Protocol of the Session on May 8, 2020

Da das Pult bereits fertig ist, haben Sie jetzt das Wort, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit zwei Jahren ringt Sachsen-Anhalt um die Abschaffung der längst umstrittenen Straßenausbaubeiträge. Immerhin haben sich nunmehr auch die Koalitionsfraktionen geeinigt, dass diese Beiträge abgeschafft werden sollen, allerdings erst zum 1. Januar 2021.

Das bedeutet in der Praxis ein weiteres Jahr Hängepartie; denn zwischenzeitlich haben zahlreiche Städte und Gemeinden beitragspflichtige Baumaßnahmen auf Eis gelegt. Darüber hinaus hatten im letzten Jahr und Städte- und Gemeinderäte Resolutionen an den Landtag und die Landesregierung verfasst, die Beiträge zeitnah und rechtssicher abzuschaffen. Doch die notwendige

Rechtssicherheit für alle Seiten fehlt immer noch. Allein die Ankündigung, dass in der zweiten Jahreshälfte dann wohl eine gesetzliche Regelung vorliegen soll, hilft da nicht weiter.

Aber notwendige Ausbaumaßnahmen lassen sich eben nicht ewig hinausschieben. Und so werden weiter Beitragsbescheide verschickt, Beiträge vollstreckt, Widerspruchsverfahren durchgeführt usw. Das heißt: Weiterhin werden Bürgerinnen und Bürger, aber auch kleine Unternehmen mit teilweise enormen Beitragssummen belastet und an den Rand ihrer Existenz gebracht.

Weiterhin sehen sich Kommunen unter teilweise erheblichem Verwaltungsaufwand gezwungen,

einmalige oder wiederkehrende Beiträge zu kassieren, weil sie nach dem bisherigen Kommunalabgabengesetz zur Erhebung verpflichtet sind und weil auch die Spielräume bei der Anwendung der Abgabenordnung zeitlich sehr eng begrenzt sind. Und weiterhin streiten sich Bürgerinnen und Bürger mit ihren Kommunen über diese Beiträge.

Weiterhin besteht bei den Kommunen übrigens auch Unsicherheit darüber, ob die eingezogenen Beiträge überhaupt rechtens sind und ob sie im Zweifelsfall bereits eingenommene Beiträge vielleicht zurückerstatten müssen; denn welche Stichtagsregelung aufgenommen wird, ist bisher unklar. Und da, meine Damen und Herren, steckt der Teufel bekanntlich oft im Detail.

Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, einen klaren Fahrplan für die Änderung des Kommunalabgabengesetzes aufzustellen. Eigentlich sind diese Fakten allen bekannt. Wer ernsthaft Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen entlasten und ihnen Rechtssicherheit geben will, muss nun endlich handeln. Doch inzwischen spitzt sich die Situation weiter zu.

Stellen Sie sich doch nur einmal kurz vor - auch wenn es jetzt, am Freitagabend, spät ist -, Sie würden in einem relativ gering bezahlten Job in Sachsen-Anhalt - das ist gar nicht so selten - ar

beiten, müssten von heute auf morgen plötzlich in Kurzarbeit und erhalten damit Kurzarbeitergeld zu den derzeit geltenden Bedingungen. Sie müssen teilweise enorme Einkommensverluste in Kauf nehmen. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage bangen Sie um Ihren Arbeitsplatz. Sie wissen nicht, wie es weitergehen soll. Trotzdem müssen Sie natürlich sämtliche finanziellen Verbindlichkeiten weiter bedienen.

Und dann flattert Ihnen auch noch ein Beitragsbescheid ins Haus. Bemühen Sie doch mal Ihre Fantasie! Doch leider ist das kein Traum, sondern grausame Wirklichkeit für Menschen in diesem Land in der gegenwärtigen Pandemiesituation. Hier kommen weitere Menschen und auch Unternehmen an den Rand ihrer Existenz.

