Protocol of the Session on October 27, 2017

Herr Minister, Sie haben das Wort zum Antworten.

Herr Roi, Ihr Hinweis darauf, dass in der Tat der Vergleich der Krebszahlen im Landkreis mit anderen Landkreisen eine zu grobschlächtige Befassung ist, ist durchaus berechtigt. Ich habe auch gar nichts - -

(Daniel Roi, AfD: Das steht drin!)

- Ich bestätige Sie gerade, Herr Roi. Jetzt nicht so aufgeregt sein. Sie können auch ein bisschen was für die Galerie liefern. Ich bestätige Sie gerade.

Wir haben unmittelbar in Umsetzung des Beschlusses des Landtags vom Mai gesagt: Das reicht uns nicht. Deshalb haben wir den Auftrag erteilt, eine genaue Erhebung durchzuführen. Man darf insoweit durchaus auch mal etwas klüger geworden sein. Ich nehme das für mich auch in Anspruch, dann müssen Sie sich gar nicht aufregen.

(Lydia Funke, AfD: Wie viele Erhebungen brauchen Sie noch?)

Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann danke ich dem Herrn Minister für die Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die CDU spricht der Abg. Herr Harms. Herr Harms, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst einmal vielen Dank für das Interesse, das Sie dem siebzehnten Tagesordnungspunkt entgegenbringen, liebe Kollegen. Ich bitte darum, etwas leiser sprechen zu dürfen, weil ich gesundheitlich ein bisschen angeschlagen bin.

Tausende Tonnen Mischabfälle mit vielen Schwermetallen. Quecksilber, Radium, Blei, Chrom, Kupfer, Strontium, Kadmium, Chlorid, Lithium, Arsen, Zyanidschlämme, Salpetersäure, Teerreste, Galvanikschlämme und auch radioaktiv belasteter

Abfall wurden mehrere Jahre und Jahrzehnte lang in eine matschige Kuhle gekippt.

Eine ehemalige Mergelgrube mit einer vermuteten 70-cm-Mergeltonrestschicht und das Vertrauen auf die selbstabdichtende Wirkung von Bohrschlämmen sollen Schutz bieten für das Grundwasser, die landwirtschaftlich genutzten Böden und die Gesundheit der Bevölkerung. Dr. Allhoff von der Bürgerinitiative hat bereits Zahlen vorgelegt. Demnach haben Bürger aus dem Ort Brüchau die doppelte Häufigkeit an Krebserkrankungen.

Eine Genehmigung für die dauerhafte Lagerung all dieser Dinge vor Ort existiert nicht. Sollten sich die Schadstoffe ausbreiten, steigt der Aufwand erheblich. Deshalb sollte keiner die Beräumung hinauszögern.

Dieser sogenannte Silbersee entstand mit staatlicher Mitwirkung, Aufsicht und Genehmigung - aus heutiger Sicht ein mehrfacher Fehler. Da hilft auch kein Verstecken hinter Gutachten. Nachdem jahrzehntelang unser Boden ausgebeutet wurde, haben wir den Anspruch, dass ein Teil der Gewinne und Steuern dafür verwendet wird, diese Arbeitsstätte aufzuräumen.

Da wir davon ausgehen müssen, dass die nächsten Monate mit weiteren Untersuchungen vergehen, sollten wir die Zeit im Wirtschaftsausschuss nutzen, um uns genauer mit den Produktionsbedingungen zu beschäftigen, die die ungewöhnlich hohen Quecksilberbestände erklären.

Der Vertrag mit Gaz de France zur Privatisierung und die darin enthaltenen Festlegungen zur Altlastenfrage sollten uns genauso interessieren wie die Gesundheit vieler ehemaliger Erdgasmitarbeiter.

Am Anfang war dort eine matschige Grube, die genutzt wurde. Seit einigen Jahren - wenn Sie sich das vor Ort anschauen - haben Sie den Eindruck, Sie stehen vor einem Biotop. Ich habe den Eindruck, das Problem wurde verwaltet, wie gesagt, mit staatlicher Mitwirkung, aber gelöst wurde es bisher nicht.

(Zustimmung bei der AfD)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Ihnen, Herr Abg. Harms, für die Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die LINKEN spricht der Abg. Herr Höppner. Herr Höppner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Vertrauen verspielt wurde, ist es sehr schwer, dieses wiederherzustellen. In Brü

chau und in der Altmark hat man immer noch den Eindruck, es geht letztendlich wieder nur ums Geld und man verzögert nur deshalb.

Es schafft auch kein Vertrauen, wenn weiterhin offene Fragen nicht beantwortet werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wie zum Beispiel: Warum die Deponie, die eigentlich gar keine ist, nach 1989 überhaupt weiter betrieben und somit dort weiter gefährliche Abfälle reingekippt werden durften. Es war damals größtenteils schon bekannt, was dort alles an Giften - einige wurden genannt - und Schwermetallen verklappt wurde.

Weiter geht es mit der Frage, warum es per 30. April 2012 dann auch aufgrund einer neuen EU-Richtlinie zur Betriebseinstellung der Grube kam: mit der Aussage bzw. mit den Hinweisen, dass die Grube nicht dicht ist bzw. die Dichtheit nicht gewährleistet werden kann und bereits Schadstoffe ins Grundwasser gelangt sind und immer noch gelangen.

Was mich persönlich aber mehr als irritiert, ist auch, dass man Hinweisen, Presse- und Medienberichten sowie Aussagen von ehemaligen Beschäftigten auch in den Ausschüssen nicht nachgeht, dass in die Grube auch radioaktives und strahlendes Material gekippt wurde und dass radioaktiv belastete Rohre aus der Erdgasförderung in der gesamten Gegend noch zu DDRZeiten als Baumaterial verteilt und verbaut wurden.

