Protocol of the Session on October 27, 2017

Einbringer für die AfD-Fraktion ist der Abg. Herr Poggenburg. - Herr Poggenburg, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Wieder oder besser immer noch haben wir das Thema Bohrschlammdeponie Brüchau auf der Tagesordnung, und zwar aufgrund eines Antrages der AfD-Fraktion. Nun bitte ich, uns nicht zu unterstellen, dass das ein Lieblingsthema der AfD wäre und wir daher nicht locker lassen wollten. Nein, es ist vielmehr beschämend, dass dieses Thema den Landtag, die dortige Region, vor allem aber die betroffenen Bürger seit Jahren beschäftigt, ohne dass es zu einem tatsächlich zufriedenstellenden Abschluss gekommen ist. Ganz ehrlich: Das ist ein Paradebeispiel für bürgerfernes Politikversagen.

(Zustimmung bei der AfD)

Ich wollte an dieser Stelle einen Abriss der einzelnen Stationen vornehmen, der Diskussionsergebnisse, Zusagen, Aktionen, Gutachten, Pressever

öffentlichungen, Landtagsdebatten und Beschlüsse usw. usf., um das seit Jahren schwelende Thema noch einmal aufzuzeigen. Aber das lasse ich sein. Warum? - Weil doch im Grunde jeder zumindest in einem ausreichenden Maß, auch dank der Presseberichterstattung - man darf die Presse ruhig auch einmal loben -,

(Siegfried Borgwardt, CDU: Ach!)

weiß, worum es bei diesem Thema inhaltlich geht. Tatsächlich geht es doch darum, dass wir grundsätzlicher werden und diskutieren müssen, statt uns weiter im Klein-Klein zu verlieren.

Was ist also grundsätzlich Tatsache? - Erstens. Wir haben die Bohrschlammdeponie Brüchau und wissen mittlerweile von teils erheblicher Kontamination durch Quecksilber, radioaktive Abfallstoffe und weitere Chemikalien.

Zweitens. Wir haben eine erhebliche Anzahl von Bürgern des Ortsteils Brüchau und Umgebung, die sehr berechtigt Angst vor der gesundheitlichen Bedrohung durch die Abfalllagerung haben und die ihren verständlichen Wunsch nach Klärung und Abwendung der Gefahr, was zweifelsfrei Aufgabe des Staates ist, bereits sehr deutlich durch die Gründung einer Bürgerinitiative, durch viele, oft pressewirksame Demonstrationen und verschiedene Eingaben kundgetan haben.

Drittens. Wir haben einen Landtag mit Abgeordneten, die - zumindest grundsätzlich - immer wieder Verständnis für die Bürger signalisiert haben. Im Falle der hier zuletzt eingezogenen AfD-Fraktion gilt das sogar für die gesamte Fraktion. Allerdings: Verständnis zu signalisieren genügt nicht. In diesem Fall müssen endlich konkrete Taten folgen.

(Beifall bei der AfD)

Viertens. Wir haben einen Landtagsbeschluss vom 4. Mai 2017 zur Stilllegung der Deponie und eine Stellungnahme des Landtages, was erst einmal als Erfolg gewertet werden konnte. Allerdings - auch das gehört zur Wahrheit - ist die Stilllegung bis heute nicht ordnungsgemäß erfolgt. Im Gegenteil: Sie wird ständig weiter hinausgeschoben.

Fünftens. Wir haben Bürger, die das Vertrauen in die Politik, vielleicht sogar in den Parlamentarismus zu verlieren beginnen und die nun am 14. Oktober erneut eine große Demonstration vor Ort durchgeführt haben, bei der mehrere Landtagsabgeordnete mehrerer Fraktionen - das sage ich ganz ehrlich und gern -, davon allein fünf AfD-Abgeordnete, anwesend waren und Unterstützung zugesagt haben. Zudem wurde auch heute wieder direkt vor dem Landtag zu diesem Thema demonstriert. Selbstverständlich waren die AfD und auch andere Landtagsabgeordnete dabei zur Stelle.

Sechstens. Es gibt genug Informationen. Beispielsweise hat das GICON-Gutachten aus dem Jahr 2015 darüber, worum es sich bei der ganzen Angelegenheit handelt und wie wir nun vorzugehen haben, weitestgehend und erschöpfend berichtet. Es gibt keinen Grund, eine Lösung noch weiter zu verzögern, indem man immer wieder versucht, irgendwelche weiteren Informationen zu ermitteln.

Siebentens. Selbstverständlich könnte man immer noch mehr Informationen besorgen, Gutachten in Auftrag geben usw. Mittlerweile - das vergessen hier aber einige allzu gern - handelt es sich beim Fall der Deponie Brüchau - übrigens nicht nur in der Wahrnehmung der Bürger - um einen Fall von Gefahr im Verzug, auch wenn der Fachterminus hierfür nicht ganz präzise gewählt ist; dafür aber ist er bildhaft.

