Jetzt muss ich doch einmal einen Hinweis geben, das ist heute schon das zweite Mal: Bitte rechtzeitig hier vorn in die Regie geben, wenn Sie wechseln, denn für uns ist das recht schwierig. Wir haben ohnehin schon sehr viel Zeit nach hinten verschoben. Dabei verlieren wir immer unnötig Zeit. Sie müssten mir jetzt sagen, wer spricht.
- Herr Poggenburg, okay. Dann sind Sie derjenige, der jetzt das Wort erhält. Sie haben das Wort. Bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Die kleinen Unternehmen und der Mittelstand sind das Rückgrat und der Motor unserer Wirtschaft. Ich denke, hinter diese Aussage kann sich dieser Landtag ganz getrost stellen, und hinter dieser Aussage steht auch die Landesregierung, zumindest, soweit ich weiß. Damit diese Aussage aber keine Plattitüde ist, müssen wir auch einsehen, dass wiederum Rückgrat der kleinen Unternehmen und des Mittelstandes der nichtakademische Arbeitnehmer, der nichtakademische Be
ruf ist, und wir müssen dem - man kann es nicht anders sagen - Akademisierungswahn der letzten Jahre und Jahrzehnte doch endlich auch eine Ausbildungsoffensive, möchte ich schon fast sagen, der nichtakademischen Berufe entgegensetzen.
Ich darf an den Einbringervortrag von Herrn Keindorf anschließen, dass es nicht nur so ist, dass Auszubildende in Sachsen-Anhalt in verschiedenen Berufen sehr große Strecken zurücklegen müssen, nein, ich erinnere mich an meine Zeit als Ausbilder. Damals mussten die Auszubildenden sogar in die Berufsschule nach Nürnberg, um die Ausbildung hier absolvieren zu können.
Das heißt, an dieser Stelle ist eine Menge an Potenzial vorhanden. Das ist jetzt überhaupt nicht mit bösartig erhobenem moralischen Zeigefinger gemeint. Nein, wir müssen uns einfach nur der Sache bewusst werden.
Dem Akademisierungswahn ist Einhalt zu gebieten und die nichtakademische Ausbildung ist zu fördern, abgesehen sogar von dem Umstand, dass unsere Hochschulen und Universitäten mittlerweile ein Hort von linker Ideologie geworden sind. Auch dieser Aspekt könnte dabei eine Rolle spielen.
Wir haben vorhin über das Thema Flüchtlinge gesprochen. Ich sage jetzt etwas, was auch die linken Fraktionen und Parteien freuen dürfte: Ja, die AfD spricht sich dafür aus, die Ausbildung auch gern den jungen Menschen zuteilwerden zu lassen, die als Flüchtlinge zu uns gekommen sind, damit sie eine solide Ausbildung erhalten können, um dann ganz viel in ihre Heimatländer mitnehmen zu können. Dies ist zum Beispiel ein ganz kleiner Schritt der Hilfe zur Selbsthilfe in den Herkunftsländern. - So viel dazu.
Wir begrüßen die Initiative, die die Kenia-Koalition mit ihrem Antrag auf den Weg gebracht hat, sehr. Wir begrüßen auch den Änderungsantrag, den DIE LINKE dazu eingebracht hat; denn ja, es ist richtig, man muss sich Gedanken machen über eine Mindestausbildungsvergütung. Wenn sich die höchste und die niedrigste Ausbildungsvergütung teilweise um das Zehnfache unterscheiden, dann kann irgendetwas nicht stimmen.
Die AfD bringt noch einen Änderungsantrag ein, weil wir den Meistertitel in Deutschland stärken möchten, weil dadurch auch die nichtakademische Ausbildung attraktiver wird, wenn man weiß, dass der Meistertitel
Abschlüsse hätten. Das wird gesagt. Wir müssen aber hinzuziehen, dass es eben andere Länder gibt, in denen beispielsweise der Meisterabschluss oder ähnliche Abschlüsse auch als akademische Grade anerkannt werden und dadurch die Anzahl der akademischen Abschlüsse entsprechend höher ist.
