Protocol of the Session on July 8, 2020

Der zukünftige Polizeiapparat wird gelähmt und arbeitsunfähig werden. Mit einer solchen perfiden Strategie ist das natürlich auch einfach. Das, was wir jetzt in Berlin beobachten werden, ist wieder eine Einschränkung des Rechtsstaates. Wir werden die Zahlen verfolgen.

Wir fordern Sie, Herr Innenminister, auf: Unterstützen Sie solche Entwicklungen nicht weiter! Sorgen Sie dafür, dass das Antidiskriminierungsgesetz in Berlin wieder verschwindet! Das brauchen wir nicht. Wir haben die Strafprozessordnung und das Strafgesetzbuch. Entsenden Sie bis dahin keinen einzigen Polizeibeamten mehr nach Berlin! - Vielen Dank.

(Beifall)

Ich sehe keine Wortmeldungen. Dann danke ich Herrn Lehmann für die Einbringung des Antrags. - In der Debatte sind drei Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht Minister Herr Stahlknecht. - Herr Minister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Innenministerkonferenz in Erfurt waren sich 14 Innenminister und eine Innenministerin - Schleswig-Holstein hat jetzt eine Innenministerin - sowie der Bundesinnenminister einig, dass es eines solchen Antidiskriminierungsgesetzes in Deutschland nicht bedarf. Der Innensenator aus Berlin war ganz allein.

Es hat ein langes, intensives Gespräch bei dem sogenannten Kamin gegeben, bei dem die Sach- und Rechtslage erörtert worden ist. Ich bin mir mit meinen Ministerkolleginnen und -kollegen, eben bis auf den Berliner Innensenator, einig, dass dieses Antidiskriminierungsgesetz ein völlig falsches Signal nicht nur innerhalb der Polizei aussendet, sondern auch innerhalb der Belegschaft im öffentlichen Dienst, weil es unterstellt, dass diejenigen eine Affinität zur Diskriminierung haben, was am Ende zu einer wie auch immer gearteten Umkehr der Beweislast führen wird. So weit, so gut. Insofern lehne ich persönlich ein solches Antidiskriminierungsgesetz ab.

Nun ist es aber so: Herr Lehmann, wenn Sie das weiter in Ruhe vorgetragen hätten, wäre es eigentlich okay gewesen. Aber dann begann der Teil, bei dem man sagen muss: Sie haben in dem Rest Ihrer Rede über völlig falsche Voraussetzungen geredet, weil Sie das nicht begriffen haben.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Er hat es nicht begriffen!)

Denn das Landesantidiskriminierungsgesetz gilt nur für die Berliner Verwaltung. Es richtet sich insofern ausschließlich an die Berliner Behörden und ihre Bediensteten. Es bestimmt eindeutig, dass eine Entschädigungspflicht allein diejenigen öffentlichen Stellen des Landes Berlin trifft, in deren Verantwortungsbereich die Diskriminierung erfolgt.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Etwas ande- res können die auch gar nicht machen!)

Das gilt somit für keine andere Polizeibeamtin und keinen anderen Polizeibeamten, egal woher sie bzw. er aus dieser Republik dorthin entsendet wird, weil das Berliner Antidiskriminierungsgesetz nur für die Bediensteten dort gilt und für keinen

anderen. Insofern waren Ihre weiteren Ausführungen, lieber Herr Lehmann, fachlich völlig falsch.

(Zustimmung)

Jetzt kommt der zweite Bereich. Das verstehe ich überhaupt nicht. Ich glaube, Sie sind Hauptkommissar; im Augenblick ruht das. Sie müssten wissen, dass gemäß § 92 Abs. 2 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt einer Anforderung von Polizeibeamten durch ein anderes Bundesland zu entsprechen ist, soweit nicht die Verwendung der Beamten im eigenen Land dringender ist als die Unterstützung der anderen Polizeibehörden.

