Protocol of the Session on March 2, 2017

Die Gründe sind: umfassende Erneuerung nach der Wende; dünne Besiedlung und lange Leitungswege, sodass sich die Fixkosten auf wenige Verbraucher verteilen; Aus- und Neubau von Kabeln, Leitungen und Umspannwerken aufgrund der starken Zunahme von erneuerbaren Energien, das Konstrukt der vermiedenen Netznutzungsentgelte; und die Eingriffe des Übertragungsnetzbetreibers zur Sicherung von Stabilität und Versorgung mit Redispatch-Maßnahmen und auch mit der Abschaltung von Erneuerbare-EnergieAnlagen.

Um die Benachteiligungen von hohen Netzentgelten, insbesondere die Wettbewerbsnachteile für die Industrie- und Gewerbekunden zu beseitigen, drängen wir mit unserem Koalitionsantrag erneut auf eine bundesweite Angleichung bei den Netzentgelten. Die Chancen stehen sehr gut, dass wir etwas bewirken, weil gerade jetzt auf der Bundesebene über den Bundesrat ganz viel Bewegung in das Thema gekommen ist.

Wir wollen zwei Maßnahmen umgesetzt sehen: erstens bundesweit einheitliche Netzentgelte auf Übertragungsnetzebene, zweitens Abschaffung des Konstrukts der vermiedenen Netzentgelte für Wind- und Solaranlagen.

Die Übertragungsnetzebene mit ihren 380-kV-Leitungen ist dafür da, Strom über große Entfernungen zu transportieren. Es gibt in Deutschland vier Übertragungsnetzbetreiber, die in ihren vier Regelzonen aktiv sind. Mit Stand Januar 2017 betragen die Netzentgelte im Regelgebiet von Amprion, das unter anderem Nordrhein-Westfalen umfasst, im Schnitt 1,62 Cent pro Kilowattstunde, und sie betragen im Regelgebiet von 50Hertz Transmission, das Ostdeutschland und demzufolge auch Sachsen-Anhalt umfasst, im Schnitt 3,74 Cent pro Kilowattstunde. Diese Spanne macht deutlich: Die Lasten sind nicht fair verteilt. Das müssen und wollen wir ändern, sodass es zu einer fairen Kostenverteilung kommt.

Ein bundeseinheitliches Netzentgelt auf Übertragungsnetzebene würde laut Berechnung von 50Hertz bei 2,6 Cent pro Kilowattstunde liegen.

Sachsen-Anhalt würde bei diesem Kostenanteil im Durchschnitt um 1,1 Cent pro Kilowattstunde bzw. um 30 % entlastet werden.

Wie viel Ersparnis beim jeweiligen Kunden ankommt, hängt von der Verbrauchsstruktur ab, also ob es sich um Industriekunden oder um private Kunden handelt. Die Ersparnis ist aber auch abhängig von der jeweiligen Region im Regelgebiet.

Man kann für Sachsen-Anhalt sagen, dass ein durchschnittlicher Drei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 3 500 kWh 10 € bis 20 € im Jahr sparen kann.

Bei Industrie und Gewerbe würden bundeseinheitliche Übertragungsnetzentgelte natürlich zu Einsparungen in ganz anderen Größenordnungen führen. Ich habe das Beispiel eines Großkunden der Chemieindustrie im 50Hertz-Gebiet mitgebracht. Mit einem jährlichen Verbrauch von 24 Millionen kWh würde sich eine Ersparnis von 87 000 € ergeben. Das ist eine ganz erhebliche Summe. Für die Industriekunden sind die Netzentgelte wirklich ein Standortfaktor und für die Privatkunden wäre die Ersparnis deutlich spürbar.

Unsere Forderungen werden dafür sorgen, dass die Energiewende ein Erfolgsprojekt bleibt. Dass unsere Forderung, die ich dargestellt habe, auch praktikabel ist, bestätigen die Übertragungsnetzbetreiber. Laut 50Hertz seien bundesweit einheitliche Netzentgelte im Übertragungsnetz einfach umsetzbar; denn die Strukturen und Abrechnungsabläufe bestehen bereits und müssten lediglich angepasst werden. Technisch und administrativ ist das umzusetzen.

