Protocol of the Session on October 16, 2015

Die Haltung der Union, Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass abzulehnen - das geht bis hin zu klaren Formulierungen im neuen Grundsatzprogramm -, ist bei uns genauso deutlich zu erkennen wie die ablehnende Haltung - ich sage es jetzt einmal so - gegenüber der linken Utopie eines Bleiberechts für alle bei offenen Grenzen. Auch

diesbezüglich sehen wir Kritik. Beides gehört zusammen.

Wenn wir hier über Sachsen-Anhalt sprechen und darüber, welche Herausforderungen in Zukunft vor uns stehen, und feststellen, dass eine Gesellschaft polyethnisch wird, dass es Menschen aus anderen Kulturkreisen gibt, die bei uns Bleiberecht haben und die wir integrieren müssen und wollen, dann gibt es eine gesellschaftspolitische Debatte darüber, wie sich diese Gesellschaft verändern, wie sie sich aufstellen und wie sie künftig aussehen soll. Aus meiner Sicht gehören Ehrenmorde aus diesem kulturellen Kontext heraus nicht zur deutschen Hausordnung.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der LIN- KEN)

Dass Sie das so aufregt, wundert mich. Das ist erstaunlich. Nur Sie dürfen das sagen. Wir nicht. Unglaublich!

Es gibt noch zwei Wortmeldungen, Kollege Gallert und Kollegin Quade.

Herr Schröder, ich mache es kurz.

Ich stehe gern hier.

Wir reden hier über das Thema „25 Jahre Sachsen-Anhalt“ und über die zentrale Herausforderung der Migration. Dabei stellen sich natürlich die Fragen: Was sind die Ankerpunkte? Was sind die Bilder, die am Ende einer solchen Debatte stehen?

Wenn wir über Migration reden, wenn wir über die Bewältigung der Flüchtlingsintegration reden, dann ist es bedenklich, zentral das Beispiel dieser häuslichen Gewalt anzuführen.

Das war nicht zentral, Herr Gallert.

Das teile ich ganz deutlich.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Zurufe von der CDU)

Wissen Sie, mit dem Begriff „Ehrenmord“ kann man sich die Situation zurechtbiegen. Aber wenn wir das tun wollen, dann müssen wir auch einen anderen symbolischen Todesfall aus der Stadt Dessau erwähnen.

(Oh! bei der CDU)

Dieser zeigt die Gefahr auf, die wir zurzeit sehen. Das ist der Todesfall des Oury Jalloh in Dessau.

(Unruhe)

Das war eine Zwischenintervention. - Damit ist jetzt Kollegin Quade an der Reihe.

Herr Schröder, Sie haben gerade gesagt, der Ehrenmord gehört nicht zur deutschen Hausordnung. Welcher Mord gehört denn Ihrer Meinung nach zur deutschen Hausordnung?

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Unruhe)

Einige Wortmeldungen entlarven sich ein Stück weit selbst.

(Beifall bei der CDU)

Das war kein zentraler Bestandteil, es war e i n Bestandteil meiner Rede. Es gibt keinen Anspruch auf Vollständigkeit bei der Nennung zu verurteilender Morde in dieser Rede. Darüber sind wir uns, denke ich, einig.

Wir haben Vorstellungen. Der Bundesinnenminister sprach von einer Anerkennungskultur. Ich habe das Wort „Leitkultur“ genommen, weil es in dem Grundsatzprogramm der Landes-CDU steht.

Wir brauchen eine Verständigung darüber, was in diesem Land nicht verhandelbar ist. Es ist mir wichtig, an einer Stelle wie dieser hier heute zu erwähnen, dass wir bestimmte Vorstellungen haben. Dazu gehört unter anderem - ich betone: unter anderem -, dass wir solche Gewalt bis hin zu Mord, der Ehre wegen oder kulturell begründet, strikt ablehnen.

(Beifall bei der CDU - Frau Bull, DIE LINKE: Das ist doch eine Binsenweisheit! - Herr Lange, DIE LINKE: Welche Morde finden Sie gut? - Unruhe)

Wenn wir uns darüber im Grundsatz einig sind, dann verstehe ich Ihre Empörung nicht.