Wenn Sie jetzt sagen, ich solle es zukünftig unterlassen, Polizeibeamte dorthin zu entsenden, und ich Ihrer Bitte folgen würde, dann würden wir gegen § 92 Abs. 2 des Polizeigesetzes verstoßen. Wir alle wollen doch wirklich nicht damit anfangen, nur weil Sie glauben, dass ein Gesetz für unsere Beamten gilt, das aber für sie gar nicht gilt, auch noch Recht zu brechen, um Ihren Ideen zu folgen.

Insofern: Ihre Auffassung am Anfang teile ich vielleicht noch, dass es eines solchen Gesetzes nicht bedarf. Aber Ihre weiteren Ausführungen waren sachlich völlig fehlgeleitet. - Herzlichen Dank.

(Beifall)

Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Dann danke ich Herrn Minister Stahlknecht für die Stellungnahme der Landesregierung. - Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Erben das Wort. - Herr Erben, Sie haben das Wort.

Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Als ich vor schätzungsweise zwei Monaten zum ersten Mal von einem Landesantidiskriminierungsgesetz

hörte, war das, glaube ich, im Zusammenhang mit einer konzertierten Aktion diverser Landesvorstände der GdP, die das bundesweit aufsetzten.

Ich habe mir das Gesetz angeschaut. Schon auf den ersten Blick war mir klar, dass in diesem Gesetzentwurf, der es damals noch war, der Anspruchsgegner eines potenziellen Diskriminierten die Behörde ist und nicht der einzelne Beamte.

(Zustimmung)

Dass aber zunächst auch Gewerkschafter dieses Gesetz so falsch verstanden, spricht nicht unbedingt für die Qualität des Gesetzes. Es ist interpretationsbedürftig; das ist wahrlich der Fall. So sehr ich das Anliegen teile, dass gegen Diskriminierung durch staatliche Stellen vorgegangen wird

- und zwar egal, welche Art von Diskriminierung das ist -, so gilt jedoch auch hierbei der Grundsatz, dass nicht alles, was gut gemeint ist, auch gut gemacht ist. Das Gesetz in Berlin - darin sind sich die Innenminister jeglicher Schattierung, egal, von welcher Partei sie gestellt werden, einig - ist schlecht gemacht.

Wir müssen aber auch feststellen, es hat keine Auswirkungen auf die Polizei Sachsen-Anhalts. Ich will neben dem § 92 Abs. 2 SOG, den der Herr Minister bereits ansprach, noch eine weitere Rechtsgrundlage anführen. Wir sind an ein Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizeien des Bundes und der Länder gebunden. Aus dem können wir auch nicht einfach aussteigen. Das heißt, die Variante „Wir machen da nicht mit und entsenden in das Land X, obwohl wir die Möglichkeiten hätten, keine Polizei“ - das heißt konsequenterweise auch, aus der Finanzierungsvereinbarung der Bereitschaftspolizeien von Bund und Ländern auszusteigen - kommt für mich nicht infrage.

Schließlich und endlich hat die IMK eigentlich weise Beschlüsse gefasst. Deshalb wäre es mir das Liebste gewesen, wir hätten heute, erst recht nach dem Vortrag von Herrn Lehmann, den er vorhin hier gehalten hat, diesen Antrag abgelehnt oder uns auf einen Alternativantrag auf der Basis des IMK-Beschlusses verständigt. Beides ist leider nicht zustande gekommen. Warum das so ist, müssen Sie wahrscheinlich die nach mir folgenden Redner fragen. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Erben für den Redebeitrag. - Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Frau Quade das Wort. Frau Quade, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer in den Artikel 35 Abs. 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland schaut, der findet dort einen kurzen und im Grunde auch einfach verständlichen Satz. Er lautet:

„Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.“

Diese Festlegung des verfassungsgebenden Gesetzgebers - das vorab - lässt sich nicht mal eben so durch einen einfachen Beschluss des Landtages von Sachsen-Anhalt aussetzen. Das ist auch gut so; denn die Idee des Föderalismus und die Idee der föderalen Polizei ist gerade nicht, dass

die Innenminister wie Feudalherren entscheiden, welche Gesetze ihnen genehm sind, und danach entscheiden, welche Bündnisse sie eingehen oder nicht. Ja, man muss nach der Rede des Innenministers auch sagen, glücklicherweise machen Innenminister in diesem Land nicht die Gesetze, sondern die Parlamente.

