(Beifall bei der CDU und bei der AfD - An- dré Poggenburg, AfD: Das ist nämlich keine Flucht, das ist Wohlfahrt! - Zuruf von der AfD: Flüchtlings-Bingo!)
Für die Landesregierung spricht jetzt der Minister Herr Stahlknecht. Herr Minister, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hintergrund des Antrages der Fraktion DIE LINKE sind die jüngsten Ende März 2017 in Kraft getretenen Verschärfungen im ungarischen Asylrecht. Den neuen Bestimmungen dort zufolge sollen Asylbewerber jetzt grundsätzlich nur noch in zwei Containerlagern unmittelbar an der Grenze zu Serbien festgehalten werden.
Der UNHCR hat dies zum Anlass genommen, eine Aussetzung des Dublin-Verfahrens für Überstellungen nach Ungarn zu fordern. Der Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans hat schon wenige Tage nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen eine genaue Prüfung der neuen ungarischen Gesetzeslage im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem europäischen Recht angekündigt.
Auch der Bund hat auf die Situation in Ungarn bereits reagiert. Für die Frage, ob zielstaats- oder inlandsbezogene Überstellungshindernisse vorliegen, ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. Für eine generelle Aussetzung der Rücküberstellung in einen Zielstaat müssten wesentliche Gründe die Annahme stützen, dass durch einen systemischen Mangel des Asylsystems und der Aufnahmebedingungen im Zielland eine menschenunwürdige Behandlung zu befürchten wäre.
Eine derartige Aussetzung ist nicht erfolgt. Allerdings hat das Bundesministerium des Innern nach Inkrafttreten des neuen ungarischen Asylrechtes
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Anfang April dieses Jahres angewiesen, bei DublinÜbernahmeersuchen an Ungarn von den dortigen Behörden eine Zusicherung darüber einzuholen, dass die Flüchtlinge gemäß der Asylverfahrensrichtlinie der Europäischen Union untergebracht sind und dass das Verfahren dieser Richtlinie entspricht. Falls eine derartige Zusicherung von ungarischer Seite nicht erfolgt, soll eine Überstellung unterbleiben.
Seit der Verfahrensänderung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im April dieses Jahres sind zumindest aus unserem Bundesland keine Überstellungen nach Ungarn mehr durchgeführt worden. Dieser Sachstand zeigt, dass das Thema sowohl bei der Europäischen Kommission wie auch beim Bund im Fokus steht und ein weiteres angemessenes Agieren von dort erwartet werden kann.
Eines expliziten Aufforderns durch die Landesregierung, wie Sie es tun, bedarf es vor diesem Hintergrund, Frau Quade, wohl nicht.
Darüber hinaus verfolgt der Antrag, wie eingangs bereits angesprochen, das Ziel, dass unser Bundesland, unabhängig von den Entscheidungen auf Bundesebene, auf der Basis einer sogenannten Abschiebungsstoppregelung von Überstellungen nach Ungarn vollständig absieht.
Nach § 60a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes kann die oberste Landesbehörde unter anderem aus humanitären Gründen anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.
Zweck der Vorschrift ist es, Erleichterungen für die verwaltungsmäßige Bewältigung humanitärer Probleme zu schaffen, die typischerweise eine größere Zahl als schutzbedürftig angesehene Ausländer in gleicher oder vergleichbarer Weise betreffen. Die Vorschrift trägt damit gruppenspezifischen Problemsituationen von Ausländern Rechnung. Im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung kann für diese Personengruppen von einer Einzelfallprüfung dann abgesehen werden.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist angehalten, die richtlinienkonforme Unterbringung und Behandlung Betroffener in Ungarn in jedem Fall zu hinterfragen. Es besteht daher keine Veranlassung, landesseitig grundsätzlich formell auf die Rücküberstellung zu verzichten, solange die Möglichkeit einer systemgerechten Behandlung im Zielland besteht und gegebenenfalls, wie von mir eingangs dargelegt, eine konkrete Zusicherung erfolgt.
Die aktuelle Asylpolitik der Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán ist in der Tat zu beobachten. Der Schutz der EU-Außengrenzen und die Bekämpfung der irregulären Migration sind auch nach meiner persönlichen Auffassung ein zentrales und entscheidendes Thema europäischer Politik.
Eine faire Behandlung von Schutzsuchenden, wie wir sie in der Genfer Flüchtlingskonvention niedergelegt haben, darf aber bei der Verfolgung dieser Ziele nicht aus dem Blick geraten.
Aufgrund der von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen und der Prüfung seitens der Europäischen Kommission ist eine Einhaltung des europäischen Rechtsrahmens bei Überstellung nach Ungarn sichergestellt, sodass es einer Anordnung durch das Ministerium des Inneren dieses Bundeslandes nicht bedarf. - Herzlichen Dank.
Erstens. Herr Stahlknecht, gehen Sie davon aus, dass Ungarn daran interessiert ist, diese Flüchtlinge zurückzunehmen?
Zweitens. Ist es für Ungarn, sollten sie nicht daran interessiert sein, die Flüchtlinge zurückzunehmen und die Kosten dafür zu tragen, dann nicht ein Leichtes, die Regelung, die Sie vorgeschlagen haben oder einfordern, oder das Dokument, einfach nicht zu überreichen?
