Protocol of the Session on March 8, 2018

Die letzte Anmerkung zu der Äußerung von Herrn Farle, dass wir, weil die Transporte in den Innenstädten teurer sind, den Diesel nicht verbieten dürfen. - So viel Unsinn habe ich ja selten gehört. Wir haben mit DHL einen Anbieter, der als Erster darauf setzt, dass er seine Transportfahrzeuge mit E-Mobilität hinkriegt. Ich finde, das ist ein hoch erstrebenswerter Vorgang.

Im Übrigen finde ich es auch einen hoch erstrebenswerten Vorgang, dass man die Schadstoffimmissionen durch Paketdienste aus den Innenstädten rauskriegt. Das hilft übrigens nicht nur der Luft, das hilft auch dem stationären Einzelhandel; denn eine lebendige Stadt, wo Handel und Wandel dazugehören, ist eben auch Teil von lebenswerten Städten und Gemeinden. Deswegen irren Sie an dieser Stelle wie an vielen anderen auch. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Abg. Dr. Grube. Es gibt keine Anfragen. - Somit kommen wir zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Zoschke. Sie haben das Wort, Frau Zoschke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wären wir jetzt in den Babelsberger Filmstudios, würde ich sagen: Angstmache - Klappe die Zweite.

Bereits im Dezember des vergangenen Jahres haben wir uns hier mit einem von Ihnen beschworenen Szenario eines scheinbaren Verbotes von Dieselfahrzeugen beschäftigen müssen. Jetzt versuchen wir es mit einer Aktuellen Debatte - na gut.

Offenbar ist es dem Antragsteller sehr wichtig, zu untersetzen, dass am Horizont genau dieses generelle Dieselfahrverbot droht. Das ist allerdings nicht der Fall. Deutlich macht es im Gegensatz dazu aus unserer Sicht, dass der Antragsteller nicht nur befürwortet, sondern sogar einfordert,

dass weiter unbegrenzt Dieselschadstoffe in die Luft geblasen werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dabei soll und wird nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern exakt ausgeblendet, dass und welche gesundheitlichen Risiken mit dem unbegrenzten „Weiter so!“ an Dieselfahrzeugen verbunden sind.

Dabei hat das Leipziger Bundesverwaltungsgericht mit den nunmehr möglichen Fahrverboten nicht das Abschaffen aller Dieselfahrzeuge verfügt, sondern es hat einen Lösungsversuch aufgezeigt, der es den Städten selbst ermöglichen soll, für saubere Luft zu sorgen. Aber dies hat ja heute bereits mehrmals Erwähnung gefunden.

Gemessen am gesunden Menschenverstand

kann auch Ihnen nun wirklich nicht entgangen sein, dass die hauptsächlich von Diesel-Pkw ausgestoßenen Stickoxide ungesund sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Ausführungen speisen sich aus Quellen und Studien vom BUND, dem Umweltbundesamt, engagierten Ärzten und Forschungsstudien zum Thema.

Stickstoffdioxid ist ein ätzendes Reizgas, das die Schleimhäute im gesamten Atembereich angreift und schädigt und das die Augen reizt. Es dringt tief in die Lunge ein, löst Entzündungsreaktionen aus und schädigt das Lungengewebe. Besonders gefährdet sind bereits an Asthma Erkrankte und Kinder. Bereits geringe eingeatmete Mengen Stickstoffdioxid führen zu gravierenden Behinderungen des Lungenwachstums eines Kindes. Chronische Lungenkrankheiten können eine langfristige Folge sein.

Wissenschaftliche Studien weisen nach, dass eine zu hohe Konzentration an Stickoxiden in der eingeatmeten Luft zu einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. Wer dauerhaft schlechte Luft einatmen muss, hat ein erhöhtes Schlaganfallrisiko.

Ein Team der Universität Edinburg hat über 90 Studien aus 28 Ländern ausgewertet. Dabei ermittelte das Team Tageswerte für Kohlenmonoxid, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid und Ozon sowie Feinstaubpartikel in der Größe unter 2,5 μm bzw. unter 10 μm.

Insgesamt wurden in diesen Studien 6,2 Millionen Krankenhauseinweisungen mit der Diagnose

Schlaganfall sowie Todesfälle durch Schlaganfall registriert. Stieg die Konzentration von Kohlenmonoxid um ein Teil pro Million, nahm die Zahl der Schlaganfall-Krankenhauseinweisungen und -Todesfälle um rund 1,5 % zu. Eine um zehn Teile pro Milliarde höhere Stickstoffdioxidbelastung war mit 1,4 % mehr Schlaganfällen verbunden, eine

gleichermaßen erhöhte Schwefeldioxidkonzentration mit 1,9 %.

Der Zusammenhang mit den Ozonwerten war deutlich schwächer. Bei Feinstaub waren jene Partikel unter 2,5 μm stärker mit einem Schlaganfallrisiko verbunden als die Partikel unter 10 μm.

Die verschmutzte Luft führt zu einer Verengung der Blutgefäße, erhöht damit den Blutdruck, und das Risiko für Blutgerinnsel steigt.

