Protocol of the Session on July 2, 2015

Als aber dann zwei Stimmen fehlten, um den Gesetzentwurf zu überweisen, war man schadenfroh und hat bei der zweiten Lesung verkündet: Damit ist das Thema beendet. Also, meine Damen und Herren, die Diskussionsprozesse gibt es. - Lieber Kollege Thomas, ich weiß, dass Sie gleich voller Freude darauf reagieren werden.

Deshalb ist unser Vorstoß, einen Anschub zu leisten, dass wir über das Kammerwesen insgesamt diskutieren. Sie haben die Dinge benannt. Ich glaube, in allen Kammern geht es um die Frage der Mitgliedschaft. Es geht aber auch um andere Dinge.

Ich will einige Beispiele nennen, die wir in unserem Antrag formuliert haben: die Ausgestaltung der Kernaufgaben der Kammern als Dienstleistungsunternehmen ihrer Mitgliedsfirmen - das ist ein sehr hehrer Anspruch. Hierbei wird ohne Zweifel auch sehr viel getan, aber nicht als wirtschaftliche Konkurrenz. Das hat Kollege Meister deutlich artikuliert.

Wir sagen das aus gutem Grund. Gerade das IHKBildungszentrum in Halle-Dessau hat eine unrühmliche Rolle gespielt, die Mitgliedsunternehmen mit bestimmten Aufträgen so zu versehen, dass sie durchaus eine echte Konkurrenz sind.

Das sind die Fragen der öffentlichen Transparenz und Kontrolle. Das sind die Fragen der Zwangsmitgliedschaft. Natürlich. Ich habe das Diskussionsangebot der beiden Kammern so verstanden: Man kann darüber reden, sie haben ihre Position und ihre Auffassung. Aber wenn es darum geht, in Deutschland das einmal generell zu diskutieren, könnte man sich diesen Diskussionen stellen.

Wenn man eine Zwangsmitgliedschaft vereinbart, muss man unter Umständen akzeptieren, dass die Unternehmen, die sich dort organisieren, unterschiedliche politische Interessen vertreten. Des

halb legen wir großen Wert auf das Thema der politischen Neutralität der Kammern im Auftreten.

Natürlich kann man sie - wie Frau Dr. Pähle sagte - als geneigte Interessenvertreter betrachten. Sie können uns auch bestimmte Hinweise geben. Aber sie haben die politische Neutralität zu wahren. Das sollte noch einmal diskutiert werden.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Interessenvertretung der Arbeitgeber. Ich habe mit Interesse das Schreiben der Industrie- und Handelskammern Halle-Dessau und Magdeburg zur Kenntnis genommen, in dem sie nach Gesprächen mit Kollegen Erdmenger mit Vehemenz darauf verwiesen haben, dass es ihnen gesetzlich verboten ist, überhaupt Arbeitnehmerinteressen zu berücksichtigen.

Ich habe mir den § 1 Abs. 5 angeschaut. Es ist den Industrie- und Handelskammern nicht erlaubt, sozialpolitische oder arbeitsrechtliche Interessen zu vertreten. Das hat aber mit Mitbestimmung im Unternehmen, mit Arbeitnehmerinteressen im allgemeinen Sinn nichts zu tun.

Wie man sich diesen Fragen öffnet, zeigen Beispiele. Die Arbeitnehmerkammern in Bremen oder im Saarland funktionieren auf ähnliche Art und Weise. Das sind die Dinge, über die gemeinsam einmal diskutiert werden sollte.

Auf der einen Seite organisiert man zwar bei den Unternehmerinnen und Unternehmern den Zwang, aber auf der anderen Seite sagt man bei den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer: Organisiert euch einmal freiwillig in Gewerkschaften. Die werden das mit euch gemeinsam diskutieren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Deshalb unser Antrag, eine Bundesratsinitiative zu starten, den Reformprozess im deutschen Kammerwesen fortzusetzen, die Rechtsetzung entsprechend zu aktualisieren. Wir werden sehen, was die anderen Länder diesbezüglich tun werden.