Man kann sich das alles noch einmal im MDRBericht vom 17. und 31. Mai 2017 anschauen, da wird alles dazu gesagt.

Da ich mich selbst viele, viele Jahre beruflich mit Strahlenschutz auseinandersetzen durfte, kann ich Ihnen versichern, dass man in der Industrie und auch in der Medizin mehr als nervös sein würde, wenn dort Werte gemessen würden, die die zulässigen Grenzwerte bei Weitem übersteigen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Da würde dann nämlich sofort gehandelt, untersucht und letztendlich verantwortungsvoll entsorgt werden. Es gibt somit in Brüchau eine ungeklärte und möglicherweise mehr als gefährliche Situation durch verseuchtes Sickerwasser, radioaktive sowie strahlende Materialen und allen möglichen Sorten von Schwermetallen sowie weiteren giftigen Chemikalien.

Dieser Zustand muss so schnell wie möglich, aber auch unter dem Aspekt größtmöglicher Sicherheit beseitigt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu gehört grundsätzlich, dass endgültig festgestellt wird: Welche Substanzen sind wirklich darin und vor allem in welchen Mengen? - Das braucht man natürlich, um das zu entsorgen, um Entsorgungskonzepte zu erstellen.

Wie können und müssen wir diese letztendlich bei der Entsorgung behandeln oder wie sollten die behandelt werden? Vor allem: Wo können sie abschließend sicher endgelagert bzw. sach- und fachgerecht entsorgt werden?

Abschließend möchte ich als Altmärker klarstellen, dass die Altmark nicht die Müllkippe der Republik ist. Das betrifft die Giftgrube Brüchau, aber auch Dinge, die bereits versucht wurden, wie zum Beispiel die CO2-Verpressung oder das Ablagern, Einlagern von radioaktiven Materialien. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Höppner, es gibt von Frau Dr. Pähle eine Frage. - Frau Dr. Pähle.

Herr Höppner, ich habe nur eine Frage. Sie haben in Ihrem Redebeitrag unterschiedliche Erwartungen formuliert. Einerseits die schnellstmögliche, am besten sofortige Entsorgung der radioaktiv belasteten Stoffe. Das verstehe ich. Gleichzeitig haben Sie mit hoher Erwartung gesagt: Natürlich muss erst mal geklärt werden, was überhaupt darin ist, damit man hinterher auch verantwortungsvoll mit der Entsorgung beginnen kann.

Meine Frage an Sie: Wie bringen Sie das „schnellstmöglich“, vielleicht das Rausangeln der Rohre, die Sie dort vermuten, in Einklang mit dem „Ich muss erst mal wissen, was darin ist“? Halten Sie nicht auch eine fundierte Untersuchung, gerade der Stoffe in der Grube, für notwendig, um genau Ihren zweiten Punkt zu erfüllen? Sind Sie mit mir einer Meinung, dass das Ministerium genau mit dieser Aufgabe gerade beschäftigt ist?

Der wesentliche Unterschied in der Geschichte ist zwischen uns, dass wir klar sagen: „Ja, die Grube muss entsorgt werden.“ Die Grube muss entsorgt werden, aber - das habe ich auch noch einmal dargelegt - unter dem Aspekt der Verantwortlichkeit. Das heißt: verantwortungsvolles Handeln.

Wir wissen alle, wenn wir diese Grube anfassen, aufmachen und Ähnliches, führt das zu neuen Gefahrenquellen. Die müssen abgeschätzt, abgewogen werden. Dort muss ein Konzept erstellt werden. Wir müssen also wissen: Was ist genau dort

vorhanden? Wohin soll es gehen? Wo wird es sicher endgelagert? - Alle solche Dinge. Das muss klar sein.

Aber, wie gesagt - ich möchte das betonen -, wir können hier sagen: Ja, die Grube soll entsorgt werden - natürlich unter den genannten Bedingungen und unter der Voraussetzung, dass keine Gefahr bei der Entsorgung besteht. Denn es hilft uns nicht weiter, wenn wir die Grube anfassen und letztendlich beim Entsorgungsprozess die halbe Gegend verseuchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann danke ich dem Abg. Höppner für die Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die GRÜNEN spricht die Abg. Frau Frederking. Frau Frederking, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Umweltschutzjahresbericht von Exxon-Mobil für das Jahr 2010 steht, wo gefährliche Abfälle aus der Erdgasindustrie entsorgt werden. Es gibt also Möglichkeiten, die auch für Brüchau genutzt werden können.

Von den insgesamt 288 sachsen-anhaltischen Bohrschlammgruben sind bereits 257 zurückgebaut worden. Einige Gruben wurden komplett ausgekoffert. Was hier möglich war, muss auch bei der Bohrschlammdeponie im altmärkischen Brüchau möglich sein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der AfD)

Mehrere Gutachten weisen aus, dass die Grube nicht dicht ist. Außerdem ging man im Jahr 2012, als die Verlängerung des Grubenbetriebs anstand, davon aus, dass Sickerwasser in Quantität und Qualität nachgewiesen werden müsse. Mit der Annahme, dass Sickerwasser vorhanden ist, hatte man gleichzeitig angenommen, dass die Grube undicht ist.

Es heißt, dass der Betreiber den Anforderungen an Untersuchung und Behandlung von Sickerwasser nicht gerecht werden konnte. Hier bleibt eine Menge Fragen offen, denen ich auch noch nachgehen werde. Bei der Erörterung zur geplanten Verlängerung konnten die Bedenken und Einwände von beteiligten Behörden und Gemeinden nicht vollständig ausgeräumt werden.

Bei allem, was wir wissen, kann es nur die Schlussfolgerung geben: Die Grube muss weg.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der AfD und bei der LINKEN)