichen Gesundheitsgefahren durch Stickoxide samt und sonders nichts taugen. Deswegen will ich es Ihnen jetzt kurz erklären: An der Straße von Sevilla ist eine Studie gemacht worden. Dort haben wir ein viel längeres Leben der Menschen in einer der am dichtesten besiedelten Straßen. Dann könnte man ja sagen, wo die Stickoxidbelastung am höchsten ist, leben die Leute am längsten.

Das ist natürlich ein absurdes Studienergebnis. Aber das liegt daran, dass diese Studien selbst absurd sind. Sie funktionieren folgendermaßen: Wo tauchen bestimmte Lungenkrankheiten, wo tauchen bestimmte Erkrankungen bei den Gefäßen usw., Herzinfarktraten und was weiß ich, auf? Dann wird verglichen: Gebiete, wo es hohe Stickoxidbelastungen gibt und Gebiete, wo es weniger hohe gibt. Und dann sagt man, die erhöhte Todesrate liegt genau daran, dass die Stickoxidbelastung am höchsten ist.

Man untersucht noch nicht einmal im Ansatz, ob die Leute rauchen, ob die Leute Sport treiben, ob sie sich gesund ernähren oder sonst irgendetwas. Das heißt, die gesamten Faktoren, die für die Entstehung der Lungenkrankheiten und Atemwegserkrankungen eine Rolle spielen, werden bei diesen Studien gar nicht berücksichtigt. Darum sagt Prof. Köhler: Alles künstlich aufgeblasener Unsinn. Und Sie rennen der Sache voll auf den Leim. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Sie können darauf erwidern, wenn Sie möchten. - Bitte, Frau Zoschke.

Herr Farle, ich könnte mich jetzt genauso hinstellen und tönen; ich könnte Ihnen das jetzt kurz erklären. Ich kann Ihnen das nicht kurz erklären, sondern das müsste für meine Begriffe einen längeren Zeitraum einnehmen, um Ihnen unsere Studien, die wir zur Grundlage gelegt haben, zu erklären. Deswegen würde ich jetzt darauf verzichten, weil es wirklich länger dauert.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. Es gibt keine weiteren Anfragen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner, und zwar spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abg. Herr Aldag. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Gute Lebensbedingungen für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu schaffen, sollte Grundlage unseres Arbeitens sein. Jede und jeder von uns wird dabei ganz individuell entscheiden, welche Faktoren eine Rolle spielen und welche Prioritäten dabei gesetzt werden.

Da gibt es - so wird zumindest kolportiert - anscheinend klassische Zuordnungen. Ich persönlich halte wenig davon, das eine gegen das andere auszuspielen. Was für mich zählt, ist das Gleichgewicht zwischen den einzelnen Faktoren, die für gute Lebensbedingungen sorgen, und der Wunsch nach individueller Entscheidungen, wie jede und jeder leben will. Deshalb halte ich Fahrverbote für wenig zielführend. Sie sind für mich kein geeignetes Mittel, um die Umwelt- und Verkehrsprobleme in irgendeiner Art zu lösen.

Nun schauen wir, um was es heute eigentlich geht. Es wurde schon mehrfach genannt. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Städte grundsätzlich die Möglichkeit haben, zur Luftreinhaltung Fahrverbote zu verhängen. Dabei wurde der Blick durch die Klage der Deutschen Umwelthilfe explizit auf die Städte Stuttgart und Düsseldorf gerichtet, weil hier die Situation wirklich besorgniserregend ist.

Die Richter mahnen in ihrem Urteil zur Verhältnismäßigkeit, fordern Ausnahmen für Handwerker und Anwohner und geben auch Hinweise zu einem Zeitraum, ab wann für wen Fahrverbote gelten sollen; für Euro 4 und darunter sind Fahrverbote ab sofort möglich und für Euro 5 erst ab September 2019. Dann schauen wir weiter, in welchen Fällen Fahrverbote verhängt werden müssen, nämlich nur dann, wenn alle anderen Maßnahmen versucht wurden und trotzdem keine ausreichende Verbesserung bei der Luftreinhaltung eingetreten ist.

Nun blicken wir in unser Land: In welcher Stadt würden dann überhaupt Fahrverbote drohen? In Halle. Schau einer an, eine Stadt im ganzen Land wäre betroffen. Ja, da werden tatsächlich an manchen Tagen die Grenzwerte überschritten. Im Mittel um ganze 3 µg. Das ist nicht gut, denn die Hallenserinnen und Hallenser haben ein Recht auf saubere Luft. Wir müssen alles daran setzen, diese zu gewährleisten.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Aber die ersten Gegenmaßnahmen wurden bereits ergriffen. Die Osttangente wird weitere Entlastungen bringen. Und dann war es das mit dem Thema Fahrverbote in Halle und auch in Sachsen-Anhalt. Jetzt einmal im Ernst, meine Damen und Herren, müssen wir dafür so einen Aufriss machen?

Schauen wir doch lieber, wo die wirklichen Herausforderungen liegen. Wissenschaftlich belegt ist, dass durch Stickoxide Atemwegserkrankungen zunehmen,dass das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben, durch die Schadstoffbelastungen zunimmt.

Wissenschaftlich bewiesen ist auch, dass zum größten Anteil die Schadstoffe aus dem Straßenverkehr und dort von Dieselfahrzeugen stammen. Ich sehe da einen kausalen Zusammenhang. Deswegen besteht die Notwendigkeit, zu handeln.