Berlin hat mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz als erstes Bundesland Regelungen beschlossen, die das sich aus der Verfassung ergebende Diskriminierungsverbot nicht mehr nur wie im bundesweit geltenden allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz für den Bereich des Privat- und des Arbeitsrechts ausdefinieren, sondern nun auch für staatliches Handeln. Damit hat Berlin Rechtssicherheit geschaffen, indem Regelungen für jene transparent nachzulesen sind, die an sie gebunden sind, weil sie staatliche Gewalt ausüben, und für jene, die Betroffene sind, die die Regelungen schützen sollen.

Damit setzt Berlin unionsrechtliche Vorgaben aus der Richtlinie 2043 EG um, die auch in SachsenAnhalt noch auf ihre Umsetzung warten und bei denen meine Fraktion eigentlich von einer Landesregierung erwarten würde, dass sie darlegt, wie sie die Umsetzung in Sachsen-Anhalt regeln will. Davon haben wir heute nichts gehört. Das passt zu dieser Regierung.

(Zurufe)

Wenig überraschend hat sich der Antrag der AfDFraktion damit nicht auseinandergesetzt. Wenig überraschend hat er auch mit der Realität nichts zu tun. Etwaige Schadensersatzansprüche Betroffener von diskriminierenden Maßnahmen treffen das Land Berlin. Dies gilt auch für Einsatzkräfte der Polizei Sachsen-Anhalts, wenn sie in Berlin Amtshilfe leisten. Das ist schon lange bekannt und erörtert.

Was die Beweiserleichterung angeht - es ist eine Beweiserleichterung, wie sie Gerichte bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte schon bisher in solchen Verfahren praktizieren und die nun lediglich in ein Gesetz gegossen wurde -, ist dies eben keine Beweislastumkehr. Es ist die Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben. Berlin macht das, Sachsen-Anhalt nicht. Das ist das Problem.

(Zustimmung)

Bitterer Alltag für die Betroffenen ist es, dass es auch in Deutschland Diskriminierung durch staatliches Handeln gibt, dass es auch rassistische Diskriminierung durch die Polizei gibt.

(Zurufe)

Auch der Bundestagsabgeordnete Dr. Karamba Diaby von der SPD hat darauf immer wieder am

Beispiel des sogenannten Racial Profiling hingewiesen.

(Zuruf)

Das Problem ist nicht das Antidiskriminierungsgesetz Berlins, sondern erstens, dass es nötig ist, und zweitens, dass es hier kein solches Gesetz gibt.

(Beifall - Unruhe)

Nötig wären zudem eine vom Innenministerium wirklich unabhängige Beschwerdestelle Polizei, eine Dokumentationspflicht für Polizeikontrollen, ein explizites Verbot von Racial Profiling und verdachtslosen Kontrollen. Für verfassungstreue Einsatzkräfte ändert sich damit gar nichts. Sie machen einfach ihre Arbeit. Rechtsstaat ist nicht Härte, sondern die Bindung an das Gesetz. Berlin hat das geschafft; Sachsen-Anhalt sollte dem Beispiel folgen.

Den Antrag der AfD lehnen wir selbstverständlich ab.

(Beifall)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Frau Quade für den Redebeitrag. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuallererst möchte ich der rot-rot-grünen Regierungskoalition Berlins meinen Respekt bekunden. Es gibt viele wohlklingende Sonntagsreden gegen Rassismus und Diskriminierung, doch in Berlin ist man konkret geworden. Per Gesetz ist nun festgehalten, dass die Bürgerinnen und Bürger Berlins ein Recht darauf haben, von ihrer Verwaltung nicht diskriminiert zu werden. Zur Frage, warum das nötig ist, hat Frau Kollegin Quade schon ausgeführt. Damit wird Europarecht umgesetzt.

(Zuruf)