Protocol of the Session on April 5, 2017

Werte Präsidentin! Werte Abgeordnete! Allem voran stelle ich die Definition von Wahlfälschung: Als Wahlfälschung bezeichnet man die bewusste Manipulation einer Wahl entgegen demokratischen Prinzipien, um das Wahlergebnis zugunsten oder zuungunsten einer Partei bzw. die Wahl als solche zu verändern.

Mit der Fälschung der Stendaler Stadtratswahl im Jahr 2014 ist klar Wahlbetrug begangen worden. Mir stellen sich in diesem Fall mehrere Fragen: Wer sind die noch unbekannten Hintermänner? Hat man es ihnen zu leicht gemacht? Und die wichtigste Frage - diese ist schon erwähnt worden -: Warum wurde die Kreistagswahl nicht ebenfalls wiederholt?

Dem MDR konnte ich entnehmen: Stendaler ExStadtrat gesteht Wahlfälschung. Der CDU-Mann hat 1 000 Stimmen manipuliert - 1 000 Stimmen!

Das soll die Tat eines Einzeltäters gewesen sein? - Ich glaube es nicht. Bei wie vielen Wahlen wurde noch manipuliert? Inwieweit war der CDU-Kreisvorstand an den Manipulationen beteiligt? Und: Hat das Jobcenter einen Datenmissbrauch zugelassen?

Hier ein Beispiel aus der „Mitteldeutschen Zeitung“, die am 18. Januar 2017 vom Verfahren berichtet: „Stendaler CDU-Stadtrat Holger Gebhardt ließ Stimmzettel abholen.“

Ich zitiere weiter aus diesem Artikel:

„Um im Rathaus nicht aufzufallen, ließ der umtriebige Kommunalpolitiker die Stimmzettel nämlich von Bevollmächtigten abholen, darunter dem CDU-Kreisvorsitzenden Wolfgang Kühnel und der CDU-Kreisgeschäftsführerin Yvette Below. Von den Fälschungen habe sie nichts gewusst, beteuert Below vor Gericht.

Dabei gab es einen verräterischen Zwischenfall: Einer der Wähler, in dessen Namen sie Stimmzettel holen wollte, hatte diese bereits selbst angefordert. ‚Kam Ihnen das nicht komisch vor?‘, fragte die Staatsanwältin […] - ‚Nein.‘“.

Hieran wird eine gewisse Doppelmoral sichtbar: Der Verurteilte deckt weiterhin seine Hintermänner. Dass es diese gibt, ist für das Gericht klar. Ich zitiere: Das Gericht befand ihn in der Wahl- und Urkundenfälschung für schuldig. Es bescheinigte ihm eine hohe kriminelle Energie. Das Landgericht ist sich sicher, dass es Hintermänner in der CDU gab.

Was nutzt ein Geständnis, wenn trotzdem weiterhin die Möglichkeit besteht, diese Mittäter zu decken?

(Beifall bei der AfD)

Übrigens hat Herr Gebhardt mittlerweile Rechtsmittel gegen seine Verurteilung einlegen lassen. Also wird zunächst ein Geständnis abgelegt und dann passt einem die Strafe nicht.

Wären hier nicht die Beteiligten und auch diejenigen Abgeordneten, die zusätzlich ebenfalls - sagen wir einmal zufällig - profitierten, zur Aufklärung des gesamten Sachverhaltes verpflichtet?

Wahlfälschung wird nach § 107a StGB mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft und auch schon der Versuch ist strafbar. Ich gehe davon aus, dass zumindest einige beteiligte CDU-Politiker langsam ins Schwitzen kommen.

Auch wir, die AfD-Fraktion, haben überlegt, einen Untersuchungsausschuss dazu ins Leben zu ru

fen; denn gerade wir werden regelmäßig nach dem Ende von Wahlen bei Auszählungen benachteiligt. Beispielsweise wurden Stimmen einer anderen Partei zugeordnet. Dies ist zum Beispiel bei der Landtagswahl 2016 in Halle an der Saale geschehen. Unsere gesamten Stimmen wurden in einigen Wahllokalen einer kleinen, unbedeutenden Splitterpartei zugeordnet.

(Beifall bei der AfD)

Wir können mit ehrlichen Wahlen ohne Manipulation nur gewinnen.