Deshalb erneuern wir gerade unter den verschärften sozialen Bedingungen der Pandemie unsere Forderung nach einem gemeindlichen Beitragsmoratorium. Kommunen sollen die Möglichkeit erhalten, die Erhebung der Straßenausbaubeiträge auszusetzen. Sie brauchen insbesondere jetzt Ermessenspielraum, der ihnen bisher fehlt, um Verunsicherungen auf allen Seiten und Existenzängste bei den Betroffenen abzubauen.

(Unruhe)

Frau Eisenreich, ich darf Sie mal ganz kurz unterbrechen. Ich weiß, dass Sie heute bereits recht lange getagt haben. Aber ich möchte Sie darum bitten - das ist der letzte Tagesordnungspunkt -, dass wir an dieser Stelle doch noch einmal den Geräuschpegel absenken, damit wir wirklich bald in den Feierabend gehen können. - Frau Eisenreich, Sie haben wieder das Wort.

Danke. - Während Vollstreckungen von Finanzämtern ausgesetzt oder Gerichtsverhandlungen verschoben werden, haben die Kommunen hier keine Rechtssicherheit für ein mögliches Aussetzen nach eigenem Ermessen. Da dürfte auch der Unmut der betroffenen Bürgerinnen und Bürger weiter steigen, zumal Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger in den kommunalen Verwaltungen zum Teil erheblich eingeschränkt wurden. Das versteht doch kein Mensch.

(Beifall)

Da wird festgelegt, dass Ämter aufgrund der Pandemiesituation vollständig geschlossen oder nur teilweise besetzt werden und damit nicht vollumfänglich arbeiten können. Sie erhalten die Auskunft: „Na ja, den neuen Personalausweis brauchen sie doch vorerst gar nicht.“ Aber die Ämter, die mit Beitragserhebung und mit Eintreibungen befasst sind, scheinen auf vollen Touren zu lau

fen. Mit bürgerfreundlicher Verwaltung hat das alles nichts zu tun.

(Beifall)

Hier besteht aus Sicht der Fraktion DIE LINKE dringender Handlungsbedarf. Dazu fordern wir die Landesregierung auf. Gegenwärtig wird eine ganze Reihe von Erlassen und Verordnungen in die Welt gesetzt. Schaffen Sie endlich Rechtsicherheit für Kommunen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, damit diese die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen aussetzen können.

Verhindern Sie weitere soziale Verwerfungen und Rechtsunsicherheiten. Und schaffen Sie im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Entlastung und Frieden vor Ort. - Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall)

Vielen Dank, Frau Abg. Eisenreich. Ich sehe hierzu keine Wortmeldungen. - Die Landesregierung hat ihren Verzicht angemeldet. Somit können wir in die vereinbarte Dreiminutendebatte der Fraktionen einsteigen. Die erste Debattenrednerin wird für die Fraktion der SPD Frau Abg. Schindler sein. - Sie können jetzt an das Rednerpult und haben auch gleich das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Gut, nun bedarf es wieder eines Antrages der Linksfraktion, um zu fragen, wie der Stand bei der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist. Vielleicht hätten Sie mal angefragt; dann hätten wir Ihnen das vielleicht auch gesagt.

(Zuruf)

Seit zwei Wochen - -

(Zurufe)

- Die Pandemie hat nicht dazu geführt, dass die Koalitionsfraktionen nicht arbeiten, sondern seit zwei Wochen liegt ein konkreter Gesetzentwurf in den Fraktionen zur Beratung vor, gleichzeitig auch beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. Wir werden, denke ich, auch bald zu einer positiven Entscheidung über einen Gesetzentwurf kommen, den wir dann in das Parlament einbringen werden.

Frau Eisenreich, es ist zwar immer wieder wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Situation schwierig ist. Genau deshalb erarbeiten wir ja auch den Gesetzentwurf. Aber ich sehe nicht, dass sich die Kommunen jetzt verstärkt hinsetzen und Beitragsbescheide schreiben und hinausschicken. Da, wo es notwendig ist, wird es vielleicht gemacht. Aber so, wie Sie es jetzt hier darstellen, dass letztlich die Notsituation von Bürgern extra ausgenutzt wird und noch Bescheide verschickt

werden, ist es nicht. Ich glaube, da haben unsere Gemeinden jetzt wirklich etwas anderes zu tun. - Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Frau Abg. Schindler. Auch hierzu sehe ich keine Wortmeldungen. Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Büttner. - Nun ist das Rednerpult gereinigt. Deshalb haben Sie das Wort.

