Herr Minister, ich sehe keine Nachfragen. Damit können wir den Debattenbeitrag der Landesregierung beenden. - Wir steigen nun in die Fünfminutendebatte der Fraktionen ein. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Kirchner. Herr Kirchner, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Als Vorbetrachtung zu dem mir vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen
„der Landtag bittet die Landesregierung“ zu verzichten und sie durch die Formulierung „der Landtag fordert die Landesregierung auf“ zu ersetzen. Ich denke, das kommt unserem Anspruch auf Verlässlichkeit in diesem Parlament doch etwas näher.
Sehr geehrte Kollegen! Ein leistungsfähiges Rehabilitations- und Teilhaberecht und damit verbunden die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderung liegt auch im höchsten Interesse der AfD-Fraktion in SachsenAnhalt.
Weiterhin ist es vollkommen zu begrüßen, dass die Eingliederungshilfe aus dem Sozialhilferecht herausgelöst wird. Ein modernes Teilhaberecht ist auf den individuellen Bedarf behinderter Menschen abzustimmen und landesweit durch die Landesregierung umzusetzen.
Es ist auch zu begrüßen, dass die Rehabilitationsträger vom Grundsatz her reformiert werden und somit die Koordinierung der Leistungen der RehaTräger verbessert wird.
Bei der Unterstützung der Einführung neuer Planungsinstrumente sollte die Landesregierung nicht darum gebeten werden. Vielmehr sollte es von ihr gefordert werden, kommunale Sozialbehörden bei der Planung der Eingliederungshilfe zu unterstützen, zu schulen und natürlich auch zu begleiten.
Weiterhin sollte die Landesregierung die Bundesregierung auffordern, Modellvorhaben in SachsenAnhalt, die der Rehabilitation zur Teilhabe am Arbeitsleben dienen, vollumfänglich zu fördern.
Auch ist die P-2-P-Beratung bei gleichberechtigten Arbeitsstationen in Netzwerken zum Austausch von Wissen schnellstmöglich umzusetzen. Das spart Kosten, vermeidet Bürokratie und hilft sofort.
Alles in allem werden behinderte Menschen, Gehörlose und Blinde in der AfD-Fraktion SachsenAnhalts immer einen verlässlichen Partner an ihrer Seite haben. Genau darum begrüßen wir auch den Antrag der Kenia-Koalition und werden diesem zustimmen, auch wenn er teilweise sehr seicht formuliert ist.
Zum Änderungsantrag der LINKEN bleibt zu sagen: Wer wie die LINKE einen eigenen Antrag zur Verbesserung des Bundesteilhabegesetzes durch den Bundesrat hier im Plenum eingebracht hat und bei der Abstimmung dieses eigenen Antrages vier Abgeordnete aus dem Plenarsaal geschickt hat, weil der Antrag aufgrund der Mehrheitsverhältnisse der AfD und der LINKEN zu diesem
Zeitpunkt hätte angenommen werden können, wer so etwas tut, wer seine ideologische Ausrichtung über das Wohl der Bürger stellt und wer seine Politik auf dem Rücken behinderter Menschen austrägt, den sehen wir nicht als verlässliche Oppositionskraft und schon gar nicht als ernstzunehmende politische Kraft in diesem Parlament an.
Deshalb werden wir mit größter Sorgfalt überprüfen, wie die Kenia-Koalition die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den kommunalen Verwaltungen ermöglicht. Aber ich denke, dass dort Frau Dr. Späthe schon selbst dafür sorgen wird, dass das gelingt. Das Engagement von ihr spricht dafür.
Ich schließe mit einem Zitat des Mitgliedes des franziskanischen Ordens der Kapuziner Walter Ludin: „Behinderung müssen keine Verhinderungen sein“. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich sehe keine Nachfragen. Damit ist der Redebeitrag beendet. - Für die CDU spricht die Abg. Frau Gorr.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ausdrücklich bedanken möchte ich mich bei der Landesregierung für die Verbesserungen, die im Bundesratsverfahren in Bezug auf den Regierungsentwurf erzielt worden sind, Verbesserungen, die noch besser hätten sein können, die aber im engen Diskussionsprozess im Sozialausschuss und mit den Mitgliedern des Landesbehindertenbeirats auf den Weg gebracht wurden. Der Landesbehindertenbeirat steht im Übrigen allen Abgeordneten offen.
