Protocol of the Session on October 16, 2020

Danke schön. - Ich möchte sagen, dass auch mit den Fakten, die ich dargestellt hatte, ziemlich offensichtlich ist, dass die Verwaltung verständlicherweise das Geld gern für sich haben und es nicht an Externe geben möchte. Das ist verständlich, aber aus meiner Sicht in diesem Fall nicht zielführend; denn es ist wirklich nicht viel Geld, das die WiSo-Partner brauchen. Das habe ich dargestellt.

Herr Steppuhn, Sie haben gesagt, dass Sie sich in den Ausschüssen von der Verwaltung darüber informieren lassen wollen, wie viel Geld tatsächlich in der nächsten Förderperiode zur Verfügung steht, insbesondere mit Blick auf die Mittel aus der Technischen Hilfe. Ich fürchte, dass die Verwaltung uns dies nicht ganz schnell mitteilen wird. Es wird bestimmt eine Verzögerungstaktik gefahren. Das fürchte ich. Wir werden ja sehen, was sich ergibt.

Nichtsdestotrotz sind wir mit der Überweisung zufrieden. Allerdings bin ich mit Blick auf die Federführung etwas überrascht. Ich war schon überrascht darüber, dass der Wirtschaftsausschuss hier mitspielt und der Europaausschuss gar nicht vorkommt. Es geht um Europamittel und die Federführung liegt beim Wirtschaftsausschuss; das erschließt sich mir nicht, zumal das ein Finanzthema ist. Eigentlich müsste der Finanzausschuss die Federführung haben.

Wenn wir das jetzt so machen - ich habe gerade den Terminplan zur Hand genommen - und der Wirtschaftsausschuss - wo ist Herr Zimmer denn hin? - die Federführung hat, dann können wir das Thema in diesem Jahr nicht mehr abschließen, Herr Zimmer. Das finde ich ein bisschen schwierig.

Zumindest uns ist daran gelegen, das Thema relativ schnell abzuhandeln, weil es ab 1. Januar

eng werden wird. Daher wäre die Frage, ob denn die Herren und Damen damit einverstanden wären, wenn entweder der Sozial- oder der Finanzausschuss die Federführung übernimmt, weil diese Ausschüsse vorher tagen.

Ich möchte, wenn Sie mir die Zeit gewähren, kurz ein Beispiel geben. Der Sozialausschuss und der Finanzausschuss tagen am 4. November. Der Wirtschaftsausschuss tagt am 5. November.

Wenn wir dem Wirtschaftsausschuss die Federführung geben würden, dann würde er quasi zuerst tagen und dann könnten der Sozial- und der Finanzausschuss erst im Dezember darüber beraten und dann muss darüber noch einmal im Wirtschaftsausschuss beraten werden. Dann schaffen wir es aber nicht mehr im Dezemberplenum.

Deshalb meine Bitte: Könnten Sie sich bitte in der Koalition darüber abstimmen, ob nicht entweder der Sozial- oder der Finanzausschuss die Federführung übernehmen sollte, weil wir es dann schaffen könnten, den Antrag abschließend im Dezemberplenum zu beraten. Dann hätten wir bereits im Januar eine Lösung.

Noch ein Wort, dann bin ich fertig. Ich habe extra bei der EU angerufen. Ich habe eine Weile recherchiert, bis ich die richtigen Kolleginnen am Hörer hatte. Die Regionaldirektion hat gesagt, sie habe nichts dagegen, wenn das so weitergeführt wird. Sie sieht auch keinen Grund dafür, warum das anders gemacht werden sollte. Von daher wäre es schön, wenn wir es in der Form, wie auch immer diese dann heißt, weiterführen können. - Vielen Dank.

Frau Frederking, Sie haben das Wort.

Können Sie noch einmal erläutern, warum der Antrag in den Sozialausschuss überwiesen werden soll.

Ich glaube, dies hatte einer meiner Vorredner beantragt. Ich hatte Wirtschaft, Soziales und Finanzen verstanden.

Herr Zimmer hatte diese Vorschläge gemacht und angeregt, den Antrag zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wir fragen jetzt, ob es dabei bleibt. - Herr Steppuhn hat einen neuen Vorschlag.

Die Koalition hat sich in der Tat darauf verständigt, dass der Wirtschaftsausschuss federführend

ist und dass der Sozial- und der Finanzausschuss mitberatend sind. Wir können den Europaausschuss auch noch einbinden und dann müssen wir sehen, wie wir das zeitlich hinbekommen. Das ist die Empfehlung.

Frau Heiß, dann werden wir das jetzt so aufnehmen und darüber abstimmen.

Das können wir machen, aber, wie gesagt, dann werden wir das in diesem Jahr nicht mehr abschließen können. Das will ich auch im Hinblick auf die vielen Wirtschafts- und Sozialpartner sagen. Schade.