Das heißt, wir sollten uns Gedanken darüber machen, ob wir unserem deutschen Meistertitel nicht ein wenig mehr Glanz verleihen können und ihn gegebenenfalls auch ganz direkt einem akademischen Abschluss bzw. einem wieder einzuführenden Diplom in Deutschland gegenüberstellen.
Wir haben natürlich noch ein kleines Problem hier im Raum: Der deutsche Meistertitel ist nämlich auch ein Stück deutsche Identität. Ich hoffe, dass das linke Fraktionen nicht davon abhält, für eine Stärkung des Meistertitels einzutreten. Bleiben Sie ganz bei der Sache. Ich denke, dann wird es Ihnen auch trotz dieses Identitätsumstandes gelingen, für eine Stärkung des Meistertitels zu werben und auch den Änderungsantrag der AfD mitzutragen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Poggenburg. Es gibt keine Anfragen. - Wir kommen zur nächsten Debattenrednerin. Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Kolb-Janssen. Sie haben das Wort, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Chancen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, nach der Ausbildung übernommen zu werden und erfolgreich ins Berufsleben einsteigen zu können, waren noch nie so gut wie jetzt. Aber trotz dieser guten Startbedingungen sind sowohl Unternehmen als auch Auszubildende zumindest teilweise unzufrieden.
Eine Umfrage im letzten Jahr in den neuen Bundesländern hat ergeben, dass 80 % der Jugendlichen mittlerweile eine Lehrstelle in ihrem Wunschberuf bekommen. Trotzdem bricht ungefähr ein Drittel die Ausbildung ab, in einzelnen Berufen sind es weitaus mehr. Unternehmerinnen und Unternehmer beklagen, dass sie zu wenige und nicht die geeigneten Bewerber für ihre Lehrstellen finden.
Deshalb ist es aus meiner Sicht eine der zentralen Fragen im Bildungsbereich, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, wie wir es schaffen, dass alle Jugendlichen, die eine Ausbildung beginnen, auch einen Abschluss erreichen. Damit hat sich der Landtag bereits mehrfach in Fachgesprächen auseinandergesetzt. Wir haben auch schon herausgefunden, welche Gründe hierfür vorliegen.
Es war nicht nur eine Ursachenanalyse, sondern auf der Grundlage dieser Feststellung sind auch eine Reihe von Maßnahmen ergriffen worden, beispielsweise das Projekt Brafo im Bereich der Berufsorientierung. Das ist ein sehr erfolgreiches Projekt, mit dem man neue Ausbildungsberufe an die Schülerinnen und Schüler ab der siebenten Klasse heranträgt, um ihnen zunächst einmal eine Vorstellung davon zu vermitteln, was beispielsweise der Unterschied zwischen einem Mechaniker und einem Mechatroniker ist.
Wir haben für diejenigen, die Defizite haben, auch spezifische berufsvorbereitende Maßnahmen, beispielsweise eine assistierte Ausbildung, mit denen gute Erfahrungen gemacht worden sind.
Insgesamt gibt es also ein umfassendes Maßnahmenbündel. Man kann nicht behaupten, dass wir zu wenig Maßnahmen hätten, sondern tatsächlich - das habe ich auch bei Herrn Keindorf herausgehört - ist es manchmal schwer, noch den Überblick zu behalten, welche Maßnahme für welchen Jugendlichen die geeignete ist. Deshalb wünschen wir uns ein bisschen mehr Einheitlichkeit, eine Vereinfachung und vielleicht auch noch einen besseren Wegweiser für die Jugendlichen durch diesen Dschungel an Fördermöglichkeiten.