Für die Umsetzung geltenden Rechtes ist nicht entscheidend, was Ungarn möchte, sondern das, was wir gemeinsam vereinbart haben.
Ich spreche von der Dublin-Regelung. Ihre Frage ist doch, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ob wir die Dublin-Regelung, nach Ungarn zurückzuführen, auch dann anwenden würden, wenn es dem ungarischen Ministerpräsidenten nicht gefällt.
Nein, das war nicht meine Frage. Ich wollte nur sagen, Deutschland wird zwangsläufig auf den Flüchtlingen sitzenbleiben. Wenn Sie die Einhaltung der Regelungen gerade gegenüber Ungarn einfordern, dann werden wir zwangsläufig auf den Flüchtlingen und somit auf den Kosten sitzenbleiben. So wird es sein.
Viktor Orbán wird Ihnen das wahrscheinlich auch so nicht unterschreiben, weil er gar nicht daran interessiert sein wird, diese Flüchtlinge aufzunehmen, die wir zu uns geholt haben.
Herr Raue, das war keine Frage. Sie müssen signalisieren, wenn Sie eine Nachfrage stellen oder irgendetwas sagen wollen.
Okay. Ich sehe keine weiteren Anfragen. - Somit steigen wir in die Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Als erste Debattenrednerin wird Frau Schindler für die SPD-Fraktion das Wort ergreifen. Sie haben das Wort, Frau Schindler.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschlossene Internierungslager in Containern, Zäune, die von Schlägertrupps und scharfen Hunden gesichert werden, Stacheldraht zur Sicherung der Grenzen, ein Gesetz, das die Internierung vorschreibt - da läuft einem ein kalter Schauer über den Rücken, wenn man diese Meldungen aus Ungarn hört.
Das sind keine Bedingungen, wie man sich Menschen gegenüber respektvoll verhält. Das sind aber die erschreckenden Bedingungen, wie sie in Ungarn seit dem 28. März 2017 für die Unterbringung von Flüchtlingen Wirklichkeit sind. Am 7. Ap
Der UNHCR hat sich angesichts dieser Umstände zu diesem Aufruf, der ja Anlass für den Antrag der LINKEN ist, veranlasst gesehen. Am 10. April forderte er dazu auf, vorläufig keine Rücküberstellung von Asylbewerbern nach Ungarn mehr vorzunehmen.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte - ich hoffe, dass auch die AfD dies anerkennt - hat sich zu den Lagern geäußert und per einstweiliger Verfügung - so viel vielleicht zu Rechtsstaat und Rechtseinhaltung - die Feststellung von acht unbegleiteten Flüchtlingskindern sowie einer traumatisierten schwangeren Frau gestoppt.
Nun kann ich an dieser Stelle zu einem Thema zurückkommen, mit dem wir uns in der letzten Legislaturperiode hier im Parlament schon mehrfach befasst haben. Das ist - ich habe es in einem vorherigen Redebeitrag angekündigt - die Frage nach dem Dublin-Verfahren insgesamt, die Frage, ob dieses Dublin-Verfahren geeignet ist, diese europäische Lösung für Flüchtlinge fair umzusetzen.
Leider hat es die EU nicht geschafft, einheitliche Standards für Asylverfahren und einheitliche Aufenthaltsregelungen zu schaffen. Wer ein faires Verfahren für Asylsuchende und vor allen Dingen eine faire Verteilung in der Europäischen Union möchte, und zwar nicht nach dem Luftprinzip nach dem Motto „Wo sie auf den Boden fallen, sollen sie verbleiben“, der muss zugestehen, dass dazu das Dublin-Verfahren nicht geeignet ist. Auch schon vor zwei Jahren habe ich an dieser Stelle gesagt: Das Dublin-Verfahren ist gescheitert.
Trotzdem ist es wichtig, hier die Einhaltung der bis dahin vereinbarten Regelungen in der Europäischen Union einzufordern. Deshalb unterstütze ich natürlich alle Möglichkeiten, dies auch in Bezug auf Ungarn zu tun.
Ich unterstütze vor allen Dingen - vielleicht hat es jemand auf YouTube oder in anderen Berichterstattungen verfolgt - den Beitrag von Guy Verhofstadt im Europäischen Parlament, der Herrn Orbán deutlich gesagt hat, was er von seiner Politik und dem Abschotten und menschenunwürdigem Verhalten gegenüber Flüchtlingen hält.
Das Thema ist uns als Koalitionsfraktionen aber besonders wichtig. Deshalb wollen wir diesen Antrag überweisen und bitten um Überweisung in den Innenausschuss zur weiteren Beratung dieses Themas. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abg. Schindler. Es gibt keine Nachfragen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Kirchner. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Die Vereinigten Staaten von Amerika geben eine Reisewarnung für Europa heraus. Deutschland stürzt bei den sichersten Reiseländern von Platz 20 auf Platz 51 ab und ist damit so sicher wie Gambia. Und der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, kurz UNHCR, spricht sich dafür aus, Rücküberführungen von Asylbewerbern nach Ungarn aus EU-Staaten zeitweise auszusetzen, und das in einem Land, an dem täglich multikulturelle Einzelfälle auf deutschen Straßen mit Messern und Äxten Menschen massakrieren, Frauen belästigen, Ladendiebstähle begehen und Terroranschläge verüben und im schlimmsten Fall töten und vergewaltigen. Da kann ich nur sagen: Willkommen in der Realität!