Ich unterstelle niemandem bei der Landtagswahl im Jahr 2016 Betrug. Aber klar ist, dass mein werter Kollege Thomas Höse nur deshalb hier sitzt, weil wir die Ergebnisse haben überprüfen lassen.

Im Rahmen des Untersuchungsausschusses sollte zu prüfen sein, wie es zu solchen doch recht einseitigen Fehlern kommt. Des Weiteren muss kritisch betrachtet werden, ob das bisherige System der Übertragung der Ergebnisse noch zeitgemäß ist. Ich selbst habe als Wahlbeobachter die Auszählungen mehrerer Wahlergebnisse verfolgt und habe festgestellt, dass es Fehlerquellen gibt: Stimmen wurden auf falsche Stapel gelegt und nach der Auszählung werden Ergebnisse per Telefon weitergeleitet. Dies ist gerade nicht unbedingt nachvollziehbar.

Wir, die AfD-Fraktion, werden uns in diesem Ausschuss für eine volle Aufklärung einsetzen. Bereits im Jahr 2019 wird es die nächsten Kommunalwahlen geben. Wir hoffen auf gerechte, sichere und demokratische Wahlen.

Hier noch eine Ermahnung der AfD-Fraktion: Unser Rechtsstaat lebt vom Vertrauen und von der Demokratie. Eine Schädigung des Vertrauens unserer Bürger darf es niemals geben. Alle Personen, die das Vertrauen auf unseren Rechtsstaat aufs Spiel setzen, müssen bestraft werden und gehören nicht in demokratische Parteien oder auch nur nach Deutschland.

Wir, die AfD-Fraktion, wurden demokratisch mit 24,3 % in den Landtag gewählt. Wir werden die Demokratie verteidigen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Lieschke. Es gibt eine Anfrage. Möchten Sie die beantworten?

Herr Bönisch, Sie haben das Wort. Bitte.

Ich möchte Sie nur fragen: Sie haben den Anschein erweckt, als würden Sie zitieren, das Gericht ist sich sicher, dass es in der CDU Hintermänner gab. Was ist das für ein Zitat? Woraus zitieren Sie?

Herr Lieschke, bitte.

Das habe ich der „Mitteldeutschen Zeitung“ entnommen, die das Gericht zitiert hat. Das Datum müsste ich Ihnen nachliefern.

Okay. Sie sollten es in Zukunft hier erwähnen, wenn Sie eine Zeitung zitieren und so tun, als wäre das die Meinung eines Gerichtes. - Danke.

Ich werde das demnächst verbessern.

Es gibt keine weiteren Anfragen. Vielen Dank. - Wir kommen somit zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Sie haben das Wort, Herr Striegel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer Kunstwerke fälscht, muss bisweilen wegen Betrugs vor den Kadi, kommt aber gelegentlich als Künstler selbst groß heraus. Wer Banknoten fälscht, macht vielleicht kurzfristig Kasse, landet aber ziemlich häufig im Knast. Wer jedoch über Jahre hinweg Wahlen fälscht, der darf in Sachsen-Anhalt lange auf politische Milde und wenig ausgeprägten Aufklärungswillen seiner Parteifreunde hoffen. Das ist ein Problem; denn es beschädigt nicht nur das Vertrauen in einzelne Parteien, sondern in die Politik insgesamt.

Machtwechsel sind der Regelzustand der Demokratie. Niemand darf versuchen, den seinigen durch Fälschung von Wahlen zu verhindern.

In Stendal hat durch das kriminelle Treiben des ehemaligen CDU-Stadtrates Holger Gebhardt die Demokratie als solche Schaden genommen. Gebhardt hat gemeinsam mit Hintermännern und -frauen nicht nur Wahlergebnisse verfälscht, sondern die Integrität des politischen Systems infrage gestellt.

Auch heute, knapp drei Jahre nach dem Aufkommen der ersten Vorwürfe, machen mich die offenbar über Jahre laufenden Wahlfälschungen in

Stendal noch immer sprachlos. Nicht nur die Fälschungen als solche, sondern auch das spezifische politische Mikroklima, in dem diese möglich wurden, lassen aufhorchen.