(Beifall bei der AfD)

Zumindest politisch ist die Situation jetzt genauso einzuschätzen und zu behandeln. Deswegen hat die AfD-Fraktion wieder einmal einen Antrag zu Brüchau auf die Tagesordnung gebracht. Deswegen müssen wir jetzt zur Tat schreiten, das heißt, den politischen Willen zum Handeln deklarieren und umgehend mit dem Aushub und der vollständigen Behandlung oder Entsorgung des Aushubmaterials beginnen.

Ich möchte noch kurz auf den Alternativantrag der Kenia-Koalition, also der Regierungskoalition, eingehen. In dem Antrag wird - ich zitiere - „bekräftigt“, „unterstrichen“, „begrüßt“, „gebeten“, „ernst genommen“. All das ist im Prinzip nicht verkehrt, aber in dem hier vorliegenden Fall ist es unnütz, ja, fast fahrlässig, da nur noch eine annehmbare Option existiert, nämlich entschlossenes gemeinsames Handeln. Davon ist in Ihrem Antrag nichts zu lesen.

(Beifall bei der AfD)

Unter Punkt 4 Ihres Antrags gehen Sie zudem auf den geplanten Verkauf der Betreibergesellschaft Engie E&P Deutschland GmbH ein. Das wirft natürlich sofort wieder neue Fragen auf und führt zu Verunsicherung. Ich will nicht sagen, dass Sie für den Verkauf verantwortlich sind, aber der Umstand wirft bei den Bürgern logischerweise neue Fragen auf und verursacht neue Sorgen. Soll die ganze Angelegenheit der Stilllegung vielleicht nur deshalb hinausgezögert werden, damit hier ein Verkauf stattfinden und man sich aus der Verantwortung für die Altlasten stehlen kann? - Das ist eine solche Frage.

Ich will und werde hier nichts unterstellen, aber, werte Kenia-Koalition, bedenken Sie doch einmal, wie all das - das wurde auch bei der Demo heute gesagt - wieder auf die Bürger von Brüchau und

Umgebung wirken muss. Dieses weitere Verzögern ist einfach nicht mehr hinnehmbar.

(Beifall bei der AfD)

Zum Schluss meines Beitrags darf ich Sie alle noch einmal eindringlich an Passagen in der Präambel unserer Landesverfassung erinnern, die uns auffordern - ich zitiere -, „die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten“, und die klarstellen: „Ziel aller staatlichen Tätigkeiten ist es, das Wohl der Menschen zu fördern“.

In diesem Sinne muss ich Sie auffordern, Ihre Verfassungstreue auch und gerade vor den Bürgern des Ortsteils Brüchau und Umgebung klar zu bekennen, unserem Antrag zuzustimmen und damit für eine sicherlich überfällige, nun aber ordentliche, endgültige und auch für die Bürger akzeptable Beendigung dieser Angelegenheit zu sorgen. Stimmen Sie dafür unserem Antrag zu. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Wortmeldungen. Ich danke dem Abg. Herrn Poggenburg für die Ausführungen. - Wir steigen jetzt in die Debatte ein. Für jede Fraktion ist eine Redezeit von drei Minuten vorgesehen. Für die Landesregierung spricht Minister Herr Prof. Dr. Willingmann. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie mich etwas vorausschicken: Selbstverständlich beschäftigt

der weitere Umgang mit der Bohrschlammdeponie Brüchau die Menschen vor Ort und auch den Minister. Die Landesregierung hat deshalb über das gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsverfahren hinaus alle Beteiligten im Rahmen der sogenannten Kalbe-Runde über den Fortgang des Stilllegungsverfahrens informiert, zuletzt im August dieses Jahres.

Auch hier im Landtag haben wir bereits diskutiert und einen Beschluss gefasst. Wie Sie wissen, haben sich Landesregierung und Landtag im Mai dieses Jahres darauf verständigt, zunächst das vom Betreiber vorgesehene und mit allen Beteiligten abzustimmende Untersuchungsprogramm für die Deponie und das nähere Umfeld durchführen zu lassen und auf der Grundlage der Ergebnisse unter Ausklammerung - ich betone: unter Ausklammerung - der Kostenfrage eine für die dauerhafte Sicherung sachgerechte Lösung aufzuzeigen.

Entsprechend dieser Beschlusslage sollten wir uns dann erneut mit der Thematik befassen, wenn die abschließenden Untersuchungsergebnisse

vorliegen und eine begründete und angemessene Lösung für eine Sanierungsvariante zur endgültigen Stilllegung vorgelegt wird.

Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, kurz über den aktuellen Stand des Verfahrens zu berichten. Der für die Untersuchungsmaßnahmen notwendige Sonderbetriebsplan wurde von Engie im Mai dieses Jahres vorgelegt und im Anschluss mit den zu beteiligenden Behörden und der Kommune erörtert. Dabei wurde vereinbart, zunächst das Untersuchungsprogramm für die unmittelbare Deponieerkundung und die Messnetzerweiterung durchführen zu lassen sowie die Untersuchungen zur Dichtigkeitsprüfung in einem zweiten Schritt nach dem Vorliegen der Untersuchungsergebnisse des ersten der auf der Grundlage überarbeiteten Pläne zuzulassen.

Ich kann Ihnen mitteilen, dass die Zulassung des Sonderbetriebsplans am gestrigen Tage erfolgt ist. Engie wird nunmehr die Durchführung der Untersuchungstätigkeiten veranlassen - das ist dieses Verwaltungsverfahren, in dem wir uns befinden - und dem LAGB bis zum 1. Dezember einen konkreten Zeitplan für die Durchführung der einzelnen Untersuchungsmaßnahmen vorlegen.

Und noch zu einem anderen Thema, das uns vor einigen Monaten hier ebenfalls beschäftigt hat. Zwischenzeitlich wurde, wie geplant, das methodische Vorgehen zur Erfassung von Krebsfällen zwischen dem gemeinsamen Krebsregister und dem Landesamt für Verbraucherschutz abgestimmt. Gegenwärtig werden unter Einbeziehung des Gesundheitsamtes und der Einwohnermeldeämter die notwendigen Daten zur Altersstruktur, Bevölkerungszahlen und Krebsfällen für die einbezogenen Ortschaften Brüchau, Kakerbeck, Neuendorf und Jemmeritz zusammengestellt. Das Sozialministerium rechnet mit den ersten Ergebnissen der Auswertung gegen Ende 2017/Anfang 2018, also relativ bald.

Angesichts der dargelegten Sachlage kann die Landesregierung den von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Alternativantrag nur begrüßen. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Minister, es gibt seitens der AfD-Fraktion zwei Anfragen. - Herr Lieschke, Sie haben das Wort.

Ja, und zwar gibt es dieses GICON-Gutachten von 2015. Dort wurden die Varianten neun und

zehn, sprich der Aushub, einfach nur ausgeschlossen, weil die Kosten zu hoch waren. Aber sie wurden in dem Gutachten schon als die einzige, richtige und sicherste Methode dargestellt, um für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen.

Nun frage ich: Mit den Optionen, die wir jetzt in der Landtagssitzung festgestellt haben, dass die Kosten nicht der entscheidende Faktor sein dürften - warum wurde dieses Gutachten nicht herangezogen, das schon fertig ist? Warum wurde jetzt wieder alles neu gestartet und sorgt jetzt - wie soll ich es sagen - nur unnötig für Zeitverzögerungen? - Das Gutachten war ja fertig. Warum wurde es nicht genommen?

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Das will ich gerne beantworten. Herr Abg. Lieschke, wir haben uns in der letzten Debatte zu diesem Thema darauf verständigt, dass weitere Untersuchungen erforderlich sind, solche, die auch über das Gutachten hinausgehen. Ich bitte um Verständnis, dass wir das nicht einfach rückgängig machen können, indem wir uns immer wieder auf ein einziges Gutachten in dieser Angelegenheit berufen.

Herr Roi hat noch eine Frage. - Herr Roi, Sie haben das Wort.

Herr Minister, mal davon abgesehen, dass die Leute, die sich damit auskennen, die dort tätig waren, die dort wohnen und unter anderem die Leute, die das Gutachten geschrieben haben, sich einig sind, welche Gefahren von dieser Deponie ausgehen, möchte ich Ihnen etwas zur Kenntnis geben. Denn wenn Sie hier reden und auch die Parlamentarier der anderen Fraktionen, dann klingt das immer so, als würden wir Sie nerven, indem wir hier Anträge stellen.

Sie haben hier im Mai - das steht hier im Plenarprotokoll - die Krebsgeschichte runtergespielt, indem Sie einen Vergleich des gesamten Landkreises Salzwedel mit irgendwelchen anderen Landkreisen gebracht haben. Im Salzwedeler Landkreis sei die Krebsrate niedriger als woanders.

Alleine das zeigt schon, wie Sie versucht haben, die Problematik herunterzuspielen. Denn Sie wissen ganz genau, dass die Deponie Brüchau natürlich nicht den gesamten Landkreis Salzwedel betrifft.

Jetzt haben Sie gerade selbst in Ihrer Rede gesagt, dass Sie sich zusammen mit dem Ministerium jetzt rangemacht haben, dem doch mal nachzugehen. Aber warum machen Sie das? - Weil die AfD das hier in das Landesparlament reingetragen hat und Sie dadurch erst zum Handeln aufgefordert wurden. Das ist nämlich die Wahrheit.

(Beifall bei der AfD)

Das sollten Sie mal zur Kenntnis nehmen.

Herr Minister, Sie haben das Wort zum Antworten.