Nun zu den vermiedenen Netzentgelten. Diese werden zurzeit bei dezentralen Kraft-WärmeKopplungs-Anlagen und bei Erneuerbare-EnergieAnlagen zum Ansatz gebracht. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass die Niederspannung und die vorgelagerten Netze weniger genutzt werden, weil die Energie vor Ort verbraucht wird. Doch diese Annahme stimmt leider für die volatilen Wind- und Solaranlagen nicht; denn wenn diese volatilen Energien nicht vorhandeln sind, sind trotzdem Netze für die Lieferung von nichterneuerbaren Energien erforderlich, und wenn sie vorhanden sind, also wenn viel Windstrom im Netz ist, dann werden die Netze zum Abtransport benötigt.

Der Netzaufwand ist in der Praxis also gar nicht geringer. Weniger Netzaufwand wird aber dennoch - heute ist das so - angenommen und verrechnet und der Verteilnetzbetreiber stellt den Kunden die angefallenen Aufwendungen in seinem Netzbetrieb in Rechnung.

Regionen mit vielen Erneuerbare-Energien-Anlagen werden überproportional belastet. Das wollen wir abschaffen. Beispielsweise wird der neue

Windpark Hüselitz bei Tangermünde mit 152 MW so viel Strom erzeugen, dass dieser abtransportiert werden muss. Das heißt, dass auch die Hoch- und Höchstspannungsebenen gefragt sind. Es findet eben keine Netzvermeidung statt. Wir brauchen die Netze.

(Ulrich Siegmund, AfD: Die holen die Vögel runter!)

Es wäre ungerecht, wenn im Endeffekt die Bewohnerinnen und Bewohner der Altmark für die fälschlicherweise angenommene Vermeidung bezahlen sollten. Genau deshalb sind die vermiedenen Netznutzungsentgelte bei Wind- und Sonnenstrom abzuschaffen.

Wir rechnen damit, dass das eine Ersparnis von bis zu 0,3 Cent pro Kilowattstunde mit sich bringt. Bei dem genannten Drei-Personen-Haushalt wäre das eine weitere jährliche Ersparnis von bis zu 10 €, und bei dem beschriebenen Chemieunternehmen würde sich eine weitere fünfstellige Ersparnis ergeben.

Die vermiedenen Netznutzungsentgelte sollen dort zum Ansatz gebracht werden, wo Anlagen steuerbar sind und real ein netzdienliches Verhalten zeigen. Das gilt für Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. Es ist wichtig, dass das so bleibt, weil die Gutschriften der Wirtschaftlichkeit der Anlagen zugrunde liegen und wir ein Interesse daran haben, dass die Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen auch in Zukunft gewährleistet wird.

Noch Ende des Jahres 2016 versprach die Bundesregierung die Einführung bundesweit einheitlicher Netzentgelte auf Übertragungsnetzebene. Doch im Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 26. Januar 2017 war dieser wichtige Bestandteil nicht mehr vorhanden. Dies sorgte bei vielen Bundesländern zu Recht für Unverständnis.

Die Bundesländer müssen jetzt über den Bundesrat ein zukunftsfähiges Netzentgeltmodernisierungsgesetz durchsetzen. Thüringen und Schleswig-Holstein ergriffen zuerst die Initiative und brachten am 10. Februar eine Bundesratsinitiative ein, damit die beschriebene Lücke geschlossen wird. Auch müssen die vermiedenen Netzentgelte sofort und nicht schrittweise und dann auch nur für Solar- und Windanlagen abgeschafft werden.

Ebenfalls am 10. Februar wurde der Entwurf des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes der Bundesregierung in den zuständigen Bundesratsausschuss überwiesen. Dort wurden von mehreren Bundesländern Änderungsanträge eingebracht, die sich mit unseren Zielen decken. Bereits am 10. März, also nächste Woche, wird über das Netzentgeltmodernisierungsgesetz im Bundesrat abgestimmt. Bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat stehen die Chancen gut,

eine Mehrheit für die in unserem Antrag formulierten Forderungen im Plenum des Bundesrats zu bekommen.