Im Zentrum der Vorwürfe gegen die CDU vor Ort steht Holger Gebhardt. Es greift aber zu kurz, wenn CDU-Funktionäre - unter ihnen der Landesvorsitzende - die Wahlfälschung zur Tat eines Einzelnen machen. Der Prozess vor dem Landgericht hat gezeigt: Es gab mehr Personen als Holger Gebhardt, die diese Fälschungen betrieben und ermöglicht haben. Es gab mindestens eine Person, die zur Wahlfälschung angestiftet hat und die bis heute juristisch nicht belangt wurde.

Gebhardt war als Stadtrat Inhaber verschiedener Parteiämter und Mitarbeiter der Kreistagsfraktion, die Zukunftshoffnung der CDU. Ihm sollte der Weg zu Höherem geebnet werden. Er war bis zu seinem hastigen Parteiaustritt intensiv eingewoben in das Netzwerk vor Ort.

Dieses Netzwerk muss endlich aufgehellt werden. Knotenpunkte in diesem Netz können und müssen befragt werden zu ihrer eigenen Rolle und zu ihren Beobachtungen, insbesondere aus den Jahren ab 2012, bei Notwendigkeit aber auch darüber hinaus.

Gerade weil die Vorgänge aus dem Jahr 2009 verjährt sind, sollten wir bei Bedarf noch einmal nachfassen. Die im Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen gefundene Formulierung lässt dies auch ausdrücklich zu.

Dass Aufklärung nun in Form eines Untersuchungsausschusses erfolgen muss, hat auch mit einem Mangel an Transparenz und mit fehlenden politischen Konsequenzen vor Ort zu tun. Denn weder der Strafprozess noch die im Landtag auf den Weg gebrachten Selbstbefassungen haben für Klarheit sorgen können, trafen sie doch immer auf ein Kartell des Schweigens und der Abwiegelung.

Als Parlament stützen wir uns bis heute maßgeblich auf die Erkenntnisse, die ein preisgekrönter Lokaljournalist, Marc Rath, im Verlauf der letzten Jahre zusammengetragen hat.

Mit dem nun im Raum stehenden Untersuchungsausschuss erhält der Landtag die Möglichkeit, mit dem gesamten ihm zur Verfügung stehenden Instrumentarium zur Aufklärung beizutragen. Wir sollten davon umfassend Gebrauch machen, auch und gerade hinsichtlich neuer beizuziehender Aktenbestände.

Dass nach nunmehr fast drei Jahren auch die örtliche CDU erkannt hat, dass es einen personellen Neuanfang braucht, begrüße ich. Der Rücktritt des Kreisvorsitzenden Kühnel erst im Zuge des Prozesses vor dem Landgericht kam um Jahre zu spät. Hier fehlte es, unabhängig

von persönlicher Schuld oder Unschuld, an politischer Verantwortungsübernahme. Hierin ist Nico Schulz, dem wohl neuen Kreisvorsitzenden, uneingeschränkt zuzustimmen.

Am Ergebnis der Neuwahlen des heutigen Abends werden auch Außenstehende erkennen können, ob die örtliche CDU verstanden hat. Ich hoffe auch, dass Schulz die Verantwortungsträger der Vergangenheit, deren Namen in Ermittlungsakten immer wieder auftauchen, überzeugen kann, mit dem Untersuchungsausschuss umfassend zusammenzuarbeiten. Ich bin gespannt, ob auch die im Haus sitzende AfD im Ausschuss tatsächlich sachlich mitarbeiten wird.

(Zuruf von der AfD: Natürlich!)

Das wäre aber eine Abkehr von ihrer bisherigen Ausschussarbeit. In dem nun einzusetzenden Untersuchungsausschuss geht es eben nicht um Polemiken, sondern um Aktenstudium, konzentrierte Zeugenbefragungen und solide Sacharbeit.

Lag es daran, dass Sie über Monate immer wieder mal die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss erhoben, diesen aber nie selbst ins Werk gesetzt haben? Oder lassen Sie Zurückhaltung walten, weil auch bei Ihnen Wahlfälschungen dazugehören? - Ich habe aufmerksam verfolgt, dass eine Parteikollegin in NRW gerade wegen mindestens 22 gefälschter Unterstützungsunterschriften nicht zur Wahl zugelassen wurde.