Wir brauchen keine Fahrverbote, sondern saubere Technologien, auf die sich die Menschen verlassen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich will saubere Luft in unseren Städten, ich will, dass Menschen frei atmen können, und dafür braucht es keine Grenzwerte als Motivation. Wir können eine Menge dafür tun. Beim Thema Mobilität müssen wir umsteuern, und dazu gehören viele verschiedene Komponenten. Da passt es ganz gut, dass am vergangenen Donnerstag der niedersächsische Verkehrsminister Bernd Althusmann, CDU, bei Maybrit Illner ein Maßnahmenpaket genannt hat, was nun notwendig wäre, um für saubere Luft in den Städten zu sorgen.

Ich war zugegeben überrascht. Er sagte, in Infrastruktur müsse investiert werden, intelligente Verkehrssysteme müsse man einführen, saubere Antriebstechnologien, wie E-Mobilität, muss man vorantreiben und - da war ich baff - wir müssen den ÖPNV stärken, und all diese Maßnahmen könnte man unter dem Begriff Mobilitätswende zusammenfassen.

Halleluja, meine Damen und Herren, unsere grünen Botschaften wurden endlich erhört.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt schauen wir doch einmal, wie diese Mobilitätswende aussehen kann. Schauen wir uns an, wie wir es schaffen, die Luft sauberer zu machen und die Lebensbedingungen zu verbessern, ganz ohne Verbote, ohne Einschränkungen in der individuellen Entscheidungsfreiheit, sondern mit Innovation, mit Anreizen und vorausschauender Planung in der Stadtentwicklung.

In einer Stadt der kurzen Wege liegt die oberste Priorität in der Wiederherstellung der Lebensqualität. Ziel ist es, die Infrastruktur- und Mobilitätskosten zu senken, Standortentscheidungen sind im Kontext mit verkehrlichen Wirkungen zu treffen.

Die Innenentwicklung steht vor der Außenentwicklung. Der Straßenraum wird für alle gleichermaßen entwickelt und gestaltet. Strategien bei der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur basieren auf einem Antistauprogramm, auf dem Aufbau eines funktionsfähigen und nachhaltigen Verkehrssystems und Projekten zur Steigerung der Attraktivität der ÖPNV, zu Verkehrssicherheit, zur Lärmreduzierung und zur Schadstoffminimierung.

Was wir brauchen, ist ein modernes Verkehrsmanagement, dessen oberstes Ziel es ist, die vorhandene Verkehrsinfrastruktur effektiv zu nutzen und dabei dem ÖPNV den Vorrang zu geben.

Wir brauchen ein intelligentes Mobilitätsmanagement, mit dem wir Mobilität gestalten und nicht Verkehr bewältigen.

Verkehrserzeuger müssen bei der Verkehrsbewältigung mit ins Boot genommen werden. Die Wahl der Verkehrsmittel ist zugunsten des ÖPNV und des Radverkehrs zu beeinflussen.

Meine Damen und Herren! Was sich hier so modern und zukunftsweisend anhört, ist nicht meine Idee. Es sind die Ideen der Stadt Dresden, aus deren Mobilitätsstrategie aus dem Jahr - man höre und staune - 2007.

Bereits vor elf Jahren hat sich die Stadt auf den richtigen Weg gemacht und sie zählt heute zu den Vorreitern in Sachen intelligente Verkehrssysteme und integriertes Mobilitätsmanagement. In Dresden hat man bereits vor elf Jahren die Zeichen der Zeit erkannt und die richtigen Schritte eingeleitet.

Ich empfehle Ihnen allen, die Forschungsarbeit der TU Berlin zu lesen, welche im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung angefertigt und im Oktober 2017 veröffentlicht wurde.

In der Einleitung dazu heißt es - ich zitiere -: Es wird Zeit, nach einer 25-jährigen Geschichte des Mobilitätsmanagements dieses als angewandtes Instrument in der Verkehrsplanung endlich zu etablieren. Die politischen Barrieren, welche die Umsetzung verhindern, müssen verschwinden. Es muss sich etwas ändern, damit Mobilitätsmanage

ment die existierenden Verkehrsprobleme lösen kann.

Als Fazit dieser Forschungsarbeit kommt diese zu folgendem Schluss - ich zitiere weiter -: Die Forschungsergebnisse sind von hoher politischer Relevanz, da es an alternativen Handlungsmöglichkeiten mangelt, die Verkehrs- und damit die Umweltprobleme in Deutschland zu lösen. Trotz der akuten Problemlage bleiben die Potenziale des Mobilitätsmanagements bis heute in weiten Teilen ungenutzt.

Damit das Instrument zur Problembewältigung eingesetzt werden kann, bedarf es deshalb einer bundesweiten und systematischen Förderstrategie, die sich an messbaren verkehrspolitischen Zielen orientiert. Des Weiteren braucht es für die langfristige Anwendung von Mobilitätsmanagement gesetzlicher Vorgaben mit verbindlichem Charakter.

Der gesellschaftliche Mehrwert besteht darin, die derzeitige Verkehrsentwicklung entsprechend den Nachhaltigkeitszielen der Bundesregierung auszurichten. Dabei kann Mobilitätsmanagement für die Senkung der Verkehrs- und Umweltbelastungen genutzt werden, ohne dabei die Mobilität der Menschen einzuschränken.