Wir begrüßen, dass mit dem Bundesteilhabegesetz die Teilhabe von behinderten Menschen auf eine verlässlichere Grundlage als bisher gestellt wird. Menschen mit Behinderung wird damit das Signal gegeben, dass ihre besonderen Lebensumstände von der Gesellschaft anerkannt und personenorientiert, also auf den einzelnen Menschen bezogen, verbessert werden sollen. Der Weg heraus aus dem Fürsorgesystem hin zu einem modernen Teilhaberecht ist der richtige Schritt, den die große Koalition auf Bundesebene gegangen ist. Frau Dr. Späthe wies bereits darauf hin.
Nun geht es an die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den kommunalen Verwaltungen Sachsen-Anhalts - so auch der Titel unseres Koalitionsantrages. Sehr geehrte Damen und Herren! Die Umsetzung wird ebenfalls ein schwieriger Prozess werden, stellt sie doch alle Beteiligten
wegen der teilweise beträchtlichen und gerade daher begrüßenswerten Umsteuerungen vor große Herausforderungen. Zu nennen sind hier die Umstellung des Rangverhältnisses zwischen Leistungen der Eingliederungshilfe und der Pflege wie auch der Vorrang des Wunsches der Leistungsberechtigten nach einem Wohnen außerhalb besonderer Wohnformen.
Wir wollen als Land unsere Verantwortung gegenüber den Kommunen zum Ausdruck bringen, die - wieder einmal - auch diese Veränderungen personell und fachlich schultern müssen. Mehr Teilhabe und mehr Selbstbestimmung, das bedeutet einen anderen Blick, sowohl von den Menschen mit Behinderung als auch von denen, die sie beraten und unterstützen.
Aus diesem Grund wollen wir bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes die kommunalen Sozialämter bei der Einführung der neuen Planungsinstrumente in der Eingliederungshilfe, unter anderem durch Schulungen, begleiten.
Wir bitten die Landesregierung in unserem Antrag unter Punkt 2, sich dafür einzusetzen, dass die angekündigten Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation nach § 11 SGB IX auch bei uns in Sachsen-Anhalt ihren Niederschlag finden, damit die Erprobung neuer Wege und Methoden möglich wird.
Drittens halten wir die Peer-to-Peer-Beratung für eine tatsächlich unabhängige Beratung für besonders wichtig, verbunden mit der Hoffnung, dass die Förderung auch nach Ablauf der bisher vorgesehenen Befristung über das Jahr 2022 hinaus fortgesetzt wird.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Frau Dr. Späthe hat es schon erwähnt - wird Frau Abg. Lüddemann noch kommentieren.
Sehr geehrter Herr Kirchner, die Koalitionsfraktionen „bitten“ die Landesregierung, weil sie mit ihr vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Dezember 2016 hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, das Bundesteilhabegesetz, beschlossen. Wir alle erinnern uns noch an die Diskussionen zum Gesetz, die vielfäl
Es wird jetzt nicht wirklich jemanden verwundern, wenn ich für meine Fraktion den Überschwang der Gefühle für das Bundesteilhabegesetz in Grenzen halte. Wir haben hier im Landtag, aber auch im Bundestag, die Defizite benannt und Änderungsvorschläge eingebracht. Aber Mehrheiten haben anders entschieden.
Wir werden die Defizite dieses Gesetzes hier im Land nicht beheben können, aber es besteht die Möglichkeit, gemeinsam über Wege der Umsetzung zu diskutieren und die effektivsten zu erstreiten.
Schon der Name des Gesetzes zwingt uns, bisherige Handlungsstrategien und Verfahrensweisen zu hinterfragen, nach neuen Wegen zu suchen und die Herausforderung der Inklusion auch in Umsetzung dieses Gesetzes zu akzeptieren.
