Protocol of the Session on August 25, 2017

Noch ein Wort zum Änderungsantrag der AfD. Frau Dr. Kolb-Janssen hätte es nicht besser sagen können: Der DQR ist festgeschrieben, weshalb wir Ihren Antrag ebenfalls ablehnen. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. Ich sehe keine Nachfragen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Aldag. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Das duale System ist seit Jahren ein etabliertes und bewährtes Ausbildungssystem, das es für die anstehenden Herausforderungen zu stärken und fit zu machen gilt. Herr Kollege Keindorf hat viele davon genannt.

Die Digitalisierung hält in nahezu allen Bereichen Einzug. Die Anforderungen an die jungen Menschen ändern sich. Aber auch die Gesellschaft und deren Ansprüche ändern sich. Immer mehr Schülerinnen und Schüler wählen den Bildungs

weg über das Gymnasium anstelle einer beruflichen Ausbildung, weil sie sich durch eine akademische Ausbildung einen höheren Lebensstandard erhoffen.

Aus meiner Sicht ist es deshalb wichtig, verstärkt die vielfältigen Bildungswege aufzuzeigen und zu erläutern, zum Beispiel, dass man nach dem Abschluss an einer Sekundarschule, einer abgeschlossenen Berufsausbildung und einem Abschluss an einer Fachoberschule die Fachhochschulreife erlangen und auch studieren kann. Höherwertige Abschlüsse durch eine abgeschlossene Berufsausbildung sind also immer möglich. Das ist oft nur zu wenig bekannt.

Darüber hinaus müssen wir an den Berufsschulen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Abschlüsse in einem Qualifikationsrahmen, der im Bereich oberhalb des DQR 5 liegt, möglich werden, sodass auch Abiturientinnen und Abiturienten eine Ausbildung mit den entsprechenden höheren Anforderungen angeboten werden kann. Das heißt, wir müssen in allen Schulen - ausdrücklich auch an den Gymnasien - für eine berufliche Ausbildung im dualen System werben und neben der Studienorientierung die vorhandenen Möglichkeiten in Sachsen-Anhalt aufzeigen.

Bereits in der letzten Legislaturperiode hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN neben der Studienorientierung die Berufsorientierung an fast allen Schulformen erfolgreich im Schulgesetz verankern können. Wir plädieren nach wie vor dafür, eine umfängliche Berufsorientierung an Gymnasien in die anstehende Novellierung des Schulgesetzes aufzunehmen. Im Koalitionsvertrag haben wir uns ebenfalls dazu verständigt, neben dem Schwerpunkt Studienorientierung auch die Berufsorientierung als integralen Bestandteil der Ausbildung am Gymnasium zu verankern und an allen Schulen bis Klasse 12 gesetzlich festzuschreiben.

Nicht zuletzt aufgrund des hohen Anteils von Schülerinnen und Schülern an berufsbildenden Schulen in freier Trägerschaft sind diese im Sinne dieses Antrags entsprechend zu berücksichtigen. Derzeit lernt ca. ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler an freien Berufsschulen.

Kurzum, wir begrüßen die Stärkung des dualen Systems. Es liegt in der Hand der Koalitionsfraktionen, das im Koalitionsvertrag Vereinbarte im Schulgesetz zu verankern. Und es liegt in der Hand des Bildungsministers, dies an den Schulen umzusetzen. Ich stimme Ihnen, Herr Minister, ausdrücklich zu, dass die Stärkung des dualen Systems einer engen Zusammenarbeit verschiedener Ressorts bedarf, aber auch einer engen Zusammenarbeit mit den Ausbildungsbetrieben in der Industrie, im Handwerk, im Handel und im Gewerbe.

Gerade wenn es um die Frage des Azubi-Tickets geht, müssen die bereits bestehenden Förderungen, die meiner Meinung nach viel zu wenig bekannt sind und dementsprechend nicht genutzt werden, mit einem Engagement aus den Betrieben heraus kombiniert werden. Auch die Zusammenarbeit mit Verkehrsunternehmen ist sinnvoll.

In Halle gibt es zum Beispiel eine vielfältige Zusammenarbeit zwischen der HAVAG und den Betrieben. Die HAVAG bietet bereits Job-Tickets in ihrem Tarifgebiet an. Eine sinnvolle Kombination dieses Angebots mit der staatlichen Förderung und dem Engagement der Betriebe hilft gerade Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien und Jugendlichen aus dem ländlichen Raum.