Es ist interessant, dass das Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich Ende des Jahres in einem Anhörungsverfahren ein Grundsatzurteil fällen wird, was die Entwicklung bei den Industrie- und Handelskammern betrifft. Es wäre auch deshalb wünschenswert, weil das ursprüngliche IHK-Gesetz von 1956 immer noch den Namen „Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern“ trägt. Vielleicht kann man es einmal zur endgültigen Regelung der Befugnisse der Industrie- und Handelskammern machen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Kollege Thiel. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Thomas. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, wir sind Zeuge eines Frontalangriffes der GRÜNEN auf die Kammern im Land Sachsen-Anhalt und darüber hinaus. Ich will Ihnen sagen, Herr Kollege Meister, ich hätte Ihnen sogar zugestimmt.

(Zuruf von Herrn Meister, GRÜNE)

Allerdings kommen Sie 25 Jahre zu spät; denn vor 25 Jahren, als ich mein erstes Unternehmen gegründet habe, war die erste Post, die ich im Briefkasten hatte, ein Schreiben für genau diese Mitgliedschaft in einer Kammer. Damals hatte ich noch keinen Euro verdient. Ich habe nicht verstanden, warum ich für etwas Geld bezahlen soll, wovon ich möglicherweise nichts habe.

25 Jahre später denke ich vollkommen anders darüber, weil ich genau weiß, wie sich die Kammern für die Interessen der Unternehmen einsetzen. Deshalb sage ich Ihnen: Ihre Argumente werden nicht besser, wenn Sie sie immer wieder wiederholen.

Meine Damen und Herren! Es wundert mich gelegentlich, wenn die Vertreter der GRÜNEN den Fachkräftemangel gebetsmühlenartig beklagen, das duale deutsche Ausbildungssystem loben und den deutschen Mittelstand als großartigen Arbeitsplatzmotor würdigen. Das steht aber im krassen Gegensatz zu dem, was Sie in Ihrem Antrag fordern; denn Ausbildung, Qualifizierung, Qualität, hohe Standards, Sachverständige, Gutachter, Beratungsleistungen sind Themen, die ohne die Kammern überhaupt nicht leistbar wären. Das wissen Sie genauso gut wie ich.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie wissen auch genauso gut wie ich, dass die Kammern Selbstverwaltungsorgane sind. Daher ist über die Vollversammlung und den Vorstand sichergestellt, dass die Entscheidungen durch Praktiker im Sinne der Mitgliedsunternehmen getroffen werden.

Die Mitgliedsunternehmen sind hierzulande aufgrund unserer Wirtschaftsstruktur überwiegend kleine und mittlere Unternehmen. Viele Unternehmer sind nicht in der Lage, sich über ihre unternehmerische Tätigkeit hinaus für ihren Berufsstand einzubringen, gerade im Gespräch mit der Politik, gerade wenn es um Gesetzesvorhaben geht.

Ich will Ihnen das einmal an einigen Zahlen am Beispiel der Handwerkskammer Magdeburg zeigen. Wir haben 30 000 Mitgliedsunternehmen, davon 40 % Solo-Selbständige und nur 4 % der Unternehmen haben mehr als 50 Beschäftigte. Wie will ein Solo-Selbständiger über sein Unternehmen hinaus für sich Lobbyarbeit betreiben? - Das wird ihm schwer möglich sein.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Einsicht bekommen und nicht wie ich dafür 25 Jahre brauchen. Vielleicht gelingt Ihnen das etwas schneller. Ich drücke Ihnen die Daumen dafür.

Meine Damen und Herren! Ebenso wichtig - das haben wir schon gehört - ist, dass diese Pflichtmitgliedschaft garantiert, dass alle Mitglieder die gleichen Rechte und das gleiche Stimmgewicht haben; denn es war bei der Gründung der Kammern sehr wichtig, dass alle gleichberechtigt in den Kammern vertreten sind. Deshalb ist es wichtig - da die Pflichtmitgliedschaft dazu dient, die objektiven Gesamtinteressen des Handwerks zu wahren -, dass sie gleichberechtigt sind.

Dies gilt im Übrigen auch für unsere beiden Industrie- und Handelskammern; denn auch sie erfüllen vielfältige hoheitliche Aufgaben. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren von den GRÜNEN, blenden Sie offenbar einfach aus.