Deshalb bitten wir die Landesregierung, im Bundesrat entsprechenden Initiativen zuzustimmen. Nächste Woche hat Sachsen-Anhalt die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen entlastet werden und wirklich eine faire Lastenverteilung realisiert wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Frederking. Ich sehe keine Anfragen. - Bevor wir in die Fünfminutendebatte der Fraktionen einsteigen, gebe ich Frau Ministerin Prof. Dr. Dalbert für die Landesregierung das Wort. Sie haben das Wort, bitte.

Danke, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es als Ministerin nur immer wieder betonen: Der Klimawandel ist unstrittig. In den letzten Jahren sind fast immer neue Temperaturrekorde erzielt worden, und auch in Deutschland sind die zu kühlen Monate vergleichsweise selten geworden. Selbst der nun vergangene Winter war nach drei extrem milden Wintern maximal durchschnittlich, möglicherweise war er sogar ein Stück zu warm. Die Skigebiete in den Mittelgebirgen dürften wohl wieder kaum zufrieden sein.

Um die Dekarbonisierung voranzubringen und den Klimawandel damit zumindest zu entschleunigen, ist die Energiewende in Deutschland und weltweit ein sehr wichtiges Projekt. Aber - das ist klar, und ich denke, das eint uns alle - die Energiewende muss gerecht ablaufen. Davon hängt die Akzeptanz der Energiewende ab. Soziale Gerechtigkeit sollte uns allen wichtig sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Landtag und auch die Landesregierung beschäftigen sich nunmehr zum wiederholten Male mit dem Thema einer fairen Lastenverteilung der Kosten der Energiewende. Als ich dazu zuletzt im November letzten Jahres im Ausschuss für Umwelt und Energie berichtet habe, lag endlich der seit Langem angekündigte Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für ein Netzentgeltmodernisierungsgesetz seit wenigen Tagen vor - damals, im November.

Ich habe mich damals sehr gefreut, dass darin die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für ein bundesweit einheitliches Übertragungsnetzentgelt enthalten war. Die Spreizung der Übertragungsnetzentgelte innerhalb Deutschlands hat sich mit

den aktuellen Erhöhungen durch die Übertragungsnetzbetreiber für 2017 weiter verstärkt.

Während die Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, also der Netzbetreiber für Ostdeutschland und Hamburg, und TenneT, der Netzbetreiber für Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Teile Hessens und Bayerns, ihre Netzentgelte um 45 % bzw. im Fall von TenneT sogar um 80 % erhöhen mussten, sind die Netzentgelte in den Bereichen von Amprion und TransnetBW kaum gestiegen. Diese ungleiche Verteilung der Lasten der Energiewende wollen wir nicht weiter hinnehmen.

Meine Freude im November war leider nur von kurzer Dauer. Nach starker Kritik der nachteilig betroffenen Bundesländer im Westen Deutschlands ist nunmehr diese für Ostdeutschland positive Regelung nicht mehr Gegenstand des im Januar beschlossenen Regierungsentwurfs. Daran konnte leider auch eine gemeinsame Intervention der ostdeutschen Ministerpräsidenten nichts mehr ändern.

Das Bundeswirtschaftsministerium spricht offiziell davon, dass die Regelungen im Hinblick auf die Bedenken einer Reihe von Bundesländern noch überarbeitet werden müssten. Wenn ich mir die anstehenden Wahltermine ansehe, dann brauche ich das wohl nicht näher zu kommentieren.

Dies ist umso unverständlicher, da die Netzentgeltkosten für einige westdeutsche Bundesländer nur sehr moderat steigen würden. Ich meine, das ist doch klar: Allein in NRW leben mehr Menschen als in ganz Ostdeutschland zusammen.

Letztlich ist insbesondere der ländliche Raum Ostdeutschlands von hohen Netzentgeltkosten betroffen. Ich denke, auch darin sind wir uns einig. Wir dürfen das Leben im ländlichen Raum nicht weiter verteuern, weil dies die Abwanderung der Bevölkerung und von Unternehmen beschleunigt.