Ein neues Projekt soll genau das leisten, und zwar das Projekt Rümsa. Das ist ein regionales Übergangsmanagement. Hierbei sollen auf kommunaler Ebene, also ausgehend von den jeweiligen regionalen Bedingungen, Bündnisse geschlossen werden zwischen Schulen, Unternehmen und auch denen, die im Bereich anderer Ausbildungsmöglichkeiten unterwegs sind, sodass man tatsächlich diejenigen, die auf diesem Markt aktiv sind, zusammenbringt.
Wenn man sich genau die Faktoren anschaut, die dafür ausschlaggebend sind, ob jemand seine Ausbildung erfolgreich zu Ende führt, dann stellt man fest, dass es zum einen die Qualität des Schulabschlusses ist. Das heißt, wer nur einen Hauptschulabschluss hat, bricht häufiger ab. An dieser Stelle sind wir wieder beim Thema Bildung.
Ein weiterer Grund für Ausbildungsabbrüche ist die geringe Ausbildungsvergütung. In diesem Bereich erreicht Sachsen-Anhalt im Moment immer noch keinen Spitzenplatz. Insoweit habe ich eine gewisse Sympathie für den Antrag der Fraktion DIE LINKE, was eine Mindestausbildungsvergütung betrifft.
Ich glaube aber, wir sollten dennoch zunächst vor Ort versuchen, mit den Unternehmerinnen und Unternehmern darüber zu reden, dass eben an der einen oder anderen Stelle auch die Höhe der Ausbildungsvergütung dafür entscheidend ist, ob sie ihre Lehrstellen tatsächlich besetzt bekommen und die Fachkräfte gewinnen können, die sie für
Ein letzter Punkt betrifft die finanziellen Belastungen infolge langer Wege und hoher Fahrtkosten. Hierzu haben wir ein Azubi-Ticket in der Koalitionsvereinbarung vereinbart. Ich habe mit Freude gehört, dass das auch der Bildungsminister unterstützt. Ich bin mir sicher, dass wir dafür die entsprechenden rechtlichen Regularien finden werden, um die Ausbildungsverordnung bzw. die Richtlinien so zu ändern, dass wir den jungen Leuten entgegenkommen können, dass nicht letzten Endes die Ausbildungsvergütung gerade einmal ausreicht, um die Fahrtkosten aufzubringen.
Zu dem Änderungsantrag der AfD-Fraktion, was die Gleichwertigkeit der Qualifikation des Meistertitels betrifft, muss man keine großen Diskussionsrunden anstrengen. Es gibt den deutschen Qualifikationsrahmen. Darin ist bereits festgestellt, dass der Meistertitel den Grad 6 hat und damit dem Bachelor gleichgestellt ist.
Was das Anliegen betrifft, das Erlangen eines Meistertitels zu fördern, möchte ich darauf verweisen, dass das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung vor wenigen Wochen eine entsprechende Initiative gestartet hat und die Meisterprämie mit einem Budget in Höhe von 2,6 Millionen € auf den Weg gebracht hat. Ich glaube, das dient tatsächlich dem Anliegen, sodass es dieses Antrages nicht bedarf und wir ihn ablehnen werden. - Vielen Dank.
Vielen Dank. Es gibt keine Nachfragen. - Somit kommen wir zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Hildebrandt. Sie haben das Wort. Bitte.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wollte es eigentlich kurz machen, aber meine Vorredner erlauben mir vielleicht noch ein paar Bemerkungen.
Um es ähnlich launig zu beginnen wie Herr Keindorf: Der Antrag mit dem schönen Titel „Berufsschulen als Motoren des dualen Systems weiter stärken“ spricht mir nämlich nicht nur aus dem Herzen, weil der Titel Verkehrspolitik mit Ausbildungsmarktpolitik verbindet, sondern weil Sie offensichtlich erkannt haben, dass Sie Korrekturen am bisherigen Kurs der Vernachlässigung der Berufsschulen durch Einsparungen, Zusammenlegungen und der zu geringen Ausbildungszahl bei Berufschullehrern vornehmen müssen.