Noch zwei Bemerkungen zu den beiden Änderungsanträgen: Ich kann mich den Ausführungen der geschätzten Kollegin Frau Prof. Dr. KolbJanssen vollumfänglich anschließen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Abg. Aldag. - Ich sehe keine Anfragen. Somit erteile ich zum Abschluss der Debatte dem Abg. Herrn Keindorf noch einmal das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Danke, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! In meiner Ausbildung im dualen System - übrigens Beruf mit Abitur im Metallberuf - habe ich einmal gelernt, dass es im Fach Oberflächenbearbeitung und Toleranzen einen Grundsatz gibt, der heißt: nicht so viel wie möglich, sondern nur so viel wie nötig. Diesen Grundsatz habe ich bei vielen meiner Entscheidungen in meinem beruflichen Leben angewendet.

Ich würde mir manchmal wünschen, dass er auch in der Politik Anwendung finden würde; denn der Vorschlag der Linksfraktion löst das eigentliche Problem - das Passungsproblem auf dem Ausbildungsmarkt - nicht. Sie können nicht auf der einen Seite immer mehr Studenten fordern und auf der anderen Seite sinkende Ausbildungszahlen beklagen. Hier liegt das eigentliche Problem, auf das ich eingangs hingewiesen habe.

Mir ist übrigens kein Student bekannt, den die fehlende Vergütung beim Studium abschreckt. Während Ihre Fraktion das kostenlose Studium für alle wie eine Monstranz vor sich herträgt - übrigens bezahlt von den Steuerzahlern und damit auch von den Betrieben mitfinanziert -, sollen jetzt die engagierten Ausbildungsbetriebe zusätzlich gegängelt werden.

Bitte verstehen Sie mich an der Stelle nicht falsch, eine angemessene Ausbildungsvergütung ist völlig richtig. Aus eigener Erfahrung weiß ich auch, was Ausbildung kostet. Ich habe momentan wieder einen Auszubildenden im dritten Lehrjahr in meinem Unternehmen.

Ihr Vorschlag würde nur dazu führen, dass wieder Ausbildungsgänge wegbrechen würden; denn während große Unternehmen die aus meiner Sicht falschen Eingriffe der Politik in die Tarifautonomie vielleicht noch stemmen können, werden sich die vielen kleinen und mittleren Betriebe im Land - und davon haben wir die überwiegende Anzahl hier in Sachsen-Anhalt - Ausbildung schlicht nicht mehr leisten können oder wollen.

Die Realität dazu ist auch eine andere. Die Vergütung der Ausbildung zum Gerüstbauer zum Beispiel ist vergleichsweise hoch. Sie liegt im dritten Lehrjahr im vierstelligen Bereich.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Dachdecker auch!)

- Dachdecker auch. - Dennoch finden diese Gewerke niemanden, der bei ihnen eine Ausbildung beginnen will. Im Friseurhandwerk - das wird immer wieder gern zitiert - ist trotz dieser niedrigen Ausbildungsvergütung das Interesse vor allen Dingen der jungen Mädchen an einer Ausbildung sehr hoch.

Da der Friseur hier immer wieder angeführt wird: Ich könnte Ihnen eine halbe Stunde über die Situation des Friseurhandwerks, warum es dazu gekommen ist, einen Vortrag halten. Aber das wäre ein Tagesordnungspunkt in diesem Plenum, den man einmal insgesamt für sich behandeln könnte. Ich sage nur: Stichwort Barbiere, Stichwort Kleinunternehmerregelung und solche Dinge, die dieses Gewerk sehr stark beeinflussen.

Wie würden Sie es bei Ihrem Antrag eigentlich mit den Schülern, die sich für eine schulische Berufsausbildung entscheiden, handhaben?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Investitionen in die Berufsschulen und die Auszubildenden kosten Geld. Das habe ich eingangs gesagt. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf die Drs. 6/3598 lenken. Hier wurden in der letzten Legislaturperiode effiziente und transparente Strukturen im Übergangssystem gefordert. Meine Vorredner haben darauf hingewiesen.

Ich habe in den letzten Wochen und Monaten einige Anfragen zu dieser Thematik gestellt und bin darauf gekommen, dass im Jahr 2015 mehr als 43 Millionen € in Sachsen-Anhalt für diese Maßnahmen ausgegeben wurden. Allein die Ausgaben für das BVJ sind von 9 Millionen € im Jahr 2015 auf 14 Millionen € im Jahr 2016 gestiegen. Insgesamt wurden im Jahr 2016 55 Millio

nen € für alle Programme ausgegeben. Dieser Wert dürfte aber insgesamt noch etwas höher liegen, da mir nicht für alle Programme die Zahlen zur Verfügung standen.

Rümsa wurde schon genannt. Hier sollen mit einer Gesamtinvestition von zusätzlich 25 Millionen € Doppelstrukturen gerade im Übergangssystem abgebaut werden. Ich würde die Sozialministerin Frau Grimm-Benne ermutigen, dieses Ziel zu erreichen, auch wenn sie jetzt nicht hier ist.

Zum Änderungsantrag der AfD. Ich stehe hier vorn als Handwerksmeister und Kammerpräsident und muss Ihnen sagen, dass dieser Antrag mit dem Thema, das wir hier besprechen, überhaupt nichts zu tun hat, total am Thema vorbei ist.

