Die Hürden für Verkehrsverbote sind und bleiben hoch. In jedem Einzelfall muss streng geprüft werden, ob diese Maßnahme verhältnismäßig wäre. Ich hoffe, dass diese Einzelfallprüfung in den betroffenen Städten mit Augenmaß erfolgen wird; denn gerade das Handwerk wäre von Fahrverboten unverhältnismäßig stark betroffen.
Auch wenn für Sachsen-Anhalt konkrete Fahrverbote nicht drohen, nimmt die Landesregierung das Thema selbstverständlich ernst. Die Landesregierung wird alles dafür tun, um Verkehrsverbote für Dieselkraftfahrzeuge in Sachsen-Anhalt zu vermeiden. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gemeinsam mit den Kommunen gelingt.
Lediglich an der Messstelle Paracelsusstraße in Halle wurde im Jahr 2017 der geltende NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ knapp überschritten. Mit der Fertigstellung der kommunalen Haupterschließungsstraße Gewerbegebiete Halle-Ost Ende 2018 wird die Paracelsusstraße um ca. 4 000 Kraftfahrzeuge pro Tag entlastet werden. Deshalb ist eine Einhaltung des NO2-Grenzwertes ab 2019 sehr wahrscheinlich.
Das hat auch meine Kollegin Ministerin Frau Prof. Dalbert in ihrer Reaktion auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bereits deutlich gemacht. Ich teile diese Einschätzung und möchte deshalb in aller Deutlichkeit festhalten: Nach der heutigen Rechtslage drohen in Sachsen-Anhalt keine Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass zonale und streckenbezogene Verkehrsverbote nur dann verhältnismäßig sind, wenn sich ein Verkehrsverbot für Dieselkraftfahrzeuge als die einzige geeignete Maßnahme erweist, um den Zeitraum einer Nichteinhaltung der NO2-Grenzwerte zu verkürzen.
Letztlich kommen Verkehrsverbote überhaupt nur dann in Betracht, wenn die erlaubten NO2-Jahresmittelwerte erheblich überschritten werden. Hierbei sind in erster Linie Stuttgart und München zu nennen. Im Stuttgarter Talkessel geht es um ein sehr weitreichendes Maßnahmenpaket zur Emissionsreduzierung; davon ist nicht nur der Diesel betroffen.
Alternative Antriebe sind noch keine wirkliche Alternative - noch nicht. Wir unternehmen erhebliche Anstrengungen, damit sich das schrittweise ändert. Deshalb unterstützt die Landesregierung unter anderem alternative Mobilitätskonzepte und treibt insbesondere die Umstellung des ÖPNV auf alternative Antriebe voran. So fördern wir gezielt Maßnahmen zur Einführung alternativ angetriebener Linienbusse. Seit Juli 2017 können die Beschaffung und der Einsatz entsprechender Fahrzeuge mit Fördermitteln unterstützt werden. Als Neufahrzeuge kommen sowohl Elektrobusse als auch erdgasbetriebene Busse in Betracht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Verkehrsminister der Länder sind mehrheitlich der Auffassung, dass sich die Anstrengungen zur Emissionsreduzierung nicht in der Verlagerung des Kfz-Verkehrs erschöpfen können; vielmehr müssen sie durch Anstrengungen der Automobilindustrie ergänzt werden.
Die große Verantwortung der Automobilhersteller besteht darin, die Emissionsbelastungen der Fahrzeuge zu mindern.
Die Autoindustrie muss bei ihren Kunden verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen und dafür sorgen, dass im Rahmen von Nachrüstungen und Software-Updates auch für ältere Fahrzeuge verlässliche Lösungen gefunden werden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister Webel. Ich sehe keine Anfragen. - Somit steigen wir in die Debatte der Fraktionen ein. Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Herr Dr. Grube. Sie haben das Wort, Herr Dr. Grube.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Hohes Haus! Am 27. Februar 2018 hat eine Debatte über ein Thema, über das wir schon lange diskutieren, einen neuen Höhepunkt erreicht. Es geht um den Diesel; genauer gesagt geht es um die Frage, ob Kommunen Fahrverbote erlassen können. Ja, das können sie; das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu seinen beiden Urteilen zu den Luftreinhaltungsplänen in Stuttgart und Düsseldorf ausdrücklich erklärt, aber sie müssen es nicht, wenn es keine sachliche Notwendigkeit gibt, und sie müssen es auch nicht, wenn es andere Maßnahmen gibt, um erhöhte Grenzwerte in den Griff zu bekommen.