Das ARD-Magazin „Report Mainz“ berichtete aktuell über eine noch unveröffentlichte Studie des Umweltbundesamtes, die auch Stickoxidkonzentrationen unterhalb der Grenzwerte als gefährlich für die Gesundheit des Menschen ansieht.

Danach können selbst Stickstoffdioxidwerte unterhalb des 40- μg-Grenzwertes, wie sie zum Beispiel in ländlichen Gebieten gegeben sind, gravierende gesundheitliche Folgen haben.

Laut der schon seit Mai 2017 vorliegenden Studie sollen vorzeitige Todesfälle bereits ab einer längeren Stickstoffdioxidkonzentration von rund 10 µg je Kubikmeter auftreten.

Entsprechend den Studienergebnissen seien

6 000 bis 8 000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr allein auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen, die durch Stickstoffdioxid ausgelöst werden.

Dieselfahrzeuge sind die Hauptquelle der Stickoxide in unseren Städten. Mit 64 % ist der lokale Kraftfahrzeugverkehr der größte Verursacher von Stickstoffemissionen in unseren Innenstädten. Weitere 21 % sind durch einen Transport aus größerer Entfernung bedingt, 7 % durch die Gebäudeheizung und lediglich 3 % durch die Industrie.

Maßnahmen zur Minderung der städtischen Stickstoffdioxidkonzentration müssen daher hauptsächlich beim Kraftfahrzeugverkehr ansetzen. Bei den Kraftfahrzeugen sind die Diesel-Pkw mit 67 % mit Abstand die größten Verschmutzer. Nutzfahrzeuge, also zum Beispiel Lkw, erzeugen etwa ein Fünftel, Busse 5 % und Mopeds 2 %. Weitere Pkw, zum Beispiel Benziner und Hybrid, verursachen 4 % des Stickstoffdioxidausstoßes.

Das sind doch belegbare Gründe dafür, dass sich die EU veranlasst sah, europaweit Grenzwerte für diese Schadstoffe festzulegen. In der EU-Richtlinie 2008/50/EG, in Deutsches Recht mit der 39. Bundes-Immissionsschutzverordnung umge

setzt, ist für den Schutz der menschlichen Gesundheit ein Jahresgrenzwert von 40 µg pro Kubikmeter im Jahresmittel festgelegt, der seit 2010 einzuhalten ist.

59 % der städtischen verkehrsnahen Luftmessestationen registrierten im Jahr 2016 Überschreitungen dieses Jahresgrenzwertes. In städtischen

Hintergrundmessstellen wurden keine Grenzwertüberschreitungen festgestellt. 59 % sollten Grund genug zum Handeln liefern. Hauptaugenmerk muss daher darauf gelegt werden, dass nicht noch mehr schmutzige Dieselfahrzeuge auf unsere Straßen kommen,

(Beifall bei der LINKEN)

Fahrzeuge also, die im Realbetrieb die gesetzlichen Grenzwerte nicht einhalten.

Dass nun selbst neue Diesel-Pkw diese gesetzlichen Stickstoffdioxidgrenzwerte nicht einhalten, das ist doch der eigentliche Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür sind gleichermaßen Autoindustrie und Bundesregierung verantwortlich. Dass Bürgerinnen und Bürger, eventuell in gutem Glauben, eine relativ grüne Kaufentscheidung getroffen zu haben, getäuscht wurden und dies nun ausbaden müssen, ist ebenso skandalös wie ungerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Der schwarze Peter liegt bei der Industrie. Sie muss dafür sorgen, dass betroffene Fahrzeuge nachgerüstet, nachgebessert werden und damit dann die geforderten Grenzwerte in allen Betriebszuständen einhalten.

Hier gehört der Aufschrei hin! Die Fertigung und der Verkauf dieser nach wie vor schmutzigen Diesel-Neuwagen muss gestoppt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Hier bei uns wird der niedrigere Grenzwert immer wieder überschritten. Der Luftqualitätsbericht der Europäischen Umweltbehörde zeigt, dass es im europäischen Vergleich in Deutschland am

schlechtesten steht. Hier wurden die höchsten Werte im Jahresschnitt von allen 28 EU-Ländern gemessen.

Es ist also gut und richtig so, dass Kommunen ohne bundeseinheitliche Gesetzgebung jetzt

selbst und in den akuten Situationen tätig werden können. Darüber hinaus können und müssen diese Prozesse weiter unterstützt und begleitet werden.

Deshalb plädieren wir zusätzlich für die Einführung einer blauen Plakette mit konkreten Festsetzungen und einer regelmäßigen Kontrolle der Einhaltung dieser Festsetzungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch so ganz nebenbei: Worin liegt denn eigentlich der Unterschied im Gesundheitsschutz bei Deponien und Ortsumfahrungen im Vergleich zu Schadstoffen aus Dieselfahrzeugen? Für ersteres schwingen Sie sich zu einzig wahren Kämpfern auf und hier verschließen Sie sich gegenüber wissenschaftlichen Fakten. Das verstehe, wer will - wir nicht!

(Beifall bei der LINKEN)