Es wurde schon gesagt, wir haben den Deutschen Qualifikationsrahmen. Der Handwerksmeister ist dort auf der Niveaustufe 6 verortet. Das ist eine gute Verortung. Wir haben die Meistergründungsprämie in der Höhe, wie wir sie vor einigen Monaten beschlossen haben. Das ist einmalig in der Bundesrepublik Deutschland. Das gibt es in keinem anderen Bundesland. Für diese Unterstützung möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

Deshalb fällt es mir zwar schwer, aber den Antrag müssen wir ablehnen. Wenn Sie aber einmal eine Debatte zum Meistertitel insgesamt ins Leben rufen wollen, haben Sie mich auf Ihrer Seite. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Abg. Keindorf, es gibt zwei Nachfragen. Eine Nachfrage wurde bereits zu Beginn der Debatte von Herrn Steppuhn angemeldet, Frau Hildebrandt hat sich auch gemeldet.

Frau Bull-Bischoff hat auch noch eine Frage gestellt. Soll ich diese erst einmal beantworten?

(Birke Bull-Bischoff, DIE LINKE: Das wäre nett!)

Bitte, Herr Keindorf.

Wir haben im Handwerk - ich spreche jetzt nur von Sachsen-Anhalt - durchschnittlich 4,6 Beschäftigte in den Betrieben. Wir haben aber in den beiden Kammerbezirken rund 45 % Betriebe ohne Beschäftigte. Wir haben einige Unternehmen, speziell im Gebäudereinigungsbereich, die ganz schnell auf eine Beschäftigtenzahl von mehreren Hundert Leuten kommen. Sie können sich vor

stellen, dass der gesunde Handwerksbetrieb mit zehn, 15, 20, 30, 40 Beschäftigten leider in diesem Bundesland relativ rar ist. Die Struktur ist in allen neuen Bundesländern ähnlich.

Die größeren Betriebe haben durchaus Interesse, ingenieurtechnisches Potenzial in ihren eigenen Betrieben zu entwickeln. Ich kenne Betriebe, die schicken Auszubildende zum dualen Studium. Das ist alles kein Thema. Sie sichern ihnen auch eine Weiterbeschäftigung nach dem Studium zu. In den kleinen Betrieben ist das nur schwer zu realisieren.

Ich habe nicht umsonst vorhin an die Wissenschaftsseite appelliert, dass wir vielleicht gemeinsam einmal für akademische und berufliche Bildung Möglichkeiten der Fortbildungsprüfung erörtern, um im fachlichen Bereich weiter voranzukommen. Aber dass ein Handwerksbetrieb mit vier, fünf Leuten Interesse daran hat, einen seiner Mitarbeiter zum Studium zu schicken und anschließend zurückzuholen, kann ich mir gerade in den ländlichen Regionen wirklich schwer vorstellen. Lassen Sie uns hier gemeinsam Ansätze für die Zukunft finden.

Jetzt erteile ich dem Herrn Abg. Steppuhn das Wort. Bitte, Herr Steppuhn.

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Keindorf, ich habe Ihren Eingangsausführungen entnommen, dass Sie sich auch für ein Azubi-Ticket ausgesprochen haben für und eine verbesserte Fahrtkostenerstattung für Berufsschüler, die lange Wege zurücklegen müssen und eine niedrige Ausbildungsvergütung erhalten.

Daher meine Frage: Haben Sie eine Vorstellung davon, was wir als Politik tun könnten, um die Unternehmen an einer solchen Sache zu beteiligen, dass man für die Kleinbetriebe vielleicht zu Lösungen kommt, wenn zum Beispiel das Land Regelungen schafft, wie Unternehmen sich konkret beteiligen könnten? Dann würde es vielleicht einfacher sein, insgesamt zu einer Lösung für das Problem zu kommen.

Herr Keindorf, bitte.

Spontan fällt mir nur eine Variante ein. Ich habe die Betriebsstruktur genannt, 45 % Einzelunternehmen, denen Ausbildung, auch wenn sie es wollten, unendlich schwerfällt. Wir hatten vor einigen Jahren die Verbundausbildung. Das hing mit Angebot und Nachfrage zusammen. Ich könnte

mir vorstellen, wenn man über diese Möglichkeiten wieder einmal verstärkt nachdenkt, dass es da vielleicht einen ersten Ansatz gibt, die Kleinbetriebe in ihrem Bemühen, auszubilden, zu unterstützen.

Eine Nachfrage?

Ich könnte jetzt noch nachfragen: Dann wäre eine Umlagefinanzierung zur Ausbildungssituation auch keine schlechte Sache.

Wenn das durch mehrere Unternehmen geht, lässt sich das auf breitere Schultern verteilen.