Als Selbstverwaltungsorgane erfüllen Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern zahlreiche Aufgaben, die ihnen vom Staat bewusst übertragen worden sind. Das sind Aufgaben wie die Organisation der Berufsausbildung, Prüfungen, das Führen der Handwerks- und Lehrlingsrolle, die Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen oder die Rechtsaufsichten über die vielfältigen Handwerks- und Gewerbeorganisationen.

Die Kammern - das darf man an dieser Stelle mit Fug und Recht sagen - haben diese Aufgaben stets in hoher Qualität und mit hoher Effizienz erfüllt. Dafür gilt ihnen unser herzlicher Dank,

(Zustimmung bei der CDU)

aber auch die Feststellung, dass eine Rückübertragung an den Staat das heutige Qualitätsniveau eher infrage stellt. Warum also diese Motivation der GRÜNEN, heute diesen Antrag zu stellen? Ich finde, das reiht sich wirtschaftspolitisch genauso ein wie der Umstand, dass sie verantwortlich sind für unfertige Straßen und Autobahnen, für hohe Energiepreise

(Herr Hoffmann, DIE LINKE: Oh! - Wider- spruch bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

und darüber hinaus auch für Bürgerinitiativen vor Ort, die den Unternehmen das Leben schwermachen und die Wirtschaft im Land behindern.

(Zustimmung bei der CDU)

Im Übrigen will ich noch darauf verweisen, weil ich dem Ende meiner Redezeit entgegensehen muss, dass bereits heute viele kleine Unternehmen nur den Grundbeitrag zahlen.

Die Kammern haben schon vor Jahren Beitragsanpassungen zugunsten der Mitgliedsfirmen vorgenommen. Es gibt sogar vielfältige Ausnahmen

für Existenzgründer oder Unternehmen in besonderen Situationen. Trotzdem haben auch diese Unternehmen solidarisch Anspruch auf kostenfreie Dienstleistungen und Serviceleistungen der Kammern.

Ich möchte seitens meiner Fraktion den Kammern Dank für die von Ihnen geleistete Arbeit sagen. Der Wiederaufbau der ostdeutschen Wirtschaft, gerade in Sachsen-Anhalt, wäre ohne sie undenkbar gewesen.

(Zustimmung bei der CDU)

Viele Länder - Sie sprachen von internationaler Isolierung, Herr Meister; das haben Sie in Ihrem Redebeitrag gesagt - beneiden uns um die duale Berufsausbildung und um unser Kammerwesen.

Es gibt aus der Sicht der CDU keinen Grund, auf Bewährtes zu verzichten. Wir möchten die Kammern weiterhin als Ratgeber und auch als Impulsgeber für uns im politischen Geschäft an unserer Seite wissen.

Deswegen wird es Sie nicht verwundern - das habe ich Ihnen heute Morgen schon angekündigt -, dass wir Ihren Antrag leider, aber mit ruhigem Gewissen ablehnen werden. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herr Thomas, es gibt eine Nachfrage des Kollegen Gallert. Möchten Sie diese beantworten?

Sehr gern.

Herr Thomas, ich neige immer noch zu der alten Haltung, dass eine inhaltliche Positionierung oder Wertung auch mit Information und Substanz untersetzt werden müsste.

Sie haben jetzt noch einmal ein allgemeines Urteil über die GRÜNEN und ihren wirtschaftspolitischen Ansatz dargestellt. Dann müsste jetzt sozusagen nachweisbar sein, dass sich überall dort, wo die GRÜNEN an der Regierung sind, die Wirtschaft schlechter entwickelt als woanders. Haben Sie derartige Statistiken? Haben Sie Vergleiche, die Ihre Bewertung belegen?

Kollege Gallert, zunächst danke ich Ihnen für die Fragen und dass Sie noch einmal daran erinnert haben, dass Sie auch noch im Raum sind. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die GRÜNEN viele Wirtschaftsvorhaben - dafür muss ich nicht in die Welt schauen; ich kann in Sachsen-Anhalt bleiben - behindern und unsere Wirtschaft nicht vor

anbringen, sondern tatsächlich in ihrem Dasein behindern.