Danke, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns den Antrag der Fraktion DIE LINKE angeschaut. Ich war dem Antrag gegenüber nicht negativ eingestellt.

Aber was mich wundert, liebe Fraktion DIE LINKE: Sie sollten sich tatsächlich einmal genauer überlegen, wer zu Ihrem Antrag zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge im Parlament vorträgt; denn wenn es jemand vorträgt, der die Autos eigentlich abschaffen will,

(Heiterkeit)

dann frage ich mich tatsächlich, warum Sie die Straßenausbaubeiträge abschaffen wollen, wenn Sie doch eigentlich die Straßen abschaffen wollen. Also, das passt nicht zusammen. Von daher muss ich sagen, dass Ihr Antrag etwas unglaubwürdig ist.

Trotz alledem haben wir uns darauf verständigt, dass wir Ihrem Antrag zustimmen werden,

(Zuruf: Trotz der Autos?)

weil wir der Meinung sind - -

- Ja, die Autos. Den Individualverkehr wollen Sie abschaffen. Das hat Frau Eisenreich hier mehrfach im Plenum gesagt. Auch auf Nachfrage hat sie das bestätigt. Es ist also nicht ausgedacht. Ich sage das nur, falls Sie jetzt darauf abstellen. Es ist traurig, aber es ist so.

Wir werden die ideologischen Hindernisse bei dieser Sache beiseite räumen. Wir wollen hier heute auch ein Zeichen setzen und zeigen, dass wir für den Bürger bereit sind, auch Anträgen der LINKEN zuzustimmen. Es muss aber so sein, dass dann, wenn sich dieser Antrag heute durchsetzen sollte, was wir jedoch nicht glauben, das Moratorium nicht dazu führen darf, dass eine Mehrbelastung für die Bürger entsteht, indem man dann am Ende mit den Worten „April, April!“ sagt, jetzt müssten die Bürger doch alle nachzahlen und vielleicht auch noch Zinsen zahlen, weil am Ende die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge dann doch nicht in die Gesetzgebung übernommen wird.

Das darf nicht passieren. Ich denke aber nicht, dass sich das jemand trauen wird. Deshalb werden wir, wie ich schon sagte, Ihrem Antrag heute zustimmen. - Danke.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Abg. Büttner. Auch hierzu sehe ich keine Wortmeldungen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird der Abg. Herr Meister sprechen. Bitte, Sie haben das Wort.

Danke, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist inzwischen allseits erklärtes Ziel und Beschlusslage der Fraktionen. Im Haushaltsplan haben wir dafür Vorsorge getroffen. Aktuell laufen die Arbeiten am Gesetzentwurf.

Wer sich dazu mit der Rechtsgeschichte des Kommunalabgabengesetzes und der vielfältigen Rechtsprechung dazu sowie den schwierigen politischen Fragestellungen befasst, der erahnt, dass das kein simpler Vorgang ist. Die Coronaeinschränkungen in den letzten Wochen waren dabei nicht wirklich hilfreich. Frau Schindler hat zum aktuellen Stand schon Ausführungen gemacht.

Dieses Thema während des Arbeitsprozesses hier wieder aufzurufen, ist natürlich das gute Recht des Antragstellers; richtig hilfreich ist es nicht.

In Punkt 1 des Antrages wird ein Bekenntnis zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und zur Übernahme der Einnahmeausfälle gefordert. Angesichts der Tatsache, dass wir jüngst im Landtag bereits konkrete Beträge in den Haushaltsplan eingestellt haben,

(Zustimmung)

also diese Frage sogar schon mit Gesetzesrang geregelt haben, verstehe ich den Sinn dieses Punktes, wenn man einmal von der Öffentlichkeitsarbeit absieht, nicht wirklich.