(Beifall bei der CDU - Unruhe)

Es gibt noch eine Nachfrage, Kollege Schröder. - Kollege Striegel.

Herr Kollege Schröder, ich glaube, alle 105 Abgeordneten hier im Hause sind sich darin einig, dass

Gewalt und Mord immer ablehnenswert sind, egal von wem sie ausübt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Sie müssen sich schon fragen lassen, warum Sie in einer Debatte, in der wir 25 Jahre zurückschauen auf die Entwicklung im Land SachsenAnhalt und in der wir uns die Herausforderungen vergegenwärtigen, die in der derzeitigen Situation vor uns stehen, ausgerechnet dieses und nur dieses Beispiel anführen.

Nicht nur dieses Beispiel.

(Unruhe)

Sie müssen sich fragen lassen, ob das nicht einer Instrumentalisierung dient. Wir müssen diesen Mord ablehnen, genau wie wir ablehnen müssen und sollten, dass vor wenigen Monaten erst ein ehemaliger sachsen-anhaltischer Polizist seine Frau und dann sich selbst umgebracht hat. Diese Gewalt ist genauso schlimm.

Aber es ist falsch, hier den Versuch zu unternehmen, darauf hinzuweisen, dass das eine spezifische Gefahr wäre, die jetzt auf Sachsen-Anhalt zukommt - als solche haben Sie sie beschrieben. Das wirkt Integration zuwider.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Unruhe)

Lieber Herr Kollege Striegel, Ihre Auffassung, ich würde Morde instrumentalisieren, weise ich entschieden zurück.

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe)

Diese Debatte müssen wir uns zumuten. Der Punkt ist, dass wir weiterdenken. Natürlich ist die Landesregierung - wie auch die Bundesregierung - gegenwärtig in einer Art Krisenmodus. Es geht jetzt vor allen Dingen darum, die Menschen menschenwürdig unterzubringen, sie zu versorgen, sie über die Wintermonate aus den Zelten zu bringen; es geht um das Unterbringungskonzept. Das alles haben wir hier diskutiert. Es ist wichtig, dass das jetzt geschieht. Die Landesregierung handelt, und sie macht ihre Hausaufgaben. Als CDU-Landesfraktion unterstützen wir ausdrücklich dieses Agieren.

Aber - das ist die Integrationsfrage danach - es wird Menschen geben, die eine Bleibeperspektive haben. Es wird nicht nur die Sekundärmigration geben. Es werden auch welche unser Land wieder

verlassen, sicherlich. Aber es wird im Gegensatz zu früheren Jahren ein wesentlich höherer Anteil von Menschen bei uns im Land bleiben. Auch über den Familiennachzug und andere Dinge werden weitere zu uns kommen, die ebenfalls eine Bleibeperspektive haben.

Vor diesem Hintergrund müssen wir eine gesellschaftspolitische Debatte über die Frage führen, was wir in Sachsen-Anhalt unter Willkommenskultur verstehen, was wir unter einem weltoffenen Sachsen-Anhalt verstehen, das seine Zuwanderung letztlich auch an der Integrationsfähigkeit und am eigenen Bedarf ausrichtet. Das ist dann wohl der Dissens.

Dass wir eine aufnehmende Gesellschaft haben, die sich auch selbst ihrer Werte vergewissern muss, einen gewissen Verfassungspatriotismus lebt - das sind Dinge, die eine Rolle spielen.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Wir wollen deutlich machen - das war nicht ein zentraler Bestandteil der Rede, aber es gehört auch dazu, das zu sagen -: Wenn wir ein solches beklagenswertes aktuelles Beispiel haben, dann müssen wir an der Stelle sagen: Das soll dauerhaft nicht zu Sachsen-Anhalt gehören, auch nicht in den kommenden 25 Jahren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Damit schließen wir die Aussprache zur Regierungserklärung ab. Der Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kurz etwas zum Durchatmen: Heute Morgen auf der Herfahrt hörte ich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wie ein zwölfjähriger Hallenser gefragt wurde, was er denn im Unterricht über Luthers Sprache und Rhetorik gelernt habe. Er gab die klare Antwort, man müsse laut und deutlich sprechen und Kritik aus dem Publikum ertragen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)