Die Frage ist nun bei all der Aufgeregtheit: Was heißt das für Sachsen-Anhalt? - Es gibt Luftreinhaltungspläne in Magdeburg und in Halle. In beiden Städten wurden im Jahr 2011 Umweltzonen eingerichtet. Zum 1. Januar 2013 wurden sie zur sogenannten grünen Umweltzone verschärft. Für Halle gilt seit dem 3. März 2016 eine dritte Stufe der Umweltzone mit einer weiteren Verschärfung der verkehrsbeschränkten Anforderungen. Und, meine Damen und Herren: Das war auch erfolgreich.
Der Immissionsschutzbericht 2016 weist aus - Zitat -, dass sich nach Einführung der Umweltzonen die Stickstoffdioxid- und Feinstaubwerte an den Punkten der höchsten Belastung in beiden Städten um 9 bis 27 % verringert haben. Bezugswert ist das Jahr 2010. Für Feinstaub wurden die Werte nach Angaben des Landesamtes für Umwelt auch 2017 eingehalten.
Es gibt da nur eine Ausnahme; das ist die Paracelsusstraße in Halle. Dort lag die Stickstoffdioxidbelastung - übrigens mit Abstand die höchste in Sachsen-Anhalt - mit 46 µg/m³ im Jahr 2016 und 43 µg/m³ im Jahr 2017 über dem Grenzwert; der liegt übrigens bei 40 µg/m³. Die Entwicklung geht also, meine Damen und Herren, auch hier zumindest erstmal in die richtige Richtung.
Die Deutsche Umwelthilfe hat deswegen trotzdem Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt erhoben. Die Landesregierung soll die Stadt Halle dazu zwingen, ihren Luftreinhaltungsplan zu ändern und ein sofortiges Fahrverbot zu verhängen. Wir lehnen das ab. Für uns sind Fahrverbote die Ultima Ratio; die kann man verhängen, wenn gar nichts mehr geht. Aber, meine Damen und Herren, in Halle geht ja noch was.
Hier liegen die passenden Maßnahmen auf der Hand; sie sind sogar schon eingeleitet - das wissen auch alle Beteiligten -, und die Maßnahmen heißen eben nicht „Fahrverbote“.
Warum ist die Paracelsusstraße denn so hoch belastet? - An dem Messpunkt dort wird die Belastung der halleschen Innenstadt durch die Belastungen des Durchgangsverkehrs in Zahlen manifestiert; das ist der Grund. Und: Ja, der Durchgangsverkehr muss natürlich weg.
Hier wird es Zeit, dass mit der Fertigstellung der A 143 - da sind wir im Moment bei dem Jahr 2021 - und der Fertigstellung der Osttangente - da reden wir im Moment von Januar 2019 - der Verkehr aus der Stadt verschwindet und dann auch hier die Immissionswerte im grünen Bereich liegen.
Die Umweltministerin - die ist nicht als die glühendste Vertreterin des Diesels bekannt - ist im Übrigen der gleichen Auffassung. Wenn diese Maßnahmen greifen, meine Damen und Herren,
Die Frage Ultima Ratio sieht im Übrigen ausdrücklich auch das Bundesverwaltungsgericht so. Ich muss dazu sagen: Ich kann hier nur auf Pressemitteilungen des Gerichts zugreifen. Das Urteil selbst war noch nicht ganz abrufbar. Ich gehe allerdings von einer erhöhten Kongruenz zwischen Urteil und Pressemitteilung aus; deswegen ist das, glaube ich, lässlich.
Das Gericht hat in seinem Urteil auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit abgestellt. So ist - Zitat -
„hinsichtlich der Umweltzone Stuttgart eine phasenweise Einführung von Verkehrsverboten, die in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis Abgasnorm Euro 4) betrifft, zu prüfen. Zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit dürfen Euro-5-Fahrzeuge jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 (mithin also vier Jahre nach Einführung der Abgasnorm Euro 6) mit Verkehrsverboten belegt werden. Darüber hinaus bedarf es hinreichender Ausnahmen, zum Beispiel für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen.“
Meine Damen und Herren! Wenn wir unter all das einen Strich machen, dann bleibt der Befund: Für Sachsen-Anhalt wird das Urteil keine Auswirkungen haben - das ist weder undurchsichtig noch enteignend, das ist einfach der Stand der Dinge -, auch wenn das nicht in den wöchentlichen Propagandaplan der AfD passt.
Aber natürlich heißt das nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen können. Es lohnt sich immer, Schadstoffemissionen zu senken. Je sauberer die Luft ist, desto lebenswerter sind unsere Städte und Dörfer.