Wir stimmen jetzt darüber ab, den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 7/6672 zur Mitberatung an den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration, an den Ausschuss für Finanzen sowie an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien und zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung zu überweisen. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Regierungskoalition und die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das ist die AfD-Fraktion. Stimmenthaltungen? - Sehe ich keine. Damit ist der Antrag an die genannten Ausschüsse überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 27 ist erledigt.

Wir treten jetzt in die vorgesehene Mittagspause ein. Ich möchte daran erinnern, dass vereinbart wurde, diese auf 30 Minuten zu verkürzen, sodass wir uns um 12:45 Uhr wieder hier im Plenarsaal treffen.

Unterbrechung: 12:15 Uhr.

Wiederbeginn: 12:45 Uhr.

Werte Kollegen Abgeordnete! Es ist 12:45 Uhr. Wir fahren mit der Parlamentssitzung fort.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 28

Erste Beratung

Einrichtung eines Sonderfonds „Reisekostenerstattung für Nebenkläger*innen im Prozess gegen den Attentäter von Halle“

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/6673

Einbringerin ist die Abg. Frau Quade. - Frau Quade, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Am 21. Juli 2020 begann vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichtes Naumburg - aufgrund der Coronapandemie wird in den Räumen des Landgerichts Magdeburg verhandelt - der Prozess gegen den Attentäter, der am 9. Oktober 2019 einen Anschlag auf die Synagoge und den Kiez-Döner in Halle verübte.

Der extrem rechte Antisemit und Rassist versuchte, die Menschen, die in der Synagoge Jom Kippur feierten, zu töten. Als ihm das nicht gelang, erschoss er Jana L. und verübte dann einen antimuslimischen Anschlag auf den Kiez-Döner. Dort erschoss der Kevin S. Der Attentäter versuchte, weitere Menschen in und vor dem Kiez-Döner und auf seiner Flucht zu töten und verletzte Menschen in Halle und in Landsberg-Wiedersdorf.

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat Anklage wegen des Mordes in zwei Fällen sowie des versuchten Mordes in mehreren Fällen zum Nachteil von insgesamt 68 Menschen sowie wegen weiterer Delikte erhoben.

Die Anklage wurde inzwischen an 17 Prozesstagen verhandelt. Weitere Termine sind derzeit bis in den November dieses Jahres angesetzt, und eine weitere Verlängerung des Prozesses ist nicht ausgeschlossen. Über den Anschlag und die Folgen, über die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung haben wir bereits gestern debattiert.

Meine Damen und Herren! Das Verfahren vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Naumburg ist von herausragender und historischer Bedeutung. Diese Bedeutung hat das Gericht selbst festgestellt, indem es entschieden hat, gemäß § 169 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes Tonaufnahmen der Verhandlungen anfertigen zu lassen, eine Möglichkeit, die hier erstmals durch ein Gericht genutzt wird und die erst infolge der bis heute nicht abgeschlossenen Aufarbeitung des NSU-Komplexes geschaffen wurde. Diese Aufnahmen können nach dem Abschluss des Verfahrens zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken verwendet werden, eben aufgrund der - in den Worten des Gesetzes - „herausragenden zeitgeschichtlichen Bedeutung“. Prozessbeteiligte sind nicht nur der Generalbundesanwalt und der Angeklagte, sondern auch und vor allem 43 Nebenklägerinnen und Nebenkläger.

Noch vor Beginn des Verfahrens haben 13 Personen aus der Synagoge in Halle, unter ihnen Besucherinnen und Besucher sowie Mitglieder der jüdischen Gemeinde zu Halle, zwei Personen, die der Angeklagte auf der Flucht zu töten versuchte, zwei Gäste des Kiez-Döners und dessen Betreiber, die Brüder Ismet und Rifat Tekin, und der Vater des getöteten Kevin S., eine gemeinsame

Erklärung geschrieben, aus der ich zitieren will. Sie schreiben:

„Wir haben uns der Anklage des Generalbundesanwalts als Nebenkläger/-innen angeschlossen, um sicherzustellen, dass die rassistische Ideologie des Angeklagten und seine Integration in militante rechte Strukturen nicht nur im Gerichtssaal, sondern auch von den Strafverfolgungsbehörden und von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Die diesen Ideologien innewohnende Menschenverachtung ist jetzt und über diesen Prozess hinaus Anlass zum Nachdenken.

Täter wie der Angeklagte brauchen keine physischen Gemeinsamkeiten mehr, um von Gleichgesinnten Ermutigungen und Unterstützung zu erhalten. Es ist wichtig, dass dieser Prozess Politikern, Strafverfolgungsbehörden und der breiten Öffentlichkeit als Erinnerung an unser ständiges Bedürfnis dient, Rassismus, Sexismus, Islamophobie und Antisemitismus, die unsere Gesellschaft durchdringen, aktiv entgegenzutreten und alle rechten Ideologien zu bekämpfen.“

Die Nebenklägerinnen und Nebenkläger sind die Menschen, um die es in diesem Verfahren gehen muss, meine Damen und Herren. Sie gestalten diesen Prozess aktiv mit. Sie nehmen ihre Rechte in Anspruch. Sie sagen aus. Sie stellen über ihre Rechtsbeistände Anträge. Sie stellen Fragen. Sie tragen zur Beweiserhebung und zur Analyse der Taten innerhalb und außerhalb des Gerichtssaals für die Getöteten und deren Angehörige, für die Verletzten und die Überlebenden des Anschlages vom 9. Oktober 2019 bei. Dafür nehmen Sie vieles auf sich. Sie nehmen es auf sich, immer wieder nach Magdeburg zu reisen, immer wieder mit dem Angeklagten konfrontiert zu sein, der versuchte, viele von ihnen umzubringen.