Entscheidend für die Umsetzung der Inhalte und der Anforderungen dieses Gesetzes, also für Rehabilitation und Teilhabe, sind die Mitwirkungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen. Die im Bundesteilhabegesetz geforderte Partizipation definiert nicht nur ein generelles Recht. Eine unabhängige Lebensführung kann nur auf individuellen Rechten beruhen.
Damit wird auch die besondere Verantwortung der Kommunen im Vollzug des Bundesteilhabegesetzes deutlich. Allerdings muss auch der Gesetzgeber selbst tätig werden und Rechtsvorschriften, Verordnungen und Richtlinien anpassen. Bereits hier sollten die Selbsthilfe- und die Selbstvertretungsorganisationen als Experten in eigener Sache von Anbeginn an beraten und mitwirken können.
Die unterschiedlichen Stufen und die erforderlichen Veränderungen in den unterschiedlichen Rechtsbereichen sind sehr wesentlich für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Daraus ergeben sich auch unterschiedliche Wirkungen für Menschen mit den unterschiedlichsten Handicaps. Darauf müssen wir reagierend und steuernd Einfluss nehmen. So unser Anliegen im Änderungsantrag.
Ja, auch wir sehen die Notwendigkeit, überhaupt und auch sehr zeitnah mit der Unterstützungsleistung für die Kommunen, hier besonders für die kommunalen Sozialämter, zu beginnen, sie zu schulen und sie in ihren Vorhaben und Maßnahmen zu begleiten. Aber reicht die im Antrag stehende Formulierung tatsächlich aus?
Das Gesetz fordert Partizipation, eine Vielzahl von Mitwirkungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen. Unsere Schlussfolgerung daraus ist, den kommunalen Sozialämtern muss auch verdeutlicht werden, welche Ansprüche sich aus
diesen Partizipationsformen für ihre Arbeit ergeben. Beide Seiten müssen für dieses Miteinander sensibilisiert und für das Finden der effektivsten Arbeitsstrukturen unterstützt werden. Praxis sollte auch hierbei ein Miteinander sein.
Ganz besonders mit der ergänzenden und unabhängigen Teilhabeberatung wird ab 2018 ein weiteres Informations- und Beratungsangebot geschaffen, das die Beratung der Rehabilitationsträger ergänzt. Der Ansatz ist hierbei: Betroffene beraten Betroffene. So anerkennen wir, dass Menschen mit Behinderung tatsächlich Experten in eigener Sache sind. Sie sollen in der Peer-toPeer-Beratung Rat Suchende dabei unterstützen, ihre Fähigkeiten und Ressourcen für eine selbstbestimmte Teilhabe zu nutzen. Auch dies hat Auswirkungen auf das Miteinander von Selbsthilfe und kommunalen Sozialämtern.
Dieses Miteinander müssen wir zu einer Selbstverständlichkeit machen, bei der beide Seiten erleben, dass dies nicht nur eine gnädige Aktion des guten Willens, sondern immanenter, aktiver, regelhafter Bestandteil des Umsetzungsprozesses ist. Dieses Miteinander muss dauerhaft ausfinanziert sein.
Auch wir sind immer für Modellvorhaben und erst recht, wenn diese Modellvorhaben es ermöglichen, neue Wege zu beschreiten, keine Frage. Allerdings entbindet uns diese Forderung nicht von der Lebenswirklichkeit: Modellvorhaben sind endlich. Sie hören irgendwann auf, und das unabhängig davon, welchen Erfolg sie hatten. Es bedeutet, wir müssen parallel darüber nachdenken, wie es uns gelingen kann, diese Modellvorhaben, immer vorausgesetzt, sie erfüllen ihr Ziel, zu verstetigen.
Darüber und über Fortschritte in der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes auf kommunaler Ebene und in den unterschiedlichen Rechtsbereichen soll im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration im November 2017 berichtet werden.
Eine weitere Option für das Land ist auch das Budget für Arbeit, das im Rahmen der nächsten Haushaltsberatung Beachtung finden muss.