Ich möchte ein Beispiel nennen, weil Frau KolbJanssen gerade das Erfolgsprojekt Brafo - das muss man wirklich zugeben - genannt hat. Wäre dieses Projekt nicht mit solch heißer Nadel gestrickt worden und wäre es ein bisschen durchdachter gewesen, dann hätte es nicht bei privaten Bildungsträgern durchgeführt werden müssen, sondern hätte von Anfang an in den Berufsschulen laufen können; auch das wäre bedenkenswert gewesen.
Alles, was in dem Antrag der Koalition steht, ist tatsächlich notwendig, um die Ausbildung im dualen System zu stärken. Ich muss aber leider Herrn Keindorf und Herrn Tullner ein Stück weit widersprechen. Die Werbung für Studienberufe an Hochschulen hat wenig mit dem von beiden Rednern richtig beschriebenen Fachkräftemangel in der dualen Ausbildung zu tun. Das ist mehr eine Geschichte des demografischen Wandels, der Entwicklung der Geburtenzahlen nach der Wende.
Ich warne davor, die Systeme der dualen Ausbildung, der schulischen Ausbildung und der Hochschulausbildung gegeneinander auszuspielen.
Ich freue mich besonders, dass auch das AzubiTicket Erwähnung findet, und verweise auf meine Rede zum öffentlichen Verkehr, die ich später halten werde. Um die Attraktivität der betrieblichen Ausbildung zu stärken, wie Sie es in Ihrer Begründung schreiben, reicht die Stärkung der Berufsschulen allein nicht aus. Deshalb legen wir unseren Änderungsantrag in der Drs. 7/1781 vor. Mit diesem Antrag wollen wir Ihren Antrag, dem wir vollumfänglich zustimmen können, um einen Punkt erweitern.
Wenn die Wirtschaft heute Fachkräfte gewinnen will, dann muss sie zwangsläufig tiefer in die Tasche greifen. Manche Betriebe tun dies bereits, indem sie den Azubis neben der Ausbildungsvergütung Sonderleistungen zukommen lassen, beispielsweise zahlen sie die Fahrtkosten oder stellen ihnen einen Laptop zum Lernen zur Verfügung stellen.
Dennoch erweist sich gerade in den Handwerksberufen die Suche nach geeigneten Azubis als schwierig. Das ist eigentlich logisch. Wenn mein Sohn sich um eine Ausbildung zum Elektroniker mit der Fachrichtung Automatisierungstechnik bewerben würde, täte er dies bei den Elektromeisterbetrieben in Haldensleben, Magdeburg und Wolfsburg. Er würde sich natürlich auch bei Siemens und E.ON Avacon bewerben.
Angenommen er bekäme mehrere Zusagen, was aufgrund des Bewerbermangels nicht unwahrscheinlich ist, dann würde er bei Siemens eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 936 € im ersten Lehrjahr erhalten und bei dem Handwerksbetrieb daneben eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 500 €. Die Zahlen sind übrigens auf der Seite „BerufeNet“ der Bundesagentur für Arbeit nachlesbar. Zwischen Handwerk und Industrie besteht also eine große Diskrepanz. Die Handwerksbetriebe zahlen einfach weniger. Das hat historische Gründe. Bei der Industrie steht auch etwas ganz anderes dahinter. Aber hierbei geht es um die Ausbildungsbedingungen.
Die Ausbildungsvergütung eines Elektronikers der Fachrichtung Automatisierungstechnik ist im Vergleich noch recht gut. Bei Friseurinnen und Friseuren, bei Anlagenmechanikerinnen und Anlagenmechanikern für Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik liegen die tariflichen Vorgaben so niedrig, dass sich kaum noch ein junger Mensch für solch eine Ausbildung entscheidet. Die Folge ist ein gravierender Fachkräftemangel in diesen Berufen.
Eine einheitliche Mindestausbildungsvergütung, wobei die Betonung bei uns genau wie beim Mindestlohn auf dem Wort „mindest“ liegt, würde diese Situation entschärfen und das duale System insgesamt attraktiver machen. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.