Die derzeitige Rechtslage sieht es nicht vor, dass den Nebenklägerinnen und Nebenklägern die Reisekosten für jeden Prozesstag erstattet werden. An den meisten Prozesstagen müssen sie, sofern sie am Prozess teilnehmen wollen, diese Kosten selbst tragen. Die Kosten, die erstattet werden, werden pauschal erstattet. Bei einer Entfernung von unter 150 km bis zum Gericht beträgt die Pauschale derzeit 300 €. Für Nebenkläger/innen, die beispielsweise aus Berlin anreisen müssen - wir wissen, dass dies nicht wenige sind -, deckt dies bestenfalls sechs Prozesstage ab, somit schon jetzt elf Tage weniger, als bis zu dieser Woche verhandelt wurden.

Weder die Justiz noch der Bund oder das Land Sachsen-Anhalt haben hier bisher, sofern sie es überhaupt versucht haben, Lösungen gefunden.

Dabei sieht auch der Opferbeauftragte der Bundesregierung das Problem.

Meine Damen und Herren! Wir sind der Überzeugung - um nicht mehr geht es mit unserem Antrag heute -, es muss den Nebenklägerinnen und Nebenklägern, die es wollen, möglich sein, den Prozess an jedem Tag selbst im Gerichtssaal zu verfolgen.

(Beifall)

Nein, es geht eben nicht nur darum, dass sie ihre Rechte über ihre Rechtsbeistände wahrnehmen können. Es geht um Aufarbeitung. Mehrere Nebenklägerinnen und Nebenkläger haben deutlich gemacht, wie wichtig dieser schmerzliche und schwer auszuhaltende, aber eben doch wichtige und notwendige Prozess ist. Und ja, das darf nicht daran scheitern, dass für sie die Reisekosten nicht tragbar sind. Daher fordern wir Sie auf, mit der Zustimmung zu unserem Antrag die Grundlage dafür zu schaffen, dass das Land Sachsen-Anhalt hier eine Sache tut, nämlich Verantwortung zu übernehmen, und mit einem Reisekostenfonds die Nebenklägerinnen und Nebenkläger unterstützt.

Und ja, das ist ein besonderer Vorgang. Ja, das gibt es für andere Prozesse nicht. Aber das ist dem Prozess, seiner Bedeutung und seiner Tragweite angemessen. Es ist auch nicht so, dass es keine Grundlage dafür gäbe. Es haben bereits zuvor andere Bundesländer geschafft. Etwa Nordrhein-Westphalen hat eigene Regelungen zu den Reisekosten für das Loveparade-Verfahren geschaffen. Das zeigt, dass es möglich ist, wenn man das will.

Die Nebenklägerinnen und Nebenkläger dürfen eben nicht weiter in die Position gebracht werden, Bittstellerinnen und Bittsteller zu sein, sondern die Kosten müssen schnell und unbürokratisch übernommen werden. Das ist auch der Grund, weswegen wir mit unserem Antrag vorschlagen, die Verwaltung und die Abrechnung über die Mobile Opferberatung zu gestalten. Dort liegt die nötige fachliche Expertise vor. Dort besteht bereits der Kontakt zu den Überlebenden, zu den Verletzten und zu den Angehörigen der Getöteten. Dort wird die Prozessbegleitung bereits organisiert.

Die Höhe des Fonds - das wissen Sie, meine Damen und Herren - ist gemessen an den Kosten des Verfahrens und erst recht gemessen am Haushalt dieses Landes wirklich und ohne jede Frage überschaubar. Es ist also keine Frage der Kosten. Es ist die Frage, ob der Landtag Verantwortung dafür übernimmt, den Nebenklägerinnen und Nebenklägern die Teilnahme an jedem Prozesstag finanziell zu erleichtern. Dafür bitten wir um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall)

Fragen sehe ich keine. Dann danke ich Frau Quade für die Einbringung des Antrages. In der Debatte sind drei Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau Keding. - Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Heute vor einer Woche, am letzten Freitag, jährte sich der feige und menschenverachtende Terroranschlag von Halle das erste Mal. Dieser Anschlag war für unsere Gesellschaft ein ganz besonders tief greifender Einschnitt. Die andauernde Betroffenheit, der Schmerz, das Unverständnis, aber auch die Frage danach, wie und warum ein solches Verbrechen möglich war, fand ihren Ausdruck individuell und kollektiv in den Veranstaltungen in Halle vor Ort.