Im Rahmen der Bundesratsbefassung setzt sich Sachsen-Anhalt dafür ein, dass die gestrichenen Regelungen zum einheitlichen Netzentgelt für eine entsprechende Verordnungsermächtigung wieder in den Gesetzentwurf aufgenommen werden. Und gleichzeitig - das ist eine neue und, wie ich finde, sehr sinnvolle Regelung - soll dem Verordnungsgeber eine Frist zum 1. Januar 2018 gesetzt werden, in der die Umsetzungsverordnung wirksam wird. Ansonsten wäre zu befürchten, dass der Erlass der Verordnung verschleppt wird, wodurch nichts gewonnen wäre.

Im zweiten Regelungsbereich des Entwurfes, nämlich die vermiedenen Netzentgelte, erhebt Sachsen-Anhalt bekanntlich zwei Forderungen. Ich will sie an dieser Stelle kurz nennen. Erstens. Die vermiedenen Netzentgelte für die volatilen Erzeugungsanlagen sollen sofort und nicht nur schrittweise abgeschafft werden. Zweitens. Die

vermiedenen Netzentgelte für Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen sollen erhalten bleiben.

Mein Haus setzt sich genau dafür ein. Die Abstimmung im Plenum des Bundesrates ist insoweit abzuwarten. Leider handelt es sich lediglich um ein Einspruchsgesetz. Letztlich kann sich der Bundestag über das Votum des Bundesrates hinwegsetzen. Es bleibt daher zu hoffen, dass der Deutsche Bundestag die Forderung des Bundesrates aufgreift, meine Damen und Herren. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine Anfragen. - Wir eröffnen die Debatte der Fraktionen. Als Erster wird der Abg. Herr Raue für die AfDFraktion sprechen. Sie haben das Wort. Bitte.

Ich war ein wenig überrascht - - Guten Tag erst einmal! Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Ich war ein wenig überrascht, als ich diesen Antrag las. Es stellt sich jetzt heraus, er kommt von Ihnen, von den GRÜNEN. Sie sind hier auch im Ministerium. Es ist Ihr Ziel, dafür einzutreten. Es ist aber für uns jetzt ein großes Schauspiel hier im Landtag. Es gibt eine aktuelle Beschlusslage, Ostdeutschland bei den Netzentgelten zu entlasten. Das ist seit September letzten Jahres hier die Beschlusslage. Es bräuchte eigentlich diesen Antrag nicht.

Mit der Beschlussrealisierung vom 16. November 2016 Nr. 586 erklärt die Landesregierung zu Beginn:

„Die Landesregierung wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass der Netzausbau nach einer fairen Lastenverteilung erfolgt. Dies betrifft insbesondere ein bundeseinheitliches Netzentgelt auf Übertragungsnetzebene sowie die sofortige Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte für volatil einspeisende Anlagen. Für Kraft-Wärme

Kopplungs-Anlagen sollen die vermiedenen Netzentgelte auch nach Auffassung der Landesregierung erhalten bleiben. Dabei erfolgt eine enge Abstimmung zwischen den ostdeutschen Bundesländern.“

Im letzten Satz dieser Beschlussrealisierung wiederholt die Landesregierung:

„Die Landesregierung wird sich im weiteren Verfahren insbesondere im Bundesrat für Änderungen entsprechend den oben genannten Forderungen einsetzen.“

Genau das fordern Sie jetzt noch einmal. Im Landtagsbeschluss 433 wird ausgeführt:

„Die Landesregierung ist gebeten, sich dafür einzusetzen, dass der Ausbau der Netzinfrastruktur unserer Übertragungs- und Verteilnetze bedarfsgerecht und innerhalb der Bundesrepublik nach einem fairen Lastenverteilungsverfahren erfolgt.“

Und so weiter. Da fragt sich der Beobachter: Reden Sie in der Koalition miteinander und vor allen Dingen in der eigenen Partei?