Deshalb werden wir Ansätze - der Herr Minister hat das schon ausgeführt - zur Senkung der Stickstoffoxidbelastungen, die es gibt, auch weiter verfolgen. Das sind: der Ausbau eines umweltverträglichen ÖPNV, die Verbesserung des Radwegenetzes, das Forcieren der Elektromobilität und auch eine intelligente Verkehrssteuerung.
Dem will jetzt nicht noch was hinzufügen. Ich will an der Stelle aber einen Aspekt nennen, den ich gerade nur angerissen habe, und zwar den Aspekt der Verkehrsverlagerung. Jede Ortsumfahrung - da ist es gleich, ob das die Innenstadt von Halle oder die Hauptstraße einer Gemeinde auf dem Land betrifft - bedeutet neben dem Schutz der Ortskerne vor Lärm auch eine Entlastung der Anliegerinnen und Anlieger vor Schadstoffimmissionen. Deshalb wird es eine Daueraufgabe dieser Landesregierung und der folgenden Landes
regierungen sein, solche Projekte tatsächlich im Bundesverkehrswegeplan zu verankern und am Ende auch umzusetzen.
Meine Damen und Herren! Ich will noch auf drei, vier andere Aspekte eingehen: erstens auf den Popanz, der von Herrn Farle heute hier wieder aufgebaut wurde, dass Grenzwerte willkürlicher Unsinn und ideologisches Klimazeug sind. Das ist natürlich hanebüchener Unfug und ein lebensgefährlicher, meine Damen und Herren, noch dazu.
Laut einer Studie des Umweltbundesamtes sterben in Deutschland jährlich 6 000 Menschen an den Folgen zu hoher Stickoxidbelastung. Wir wollen das nicht, und das kann natürlich auch nicht so bleiben.
Weil Sie Zahlen nicht trauen, Herr Farle, machen Sie doch einfach mal den Selbstversuch: Schnappen Sie sich einen Klappstuhl,
setzen Sie sich neben die Messstelle an der Paracelsusstraße, setzen Sie sich Kopfhörer auf, damit der Lärm den Selbstversuch und die Versuchsanordnung nicht stört, atmen Sie dann eine Stunde tief und herzhaft ein, und wenn Sie dann ohne Hustenanfall den Satz „Das kann so bleiben“ sagen können, reden wir weiter.
Der zweite Aspekt: Die Frage der Fahrverbote ist natürlich eine soziale Frage; denn: Wen trifft es, wenn ältere Autos von heute auf morgen nicht mehr fahren dürfen? - Das trifft diejenigen, die sich nur gebrauchte Autos leisten können. Man muss doch, wenn man sich ein Auto mit einer grünen Plakette holt, darauf vertrauen können, dass das auch so lange hält, wie das Auto fährt, vor allen Dingen, meine Damen und Herren, wenn der Lebensunterhalt daran hängt.
Dritter Aspekt: Das Umweltbundesamt hat in einer Studie herausgestellt, dass rechnerisch die Euro5- und die Euro-6-Diesel einen viel größeren Anteil am NO2-Ausstoß haben; das ist wegen ihrer größeren Anzahl so. Das ist auch deshalb so, weil sie die zugelassenen Grenzwerte sehr viel mehr überschreiten, als das zum Beispiel der Euro-4Diesel tut.
Es macht also viel mehr Sinn, Euro-5- und Euro6-Autos so zu modifizieren, dass diese Autos die Grenzwerte am Ende auch einhalten. Dafür, meine Damen und Herren, muss die Autoindustrie sorgen. Da reicht kein Software-Update. Da muss sie an die Hardware; dafür kann sie auch sorgen.
vorhanden. Dass die Verursacher - das ist nicht nur VW - Milliardengewinne einstreichen, aber ihre Kunden das Auto verschrotten müssen, das, finde ich, ist ein ziemlich perverses Szenario; das kann so nicht bleiben.
Aus unserer Sicht ist da die neue Bundesregierung gefordert. Da kann Herr Scheuer zeigen, dass er besser als Herr Dobrindt ist. Wir gucken nach 100 Tagen, ob Letzteres der Fall ist.
Die letzte Anmerkung zu der Äußerung von Herrn Farle, dass wir, weil die Transporte in den Innenstädten teurer sind, den Diesel nicht verbieten dürfen. - So viel Unsinn habe ich ja selten gehört. Wir haben mit DHL einen Anbieter, der als Erster darauf setzt, dass er seine Transportfahrzeuge mit E-Mobilität hinkriegt. Ich finde, das ist ein hoch erstrebenswerter Vorgang.